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Ein mehrseitiger Prospekt des Reiseunternehmers RSD („Reiseservice Deutschland“) fiel aus der Zeitschrift Titanic. Unter der Schirmherrschaft von niemand geringerem als dem TV-Journalisten Dieter Kronzucker warb das Unternehmen für eine Studienreise von Istanbul bis runter nach Antalya. Im Reisepreis eingeschlossen wären Flug, Transfer, Busreise, Reiseführer, sieben Übernachtungen und eben so viele Frühstücke. Ich schreibe den Preis jetzt nochmal hier hin: Der ganze Spaß sollte nur NEUNUNDNEUNZIG Euro kosten! Da fragt sich doch jeder: Wie soll das denn gehen? Die Antwort vorab: Es geht natürlich nicht. Es geht ganz und gar nicht. Es ist um ein Vielfaches teurer, aber dennoch als preiswert und vor allem „den Preis wert“ zu bezeichnen.
Doch der Reihe nach. Nachdem sich Dagmar sofort bereit erklärt hatte, mit mir diese Reise zu testen, habe ich bei „RSD“ angerufen. „Guten Tag, werter Titanic-Leser. Was kann ich für Sie tun?“ Angesichts der Aussicht, sieben Tage mit intelligenten Satire-Liebhabern und derer geschliffenen Konversationen zu verbringen, bat ich um zwei Plätze für je 99.- Euro. Nun stellte sich zunächst mal heraus, dass die 99.- Euro-Plätze „leider, leider“ schon ausverkauft seien. Frei waren nur noch diverse Termine, die für mich sehr ungünstig lagen und auch deutlich teurer waren. Je fortschreitender Kalenderwoche erhöhte sich nämlich der Preis ein wenig. Außerdem gab es Zuschläge auf bestimmte Termine und Abflughäfen. Um meine Arbeit nicht zu sehr im Stich zu lassen, wählte ich die Woche über Ostern (von Mittwoch bis Mittwoch). Die kostete jetzt schon 330.- Euro, was aber angesichts der zu erwartenden Leistungen immer noch als günstig zu bezeichnen war.
Die Reiseunterlagen kamen wenige Tage vor Beginn der Reise. Es machte mich zwar ein wenig stutzig, dass die RSD-Werbung nun auch im Spiegel erschien, aber das war ja aus intellektueller Sicht kein Manko. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass der Prospekt aus so ziemlich jeder regelmäßigen deutschen Publikation fiel, einschließlich jeder besseren Hundezüchterzeitung, wäre ich vielleicht noch abgesprungen. So aber: Mut wird belohnt! 330.- Euro für die oben erwähnten Leistungen ist absolut unschlagbar, selbst in der Wintersaison.
Und der Winter spielte uns ja in diesem Jahr wirklich übel mit. Minus zwei Grad waren es, als wir von unsrem Freund Eddie morgens um fünf abgeholt wurden, um uns zum Flughafen bringen zu lassen. Danke nochmals für diese heroische Leistung!
Um pünktlich 7:45 Uhr stieg der Airbus A 320 auf. Das ganze Flugzeug war von RSD gechartert worden, so dass wir schon mal zwei Stunden Zeit hatten, uns unsere künftigen Gesprächspartner näher anzusehen. Vielleicht lag´s am frühen Morgen, vielleicht an meiner fehlenden Sensibilität, aber Titanic-Leser konnte ich beim besten Willen nicht ausmachen. Oder sie hatten sich sehr gut verstellt.In Istanbul wurden wir dann auf sechs verschiedene Busse aufgeteilt. „Aha“, dachte ich mir, „die Zuordnung der Passagiere findet erst jetzt statt.“Tat sie aber nicht. Vielleicht waren wir im falschen Bus oder es war kein einziger Titanic-Leser auf den Prospekt hereingefallen. Da man sich das Alter eines Satireblatt-Lesers nicht sonderlich gut vorstellen kann (lesen junge Leute überhaupt noch?), fand ich es nicht befremdlich, dass fast alle Mitreisenden der Generation 60+ angehörten. Gerade mal zwei Teenies fielen in dem Graukopfgewirr positiv auf. Wir die wohl hier reingeraten waren? Erschreckend auch die hohe Anzahl an Studienräten, die sofort an Cordhose (Mann) oder praktischer grauer Kurzhaarfrisur (Frau) zu erkennen waren. Immerhin hatten wir – dank einheitlicher Osterferien – viele deutsche Zungen an Bord: aus Franken, aus Schwaben, aus Saarbrücken und aus Hessen natürlich. Hochdeutsch sprach so gut wie niemand.Doch, der Reiseleiter. Der sprach ein ausgesprochen gutes Deutsch. Hatte er in der Schule gelernt. Außerdem war er mit seinem Vater des Öfteren in Deutschland. TUNC hieß er, wobei man sich bei dem „C“ einen kleinen Haken unten dran denken muss, sodass man seinen Vornamen wie „Tunsch“ ausspricht. Der Nachname ist in der Türkei nur für Behörden von Interesse. Tunsch (ich schreibe ihn jetzt weiter so, um nicht zu verwirren und weil ich das Sonderzeichen auf meinem Laptop nicht finden kann…) zählte uns ab (insgesamt bis zum Ende der Reise gefühlte tausend Mal) und stellte sich vor. Ein typischer türkischer Macho – das war der erste Eindruck. Glatze, dicke Silberringe, sehr teure und modische Kleidung, exquisite Accessoires, dicke Tätowierung am Unterarm, ein Gang wie ein Seemann und ober-ober-ober-ober-cool. Optisch sah er ein bisschen aus wir der kleine Bruder vom Kölner Tatortkommissar Schenk. Als Türsteher würde er sich auch perfekt machen.Aber – wie so oft täuscht der erste Eindruck: Der Mann war gebildet, hatte Germanistik studiert und dann aus pekuniären Gründen in den Tourismus gewechselt. Was man ihm hoch anrechnen musste: Er hat uns die Türkei aus einer sehr westlichen Sicht vorgestellt, die den meisten Deutschen eher unbekannt sein dürfte. Die Vorstellung der meisten Deutschen resultiert aus durchaus oft grenzwertigen Erlebnissen mit türkischen Gastarbeitern. Die Türkei – jedenfalls, das, was wir gesehen haben -, ist eine hochmoderne Nation mit sehr demokratischen Ansichten. Auch wenn die derzeitige Regierung innerhalb der zehn Jahre, in denen sie jetzt regiert hat, versucht, der Bevölkerung eine konservativere Ansicht aufzudrücken, so werden diese vom Volk nicht umgesetzt oder anerkannt. Zumindest in den Großstädten (und den Tourismuszentren) läuft keine Frau mit Kopftuch rum. Das Gejaule aus den Lautsprechern der Moscheen blendet unser Gehirn schnell weg – außer morgens um halb fünf. Ist mir eh ein Rätsel, wer da schon aufsteht, um zu beten…Tunsch erklärte also im Bus den Reiseverlauf. Dann sprach er davon, dass es ratsam wäre, ein oder zwei Zusatzprogramme zu buchen, um wirklich in den vollen Genuss der Reise zu kommen. Denn wie wir ja wussten, waren bisher das Mittag- und Abendessen nicht im Preis enthalten. Um nun wenigstens das Mittagessen zu erhalten, sollten wir die Bosporus-Flussfahrt mit buchen. Das wäre ohnehin sehr empfehlenswert, weil aufgrund der Verkehrssituation in Istanbul die Busfahrt sonst drei bis vier Stunden dauern könnte. Also gut, warum nicht. 150.- Euro für sieben Mittagessen und eine Flussfahrt ist da ein fairer Preis. Ach ja, wenn man auch die Eintrittskarten zu den ganzen Sehenswürdigkeiten haben möchte, sollte man das Zusatzpaket zwei wählen, das außerdem acht Abendessen enthielt. 158.- Euro. Wer beide Pakete nimmt, zahlt 258.- Euro. Gebongt. Wie man eine Studienreise durchstehen soll, ohne Eintritt zu den Sehenswürdigkeiten zu haben, hat sich mir allerdings nicht ganz erschlossen. Aus den 99.- Euro waren jetzt schon 588.- Euro geworden.Tunsch verkaufte die Zusatzpakete so routiniert, dass absolut alle den Zusatzkosten zustimmten.Der Bus legte an der Bosporus-Brücke an und wir bestiegen eins der üblichen Ausflugsschiffe. Abreise war erst, als alle sechs Busse angekommen waren und die insgesamt 200 Passagiere einen Platz gefunden hatten. Inzwischen war es ca. 14.00 Uhr nachmittags und wir hatten gewaltigen Hunger. Um so dankbarer waren wir, dass Bedienstete des Schiffes warmes Käsebrot und Tee austeilten. Während Tunsch uns die Stadt erklärte, kamen wir ins Gespräch mit einem pensionierten Studienrat, der seine Landkarten aus dem ersten Gipskrieg mitgebracht hatte und von uns wissen wollte, wo jetzt eigentlich das „Goldene Horn“ sei? Google-Maps konnte das Problem schnell lösen. Die kleine Auskunft (und ein paar Mails) veranlassten die Deutsche Telekom allerdings, mich darauf hinzuweisen, dass mein Datenvolumen mittlerweile auf 40.- Euro angewachsen sei. Erschrocken stellte ich mein iPhone ab. Die Käsebrötchen und der Tee kosteten zu allem Überfluss dann auch noch 11.- Euro. Ein paar Mutige, die am helllichten Tag bereits RAKI in sich reinschütteten, mussten noch einiges mehr zahlen. Nun war uns klar, dass unsere beiden Zusatzpakete erst am Abend im Hotel beginnen würden.
Und das war einfach toll. Das Hotel. Nur unsere Gruppe wurde hier eingecheckt. Keine weiteren Gäste. Ein kleines Stadthotel namens Listana hat uns mit dem Tag und den ganzen Zusatzkosten versöhnt. Tolles Zimmer, WLAN so schnell wie bei mir zu Hause, wunderbares Essen (serviert, kein Büffet!) und sehr freundliches Personal. Nur die Getränke gingen (natürlich) extra. Wir saßen an einem eigenen Tisch, die anderen vorsichtig belauernd. Wie ein Titanic-Leser sah da niemand aus. Der Herr Kronzucker hatte sich auch bisher noch nicht vorgestellt.Am nächsten Tag wurden wir um halb sechs geweckt. Und das sollte so in etwa jeden Tag die Zeit sein, an der man uns aus dem Bett schmiss.Ich erspare es mir jetzt, die ganzen touristischen Höhepunkte aufzuzählen, die wir nun jeden Tag zu sehen bekamen. Zum einen habe ich die meisten Namen schon wieder vergessen, zum anderen interessiert das jetzt nicht in diesem Blog. Man kann das wunderbar bei Wikipedia nachlesen oder Dagmar fragen. Wie immer, hat sie jedes Detail für immer gespeichert. Nur so ein paar Stichworte: Wir waren Troia (das Troianische Pferd hatte leider gerade eine Auszeit in der Werkstatt), wir haben den Taurus überquert, Antalya besichtigt und eine Unmenge kaputter Steine bestaunt. Das Fazit ist entscheidend: Es hat alles unglaublich gut funktioniert! Die Hotels hatten 4 oder 5 Sterne, das Essen war lecker, gesund und ausgewogen. Die Frühstücksbüffets waren ein Traum. Alle, ich betone ALLE Menschen um uns herum waren immer sehr freundlich und hilfsbereit. Tunsch verkürzte uns die teilweise längeren Fahrzeiten mit sehr unterhaltenden Geschichten. Besonders gelacht haben wir über seine Schilderung des türkischen Alltags.Die Frau steht sehr früh auf und räumt die Wohnung auf. Vielleicht waren am Vorabend Gäste da oder man hat etwas Raki getrunken. Dann weckt sie die Kinder, wäscht sie, macht ihnen Frühstück und sorgt dafür, dass sie in die Schule kommen. Nun darf auch ihr Mann aufstehen. Sie reicht ihm das Handtuch beim Waschen und lässt ihn in Ruhe frühstücken. Dann kümmert sie sich um ihren Haushalt, während der Mann ins Kaffee geht, um zu philosophieren. Das heißt, er liest die aktuellen Zeitungen und tauscht mit seinen Freunden Meinungen aus. Dazu trinkt man ein paar Tassen Tee, raucht die eine oder andere Zigarette und geht dann zum Mittagessen nach Hause. Der Nachmittag gestaltet sich ähnlich. Das soll nun nicht heißen, dass der Mann nichts zu tun hat. Er entscheidet die wirklich wichtigen Dinge, also welche Partei gewählt wird oder welches Fernsehprogramm man sieht.Dieser Vortrag – mit der tiefen und abgeklärten Stimme unseres Reiseleiters – kam besonders gut an. Wir kennen inzwischen seine ganze Familiengeschichte. Seine erste Frau war wohl zu emanzipiert, die zweite ist gerade noch so akzeptabel (was ihre Emanzipation betrifft). Als wir in Antalya ankamen, haben wir sie sogar gesehen: Eine sehr schöne Frau mit kleinem Baby. O-Ton Tunsch: „Es ist zwar ein Mädchen, aber heutzutage ist es doch die Hauptsache, dass es gesund ist. Man denkt inzwischen anders in der Türkei.“ Aja.Unser letztes Hotel in Belek (nähe Side) stand vor zwei Jahren noch ganz allein in der Landschaft. Inzwischen hat das 2000-Betten-Monstrum eine Menge Konkurrenz zu erwarten. Rings herum wird gehämmert und gebaut, dass es ein Graus ist. Unser Fünf-Sterne-Hotel hat sich den Namen redlich verdient, was Unterbringung und Essen betrifft. Am letzten Tag haben wir jede übrige Mark hier in irgendwelche T-Shirts oder Handtaschen gesteckt. Natürlich nur, um den Einzelhandel zu stützen.Bei drei anderen Pflichtbesuchen waren wir aber standhaft. Tunsch hatte uns schon mehrfach darauf hingewiesen, dass man eine solche Reise zu diesem Preis, die bei „Studiosus“ oder „Dr. Tigges“ nicht unter 3500.- Euro zu bekommen ist, ein paar Abstriche machen muss. Abstriche nicht hinsichtlich der Unterbringung, des Essens oder der Reiseleitung. Es handelt sich um dieselben Busse (Mercedes, Baujahr 2003), dieselben Reiseleiter und auch dieselben Hotels. Billiger wird es, weil die Hotels oft auf die Übernachtungskosten verzichten, um ihr Hotel im Winter nicht schließen zu müssen. Da bringen die Getränke das Geld. Es wird billiger, weil das Kulturministerium ein paar Euro dazugibt, um die Angestellten in den Hotels zu halten und es wird billiger, weil der RSD die Touristen zu den verhassten Verkaufsshows karren muss. Da geht es um Leder, Gold oder natürlich Teppiche. Jeder Verkaufsstop kostet Zeit. Allein die Teppichshow hat uns drei Stunden unserer Lebenszeit gekostet. Es war wirklich eine Verkaufsshow allerbester Güte. Kein Hollywoodregisseur hätte das besser hinbekommen. Wie bei einem Feuerwerk rollten die Mitarbeiter Dutzende von Teppichen aller Größen, Farben und Designs auf. Der Vortrag des charismatischen Chefs brachte uns fast dazu, über einen neuen Teppich nachzudenken. Damit hätten wir Arbeitsplätze auf dem Land gesichert und der Landflucht entgegengewirkt. Die Knüpferinnen sind nämlich wie bei einer Aktiengesellschaft am Umsatz beteiligt. Ich habe trotzdem keinen Teppich gekauft, auch wenn mein Facebook-Eintrag zu diesem Thema den Schluss nahelegen könnte, dass ich zukünftig meine Toiletten mit Seidenteppichen auslegen werde. Schlimm war dagegen die Lederverkaufsshow am nächsten Tag. Man wollte den Eindruck erwecken, dass die Jacken und Mäntel in diesem Hause hergestellt würden, dabei handelte es sich lediglich um eine Verkaufsagentur. Eine Jacke, die anfangs 1600.- Euro kosten sollte, landete am Schluss bei 400.- Euro. Wir soll man bei einem solchen Preisverfall innerhalb kürzester Zeit noch Vertrauen in diese Firma haben? Bei der ähnlich funktionierenden Gold & Silber-Verarsche haben wir uns gleich ausgeklinkt, weil ich mich mit ein bisschen Fieber rausreden konnte.Tja, erkältet waren wir wohl alle. In Deutschland – 2 Grad, in Antalya 25 Grad. Zwischendurch diverse Klimaanlagen und viele hustende und niesende Menschen.Kurz vor der Abreise ein weiterer Grund, warum die Kosten so günstig waren: Wecken um Mitternacht, Abfahrt zum Flughafen um 1.00 Uhr, Abflug um 4.05 Uhr.Unser Fazit: Wenn man ein paar Abstriche macht und sich nicht zu fein ist, auch mit Menschen aus weniger intellektuellen Kreisen umzugehen, ist diese Reise ein durchaus akzeptables Angebot.
Kuba – Auf den Spuren von Che Guevara
Ich habe kein Internet!
Ich habe kein Internet!
Ich habe kein Internet!
Und egal, wie oft ich das jetzt noch hier hin schreibe – es wird sich nichts daran ändern. Die nächsten beiden Wochen bin ich definitiv von der Außenwelt abgeschnitten.
Schluss mit „Facebook“; weder „Skype“ noch „What´s upp“; keine Sonderangebote von Pearl, GroupOn oder Conrad electronic, nicht einmal die Frankfurter Rundschau gibt’s zum Frühstück. Und wer weiß, ob es die überhaupt noch gibt, wenn ich aus Kuba zurückkomme.
Wie konnte das passieren?
Es fing damit an, dass Dagmar und ich beschlossen, zum Jahreswechsel nach Kuba zu fliegen. Silvester mit dem Buena Vista Social Club, Cuba libre bis zum Abwinken, 30 Grad im Schatten und feinstes karibisches Essen.
Neckermann machte es möglich – und so flogen wir am 29.12.2012 mit Condor nonstop nach Varadero. Dort wollten wir aber gar nicht hin, aber nach Havanna gab es leider keinen Flieger mehr. Also haben wir uns nach 11,5 Stunden Flug noch weitere zweieinhalb Stunden in einen Minibus gezwängt, dessen Federn schon vor langer Zeit ausgebaut worden sein mussten. Gegen Mitternacht (Ortszeit, was ziemlich genau sechs Uhr morgens zuhause entspricht) erreichten wir unser Hotel „DEAUVILLE“. Ein 15 Stockwerke hoher Kasten direkt am Atlantik, der ob seiner blauen Farbe und der doch sehr schmalen Grundfläche von weitem zu sehen ist. Es war Samstag Nacht und die Bude brummte. Disco im Haus, Bar überfüllt, junge Mädels auf der Suche nach dem Mr. Right, Touristen auf der Suche nach der Miss Night. Und ich war müde! (Und ohnehin längst aus dem Rennen…)
Blick aus dem siebenten Stock auf den Atlantik
Das Hotel muss direkt nach der Eröffnung sehr schön gewesen sein. Seitdem sind allerdings ein paar Jahrzehnte vergangen und nicht nur der Lack ist abgeblättert. Unser Zimmer liegt im siebten Stock, aber der Fahrstuhl öffnet sich nur im sechsten oder achten Stock. Der siebte klemmt. Nun gut, damit kann man leben. Auch, dass unsere Badezimmertür aufgrund eines fehlenden Schlosses nicht zu schließen ist und infolge irgendwelcher Schwerkraftgesetze stattdessen immer wieder handbreit aufgeht, gehört zu den Unwägbarkeiten des Alltags in Kuba. Schwerer wiegt dann schon, dass man uns kein warmes Wasser gönnt, obwohl auf einem Schild vor heißen 50 Grad gewarnt wird. Definitiv kein Hotel für Warmduscher. Dafür wird man mit einem geilen Blick über die Küste belohnt. Ein wilder, peitschender Ozean tut sein bestes, die letzten noch stehenden Prachtbauten mit seinem Salzwasser zu zersetzen. Ungefähr jedes dritte Gebäude droht zusammenzufallen. Es wäre vermutlich schon lange kein einziger Bau mehr übrig, wenn die Regierung nicht mit vielen Hilfsgeldern aus der ganzen Welt (natürlich außer den USA) versuchen, würde, den Verfall aufzuhalten.
Da Dagmar und ich sich selbst sehr dem Verfall nähern, machen wir erstmal die Augen zu und pennen sieben Stunden am Stück.
DER ERSTE TAG
Somit stehen wir um sieben wieder auf. Draußen ist es recht bewölkt und sehr windig. Daran wird sich den ganzen Tag nichts ändern. Die 30 Grad, mit der meine Wetter-APP geprahlt hat, sind eine glatte Lüge. 18-20 Grad sind es höchstens, und das auch nur in der Sonne. Im Schatten pfeift der Wind so kalt, dass es einen fröstelt.
Wir ziehen uns ein für kubanische Verhältnisse sehr umfangreiches Frühstück rein, trinken dazu einen schrecklichen Kaffee und machen uns dann auf die Suche nach einer Geldwechselstube. Es ist Sonntag, by the way. Brav folgen wir der Wegbeschreibung der Dame an der Rezeption, finden aber weit und breit keine Wechselstube. Auffällig ist, dass kaum Autos auf den Straßen unterwegs sind. Und wenn doch, sind rund ein Drittel davon bekanntlich schon 50-60 Jahre alt und kommen aus den USA. Ein weiteres Drittel sind russische Ladas aus allen Jahrzehnten. Das letzte Drittel – die etwas neueren Wagen sind meist Taxen oder Mietwagen und von Hyundai, Peugeot und VW. Vor unseren Augen platzt einem dieser Uralt-Karossen (so schön sie auch aussehen, so kaputt sind sie leider) ein Reifen. Auf der Felge rutscht die Karre rund 50 Meter weit, bis sie stehen bleibt. Die Fahrgäste steigen kreidebleich aus und suchen das Weite. Der Chauffeur wird ´ne Weile brauchen, ein Ersatzrad samt Reparatur der Hinterachse zu organisieren.
Was außerdem sofort auffällt: Es gibt keine Werbeplakate! Keine Coca-Cola-Werbung, keine rauchenden Cowboys, keine Werbung für irgendwas. Keinerlei Leuchtreklame oder zuckende Neonschilder. Höchstens ab und zu ein paar kluge Worte von Che oder Fidel, aber auch die muss man mit der Lupe suchen.
Da ich ja schon mal in Kuba war, finde ich auf Anhieb die Altstadt wieder, also den Teil der kubanischen Hauptstadt, für den es vor allem sich lohnt, die Stadt zu besuchen. Im Zentrum, an der großen Kathedrale, tummeln sich schon die ersten Touristen sowie die fein rausgeputzten Darsteller kubanischer Großgrundbesitzer, die sich gerne gegen Kohle ablichten lassen. Alle haben dicke Zigarren im Mund, selbst die Frauen. Mich wundert allerdings, dass diese Zigarren gar keinen Rauch absondern, obwohl sie so aussehen, als wären sie angezündet. Wahrscheinlich sind sie aus Holz.
Wir haben Durst, aber kein Geld. Die angekündigte Wechselstube haben wir wohl übersehen und die Banken haben sonntags geschlossen. Also fragen wir in einem der vielen Hotels, die sich in der Altstadt befinden, ob man uns Geld wechseln könnte. Die Antwort ist ein glattes nein, aber genau gegenüber wäre doch eine Wechselstube. Und dann fällt es uns wie Schuppen aus den Haaren: Der Menschenauflauf gegenüber sind gar keine Touristen, sondern Wechselkunden, oder wie man das nennen soll…
Die Schlange vor dem offiziellen Wechselbüro ist gut 20 Meter lang, wird aber relativ schnell abgearbeitet. Zum Wechseln der Euroscheine muss man als Tourist einen Pass vorzeigen (eine Fotokopie wie in unserem Fall reicht allerdings auch). Dann wird sorgfältig notiert, wie viel Geld der wohlfeile Herr Ehrhardt und die ebenso wohlfeile Frau Glenk denn nun eingewechselt bekommen haben.
Das mit dem Geld ist in Kuba ein bisschen komplizierter als im Rest der Welt. Kuba ist eigentlich ein sehr armes Land. Und wenn man den Touristen das Leben genau so günstig anbieten würde wie es das Einkommen des gemeinen Kubaners zulassen würde, wäre Kuba von Schmarotzern längst aufgefressen worden. Also hat man eine zweite Währung eingeführt, die (eigentlich) nur für Touristen gilt. Sie heißt CUC, und ist genau 24 mal mehr wert als der einheimische kubanische Dollar (CUB). So rennt also jeder Kubaner alle paar Tage zur Bank und tauscht seine inzwischen „verdienten“ CUCs in CUBs. Im Gegensatz zum Touristen bekommt er seine Lebensmittel nur auf Schein, dafür aber eben sehr günstig. Angeblich muss kein Kubaner hungern. Steuern zahlt er auch keine und sein Haus oder seine Wohnung hat ihm der Staat geschenkt! Alle verdienen mehr oder weniger gleich viel (oder gleich wenig), was in der Realität zu einer großen Zufriedenheit der Mehrzahl der Bewohner geführt haben soll. Nun kann man ja denken, dass jeder Kubaner, der auf irgendeine Weise an die CUCs kommt, dafür 24 mal so viele CUBs bekommt und demnach förmlich im Geld schwimmen müsste. Tatsächlich bezahlt er aber dafür, irgendein kleines Geschäft führen zu dürfen, gründliche Lizenzgebühren an den Staat. Ein Zimmervermieter muss beispielsweise pro Zimmer 150.- CUCs Lizenz pro Monat zahlen – egal, ob jemand in seine Datsche einzieht oder nicht. Und der Kneipier zahlt nicht nur viel höhere Lizenzen, sondern auch den Einkauf der teuren Spirituosen, die ihm die Touris dann wegtrinken. Für CUBs bekommt er nichts Gescheites. Es ist also alles so ähnlich wie in der ehemaligen DDR. Nur gegen die entsprechende Währung bekommt man alles. Eine Menge ökonomischer Neuerungen, die Fidel Castros Bruder Raoul eingeführt hat, ermöglichen den Kubanern inzwischen also kleinere Geschäfte auf eigene Kasse. 225 Berufe dürfen die Kubaner inzwischen auf eigene Rechnung ausüben. Vom Friseur bis zum Taxifahrer. Bis Ende 2014 will die Regierung 200.000 Bürger „verselbstständigen“. Es geht aufwärts, heißt es. Mal sehen, ob wir das verifizieren können. Für die Kubaner stirbt die Hoffnung zuletzt.
| Der Zahn der Zeit nagt langsam am Eingemachten |
Durch Zufall haben wir die Hauptstraße der Altstadt gefunden und taumeln ziellos in und her. Im „CAFÉ PARIS“ dann endlich ein richtiger Kaffee. Ein leckerer Capuccino bringt uns wieder auf die Beine. Eine halbe Stunde später entdecken wir vor dem „CAPITOL“, das ist eine Kopie des amerikanischen Original-Capitols von Cubas früherem Menschenschinder „BATISTE“, einen offenen Doppeldeckerbus. Für gerade mal 5 CUCs dürfen wir damit den ganzen Tag durch die Gegend fahren und uns Havanna von allen Seiten ansehen. Das machen wir natürlich und klappern Viertel für Viertel die Stadt ab. An der Küstenstraße werden wir leider oft nass gespritzt, weil die Wellen inzwischen einen Gang zugelegt haben und bis in den ersten Stock unseres Busses spritzen. Wir sehen traumhafte Wohnviertel, größtenteils renoviert oder zumindest bewohnt, sehen aber auch viele zerbröselte Bauwerke, deren Wiederaufbau Unsummen verschlingen wird. Die Unesco mit Ihrem Weltkulturerbe arbeitet ja daran, Kuba wieder auf Vordermann zu bringen, was die Bausubstanz angeht. Kuba hat übrigens rund 11 Miliionen Einwohner, von denen rund 2,3 Millionen alleine in Havanna leben. Wir sehen den riesigen Friedhof mit seinen Tausenden von Mausoleen und Grabsteinen, wir bewundern das Delfinarium mit seinem Wasserpark, wir staunen über so eine Art „Platz der Republik“, der wohl für politische Kundgebungen gedacht ist und von politischen Bauten umzäunt ist, von dessen Hauswänden abstrakte Metallprofile der beiden Übermenschen Che Guevara und Fidel Castro prangen.
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| Fidel aus Metall |
Aus lauter Bequemlichkeit steigen wir nie aus, obwohl es sich bei dem Bus um so eine Art „Hop On – Hop Off“ – Bus nach westlichem Vorbild handelt. Immer wenn wir in die Küstennähe kommen, wird es eisekalt und dere Wind zerzaust uns die Frisuren. Nur selten scheint uns die Sonne auf den Schädel. Zum Glück, muss man sagen, haben wir doch beide nach der Tour einen gehörigen Sonnenbrand im Gesicht. Irgendwo hört die Tour unvermittelt auf – wir sollen bitte einen anderen Bus besteigen. Da wir bisher noch nicht einmal ein Ticket bekommen haben, würde dies bedeuten, im neuen Bus erneut zahlen zu müssen. Das wollen wir nicht und laufen dann doch lieber noch mal durch die Hauptstraße der „Vieja“, der Altstadt. Durch das systematische Erkunden der Stadt mit dem offenen Doppeldecker haben wir jetzt auch einen ziemlich guten Plan der Metropole im Kopf. Nach weiteren gefühlten 20 Kilometern Fußmarsch (OK, es waren höchstens zwei Kilometer…) halten wir dann doch so eine amerikanische Kiste an, die uns schnell und einigermaßen komfortabel ins Hotel bringt. Auf die Frage nach den Fahrtkosten überlässt uns der Fahrer, den Preis selbst festzulegen. Ich biete ihm drei CUCs und er bedankt sich überschwänglich. Dass er uns damit eher verhöhnt hat, merken wir erst im Lauf der Tage, da die Fahrt mit dem Amischlitten in der Regel um die zehn CUCs kostet. Daggi ist ziemlich groggy und legt sich kurz aufs Ohr, während ich mich an den Pool setze, einen Cuba Libre schlürfe und die ersten Seiten dieses Blogs schreibe.
Später erkundige ich mich in einem kleinen Büro über der Rezeption unseres Hotels, was man denn so an Touren buchen könnte. Und schon überredet mich die Dame, heute Abend zunächst einmal zu einem Konzert vom „Bueno Vista Social Club“ zu gehen, für lausige 30 CUCs pro Person. Sogar der Enkel des Gruppenbosses wäre dabei sowie eine Menge anderer Superstars dieser einschlägigen Musikrichtung. Beginn 21.45 Uhr im Havanna Rum Museum irgendwo im Hafen.
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| Schöne Plätze findet man in der ganzen Stadt |
Ich bin so aufgekratzt, dass ich Dagmar wieder aus dem Schlaf reiße und ihr die Neuigkeiten erzähle. Dem Mädel geht es gar nicht sonderlich gut. Obwohl wir den ganzen Tag Bus gefahren sind, hat sie Zug abgekriegt. Aber das verlockende Abendprogramm bringt sie dann doch dazu, wieder auf die Beine zu kommen. Also wieder mit dem Taxi in die Altstadt, ins „CAFÉ PARIS“ und dort fürstlich zu Abend gegessen. War zumindest der Plan. Leider war die Musik extrem laut und das Essen extrem schlecht. Wir hätten Nudeln oder Pizza bestellen sollen, die sahen ganz ordentlich aus, aber meine Fleischplatte mit undefinierbaren Fleischfetzen längst verstorbener Haustiere wäre dann doch eher für die Fütterung derselben als zu meiner leiblichen Erbauung geeignet gewesen.
Weil es so voll war, platzierte uns der Kellner ein Pärchen aus deutschen Landen, sogar aus Frankfurt an den Tisch. Frankfurt an der Oder allerdings, wie wir schnell am Dialekt gemerkt haben. Die beiden hatten über Weihnachten ihre Tochter besucht, die hier in Kuba wohl ein paar Monate zu leben gedachte. Die beiden waren recht sympathisch und wir hatten dann zwei Stunden lang eine nette Unterhaltung, wenn sie sich auch eher schreiend als sprechend vollzog. Die Band war wirklich sehr laut.
Kurz vor neun mussten wir uns dann verabschieden, um noch einen guten Platz im „Museum des Kubanischen Rums“ zu ergattern. Auch hier blieb uns nur eine Taxifahrt übrig. Je später der Abend, desto teurer wurde übrigens auch das Taxi.
Das Museum entpuppte sich als grandiose alte Villa im spanischen Stil mit einer tollen Einrichtung. Wir bekamen zwei recht ordentliche Plätze zugeteilt und durften zur Begrüßung jeder einen „Mojito“ verputzen. Pünktlich um 21.45 Uhr begann das Spektakel, das auch ganz wunderbar war mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass es sich leider nicht um den Original Buena Vista Social Club mit seinen vielen Hundertjährigen handelte, sondern „nur“ um den Enkel eines der ehemaligen Mitglieder, der ein paar Jungs und Mädels zur Unterstützung mitgebracht hatte. Der Stimmung tat das keinen Abbruch, diverse Mojitos brachten die Besucher zum Mitklatschen und Mittanzen. Sogar Zigarren wurden unentgeltlich verteilt. Ich Depp habe dankend abgelehnt, weil ich ja Nichtraucher bin. Dagmar, ebenfalls nicht (mehr) qualmabhängig, hat sich die Zigarre mitgenommen und wird demnächst irgendeinen Bekannten damit erfreuen. Knapp zwei Stunden lang wurden wir vortrefflichst beschallt, dann wurde es Zeit, nach Hause zu fahren. Das Taxi sollte plötzlich 10 CUCs kosten, obwohl das ganze Auto höchstens noch 9 CUCs wert war. Da sind wir doch lieber ein paar Meter gelaufen und sind dann mit einem anderen Taxi, das trotz seiner 30-jährigen Geschichte noch nie eine Werkstatt gesehen haben konnte, für nur 5 CUCs nach Hause gefahren.
Das Wasser war immer noch kalt, das Klopapier alle und die hauseigene Disco machte durch bis morgen früh. Egal, schön war´s doch.
DER ZWEITE TAG
Der zweite Tag in Havanna, aber schon der dritte Tag ohne Internet. Außerdem klappt das mit der SMS bei meinem Handy nicht. Ich kann zwar SMS empfangen, aber nicht versenden. Weiß der Geier, wo die Jungs bei Apple da wieder einen kleinen Schalter versteckt haben, dessen Funktion einem nicht einleuchtet. Ach ja, mein Plan, mit einem alten iPhone 4, das nicht mehr mit der Telekom „verheiratet“ ist und einer kostengünstigen SIM-Karte zu sozialistischen Brüderpreisen zu kommunizieren, ist leider auch geplatzt. In Kuba gibt es keine Mini-SIMS. Die SIMS, die es gibt, darf man nicht zerschneiden, weil man sie zurückgeben muss. Außerdem ist Telefonieren sauteuer. Pro Tag sechs CUCs plus die normalen Telefonkosten, die bei Transatlantikgesprächen schnell einen (kubanischen) Monatslohn ausmachen. Die Telekomiker verlangen „nur“ 2,88 Euro pro angefangener Minute für abgehende und 1,78 Euro für eingehende Ferngespräche. In meinem eMail-Fach müssten jetzt schätzungsweise 400 Mails liegen, davon 350 SPAMs und 50 Jahreswechselwünsche. Alle, die sich gewundert haben, warum ich ihre Wünsche so permanent unbeantwortet gelassen habe, wissen jetzt also, warum.
Um neun erscheinen wir im Frühstücksraum. Viele andere leider auch. Wir müssen warten, bis ein Tisch frei wird. Danach buchen wir eine erste Tour für den kommenden Mittwoch und laufen zu Fuß ins Stadtzentrum. Dagmar geht es zwar wieder etwas besser, dafür kann sie aber nicht mehr reden. Stimme weg. Böse Zungen werden jetzt behaupten, da solle man doch dankbar sein und mich um mein Glück beneiden, aber das wäre doch etwas kurz gedacht. Irgendwie fehlt mir ihr Geplapper. Sie kann jedenfalls so gut wie gar nicht mehr reden und muss ihre Stimme schonen. Das weckt natürlich den Beschützerinstinkt in mir.
Wir bummeln also stadteinwärts auf einer Straße, die Touristen üblicherweise nicht zu sehen bekommen. Hier sind die Preise nicht in CUCs, sondern in CUBs angegeben. Die Gebäude sind leider auch alle ziemlich baufällig, die Straßenbeläge und Bürgersteige brüchig und es ist sehr wenig Farbe im Spiel. Wenn man sich die Häuser genauer ansieht, kann man ahnen, welche Prachtbauten das früher waren, aber viel ist davon derzeit wenig zu sehen.
Wir wollen eigentlich das „CAPITOL“ besichtigen, aber da wird derzeit gebastelt, so dass wir enttäuscht wieder Richtung Altstadt laufen. Plötzlich werden wir von der Seite von einem jungen Pärchen angequatscht. Wie es uns geht, woher wir kämen, wie wir Havanna fänden – die ganze Litanei. Dagmar ist ein sehr höflicher Mensch und hat bereitwillig alle Fragen krächzend beantwortet. Ich bin noch sehr zurückhaltend – man liest ja immer wieder, wohin so was führt. Ausraubung, Folter, Vergewaltigung, Tod auf einer Müllhalde.
Nun, die beiden sind zugegebenermaßen sehr nett und sympathisch und überreden uns, irgendein Tanzlokal anzusehen, in dem Rumba oder Salsa oder beides getanzt würde (was mich übrigens nicht im geringsten interessiert). Das Lokal – rund 200 m entfernt, ist natürlich geschlossen, aber gaaanz zufällig ist eine gaaanz tolle Kneipe direkt nebenan, in die uns die beiden auf einen – alkoholfreien! – Mojito einladen. Wir kommen also ins Gespräch. Er ist Koch in einer Grundschule, sie ist Kindergärtnerin. Beide verdienen so etwa 350 CUBS im Monat. Etwa 15 CUCs sind das – oder elfeinhalb Euro. Im Monat! Das Essen ist umsonst und rationiert, die Wohnung wurde ihnen vom Staat geschenkt, das Wort Steuern kennen sie nicht. Aber 350 CUBs reichen natürlich vorne und hinten nicht. Das Mädel bittet Dagmar, mit ihr zusammen Milchpulver für ihren kleinen Jungen zu kaufen, weil die Zuteilungsmenge dem Kind einfach nicht ausreicht. Das Pulver gibt es aber nur gegen CUCs, die sie nicht hat. Daggi hilft ihr natürlich und ist im Nu 24 CUCs los. Dafür hat das Kind jetzt wochenlang zu trinken. Ihr Freund oder Mann bittet mich zum Glück nicht, ihm ein iPhone oder ein Auto zu schenken. Aus Dankbarkeit, so günstig weggekommen zu sein, zahle ich natürlich die Gesamtrechnung. 44 CUCs haben die beiden alkoholfreien Runden Mojito gekostet, da cucste!
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| Ein nettes Paar |
Ich will nicht diskutieren und zahle den Wucher. Wahrscheinlich macht der junge Mann mit dem Wirt halbe halbe. Egal, war ein nettes und informatives Gespräch über die Schattenseiten des Sozialismus. Und die Gefahr, dass uns die beiden in Deutschland besuchen kommen, jetzt, da Raoul Castro die Reisefreiheit angekündigt hat, ist auch nicht besonders groß. Allein für das Flugticket müssten die beiden rund 10 Jahre sparen, ohne auch nur einen einzigen CUB ihres Gehaltes auszugeben. Fairerweise muss gesagt werden, dass uns die beiden offensichtlich in ihr Herz geschlossen haben, denn wir beide werden innig umarmt, als wir uns dann vor der Kneipe von ihnen verabschiedeten. Und wer weiß, vielleicht sehen wir sie ja wieder: Das Mädel hat Dagmar eine Liste besonders schöner Kneipen, Restaurants und Sehenswürdigkeiten aufgeschrieben, die wir wahrscheinlich auch noch abklappern werden.
Die vielen ungeplanten Ausgaben haben unseren CUC-Bestand schneller schmelzen lassen als wir das vorhatten. Also bleibt uns nichts anderes übrig als uns wieder in die Schlange vorm Geldwechselinstitut einzureihen. Leider ist die diesmal bedeutend länger. Eine Stunde und vierzig Minuten brauchen wir, um unsere paar Euros in die konvertible Landeswährung umzutauschen! Um viertel vor drei bekommen wir dann endlich unser Mittagessen, aus unerfindlichen Gründen sind wir wieder im „CAFÉ PARIS“ gelandet. Ich will Spaghetti, aber die sind alle. Daggi will eine bestimmte Pizza, aber die gibt es auch nicht mehr. Außerdem spielt eine neue Band am laufenden Band kubanische Guantanameras. Ein Taxi bringt uns ins Hotel, wo wir einen großen Batzen des Geldes gleich wieder für eine weitere Tour am Donnerstag und Freitag ausgeben. Im Moment ruht die Dame des Hauses und ich sitze bei einem Bier am Pool und tippe diese Zeilen.
Heute ist Sylvester und wir wollen ja noch was erleben! Wir haben nichts fest gebucht. Der Plan lautet: Rumziehen, zugucken, zuhören, trinken, lachen und das neue Jahr begrüßen. Wie´s wirklich war, schreibe ich dann morgen…
SILVESTER
So gegen 19 Uhr ziehen wir los. Erstaunlicherweise steht kein Taxi vor der Tür, nur ein sogenanntes „Coco“, eine von diesen Plastik-Minikisten mit Nähmaschinen-Motörchen, die beim leisesten Windstoß umfallen. Unser Reiseführer „Marco Polo“ hat uns die Nutzung dieser Organspenderkutschen nicht empfohlen – also nehmen wir mal wieder den Fußweg in die Altstadt. Wir gehen durch eine für uns neue Straße, die offensichtlich für die einheimische Bevölkerung gedacht ist. Günstige Kleidergeschäfte, kleine Cafes und selbst komplette Kaufhäuser säumen die Straßenränder. Dafür nagt leider überall der Zahn der Zeit. Auch hier sieht alles aus, als würde es jeden Moment vor unseren Augen zerbröseln. Ich mache ein paar Fotos von der Elektroinstallation in den Häusern, bei deren Anblick jeder gelernte Elektriker augenblicklich in Ohnmacht fallen dürfte, so wild wird hier kreuz und quer – ohne jede Isolierung oder Abdeckung – frei verkabelt. Die meisten Steckdosen haben 110 Volt, nur neuere Bauten bieten schon 220 Volt an. Für unsere Handy-Netzteile ist dies von untergeordneter Bedeutung, da deren Schaltnetzteile immer automatisch die richtige Spannung und Stromstärke zur Verfügung stellen, die zum Laden der Geräte benötigt werden. Nur mit dem Fön haut es leider nicht hin. Der lässt sich nicht auf 110 Volt umstellen und pustet daher nur mit halber Kraft durch mein schütteres Haar. Na ja, dann passt es ja wieder.
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| Die sehen schöner aus als sie fahren |
Kurz vorm „CAPITOL“ versucht ein Pärchen mal wieder, den Trick des Vormittags bei uns anzuwenden. Aber wir sind ja nun gewarnt und können uns der „Empfehlungen“ der Touristenjäger erwehren und die beiden schnell abschütteln. Da es noch etwas zu früh für das Abendessen ist, versuchen wir, im Cafe „FLORIDATA“ einen Drink zu bekommen. Das ist das wohl berühmteste Cafe der Altstadt, weil sich dort ein gewisser Ernest Hemmingway regelmäßig die Kanne gegeben hat. Aber leider kommen wir nicht rein, da das Lokal heute nur für Essensgäste geöffnet ist. Also weiter. In der uns nun schon sehr vertrauten Hauptstraße des Viertels finden wir auch bald ein sehr schönes Lokal, das für 20 CUCs ein umfangreiches Silvestermenü anbietet. Es gibt einen Willkommenscocktail, ein Süppchen, Fleisch – oder Fischbatzen, Nachtisch und Cafe. Wir trinken Mojitos und Bier. Schnell füllt sich das Lokal und genauso schnell steigt die Lautstärke um uns herum an. Wenn es in Havanna eine Regel für erfolgreiche Gastronomie gibt, dann lautet sie: je lauter, desto besser. Wenn um einen herum nicht mindestens die Lautstärke eines startenden Jumbojets herrscht, fühlt sich der Kubaner nicht wohl. So auch hier. War schon die Musik aus den quäkenden Lautsprecherboxen eine Zumutung, wird es mit dem Aufspielen der obligatorischen Band zur Qual. Leider haben die Jungs auch einen Querflötenspieler dabei, dessen Gefiepse jeden Tinnitus in den Schatten stellt. An Unterhaltung ist nicht mehr zu denken. OK, Dagmar kann ja sowieso nicht mehr reden. Jeder Versuch einer Äußerung wird mit starken Halsschmerzen bestraft.
Wenigstens gibt´s was für´s Auge: eine 1:1-Kopie der unsterblichen Romy Schneider taucht zusammen mit ein paar Freunden auf, um ebenfalls hier zu feiern. Das hübsche Wesen flirtet mit den Musikern, dass es schon fast peinlich ist. Sie tanzt mit der Band, in der Band, vor der Band und reißt ihre ganzen Kumpels und viele andere Touristen mit. Ein kurzes Video von ihr stelle ich demnächst mal ins Internet. Inzwischen ist es zehn und wir wechseln das Lokal. Auch hier ist es so laut, dass wir nicht lange bleiben. Im dritten Lokal (bei weiteren Mojitos) halten wir es auch nur eine halbe Stunde aus. Das Touristenviertel ist am Überquellen. Vor der Kathedrale soll ein großes Spektakel stattfinden. Da der Eintritt (samt Silvestermenü)130.- CUCs betragen hätte, haben wir davon Abstand genommen. Aber jetzt, so kurz vor Mitternacht, wollen wir versuchen, einen Blick auf die Tänzerinnen und Tänzer zu werfen. Leider ist es nicht möglich, da die Veranstalter den Platz ringsum hermetisch abgeriegelt haben. Durch einen Schlitz kann man wenigstens von der Seite ein paar Sekunden lang zusehen, was da auf der Bühne gezeigt wird. Es ist definitiv keine 130.- CUCs wert. Also ab in die „LE BODEGUITA DEL MEDIO“ – den anderen Ort in Havanna, den Ernest Hemingway mit seinem regelmäßigen Besuch veredelt hat. Aber auch hier drin ist es so laut und überfüllt, dass wir nach wenigen Minuten das Weite suchen. Plötzlich entdecken wir ein Restaurant, das wir bisher noch nicht gesehen haben. An der Bar sind noch Plätze frei, die Musik ist erträglich und der Mojito schmeckt vorzüglich. Auch hier tritt nach ganz kurzer Zeit wieder eine Band auf. Diese drei Herren haben aber einiges mehr drauf als die meisten Bands, die wir bisher anhören mussten. Fairerweise lassen sie „Guantamera“ weg und bekommen dafür auch ein dickes Trinkgeld.
| Getanzt wird immer, überall. |
Mitternacht naht. Die Wirtin bereitet bereits Drinks für alle Essensgäste vor, zu denen wir ja nicht gehören. Also bestelle ich nochmals zwei Mojito und gehe mit Dagmar vor die Tür, um den Jahreswechsel abzuwarten (In Deutschland ist es übrigens bereits sechs Uhr morgens). Um Punkt zwölf hören wir 12 Kanonenschüsse im Abstand von etwa zwei Sekunden. Weintrauben werden nicht gereicht – diesen Brauch scheint es nur in Spanien zu geben. Wir stoßen miteinander an, sonst mit niemandem. Wir sind allein in der Fremde. Im Lokal läuft eine Art Neujahresvideoclip mit Fidel persönlich. Er hält keine Rede, sondern ist nur in vereinzelten Filmausschnitten zu sehen, die alle schon sehr alt sein müssen. Der Sprecher beschwört dazu den Sozialismus, lobt die Revolution und dankt Fidel. Che und Raoul Castro für ihre Unterstützung. Die Umstehenden klatschen in die Hände und weinen hemmungslos. Ich habe auch Tränen in den Augen. Die Macht der Medien ist immer wieder eindrucksvoll.
Was nun?
Da wir niemanden kennen, Dagmar nur noch krächzt und wir beide keine Lust auf weitere fünf Stunden Krach mit Mojito haben, beschließen wir, den Abend zu beenden. Gleich das erste Taxi, das wir sehen, ist frei und fährt uns ins Hotel zurück. Es ist ein Chevrolet, der im selben Jahr gebaut wurde, in dem Dagmar zur Welt kam. Man muss fairerweise sagen, dass Dagmar bedeutend besser in Schuss ist als der Chevrolet, ihr Fahrgestell niemals klappert und bei ihr auch nirgendwo der Lack abplatzt. Außerdem verbraucht Dagmar bedeutend weniger Sprit. Obwohl – da bin ich mir jetzt nicht ganz so sicher…
Jedenfalls trinkt Dagmar an der Bar noch ein Bier; ich schaffe kein Getränk mehr. Nicht aus Gründen übermäßigen Alkoholgenusses, sondern weil die viele Säure der Mojitos meinen Magen einfach überreizt hat.
Das war Silvester, brav wie selten.
NEUJAHR
Wir hatten uns vorgenommen, den Tag mal so richtig ruhig anzugehen. Also spät aufstehen, schön frühstücken und dann einfach ein bisschen rumzubummeln. Dagmar legte sich nach dem Frühstück noch einmal hin und schlief bis Mittag durch. Ich nutzte die Zeit, um doch noch einmal eine Internetverbindung zu bekommen. Im Hotel gab es zwar vier Rechner, mit denen man theoretisch ins Internet kommen könnte, aber entweder waren die besetzt, defekt oder es gab keinen Zugang. Heute am ersten Januar war es anders. Die Rechner waren frei, es gab eine Codekarte für 6 CUCs für eine Stunde Verbindungszeit. Die Hälfte davon verbrauchte ich, um überhaupt auf mein Mailkonto zu kommen. Dort waren inzwischen ca. 180 Mails eingetroffen, also deutlich weniger als befürchtet. Das Anzeigen einer Mail dauerte ca. 30 Sekunden, Antworten abschicken doppelt solange. Manchmal blieb das Ding aber auch einfach stehen und es passierte nichts mehr. Das Löschen mehrerer Mails auf einmal führte ständig zu Fehlermeldungen. Außerdem war die Maus kaputt. Nach einer Stunde hatte ich gerade mal fünf Mails gelesen und beantwortet. Raoul, ich schreibe es hier noch einmal deutlich: da besteht Handlungsbedarf! So schön Kuba ist, ohne Internet fühlt man sich hier wie im letzten Jahrhundert.
Ich ging frustriert ins Hotelzimmer, wo Dagmar sich gerade ausgehfein gemacht hatte, wir wollten ja noch ein bisschen rumbummeln.
Es wurde dann doch wieder ein Fußmarathon. Wir liefen die Küstenstraße, die sogenannte „MALECON“, westwärts so weit wir konnten. Dann links ab in Richtung Zentrum. In einem großen Hotel, das ich noch von meinem letzten Kuba-Aufenthalt kannte, speisten wir zu Mittag. Dann weiter zu Fuß durch die Stadt. War irgendwie nicht sonderlich prickelnd, da heute nicht nur Neujahr war, sondern auch ein nationaler Feiertag. Das bedeutete, dass nahezu alle Geschäfte geschlossen und alle Einheimischen zuhause waren oder auf der Straße rumstanden. Also doch wieder ins Touristenviertel in der Altstadt! Da der Weg dorthin zu Fuß nun doch ziemlich lang war, nahmen wir ein menschliches Taxi, also ein Fahrrad mit Fahrer, der uns bis zum „CAPITOL“ strampelte.
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| Taxi mit 1 MS (=Menschenstärke) |
Der Mann kam ganz schön ins Schwitzen, was ihm aber nicht geschadet hat, denn wie so viele Kubaner hatte er eine Menge Speck zuviel am Körper. Ich weiß, wer im Schlachthaus sitzt, sollte nicht mit Schweinen werfen, aber es muss doch mal gesagt werden: Vor allem Havannas Damen scheinen sich ausschließlich von Zucker und Fett zu ernähren. Je dunkler die Hautfarbe, desto schwerer der Körper. Damit man das Gewicht auch schön sehen kann, schmücken sich die dicken Damen mit hautengen knallbunten Klamotten, die aber auch jede Speckfalte schön zur Geltung bringen. Vor allem Netztstrümpfe mit rausquellenden Fettpolstern scheinen kubanische Männer glücklich zu machen. Und die Rocklängen verkürzen sich analog zum Umfang der Trägerin. Je fetter, desto kürzer. Ich hoffe, dass wir in Deutschland vor dieser Mode verschont werden.
Klar, es gibt auch sehr viele sehr schlanke Mädchen. Vor allem die ganz jungen, so bis 18, 19 Jahren haben noch ihre Traummaße. Das sind auch die, die in unserem Hotel jeden Abend die Discothek aufsuchen, um sich dort bei ein paar Longdrinks in Exstase zu tanzen. Dabei tragen sie Schuhe, die eigentlich dem Kriegswaffengesetz unterstehen müssten. Stilettos mit meterlangen Absätzen und Klumpschuhe, auf denen beim besten Willen kein Mensch jemals grazil laufen kann. Die Musik unterscheidet sich übrigens kaum von der üblichen Musikmatsche, die wir auch bei uns im Radio derzeit angeboten bekommen, nur eben auf spanisch. Vielleicht kommt noch ein Abend, an dem ich angetrunken genug bin, mich in unsere Discothek mal selbst reinzutrauen…
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| Der Strom liegt über der Straße |
Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, wir waren wieder in der Altstadt. Heute hat man uns ins „FLORIDATA“ eingelassen. Das Lokal Hemmingways, wie schon erwähnt. Der Meister persönlich saß an der Theke. Nein, das geht ja nicht – der hier war aus Messing, sah aber absolut lebensecht aus. Viele Touristen ließen sich mit ihm fotografieren. Wir schlürften zwei Daikiri – der übrigens hier erfunden wurde – und ertrugen wie üblich die Band, den CD-Verkauf und „Guantamera“.
Weiter im Programm:
Zum xsten Male bummelten wir durch „unsere“ Straße, immer wieder was Neues entdeckend. Die Wechselstube war selbst heute geöffnet und die Schlange davor nur wenige Meter lang. Am „PLACE DE LAS ARMAS“ war wieder der kleine Flohmarkt aufgebaut und wir hatten Zeit und Muße, uns diesen etwas genauer anzuschauen. Unter anderem sah ich einen Stand mit alten Uhren. Richtige, teure, goldene Uhren aus den 1930er bis 1960er Jahren. Lauter bekannte französische Namen und alle intakt. Nun gut, die Vergoldung war nicht immer perfekt, die Ziffernblätter vergilbt und die Armbänder fehlten komplett, aber ich war sicher, dass hier wahre Schätze zu finden waren. Eine „Baume & Mercier“ hatte es mir besonders angetan. 200 CUCs oder 160.- Euro sollte das gute Stück kosten. Ich habe allerdings keine Ahnung, was eine Restaurierung des Antiquariats kosten würde. Daggi fand einen Comic über die Revolution mit lauter Sammelbildchen drin für 10.- CUCs als Faksimile oder 80 CUCs im Original, natürlich vollständig. Unser Freund Micky Waue, ein passionierter Sammler von Plakaten, Comics und Blechschildern, würde sich keinen Meter von diesem Flohmarkt entfernen, bevor er ihn nicht restlos leergekauft hätte.
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| Mal sehen, wie lange das Stück aus den 40er Jahren noch läuft… |
Wir aber vertagten einen eventuellen Kauf und zogen weiter. Am Hafen tranken wir noch einen Kaffee und auf dem Platz der Kathedrale noch einen lieblos gemixten Drink. Dann war es schon wieder Zeit für das Abendessen. Eigentlich wollten wir ja am Hafen in ein schönes, sehr günstiges Fischrestaurant gehen, aber auf dem Weg dorthin entdeckten wir einen Italiener, der trotz dezenter musikalischer Live-Unterhaltung sehr einladend aussah. Bis auf den Cesar´s Salad, der eine einzige Matsche war, waren sowohl Essen als auch der Wein vom Feinsten. Satt und zufrieden fuhren wir mit dem Taxi ins Hotel. Morgen sollte unser erste Tour beginnen.
DER VIERTE TAG – VIÑALES
Das iPhone weckte uns um sechs Uhr dreißig. Wenigstens EINE Funktion, die das Gerät hier noch ausüben konnte. Internet gibts ja nicht. Die eiskalte Dusche vertrieb mir schnell die letzte Müdigkeit. Sieben Uhr Frühstück, sieben Uhr dreißig Abholung vor dem Hotel. So war zumindest der Plan. Tatsächlich kam unsere Reiseleitung erst kurz vor acht und es dauerte noch eine weitere Stunde, bis wir endlich den Bus mit Touristen vollgepackt hatten. Insgesamt musste der Chauffeur 15 Hotels anfahren, um die Leute zusammenzuklauben. Viñales liegt ganz im Westen Kubas und bietet vor allem eins: Natur pur. Aber es gab noch mehr zu sehen. Zunächst fuhren wir durch die westlichen Randbezirke Havannas mit seinen wunderbaren Wohnbezirken. Zum einen die „Marina“-Gegend. Schöne, intakte kleine Villen mit viel Grün – das Wohngebiet der Besserverdienenden. Noch besser dann das sich anschließende Diplomatenviertel. Die Villen schon ein ganzes Stück größer und die Grundstücke geradezu verschwenderisch groß. Kuba unterhält diplomatische Beziehungen zu rund 100 Staaten. Da ist man gerne Diplomat.
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| Die Geschichte der Menschheit auf Stein |
Auf dem Weg zum Ziel besuchten wir auch noch eine kleine Rumfabrik. Mit Verköstigung. So früh hatte aber kaum einer Lust auf Alkohol. Also weiter. Wir besuchten das Naturdenkmal „Loz Jamines“, an dem ein berühmter Maler in den sechziger Jahren die Geschichte der Menschheit auf eine große Felsfläche gemalt hat. Für Details verweise ich wie immer auf die einschlägige Literatur, die den Umfang dieses Blogs sprengen würde.
Dann kamen wir nach Viñales. Ein hübscher Ort mit noch mehr Natur sowie freilaufenden Rindern und Pferden. Und schon waren wir wieder raus aus dem Ort. Das nächste Ziel war ein Farmer, der uns erklärte, wie man Zigarren dreht. Tabak ist ja so ziemlich der bekannteste Exportartikel Kubas und daher war es schon recht interessant, wie so eine „Havanna“ entsteht. Zunächst wird der Samen in einem kleinen Feld eingesäht. Das passiert im November. Etwa im März sind die Pflanzen ca. 30 Zentimeter hoch und werden in ein größeres Feld umgesetzt, wo sie im Abstand von 50cm bis zu ihrer vollen Größe, ca. 1,30m., aufwachsen. Dann werden sie gepflückt und ewig lange getrocknet. Dafür haben die Farmer spezielle Hütten, die mit Palmblättern bedeckt sind. Und in einer solchen Hütte standen wir nun rum und sahen zu, wie der Farmer ein getrocknetes Tabakblatt zu einer Zigarre drehte und diese dann sogar anzündete und reihum gehen ließ. Schon aus hygienischen Gründen haben wir da nicht mitgemacht. Anschließend führte uns der Farmer in sein angebliches Wohnzimmer, wo wir ein Käffchen aufs Haus trinken durften und Daggi eine Zehnerpackung Zigarren erwarb – für wen auch immer. Draußen gackerten die Hühner, drinnen roch es etwas streng nach Tabak, und alles in allem könnte ich mich auch nach dieser idyllischen Demonstration heimeligen Landlebens nicht für ein solches begeistern.
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| Hübsche Hütte |
Dann ging es weiter zur Höhle „Cueva del Indio“, wo die Ureinwohner Kubas sich vor Columbus versteckt hatten. Dass das nichts genützt hat, ist ja inzwischen bekannt. Innerhalb der Höhle musste man durch einen ganz engen Spalt kriechen, was ich im ersten Anlauf nicht geschafft habe. Erst nachdem sich auch ein wesentlich dickerer Mann erfolgreich durchgezwängt hatte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und quälte mich durch den Felsen, dabei im Geiste den deutschen TÜV lobend, der sowas nie zugelassen hätte.
Am Ende der Höhle stiegen wir dann in ein Motorboot um, das uns noch eine Weile durch die Tropfsteinhöhle kutschierte. Endlich wieder draußen, gab es lecker Mittagessen. Ein nettes Pärchen, das auch bei uns im Hotel wohnte, saß mit uns am Tisch. Vielleicht Australier, vielleicht Schotten oder Iren – die ham so genuschelt…
Die obligatorische Band raspelte ihre drei Songs runter, verkaufte ihre CD oder kassierte Trinkgelder, während wir das durchaus gelungene Einheitsessen einnahmen. Anschließend durften wir noch eine halbe Stunde frei rumlaufen, bevor wir wieder in den Bus mussten und uns von der Reiseleiterin in brüchigem Englisch weitere Details über Land und Leute einbläuen ließen.
So gegen 19.00 Uhr waren wir – nach der Freilassung der anderen Touristen – wieder im Hotel. Auf der Suche nach einem Speiselokal entdeckten wir keine zweihundert Meter entfernt an der Küstenstraße, am „MALECÓN“, das Restaurant „CASTROPOL“, das in einer wunderschönen Prachtvilla untergebracht ist und zu unschlagbaren Preisen unheimlich große Portionen Essen anbot. Es war knallvoll, aber wir hatten Glück und erwischten einen Platz im vorderen überdachten Innenbereich. Es gibt auch noch einen offenen Innenbereich und einen zweiten Stock samt Balkon, der ebenfalls voll besetzt war. Da das Lokal hauptsächlich von Kubanern besucht war, konnten wir uns eigentlich auf die gute Küche verlassen – und wurden auch nicht enttäuscht. Das Essen kam zwar ein bisschen schnell, aber viel reden konnte Dagmar ja sowieso nicht, obwohl es langsam mit ihrer Stimme wieder bergauf ging.
Nach dem tollen Essen waren wir mal wieder ziemlich groggy. Das frühe Aufstehen und die Strapazen der Tour steckte uns in den Knochen. Und morgen früh sollte ja schon die nächste Tour starten – wieder um halb sieben..
Also nur noch mal schnell an der Bar geschaut, ob irgendwelche bekannten Gesichter zu finden waren. Und genau so war es: Zunächst begrüßte uns das englische/australische/schottische Paar, das tatsächlich aus London kam und im Werbemarketing arbeitete. Er, Don, war außerdem Musiker und fest entschlossen, die spezielle Gitarrentechnik kubanischer Musiker zu erlernen, die sich sehr von der üblichen Art unterscheidet, Gitarre zu spielen. Sie hieß Emma, war recht hübsch und ziemlich aufgedreht. Und schließlich war da noch John, ein dicker Ire, den ich schon an den Computern kennengelernt hatte. Er war daran gescheitert, seine Bordkarte auszudrucken, ohne die ihn RYANAIR nicht an Bord lassen würde. Leider waren die Computer im Hotel tatsächlich in keinster Weise mit dem einzigen Drucker verbunden, den das Haus aufzuweisen hatte. Von USB-Sticks hatte hier auch noch nie jemand etwas gehört. Ich empfahl ihm, das Dokument per Fax an das Hotel zu schicken, was zunächst wie eine grandiose Idee klang. Leider hat unser Hotel kein Fax. Man könnte die Boardkarte abfotografieren und das Foto am Schalter vorzeigen. Mit ein bisschen Glück würde der Scanner den Code lesen können. Leider hatte John keinen Fotoapparat. Angesichts dieser Umstände wäre es ja nicht unbedingt unklug gewesen, die Bordkarte bereits vor dem Start in den Urlaub auszudrucken, aber das erlaubt RYANAIR leider nicht. So befindet sich John derzeit in einer schwierigen Situation. Mal sehen, ob RYANAIR ihn wieder mitnimmt. Selbst schuld, mit dieser Fluggesellschaft zu reisen…
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| Noch so ein Prachtbau |
Jedenfalls kamen wir mit den dreien sehr schön ins Gespräch. Angesicht unserer bevorstehenden Tour und dem damit verbundenen unmenschlich frühen Aufstehen wollten wir aber so langsam zu Bette. Ich sagte John nur noch wahrheitsgemäß, dass er mich in seiner Art und Gestik, seiner Stimme und Ausdrucksweise sehr an einen Freund aus Deutschland erinnere, der ein sehr bekannter Rundfunkmoderator sei: Werner Reinke. John dachte einen Augenblick, ich wollte ihn auf den Arm nehmen: Er war nämlich selbst AUCH Rundfunkmoderator mit einem eigenen Sender in Irland: „playfm.com“ – einem der vielen Internetradios, die es inzwischen gibt. Na ja, so haben wir dann doch noch unsere Lebensgeschichten miteinander ausgetauscht, was immer wieder zu großen Überraschungen führte, denn ich war ja selbst auch lange Radiomoderator und DJ. Dagmar und die Londoner tauschten sich über Musik und englische Interpreten aus und hatten natürlich denselben Geschmack. John war mehr ein Fan deutscher Schlagermusik, die ich ja selbst in meinen Anfangszeiten mit produziert hatte. Surprise, surprise.
Na ja, es half alles nix, wir mussten ins Bett. Eine herzliche Umarmung mit den beiden Londonern und eine Einladung für die beiden, uns zu besuchen, beendeten den Abend. John wollte am Freitag wieder hier sein – wir haben ihn aber nicht mehr gesehen. RYANAIR scheint ihn mitgenommen zu haben.
DER FÜNFTE UND SECHSTE TAG – TRINIDAD und Umgebung
Diesmal waren wir schon lange vor dem Weckruf wach. So etwa ab vier Uhr. Draußen vorm Hotel hatte sich die ganze Nacht eine Gruppe junger Leute zum Feiern verabredet. Da wird dann auch gerne mal gesungen. Erst gegen halb sieben verebbte der Lärm – aber da war es zu spät, nochmal die Augen zu schließen. Unser Bus war pünktlich. Es war wieder ein chinesischer Bus der Marke YUTONG, von dem man hier in Kuba Tausende sieht – sicher ein Tauschgeschäft der Regierung gegen Öl oder Ärzte. Unser heutiger Reiseleiter hob sich vor allem durch seinen gesegneten Appetit hervor. Nicht nur auf Lebensmittel. Unterwegs stieg eine dralle Kubanerin ein, die ihm fortan umschwänzelte und auch die Nacht mit ihm verbrachte. Klar, dass er da bei Kräften sein musste. Vielleicht aß er aber auch nur auf Vorrat, denn außerhalb der Touren dürfte bei ihm zuhause Schmalhans Küchenmeister sein. Sein Englisch und damit auch sein Vortrag war bedeutend besser als am Tag zuvor. Der Fahrer war ein sehr großer, hagerer Mann mit einem Hautpigmentproblem. Er war teilweise schwarz, aber dann auch wieder weiß. Außerdem trank er literweise Espresso und rauchte Kette.
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| Auf dem Weg nach Trinidad |
Unser Reiseziel sollte TRINIDAD sein. Die ersten Stunden fuhren wir nur Autobahn und es gab herzlich wenig zu sehen. Die ideale Gelegenheit also, den verlorenen Schlaf nachzuholen. An irgendeiner Autobahnraststätte konnten wir dann langsam wieder zu uns kommen. Die erste Stadt, die wir auf unserer Reise besuchten, heißt CIENFUEGO („Hundertfeuer“, nicht verwandt mit Herrn Hundertwasser). Wir stoppten zunächst an einem großen Platz im Zentrum der Stadt, der von Theater, Kirche und Regierungsgebäuden umgeben war – eine Aufteilung, die man immer wieder in kubanischen Städten findet. Wir nutzen die Gelegenheit, um mal wieder ein paar Euros umzutauschen und hatten noch Zeit für einen Capucini. Dann fuhren wir weiter. Auf der Dachterrasse eines ehemals sehr exclusiven Clubs gab es noch vor dem Mittagessen einen Longdrink – Cuba Libre für alle, Kinder und Schwächlinge ausgenommen. Ganz in der Nähe war ein ebenso exclusiver Tennis- und Yachtclub, in dem wir dann – bei gewohnt lauter kubanischer Musik – zu Mittag aßen. Die nächste Station war schon TRINIDAD. Eine sehr geschichtsträchtige Stadt, die mich schon bei meinem ersten Besuch Kubas vor sechs Jahren sehr beeindruckt hatte. Leider war es inzwischen nach 17.00 Uhr und alle Museen hatten schon geschlossen. Als kleinen Ausgleich durften wir in die Töpferwerkstatt eines bekannten Töpfers schauen. Uuunglaublich interessant, gähn. Auch hier dann irgendwo in einer ziemlich schmuddeligen Kneipe ein Drink aufs Haus, diesmal Rum mit Honig. Außerdem trat natürlich die obligatorische Band mit ihrer neuen CD auf. Die Toilette war unbenutzbar. Überhaupt war der ganze Ort ziemlich runtergekommen, verglichen mit allen anderen Städten, die wir bisher gesehen hatten. Hübsch, sehr karibisch, aber dreckig. Über die geschichtlichen Hintergründe des Ortes erfuhren wir genau NADA, also nichts. Um 18.00 Uhr dann Weiterfahrt nach SANTA SPIRITUS, einen sehr schönen Ort mit 72.000 Einwohnern. Hier sollten wir auch übernachten. Und plötzlich wechselte der bisher doch recht gemischte Eindruck dieses Ausflugs zum Guten. Wir kamen in ein wunderbares Hotel direkt in der Stadtmitte, einem großen Park. Das familiäre Hotel war im spanischen Stil sehr geschmackvoll eingerichtet. Die Zimmer waren ein Traum! Es gab sogar einen Safe, 220 Volt und WARMES Wasser! Wir machten uns frisch und gingen dann runter zum gemeinsamen Abendessen. Wir alle saßen an einer langen Tafel im Restaurant des Hotels, dass auf angenehme 4 Grad runtergekühlt war (Scherz!). Schon im Vorfeld hatten wir uns für Rind entschieden, was sich als eine sehr gute Wahl herausstellte. Die Band des Abends bestand aus drei singenden Gitarristen, die auch als die drei Tenöre hätten durchgehen können – ganz große Kunst! Dass bei der Lautstärke keine Gläser zersprungen sind, spricht für ihr Können. Sie bekamen jedenfalls ein verdientes Trinkgeld. Anschließend saßen wir noch eine Weile draußen auf der Veranda und kamen mit einigen anderen Touristen ins Gespräch, so auch mit Stefan, einem SAP-Berater aus Köln. Er war alleine in Havannah, weil seine Mama nicht mehr so gut zu Fuß war…
Der Platz vorm Hotel füllte sich langsam mit Jugendlichen und wir fürchteten schon eine weitere Nacht ohne Schlaf, aber es blieb dann doch bis etwa 6 Uhr am Morgen vergleichsweise ruhig.
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| Hier wohnt ein Chef |
Nach dem Frühstück Weiterfahrt nach SANTA CLARA, der letzten Stadt unserer Rundreise. Hier in Santa Clara hatten sich Fidel und Che Guevara mit ihren Jungs in einem Hotel verschanzt. Es war wohl ziemlich knapp für die Rebellen damals. Am Hotel sieht man noch sehr schön die ganzen Einschusslöcher der Regierungstruppen. Die 280.000 Einwohner zählende Stadt war auch Schauplatz eines der letzten großen Angriffe von Diktator Batiste auf die Rebellen. Batiste hatte einen Güterzug mit 1200 Soldaten vollgestopft und wollte diesen Zug mitten in die Stadt fahren lassen, um da mal gründlich aufzuräumen, also so eine Art Trojanisches Pferd.. Che war schlauer und riss mit einem Bulldozer rechtzeitig die Schienen aus dem Gleisbett, so dass der Zug entgleiste und die Angreifer sehr bald aufgaben. Als Batiste davon hörte, soll er ins Exil geflohen sein und die Revolution war komplett. Wir haben uns die Waggons angesehen – das muss eine gruselige Zeit gewesen sein.
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| Heute sind da keine Soldaten mehr drin. |
Und damit war unser Programm beendet. Die 169 CUCs (= 130.- Euro) beinhalteten drei Mahlzeiten, ein Frühstück, eine Übernachtung, alle Eintrittsgelder sowie die kompletten Fahrtkosten. Da kann man nicht meckern. Höchstens über den Fahrer. Der war wohl genauso nachtaktiv wie unser Reiseleiter statt sich auszuruhen. Er ist auf der Heimfahrt mehrmals quer über die leere Autobahn geschliddert und machte trotz seines unglaublichen Kaffeekonsums nicht den Eindruck, tatsächlich wach zu sein. Mehrfach blieb er irgendwo stehen, rannte dreimal um den Bus, trat gegen die Reifen und fuhr wieder ein paar Kilometer weiter.
Irgendwie haben wir es aber doch noch geschafft und sind sicher im Hotel angekommen.
Dort war inzwischen Dagmars Freundin und Arbeitskollegin SABINE eingetroffen. Trotz des zwölfstündigen Fluges war sie fit und für jede Schandtat bereit. Also gingen wir noch ins „CASTROPOL“, speisten dort auf der Terasse im zweiten Stock Köstlichkeiten aus der kubanischen Küche und beendeten den Abend mit einem Absacker an der Bar. Es war Freitag, 23.00 Uhr und die Schönen der Nacht standen in langer Reihe vor dem Eingang zur Disco. Das war mal wieder besser als jedes Fernsehprogramm.
DER SIEBTE TAG
Dagmar und Sabine wollten verständlicherweise mal alleine losziehen und ich brauchte auch dringend Zeit, die ganzen letzten Tage nachzutragen. Also setzte ich mich an die Bar, trank zwei, drei Cappucino und war entsetzt, wie viele Einzelheiten ich bereits vergessen oder verdrängt hatte. Außerdem versuchte ich mal wieder, an meine eMails heranzukommen, was heute sogar nahezu problemlos möglich war, denn endlich gab es die ersehnten Internetpässe mit Zugangs- und Passwort für 6.- CUCs pro Stunde. Gegen Mittag bin ich in die Altstadt gelaufen, habe im „FLORIDITA“ zu Mittag gegessen und mir dann auf dem Flohmarkt doch noch eine alte Uhr gekauft. Die „Baume & Mercier“ hatte mir inzwischen jemand weggeschnappt und ähnliche Uhren waren noch teurer. Ich blieb bei einer Uhr aus den 1940er Jahren hängen, einer unbekannten Schweizer Marke, die ich für umgerechnet 35.- Euro außer Landes schaffen werde. Handaufzug, recht klein, vergoldet, mit Sekundenzeiger und Leuchtpunkten, die aber nicht mehr leuchten. Das Ziffernblatt sollte gereinigt werden, sonst ist alles picobello.
So gegen 17.00 Uhr kamen die Damen mit einer Menge an Bildern und Eindrücken zurück. Sie hatten unterwegs sogar STEFAN wiedergetroffen, unseren SAP-Spezi aus Köln. Am Abend waren wir drei dann wieder zusammen essen, beklatschten die Musikanten und fuhren gegen 23.00 Uhr im Taxi nach Hause, wo die Schlange vor der Disco nun schon gut einhundert Meter lang war. Da beide Mädels kaum noch die Augen aufhielten, ging es früh in die Zimmer. Ich habe noch bis 2 Uhr gelesen.
DER ACHTE TAG
Der achte Tag war ein Sonntag und wir beschlossen, zur Abwechslung mal ans Meer zu fahren. Östlich von Havanna gibt es nämlich hervorragende Strände mit feinst gemahlenem Sand. Ein Touri-Bus brachte uns für 5 CUCs hin und zurück. Früher musste das alles mal eine Prachtanlage gewesen sein, die aber nun so langsam in sich zusammenfällt, seit es in Varadero und anderswo neue, modernere Hotels im Dutzend billiger gibt. Der Atlantik war mit 26 Grad Wassertemperatur nicht wirklich erfrischend, sorgte aber immerhin für etwas Abwechslung beim Sonnenbraten. Ich hatte es mir natürlich überdacht im Strandcafe bequem gemacht und las in meinem ARNO DAHL-Krimi weiter. Gegen 14.30 Uhr sind wir dann in ein kleines Strandrestaurant umgezogen und haben frische Fischfilets mit Salat und Reis verzehrt. Dann hatten wir genug vom Strand. Der Bus kam zwar 15 Minuten zu spät, aber das ist in Kuba noch innerhalb der Toleranz. Vom Place Central aus liefen wir wie gewohnt nach Hause, ca. 1,5 km durch dichtbebautes Gebiet. Kurz vorm Ziel dann zum ersten Mal Alarm im Magen-Darm-Trakt! Ich habe es gerade noch ins Zimmer geschafft. Da es außer mir niemanden erwischt hat, können wir bisher keinen Schuldigen an der Darmverstimmung benennen. Die Mädels haben sich dann in die Maske verabschiedet und ich habe es mir mal wieder an der Bar gemütlich gemacht. Eine alte englische Schachtel fragte mich, ob ich Schriftsteller sei, weil ich ja dauernd auf meinem Notebook rumtippen würde. Ich verneinte die Anfrage und war eigentlich eher erstaunt, warum sich fremde Leute in meine Angelegenheiten mischen.
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| Noch mehr Meer gibt´s rings um die Insel. |
Den Abend verbrachten wir wieder bei vorzüglichem Essen bei „CASTROPOL“ und einem anschließenden Besuch des Hotels „RAQUEL“, dessen Dachterrasse unserem Reiseführer eine besondere Erwähnung wert war. Um dorthin zu kommen, brauchten wir ein Taxi. Das einzige Gefährt, das vor unserem Restaurant wartete, war ein uralter LADA, der an allen Ecken und Enden völlig verrostet war, dessen rechte hintere Türe nicht mehr aufging und dessen Beifahrertür halb in den Angeln hing. Ein Taxischild fehlte auch, aber der Türsteher sagte, dass es ein Taxi sei. Da die Mädels unbedingt mal LADA fahren wollten, stiegen wir ein. Innen dasselbe Bild: Völlig zerschlissen, halb demoliert, Löcher im Boden, aber ein lautes CD-Radio. Der junge Fahrer, anders als andere Kubaner sehr unsauber mit löchrigen Klamotten bekleidet, hatte keine Ahnung, wo sich das RAQUEL-Hotel befindet. Er kannte auch die Straßen nicht, die Sabine ihm aus dem Reiseführer vorlies. Er fuhr einfach drauf los. Bei einem Bremsmanöver bergab hatte ich den Eindruck, dass die Kiste nun jede Sekunde komplett auseinanderfallen müsste, aber wie durch ein Wunder fanden die Räder wieder Kontakt zur Fahrbahn und brachten uns in die tiefe, dunkle Altstadt. In Straßen, die wir noch nie gesehen hatten. Alle paar Meter hielt der Fahrer an, um sich bei den Einheimischen nach dem Weg zu erkunden. Sabine erkannte als erste den gesuchten Straßennamen und bat, zu stoppen. Ich wollte auch keine Sekunde länger in dem durch Abgase verseuchten Innenraum ausharren und öffnete die Beifahrertür. In derselben Millisekunde überholte uns rechts ein Fahrradtaxi und knallte mit Schmackes gegen die Autotür. Das Fahrradtaxi kam augenblicklich zum Stehen und drei Menschen wirbelten durch die Gegend. Der Fahrer hielt sich die Stirn, wo ich sekündlich einen Blutschwall erwartete, eine Mutter mit Teenagertochter schrie laut, das Kind hielt sich schmerzverzerrt die Hand und ich konnte nur noch „Perdon!!!“ stammeln.
Ich war am Boden zerstört. Es war mir klar, dass ich in diesem Moment das Leben dreier Personen nachhaltig zerstört hatte. Der Fahrer würde den Rest seines Lebens nur noch schwer entstellt meistern können, das junge Mädel würde ihren Arm verlieren und die Mutter an gebrochenem Herzen vorzeitig ableben.
Da sagte Dagmar plötzlich: „Die haben doch gar nichts. Das ist alles Show!“ Und richtig, der erwartete Blutschwall blieb aus, man sah nicht den geringsten Kratzer an der Stirn des Fahrers, das Handgelenk des Mädchens war genauso fett wie vorher und ließ sich problemlos bewegen und die Mutter nutze mit ihrer schrillen Keiferei die Gunst der Stunde, uns ein wenig abzuzocken. Was die Bande nicht wusste: Sabine ist des Spanischen durchaus mächtig und verstand so ziemlich genau, was da ablief. Ich hatte inzwischen dem Fahrer die vereinbarten 5 CUCs gegeben, um wenigstens hier keinen Fehler zu machen. Der mahnte dann auch die anderen, in ihren Äußerungen etwas vorsichtiger zu sein, da wir ihre Sprache sprächen. Plötzlich wechselten sie die Taktik. „Das Kind muss ins Krankenhaus zum Röntgen!“ war die neue Forderung. Wir sollten gefälligst die Fahrt- und Krankenhauskosten bezahlen. Nun ist die medizinische Versorgung in Kuba zwar kostenlos, aber wenn ein Tourist schuld an einer Verletzung eines Kubaners ist, bleibt er solange im Land, bis alle Kosten beglichen sind. Da ich jetzt so gar nicht mehr wusste, wie man sich in einer solchen Situation, die ja durchaus mit Gefängnisaufenthalt enden kann, verhalten soll, schlug ich vor, die Polizei zu rufen. „Policia?“ Das Geschnatter der Schwerverletzten wurde augenblicklich ruhiger. Der Taxifahrer hatte offensichtlich keine Taxilizenz und das Auto gehörte eindeutig in die Schrottpresse. Der Fahrer des Fahrradtaxis hatte uns in zentimeterkurzem Abstand rechts überholt, obwohl er sehen konnte, dass gerade Fahrgäste ausstiegen. Und die resolute Mutter hatte plötzlich nur noch Angst, dass das Kind die Schule versäumen würde, wenn man sie jetzt nicht unverzüglich ins Krankenhaus bringen würde. Dann sagte ich zu Dagmar, dass ich den Fahrer ja schon bezahlt hatte und Daggi sagte, dass Sabine den Fahrer auch schon bezahlt hätte. Sieh da, da hat der kleine Gauner, ohne ein Wort zu sagen, gleich zweimal kassiert. Damit konfrontiert, schlug er vor, mit den zweiten 5 Pesos das Kind ins Krankenhaus zu fahren und die Sache wäre damit für uns erledigt. Wohl abwägend, welche Konsequenzen der eine oder andere Ausgang des Dramas haben würde, entschieden wir uns, dem Fahrer die zweiten 5 CUCs zu schenken und gingen zu Fuß die paar Meter zum Hotel „RAQUEL“ weiter. Die Bande hatte also rund 120 kubanische Pesos gut gemacht. Bei einem Gehalt von durchschnittlich 350 Pesos kein schlechtes Geschäft.
Es hätte auch anders ausgehen können. Unabhängig davon, ob überhaupt jemand verletzt war, ist der Unfallverursacher erst mal in jedem Fall schuld. Wäre ich nicht nach Kuba gereist, hätte der Unfall ja auch nicht passieren können. Diese stringente Logik zu durchbrechen, bedarf dann anwaltlicher Hilfe. Und bevor ich wochenlang ohne Wasser und Wein in irgendeinem Kerker vor mich hinsiechen würde, war es doch besser, klein beizugeben…
Das Hotel „RAQUEL“ in der Nähe der Kreuzfahrtschiff-Docks ist übrigens tatsächlich ein weltberühmtes jüdisches Gebäude von geradezu einmaliger Schönheit. Hoch oben auf der Dachterrasse schlürften wir dort Bier und Mojitos und schworen uns, nie wieder in einen LADA ohne Taxischild zu steigen. Ein gutes Stündchen später erkundeten wir noch ein paar Seitenstraßen rund um das Hotel. Ein Prachtbau neben dem anderen, tolle Museen, Restaurants, Hotels, wohin man nur schaute. Havanna ist für mich architektonisch inzwischen die schönste Stadt der Welt, auch wenn mindestens zwei Drittel der Prachtgebäude dringend renoviert werden müssen. Cuba soll ja mal die reichste Stadt der USA gewesen sein.
Für die Heimreise waren wir in der Taxiwahl diesmal sehr sorgfältig und lehnten alle alten Kisten, also die ganzen illegalen Schrottbüchsen einfach ab und fuhren mit einem offiziellen Taxi (das sogar einen Taxameter hatte, der natürlich nicht lief) nach Hause. Das übliche Discopublikum stand schon wieder am Eingang…
DER NEUNTE TAG
Ein Tag wie jeder andere. Bummeln durch die Stadt, diesmal aber getrennt. Zum vierten Mal den Flohmarkt am „PLACA DE LAS ARMAS“ durchpflügt. Ein paar Telefongespräche nach Hause geführt, später irgendwo in der Altstadt zu Mittag gegessen und Dagmar und Sabine später im „Hop On – Hop Off“-Bus wieder getroffen. Stadtrundfahrt die Zweite. Abends Internet, danach Essen im „CASTROPOL“. Anschließend noch auf ein paar Wein in einem anderen Club namens „CAFÈ NERUDA“ im Freien. Spät zu Bette, dicker Kopf. Und um sechs klingelte der Wecker.
DER ZEHNTE TAG – „VARADERO“
Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich schon mal auf Kuba war, und zwar zum Jahreswechsel 2006/2007. Die 186 Fotos von damals habe ich sogar auf dem iPhone dabei. Sie sehen eigentlich genauso aus wie die Fotos 2012/2013…
Heute wollten wir uns also auf die Spuren meines damaligen Urlaubs begeben, denn damals war ich ja nicht in Havanna (außer auf Ausflügen), sondern auf der Touristenhalbinsel „VARADERO“. Damals durften da keine Kubaner rein, sofern sie dort nicht arbeiteten. Touristen waren auch auf ihr eigenes Hotel beschränkt, da sie durch das Armbändchen für den „All-Inclusive-Service“ fest an ihr Hotel gebunden waren. Zusätzliche Restaurants gab es kaum, auch nur wenige Bars oder touristische Märkte. War ganz schön langweilig damals. Heute ist das anders. Aber der Reihe nach.
Schon fünf Minuten vor halb sieben, unserer Abholzeit, wurde an unsere Türe geklopft. Der Bus sei schon da. Es war ein Kleinbus mit insgesamt sechs Touristen, einer Reiseleiterin und natürlich dem Fahrer. Die Reiseleiterin begrüßte uns mit einem hübschen Kalenderspruch: „Yesterday is history, tomorrow is mistery and today is a gift!“ Sie ähnelte ein wenig der Schauspielerin Christine Ursprung, die als kleinwüchsige Assistentin des Tatort-Gerichtsmediziners Börne bekannt geworden ist. Die Fahrt ging non-stop nach Varadero und die sehr gut englisch sprechende Dame erzählte uns dies und das über die Dinge, die man sehen konnte, wenn man die Augen offen hatte – was bei mir aufgrund der kargen Nachtruhe nur selten der Fall war. So verpasste ich das Olympiastadion mit dem olympischen Dorf, die Rumfabrik und so manchen geilen Ausblick auf schöne Täler und Berge. Na ja, ich kannte das ja sowieso schon. In Varadero selbst fuhren wir direkt in eines der vielen Touristenghettos. Die Anlage heißt „LAS BRISAS DEL CARIBA“ und hat Platz für rund 400 Brutzelopfer. Sie ist sehr schön angelegt, liegt natürlich direkt am Strand und ist nur eins von über 50 Luxushotels an dieser Küste. Wir zählten 4 Sterne. Demnach hätte unser Stadthotel nur einen Stern haben dürfen (es hat aber 3 Sterne!). Die inzwischen auf vier Personen geschrumpfte Reisegruppe – zwei alte Engländerinnen und Dagmar und ich bekamen sogar ein Zimmer, um sich umziehen zu können. Paarweise, nacheinander, versteht sich. Vorher mussten wir uns aber zunächst ein blaues Plastikarmband ans Handgelenk montieren, damit wir als Tagesgäste identifiziert werden konnten.
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| Das blaue Band der Sympathie |
Und dann ging´s zum Frühstück. Es gab zwar eine Menge Sachen, aber sonderlich lecker sah da nichts aus. Vor allem gab es weder Butter noch Margarine. Der Kaffee war kein Deut besser als in unserem Hotel. Also ab ans Meer. Dort wurden uns von einem sehr netten Kubaner Strandliegen aufgebaut – all inclusive! Na ja, ganz so inclusive war da doch nichts. Natürlich hat er dafür ein Trinkgeld erwartet. Genau wie alle anderen Bediensteten. Ob das nun der Eierkoch war, der für jedes Omelett einen Obulus erwartete oder die Bedienungen – alle waren auf Kohle aus. Ganz frech wird es, wenn man mit Euro bezahlen will oder muss. Hier wird der Kurs 1:1 abgerechnet – Mehrkosten also von 30%! Nun gut, damit hatten wir ja nichts am Hut. Wir saßen eine Weile am Strand rum, Dagmar ging bis zu den Knien ins kalte Atlantikwasser und ich las in meinem Krimi weiter. Das hätten wir auch in Havanna am Pool machen können. Also entschlossen wir uns, doch mal ins Zentrum von Varadero zu fahren, den kleinen Ort, den ich von meinem Urlaub kannte, in dem man nicht ganz so isoliert war wie in dieser riesigen Anlage mit seinen dauernden Animationen, seiner qualvollen Dauerbeschallung an allen Ecken und Enden und der Anwesenheit hunderter typischer Unterschicht-Urlauber.
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| Poollandschaft im Touristenparadies |
Zum Glück gibt es auch hier einen „BEACH-BUS“, mit dem man für 5 CUCs (oder Euro) den ganzen Strand entlang fahren kann. Und das taten wir dann auch. Der Buss war knallvoll und die Sonne hatte 30 Grad deutlich überschritten. Solange der Bus fuhr, war es durch den Wind sehr angenehm, aber wenn er stillstand, spürte man förmlich, wie die Haut um Hilfe schrie. Ich zeigte Dagmar die ganzen Plätze, die ich damals besucht hatte. Auch mein damaliges Hotel „CLUB TROPICAL“ stand noch da, wo es damals war, aber ansonsten war der Ort gewaltig gewachsen. Ein Cafe neben dem anderen, sehr viele neue Restaurants und auch viele kleine Bazare mit dem üblichen Touristenquatsch. An der Endstation mussten wir ein paar Minuten bei einem CRISTAL-Bier warten – dann ging es denselben Weg wieder zurück.
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| Auch hier: Strand bis zum Abwinken |
Im Hotel kamen wir noch rechtzeitig zum Mittagessen. Doch hätten wir gewusst, was da eine Pampe auf uns wartete, wären wir im Ort geblieben. Wenn der Wein so kalt gewesen wäre wie Suppe und das Fleisch so warm wie der Ober, hätte man ja noch was drauß machen können. Tatsächlich war das Essen aber für unsere feinen Geschmacksnerven unzumutbar. Selbst das Eis zum Nachtisch war viel zu süß, um noch gut zu schmecken. Resigniert legten wir uns auf zwei Liegestühle am Pool und lasen noch ein wenig in unseren Büchern. Um drei gaben wir die geliehenen Handtücher ab, zogen wir uns wieder um und warteten auf den Abtransport, der für 16.00 Uhr avisiert war. Da die Rezeption völlig überfüllt war, dauerte es noch bis 16.15 Uhr, bis wir alle unsere Pässe zurückhatten, vom Makel des blauen Bändchen befreit waren und wieder im Bus Richtung Havannah saßen. Unterwegs gab es noch einen kurzen Stop an einem hochgelegenen Aussichtspunkt, der mit einer Piña Colada versüßt wurde (die wir aber selbst bezahlen mussten).
Wenig später sahen wir einen grässlichen Autounfall. Ein amerikanischer Oldtimer hatte sich wohl mehrfach überschlagen und dabei ein bisschen zusammengefaltet. So wie das Blech aussah, war da kein Platz mehr für lebende Menschen. Das Tempolimit von 100 km/h sollte von solchen Wagen nicht ausgenutzt werden, dafür sind die schon damals nicht gebaut worden. Und jetzt, ein paar Millionen Kilometer später, entspricht die Straßenlage der meisten Kisten eher einem schwimmenden Brett im Sturm denn der eines modernen PKW. Unser Bus hatte übrigens 587000 km drauf. Das neueste Taxi, das ich hier fuhr, immerhin 277000. In allen „modernen“ Autos (also hauptsächlich Peugeots) leuchten grundsätzlich sämtliche Warnlampen inklusive der Aufforderung „STOP“ auf, weil das Fahrzeug nicht fahrbereit ist, bzw. gar nicht mehr fahren dürfte. Die weitverbreiteten LADAS, die ja ursprünglich auf dem FIAT 124 basieren, sind alle, aber wirklich alle, absoluter Schrott. Kein TÜV der Welt würde auch nur einem einzigen LADA auf Kuba eine Plakette geben, Regierungsfahrzeuge vielleicht ausgenommen. Also auch auf diesem Gebiet besteht noch großer Handelsbedarf. Raoul Castro hat sich mit seinen Reformen viel vorgenommen. Am einfachsten wäre es, wenn die USA ihr einseitiges Embargo abstellen würden. Ein Embargo, das von der ganzen Welt abgelehnt wird. Aber eher habe ich wahrscheinlich sechs Richtige im Lotto als dass die Amerikaner den Kubanern die Revolution verzeihen würden, die übrigens im nächsten Jahr ihren 55. Geburtstag feiert.
Um viertel vor sieben waren wir wieder im Hotel. Für den Abend hatten wir uns etwas Besonderes vorgenommen: Essen in einem der berühmtesten Lokale der Altstadt. Im „LA GUERIDA“ wurden Teile des Films „Erdbeer und Schokolade“ gedreht, außerdem sind hier in den frühen 1920er bis 1940er Jahren so ziemlich alle bekannten Filmstars dieser Welt ein- und ausgegangen. Als das Taxi anhielt, dachten wir allerdings, dass wir im falschen Film seien. Das Haus aus dem Jahr 1913 war völlig zerstört. Alte Marmortreppen führten jedoch in den dritten Stock, der noch intakt war und in dem sich – wie in einer 4-5 Zimmer-Wohnung – das Lokal befand. Bildhübsche Bedienungen mit einwandfreiem Englisch kümmerten sich sehr freundlich um uns. An den Wändern überall Bilder der großen und berühmten Menschen aus besseren Zeiten – wir wurden leider nicht fotografiert. Es war gar nicht so leicht, hier überhaupt einen Termin zu bekommen – drei Tage Vorlaufzeit muss man schon rechnen.
Doch dann kam das Essen – und das war ziemlich enttäuschend. Die Gemüsebeilagen waren viel zu kalt, meine Schweinefilets knochentrocken, die Kartoffelchips mit Champignons und Zwiebeln zermatscht und ebenfalls kalt. Nur der Cesars Salat war diesmal wirklich gut! Alles in allem war das Essen um Klassen schlechter als in unserem Lieblingslokal „Castropol“. Dafür aber dreimal so teuer.
Um eine wichtige Erfahrung reicher, liefen wir zu Fuß zurück ins Hotel, nicht ohne noch mal Station im „Café Neruda“ am „MALECÓN“ zu machen. Sabine hatte dort am Nachmittag bereits den nächsten Mann ihres Lebens kennengelernt. Es war der Kellner dieser Bar und er hatte ihr angeboten, sein ganzes Leben lang für sie zu putzen. Wem’s Spaß macht…
Sicherheitshalber nahmen wir sie dann aber doch wieder mit ins Hotel.
DER ELFTE TAG
Sabine hat´s erwischt. Nein, nicht der Kellner. Eine Allergie hat sie erwischt. Sonnenallergie oder vielleicht auch eine Lebensmittelunverträglichkeit. Rote Punkte am ganzen Körper. Der Arzt im Hotel empfiehlt ihr Histamine und gibt ihr eine Cortison-Spritze. Für den Rest der Reise muss sie eine strenge Diät einhalten. Hühnchen Si, Fische No. Während sie auf die Medikamente wartet, sitzt Dagmar am Pool und ich versuche, Ordnung in meine E-Mails zu bekommen. Es sind inzwischen über 680 Mails. Da es im Hotel seit gestern keine Internet-Karten mehr gibt, fahre ich ins Hotel Nacional und buche dort eine Stunde. Hier ist die Geschwindigkeit fast dreimal so schnell, so dass ich auch tatsächlich nach einer Stunde wieder auf dem Laufenden bin und eine Menge Mails beantwortet habe. Inzwischen warten mehr als ein Dutzend Aufträge darauf, nach meiner Rückreise erledigt zu werden. Ich bin froh, dass meine Kunden die Geduld haben, noch so lange zu warten. Ich hatte zwar mein gesamtes Aufnahmeequipment mitgenommen, aber das Hotel liegt an einer Hauptstraße und ist auch sonst so hellhörig, dass an saubere Sprachaufnahmen überhaupt nicht zu denken wäre. Und selbst wenn: eine WAV-Aufnahme über dieses lahme Internet zu verschicken würde viel wertvolle Urlaubszeit vergeuden, von den Kosten mal ganz abgesehen.
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| Unser Hotelpool im sechsten Stock wurde exakt mit 87 dB beschallt. |
Sabine sieht inzwischen ziemlich schrecklich aus. Die roten Punkte fangen zu allem Überfluss auch noch an zu jucken. Sie hat sich während der Behandlung ausführlich mit der Ärztin unterhalten. Auch sie bekommt nur einen Hungerlohn – die Kosten der ärztlichen Bemühungen erhält der Staat. Die Ärztin ist gezwungen, eine Menge Listen zu führen. Weitergehende Kontrollen wie z.B. die Spionage in der ehemaligen DDR soll es hier nicht geben. Uns fällt auch schon seit Tagen auf, dass man kaum Polizei und so gut wie kein Militär auf den Straßen sieht. In einer Fernsehdokumentation auf „arte“ habe ich aber inzwischen gesehen, dass es in jeder Straße einen oder mehrere regierungstreue „Mitarbeiter“ gibt, die ihre Mitbewohner bewerten müssen und über Belohnungen, Gehaltserhöhungen oder auch Strafen entscheiden. Um über die Runden zu kommen, hat Sabines Ärztin – wie die meisten hier – noch zwei weitere Jobs. Außerdem verkauft sie an Sabine drei paar russische Nylon-Netzstrümpfe. Wo sie die anziehen will, will ich mir besser nicht vorstellen. In Kuba ist es jedenfalls im Moment sehr chic, so rumzulaufen.
Cortison, Penicillin und Histamine scheinen sich gut zu verstehen. Sabine ist bereit, mal wieder einen Stadtbummel zu unternehmen. Der Taxifahrer soll uns in ein Automuseum bringen, das ich noch von damals kenne. Er kennt es leider nicht, denn er fährt uns einfach vors „Floridata“. Aber durch kluges Nachfragen bei diversen Einheimischen gelingt es uns doch noch, den magischen Ort der alten Karrossen aufzufinden. Für 1,50 CUC (statt einem CUC, wie es im Marko-Polo-Führer steht) können wir dann in Ruhe die rund 30 Exemplare aus den 1920er bis 1950er Jahren bewundern. Fotografieren hätte nochmals 5 CUC gekostet (Marko Polo sagt 1.- CUC!), so dass wir darauf verzichten, zumal die Autos nicht sonderlich gepflegt sind. Das Automuseum in Sinsheim ist da von ganz anderem Kaliber…
Wir bummeln noch ein wenig weiter und setzen uns dann in einen der vielen kleinen Parks der Stadt, die die Steinwüsten auflockern. Ein sehr guter Guitarist singt sich die Seele aus dem Leib. Wir trinken Bier und Mojito. Sabine natürlich nicht, die darf ja nicht. Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung.
Für das Abendessen haben wir zum fünften Mal das CASTROPOL auf dem Schirm, weil es hier tatsächlich bisher am besten geschmeckt hat und vor allem ein unschlagbares Preis/Leistungsverhältnis vorliegt.
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| TÜV leider abgelaufen |
Da wir auch dieses Mal wieder unglaublich schnell bedient wurden und daher mit dem Essen schon kurz nach neun durch waren, suchten wir uns noch eine Open-Air-Bar am MALACÓN aus. Den Namen habe ich vergessen und möchte ihn auch nie mehr hören. Es war zwar sehr nett in und vor dem Lokal, aber der Besuch der sanitären Anlagen hat diesen Eindruck schlagartig zerstört. Vollgepinkelte Brille, kein Papier, kein Wasser – nicht einmal zum Händewaschen. Außerdem war es eine Toilette für Mann und Frau gleichermaßen. Eine Toilette, die ständig von allen Gästen frequentiert wurde. Mir war sooo schlecht…
Dass im Nachbarhaus ein lautstarker Streit über Spielschulden beim Domino-Spiel eskalierte, passte dann wie die Faust aufs Auge. Unser Hotel liegt übrigens im ehemaligen Schwarzenviertel, das auch heute noch fast ausschließlich von den dunkelhäutigen Kubanern bewohnt wird. Der Streit war aber glücklicherweise nur laut, nicht handgreiflich.
Später in der Nacht haben wir erstmals einen Blick in „unsere“ Disco geworfen. Recht gut eingerichteter Schuppen mit Extremlautstärke, Extremklimaanlage und extrem doofem Publikum. Also ab ins Bett.
DER ZWÖLFTE TAG
Immer noch keine Internet-Tickets an der Rezeption. Also fuhr ich wieder ins Hotel Nacional, um dort meiner Arbeit nachzugehen. Aus den über 700 Mails sind inzwischen 160 übrig geblieben, die geschäftsrelevant sind. Die anderen Mails warenWerbung, Spam oder überflüssiges Geplänkel.
Anschließend setzte ich mich in den wunderbaren Garten des Hotels, um da meinen Krimi fertig zu lesen – und gleich noch einen weiteren anzufangen. Im iPad Mini ist ja genug Platz für tausende von Büchern.
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| Derzeit noch nicht wieder bezugsfähig |
Um 14.00 Uhr trafen die beiden Mädels dazu. Sie hatten mal wieder einen Stadtbummel gemacht, wären beinahe von einem Motorrad überfahren und von herabfallendem Schutt erschlagen worden. Außerdem hatten beide Bilder gekauft. Schöne Ölbilder auf Leinen. Kofferfertig eingewickelt.
Nach einem kleinen Snack im Hotel Nacional fuhren wir drei dann mit einem wunderschönen roten Cadillac Baujahr 1952 wieder ins „DEAUVILLE“, um uns am Pool noch ein bisschen die Zeit zu vertreiben.
Der geneigte Leser wird vielleicht schon bemerkt haben, dass spätestens an diesem Punkt unserer Reise so ziemlich alles erzählt wurde. Es gebricht an Sensationen oder neuen Eindrücken, da wir so langsam alles Wichtige gesehen haben. Natürlich könnten wir noch die ganzen Museen der Stadt abklappern, aber da wir da völlig unterschiedliche Interessen haben, müssten alle alleine los ziehen, was ja auch wenig Spaß macht. Immerhin beschließen wir, uns am Abend im „HOTEL NACIONAL“ noch einmal eine Show des „BUENA VISTA SOCIAL CLUB“ anzusehen. Mit Essen.
Vorher müssen wir allerdings noch einen Herrn Schröder aus Hannover ertragen. Dieser Herr Schröder ist 63 Jahre alt und nicht identisch mit dem ehemaligen Kanzler der Bundesrepublik, der ja bekanntlich auch aus Hannover stammt. Unser Herr Schröder war Gast im „DEAUVILLE“ und überfiel uns während einer Fahrstuhlfahrt in dem Moment, als er erkannte, dass wir aus Deutschland kamen. „Endlich mal jemand, mit dem man quasseln kann!“ eröffnete er die Konversation, die sich natürlich an der Bar fortsetzte, wo wir auf Sabine warten mussten. Unser Herr Schröder kippte sich in Sekundenschnelle ein ganzes Glas Rum hinter die Binde, um sofort ein Zweites zu bestellen. Er war so was von knallevoll, wie man das selten sieht. Dagmar in ihrer berühmt offenen Art hatte das vielleicht nicht gleich bemerkt; jedenfalls fing sie sofort ein Gespräch mit ihm an. Was man sich halt so von Tourist zu Tourist erzählt. Nach nur fünf Minuten hatte Schröder schon wieder vergessen, dass wir aus Frankfurt kommen. Dafür erzählte er uns, was er alles auf der Welt schon gesehen hat. „Thailand, Indien, die ganze Scheiße, den ganzen Dreck!“ Dagmar hätte mit ihren weltweiten Erfahrungen – vor allem ihren Aufenthalten in Australien – gut dagegen halten können, aber wie das bei Betrunkenen so ist, geht es denen im Wesentlichen darum, selbst zu reden. „In Australien war ich schon mal mit Familie, aber die Frau ist weg, Scheidung, die ganze Scheiße, verstehste?“ Drink Nummer zwei war alle, der dritte bestellt. „Ich hab´ die ganze Scheiße gesehen, den ganzen Dreck, verdammt. Ich hab der Frau vorhin Geld gegeben, damit ihr Kind Milch zu trinken bekommt. Tschulligung, wenn ich ´n bisschen lalle, aba ich trink halt gern. Das darf man doch. Bin ja auch allein. Meine kubanische Freundin ist heut nich da. Meine thailändische Freundin auch nicht. Is noch nich so weit.“ Es wurde immer schwerer, ihm zu folgen. Mein Einwurf, dass in Thailand inzwischen schon ein gewisser Wohlstand entstanden ist, wurde nahezu niedergebrüllt. „So ´n Quatsch! Haste mal an der Grenze zu Laos gesehen, wie die da hausen? Das is so ´ne Scheiße, so ´n Dreck, das kannste dir ganich vorstelln.“ Es war sinnlos, darauf irgendwas zu antworten. „Vier Sterne hat das Hotel? Bin ich auch schon rausgeflogen.“ Das konnte ich mir gut vorstellen. Herr Schröder zahlte seine Zeche und eine Runde für uns mit. Dann war sein kubanisches Geld alle. Ich spendierte ihm noch ein viertes Wasserglas mit kubanischem Rum, dann kam endlich Sabine und wir suchten das Weite.
Das Weite lag gar nicht fern. Heute also Kulturabend mit kubanischer Musik im HOTEL NACIONAL. Der Ballsaal des Hotels, der Saal „1930“ wurde wohl in demselben Jahr erbaut, dessen Namen er trägt. Alle Gäste wurden speziellen Tischen zugewiesen. Wir saßen in der zweiten Reihe, etwas links vor der Bühne und leider ziemlich dicht vor den Boxen, mit denen man die Frankfurter Festhalle hätte beschallen können. Das Essen war nicht übel, bestand aus drei Gängen und einem Gratisdrink. Pünktlich um um halb zehn sprang der jugendliche Moderator auf die Bühne und heizte das Publikum an, während sich in seinem Rücken dreizehn Musiker an ihre Instrumente begaben. Von links nach rechts waren das: Ein Pianist an einem Korg Stagepiano, ein Elektrogitarist, ein Elektro-Bassist, ein Bongo-Spieler an zwei großen Bongos, ein weiterer Percussionist, ein Trommler mit fünf lauten Trommeln, zwei Geiger und davor eine Sängerin und drei Sänger, die allesamt auch tanzten und diverse Percussion-Instrumente bedienten. Nr. 13 stand ganz links und bediente die Querflöte – ein Instrument, das man aus vollem Herzen als Folterinstrument bezeichnen darf. Meine Hoffnung, dass die Veranstaltung in Zimmerlautstärke ablaufen würde, hatte sich nach wenigen Sekunden erledigt. So laut war Musik in Havanna noch nie. Sabine stopfte sich auch sofort selbstgedrehte Papierstöpsel in die Ohren, um den Krach etwas erträglicher zu machen. Dagmar fands schön.
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| 13 Leute und 94 dB Lautstärke |
Zusätzlich zu den 13 Krachmachern kamen dann noch eine schwarzhaarige junge Tänzerin, eine uralte Buena Vista-Vorzeigedame aus den dreißiger Jahren und ein angeblich berühmter Saxofonist, der insgesamt drei Titel spielte. Anscheinend wird Musik nicht von allen gleich empfunden. Die beiden russisch besetzten Nachbartische hatten jedenfalls prachtvolle Stimmung, tanzten ständig mit und nahmen die meisten Szenen auf Video auf, indem sie ihre iPads in die Luft hielten und auf die Tänzer hielten, was ziemlich doof aussah. An jedem Tisch habe ich mindestens drei iPads und eine vollständige Ausstattung mit iPhones 5 gezählt.
Nach exakt zwei Stunden hatten die Damen und Herren der Musikergewerkschaft ausgespielt und wir zogen mit schmerzenden Ohren zurück ins Hotel. Herr Schröder war weg. Schade eigentlich.
DER DREIZEHNTE TAG
Den Morgen musste ich wieder im „HOTEL NACIONAL“ verbringen, weil es bei uns anscheinend in dieser Saison keine Internetkarten mehr geben wird. Dagmar und Sabine klapperten erneut ihre Lieblingsgalerien ab und nahmen noch einen Capucino im „HOTEL de INGLESE“, wo ich die beiden dann wenig später traf. Später im „CAFE PARIS“ mal ein paar Messungen durchgeführt. In meinem iPhone habe ich eine APP, die den Lautstärkepegel misst. Während drinnen die Band spielte und draußen eine andere Band entfernt zu hören war, betrug der Lautstärkepegel 93 Decibel, abgekürzt dB. Ab achtzig dB ist es stark gesundheitsschädlich. Die waren mit 76 db ohne Musik gerade so erreicht. Im Hotelzimmer (bei geschlossenem Fenster) 61 db – auf Dauer ebenfalls noch schädlich. Am Pool waren es ungesunde 84 dB (nachdem ich heimlich die Lautstärke zurückgedreht hatte).
Sabine hatte heute ihren letzten Tag. Sieben Tage haben ihr völlig ausgereicht und damit hatte sie auch recht. 14 Tage Havanna am Stück sind zu viel. Nun gut, wir haben auch fünf Tage mit zusätzlichen Ausflügen verbracht, aber dann bleiben immer noch 9 Tage. Neun Tage sind zuviel für eine Stadt wie Havanna, wenn man sich nicht Tag für Tag durch irgendwelche Museen quälen will. Und das wollen wir ja nicht.
Unsere Empfehlung: Vier Tage Havanna, dann mit dem Bus oder vielleicht sogar mir einem Mietwagen selbst durchs Land fahren, überall das beste Hotel suchen und auf eigene Faust das Land erkunden. Am Ende kann man ja noch drei Tage Varadero im Luxus dranhängen, wenn man das will. Die Menschen hier in Kuba sind sehr kontaktfreudig, es gibt so gut wie keine Gewalt oder Gefahr (vom Verkehr mal abgesehen, aber der ist auf dem Lande kaum zu spüren) und die Gründe und Folgen der kubanischen Revolution können nur durch die eigene Er-“Fahrung“ verinnerlicht werden. Die Kubaner sind zwar arm, aber stolz, gebildet und zufrieden. Dieser Satz, der uns sehr oft begegnet ist, scheint zu stimmen. Keine Ahnung, was passiert, wenn sich der Kapitalismus auf dieser Insel breit macht, wenn die nun erlaubte Selbstständigkeit zu Konkurrenzdenken und Konkurrenzdruck umschlägt. Wer werden die Sieger sein, wer die Verlierer? Wird der allgemeine Zugang zum Internet neue Begehrlichkeiten wecken oder neue Handelswege ermöglichen? Wird die Jugend mit einem „gemäßigten Kommunismus“ der Partei treu bleiben oder selbst irgendwann eine neue Rebellion starten? Lauter Fragen, die ich nicht beantworten kann, weil es für die Weiterentwicklung des Landes keine Vorlagen gibt. Alles ist möglich, alles ist offen.
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| Ein Bier geht immer |
Sabine wurde um 14.30 Uhr von einem Taxi abgeholt und zum Flughafen gefahren. Wir mogelten uns dann noch ein bisschen durch den Tag und gingen abends ein letztes Mal ins „CASTROPOL“, wo man uns inzwischen schon fast als Familienangehörige betrachtete. Anschließend trafen wir an der Bar erneut Herrn Schröder. Rolf heißt er übrigens. Diesmal hatte er seine blutjunge kubanische Freundin dabei. Da Prostitution in Kuba unter Strafe steht, war es für ihn nicht einfach, das Mädel ins Hotel zu schleusen. Worüber die beiden sich unterhalten, konnten wir nicht nachvollziehen, da er weder spanisch noch englisch spricht und sie auch nur spanisch kann. Nun gut, für gewisse Dinge braucht man ja auch keine Worte. Rolf trank heute nur Bier, dafür aber sehr viel. Wir erfuhren, dass er bereits seine dritte Scheidung hinter sich hat, dass er jeden Tag 20km bis zum Strand mit dem Fahrrad fährt (die Figur war für einen 63-jährigen durchaus passabel!) und im Strandrestaurant bereits den Fisch für morgen bestellt hat. Die Kleine zeigte uns Bilder ihres 3-jährigen Sohnes, was uns dann schon ein wenig schockte. Das Mädel wollte so gerne in die hauseigene Disco, aber Rolf wollte lieber noch das eine oder andere Bier trinken. Spät und auch ein wenig angeschickert gingen wir zu Bett.
DER LETZTE TAG
Ein Tag des Abschieds. Aufstehen, eiskalt duschen, Frühstücken, Koffer packen, Pool, auf Taxi warten, zum Flughafen fahren, abfliegen…
…und um 16.40 Uhr deutscher Zeit (nach 10 Stunden Flug) endlich wieder daheim!
FAZIT:
Kuba ist eine Reise wert! Wenn es mit den Reformen jetzt zügig weitergeht, wird sich die Armut schnell verringern. Die Menschen sind überaus freundlich, Kriminalität ist nahezu unbekannt (was auch an den Repressalien der Regierung liegt, aber das ist eine andere Geschichte). Alles wird anders werden, wenn der CASTRO-Clan verstorben ist. Vielleicht wird Castro´s lesbische Tochter neue Präsidentin – die Umfragen sprechen derzeit dafür.
In etwa 6 Jahren werde ich eine dritte Reise ins Land unternehmen, um den Fortschritt oder den Zusammenbruch selbst mitzuerleben.
Wir werden sehen.
Kaum Wasser im Nil – Die Nilkreuzfahrt
Rome, sweet Rome
Die Chefin kam gleich zur Sache.
„Bond, sie müssen leider noch mal in den Außendienst!“
Meine bis dahin völlig lockere innere Haltung verkrampfte sich in Sekundenschnelle. In den Außendienst? Was soll DAS denn? Endlich hatte ich es doch gerade in den Innendienst gebracht! 40 Jahre als Zielscheibe rachsüchtiger Kollegen oder eifersüchtiger Ehemänner lagen hinter mir. 40 Jahre, die ich überlebt hatte!
„Worum geht’s denn?“ fragte ich gespielt lässig meinen Boss, die unnahbare Geheimdienstchefin des britischen MI 5 mit dem einprägsamen Namen „M“.
„Sie müssen Berlusconi erledigen“ sagte sie so leicht dahin. „Berlusconi? Diesen italienischen laufenden Meter, dem alle Frauen die Stange halten?“ – „Sparen Sie sich Ihre Anzüglichkeiten, Bond. Berlusconi ist für die englische Krone zu einem großen Problem geworden.“ – „Hat er die Queen gebumst?“ – „Nehmen Sie sich zusammen, Bond, die Lage ist mehr als ernst. Und deshalb müssen Sie eben nochmal in den Außendienst. Keine Widerrede!“
Ich wusste, wann es Zeit ist, den Mund zu halten. M war wütend. Es stellte sich heraus, dass Berlusconi, dieser gerissene Rudelführer, im Verdacht stand, Vater des Babys von Kate Middleton zu sein. OK, Sie wissen noch nichts von diesem Baby, Prinz Willem auch nicht, der MI5 natürlich schon. Und Prinz Willem soll das auch nie erfahren. Damit Berli sich nicht verplappert, muss er eben von der Bildfläche verschwinden. Bei dem Baby von Carla Bruni ist man sich übrigens auch nicht so sicher, ob Sarkozy das in seinem biblischen Alter noch alleine hinbekommen hat. Unmengen Rockmusiker haben jedenfalls aufgeatmet, als der Alte das Baby als seinen Potenzbeweis anerkannt hat. Doch ich schweife ab.
„OK, ich verstehe“, sagte ich. „Wie soll die Sache denn laufen? Ich kann ihn doch nicht einfach so über den Haufen schießen?“ – „Es wird nicht leicht sein, dass ist mir schon klar. Es darf auf keinen Fall nach Mord aussehen, sonst haben wir „Aktenzeichen XY“ am Hals. Sie haben vier Tage Zeit. Ihr Flug geht heute Abend um 18.40. Mit Alitalia nach Rom.“
„Nein, bitte nicht Alitalia!“ flehte ich M an, aber sie wischte meine Einwände mit einer Handbewegung zur Seite. „Sie werden nicht alleine operieren“, sagte sie. „Ich habe Ihnen noch eine Agentin zur Seite gestellt.“
„Eine Agentin?“ fragte ich hoffnungsvoll. So ließ sich das Abenteuer vielleicht doch ein bisschen besser aushalten.
„Ja, Sie als alter Mann kommen wahrscheinlich nicht dicht genug an ihn ran. Mit einer Frau geht das viel leichter.“ Sie hatte mich mit dieser Bemerkung zwar ein bisschen in meiner Berufsehre gekränkt, aber wahrscheinlich hatte sie recht. „Wer ist denn die Lady?“. M sagte nichts, drückte aber einen Knopf auf ihrem Regiepult in ihrem überdimensionalen Schreibtisch. Big Ben schlug gerade 10.
Dann ging die Tür auf und Agentin 008 stand in der Tür, schön wie immer. „Hi James.“ So beruhigend diese Worte auch waren, sie brachten mein Herz zum Klopfen. „008, Du also.“ Ich ging auf sie zu, nahm sie leicht in den Arm und drückte ihr links und rechts einen kleinen Kuss auf die Wange. Das hatten wir immer schon so gemacht. Schon damals, als sie noch als V-Frau für die Lufthansa arbeitete und als Profikillerin Aufträge in der ganzen Welt erledigte. Manchmal trafen wir uns danach abends im Pub und erzählten uns von unseren Heldentaten. Mehr war nie und mehr würde nie sein. Und jetzt würde sie mit mir nach Rom fliegen. Nur sie und ich. Und zweieinhalb Millionen Römer. Und ebenso viele Touristen.
Moneypenny händigte uns die neuen Identitäten aus. Aus „007“ wurde ein deutscher Kleinunternehmer mit dem Namen „Rainer“ und „008“ bekam den Tarnnamen „Dagmar“. Deutsch sprachen wir ja beide schon von Kindesbeinen an. Die Waffenkammer hatte das MI5 schon lange geschlossen, seit „Q“ ins Gras gebissen hatte. Man hatte festgestellt, dass es alle Waffen, die „Q“ angeblich entwickelt hatte, auch in einem Waffenladen auf der Winchester Road zu kaufen gab. Der MI5 bekam da inzwischen sogar Mengenrabatt. Und was es dort nicht gab, wurde in Deutschland bei „PEARL“ bestellt. Für uns kamen Waffen allerdings nicht in Frage, da wir ja zunächst in ein Flugzeug steigen mussten.
Tickets und Papiere waren in Ordnung, so dass wir schnell an Bord konnten. Der Flug war etwa zwei Stunden lang und es gab natürlich nichts zu essen.
Der internationale Flughafen von Rom liegt etwa 25 km außerhalb des Stadtkerns. Mit der Limousine kostet die Fahrt ins Zentrum 40 Euro, mit dem Schnellzug (31 Minuten) 16 Euro und mit dem Bus (ca. 70 Minuten) nur 9 Euro.
Wir wählten die Bahn. Auf dem Weg dorthin fiel mir auf, dass Rolltreppen aus einem mir noch rätselhaften Grund meist dann nicht funktionieren, wenn sie nach oben führen. Die nach unten sind nie kaputt. Der Weg vom Terminal bis zum Bahnhof war lang. Außerdem herrschten hier in Rom ganz andere Temperaturen als daheim. Schweißgebadet fanden wir dann endlich das richtige Gleis. Vor dem Ticketschalter hatte sich eine lange Schlange gebildet. Als wir endlich dran waren, schloss der Beamte einfach das Fenster und verschwand aus dem Zimmer. Also mussten wir uns ein zweites Mal an einem anderen Ticketschalter anstellen, bis wir endlich die Fahrerlaubnis hatten. Und die mussten wir auch gleich wieder ungültig machen. Denn bevor man in Italien ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt, muss man die Fahrkarten an speziellen Automaten erst mal wieder entwerten. Ein Mitreisender, der das unterlassen hatte, musste 50 Euro Strafe zahlen. Andere Länder, andere Sitten.
Der Bahnhof „Termini“ in Rom ist rund um die Uhr geöffnet. Menschenmassen drängten sich von den Bahnsteigen in die große Vorhalle, hinaus zu den Bahnen, Bussen und Taxen.
008 und ich hatten nur Handgepäck mitgenommen. Vier paar Socken, vier Unterhosen, zwei Hosen, aber FÜNF Hemden. Falls ich beim Essen kleckern sollte. Seit ich nicht mehr im Außendienst arbeitete, hatte sich so ein kleines Bäuchlein gebildet, auf dem mit Vorliebe Soßenreste hängen blieben. Ich sollte das Ersatzhemd benötigen, wenn auch aus einem ganz anderen Grund.
Wir nahmen ein Taxi. Der römische Halsabschneider brachte uns unter Umgehung von rund zwei Dutzend Verkehrsregeln auf dem schnellsten Weg ins Hotel. Dieser schnellste Weg kostete sage und schreibe 20.- Euro, obwohl das Hotel „San Marco“ laut Reiseführer nur etwa 500 m entfernt lag.
Das Hotel war ein durchschnittlicher 3-Sterne-Kasten aus dem 16. Jahrhundert oder so. Unsere Suite war aber gar nicht im Hotel, sondern um die Ecke im fünften Stock eines Wohnhauses versteckt. Das hatte sicher M eingefädelt, um unsere Tarnung nicht zu gefährden. Der Fahrstuhl war etwa zwei Meter tief und 60 cm breit. Die Innentüren musste man von Hand öffnen und wieder schließen, damit sich das Gerät aus der technischen Steinzeit überhaupt in Bewegung setzen konnte.
Oben angekommen, öffneten wir die Türe der Suite mit einem zweiten Schlüssel, den man entgegen aller Gepflogenheit nach links drehen musste. Dann der kleine Schock.

„Das ist ja gar keine Suite“ sagte 008 alias Dagmar. „Das ist ja ein ganz gewöhnliches, wenn auch sehr hübsches Hotelzimmer.“ – „Mit nur EINEM Bett!“ warf ich ein. „Du schläfst natürlich auf dem Stuhl!“ kommandierte Daggi und begann, das Bad zu inspizieren. „Es gibt keinen Stuhl!“ verkündete ich nach einem raschen Blick durch den Raum. „Es gibt nur einen Schrank, und da gehe ich nicht rein.“. Dagmar lächelte, nahm mich in den Arm und sagte: „Du Dummerchen. Was glaubst Du, wer das Zimmer gebucht hat?“. Schon wieder beschleunigte sich mein Puls. „Wir..äh..wir sollten vielleicht erst einmal dinieren“, stotterte ich verlegen in der Hoffnung, sie damit auf ein anderes Thema zu bringen. „Wir müssen ja auch noch unseren Fall und die Vorgehensweise diskutieren“, unterstrich ich meine Argumente. „Na gut, einverstanden. Ich habe einen Megahunger.“ Seit 008 vor genau sieben Monaten aufgehört hatte zu rauchen, war ihr Appetit doch spürbar gestiegen.

Die Pizzeria „3 Archi“lag genau zwischen dem Hotel und unserer „Suite“. Wir bestellten ein Touristenmenü für je 19 Euro. Inklusive Tischwein. Vorher Pasta, dann Fleisch (oder Fisch) und zum Schluss Obst oder Süßes. Es war inzwischen Mitternacht geworden. Um unseren Plan zu besprechen, setzten wir uns ins Freie vor ein kleines Lokal direkt neben dem Hoteleingang. Es müssen immer noch 25 Grad gewesen sein. Der Wein verdunstete überdurchschnittlich schnell.
„Also, hier ist mein Plan“, sagte Dagmar alias 008. „Es ist ja bekannt, dass Berlusconi die Gesellschaft junger Frauen bevorzugt“. – „Schon, aber Du bist ja nicht einmal minderjährig!“ warf ich ein. Dagmar lachte. „Keine Sorge, da hat M schon jemanden gefunden, der diesen dreckigen Teil der Arbeit erledigen muss. Unsere Aufgabe ist es nur, ihn überhaupt erst mal aufzufinden!“ – „Aber ist denn der nicht ganz einfach in seinem Büro?“ – „Schön wär´s. Der treibt sich jeden Tag und jede Nacht woanders rum. Wir werden ganz schön rumziehen müssen!“
An mir sollte es nicht liegen. Rom, 25 Grad, kühler Weißwein und Agent 008 im selben Bett. Viel besser kann das doch gar nicht kommen…
Am nächsten Morgen mussten wir uns beeilen, das Frühstück nicht zu verpassen. Wir hatten beide viel zu wenig Schlaf abbekommen, was als Beschreibung der nächtlichen Vorfälle hier reichen soll. Für italienische Verhältnisse war das Frühstück recht ordentlich, auch wenn es weder Eierbecher noch Eierlöffel gab. Da die Eier hartgekocht waren, war das auch nicht wirklich bedauerlich. Der Kaffee schmeckte grauenhaft.
Dann begannen wir, die Gegend zu erkunden. Der Bahnhof Termini, Dreh- und Angelpunkt aller innerstädtischen Unternehmungen, war tatsächlich nur etwa 500 Meter entfernt und zu Fuß in knapp zehn Minuten erreichbar. Unser nächtlicher Taxi-Gangster machte mich immer wütender. Um zunächst erst mal einen Überblick über die „ewige Stadt“ zu bekommen, lösten wir zwei Tickets für die beliebten „Hop Off, Hop On“-Sightseeing-Busse. Zwei Tage mit offenem Dach durch die Gegend fahren und staunen kostete hier 20.- Euro pro Nase. Inzwischen war die Sonne herausgekommen und bruzzelte auf unseren Schädeln rum. Agent 008 kaufte daher bei einem der vielen Straßenhändler zwei Kopfbedeckungen. Sie wählte einen weißen Hut, der ca. 15 Minuten lang hielt und ich setzte mir eine dämliche Kappe auf. Immerhin entkamen wir so einem frühzeitigen Hitzschlag. Die Busse fuhren nach einem bestimmten, für uns nicht erkennbaren Muster. Die Tour berührte so ziemlich alle interessanten Touristenattraktionen, die man mit dem Auto erreichen kann. Alle paar hundert Meter gab es einen Stop, an dem man den Bus verlassen konnte, um versteckt liegende Ziele in der Innenstadt fußläufig zu erreichen.

Schnell war uns klar, dass wir auf diese Weise nie herausfinden würden, wo sich Berlusconi gerade rumtrieb. Wir verließen also den Bus an der berühmten Via Veneto und machten dort zunächst Station im berühmten RockCafé. Enrico war nicht da, aber dafür unendlich viele überteuerte T-Shirts. Dagmar kaufte natürlich so ein Reklamehemdchen für ihren Sohn (Agent 008a), zumal der Reingewinn dieses Deals für irgendwelche Projekte in der dritten Welt gespendet werden würde. (Wobei es eine „Dritte“ Welt ja gar nicht gibt. Wir sind doch noch dabei, unsere „erste Welt“ kaputt zu machen, aber das ist eine andere Geschichte.)

Wir liefen die Via Veneto entlang und staunten über die sehr schönen Cafés und Restaurants, die alle paar Meter auftauchten. Trotz des verlängerten Wochenendes und der unzähligen Touristen in Rom waren sie allerdings kaum besucht, obwohl die Preise durchaus akzeptabel waren. Unser Weg führte uns nun in die Altstadt von Rom, die für Autos gesperrt ist. Alle Wege führten zum berühmten Trevi-Brunnen, der dann auch von Touristen aus aller Welt, vornehmlich aus Japan, belagert wurde. Direkt an den Rand des Brunnens zu kommen, war infolge der Menschenmassen kaum möglich. Wir warfen dann also auch kein Geld in den Brunnen – eine Unsitte, die angeblich dafür sorgt, dass man irgendwann mal wieder nach Rom zurück kommt. Stattdessen liefen wir die unzähligen Gassen ab, die sich südlich des Brunnens durch die Häuserschluchten gegraben hatten. Es gab Gassen, in denen man nur Juweliere finden konnte. Die teuersten und besten Marken der Welt direkt neben günstigen Kleinsthändlern. Andere Gassen bestachen durch ihre unglaubliche Vielzahl von Boutiquen aller Art. Auch hier der teure Markenramsch sowie eine Menge unbekannter Marken zum Billigst-Preis. Kleidchen für 17 Euro, Schuhe für 30 Euro, ganze Anzüge für 100 Euro – da pocht das Herz des kaufwilligen Touristen. Agent 008 hat sich auch gründlich mit ein paar Hemdchen, Kleidchen und Schühchen eingedeckt. „Wenn wir diesen Auftrag hier erledigt haben, nehme ich mir die Zeit, um nochmal nur zum Einkaufen hierher zu fahren!“ sagte sie und das Leuchten in ihrem Gesicht wollte nicht aufhören.

Aber weit und breit kein Berlusconi. Einmal wähnten wir uns dicht an ihm dran, als nämlich eine Wagenburg aus rund zwei Dutzend Mercedessen und BMWs mit lautem TatüTata an uns vorbei raste. Aber die Scheiben der Karossen waren geschwärzt. Man konnte nicht erkennen, wer sich da auf Kosten des italienischen Steuerzahlers durch die Gegend kutschieren ließ. Und selbst wenn Berlusconi in einem der Wagen gesessen hätte, wäre es für uns unmöglich gewesen, ihn auf die kurze Distanz zu erledigen. Und womit auch? Wir hatten ja noch nicht einmal einen Regenschirm zum Draufhauen…
Wir suchten uns ein nettes, kleines Restaurant mit Blick auf eine Spesenburg, die regelmäßig von teuren Limousinen angefahren wurde, aus denen überbezahlte Politiker heraus krabbelten. Auch hier Fehlanzeige, was „Berli“ anging. Die leckeren Pasta rückten unseren Auftrag auch in die Ferne. Schließlich hatten wir ja noch unendlich viel Zeit.

Rom ist vergleichsweise winzig. Egal, in welche Richtung man läuft – irgendwann kommt man am Piazza Italia raus. Dort stehen dann die ganzen alten Dinger rum. Zunächst muss man eine steile Treppe hochlaufen, die angeblich von Da Vinci gebaut wurde. Dann sieht man von oben das ganz alte Rom, das natürlich nur noch aus ein paar Trümmern besteht. Am Ende der Trümmer liegt das berühmte Colosseum, das aber auch schon reichlich viele Einstürze hinter sich hat. Irgend so ein privater Gutmensch will das jetzt sanieren lassen. Der Staat hat dafür kein Geld, obwohl er 5 Euro Eintritt für die Besichtigung der Felsbrocken verlangt. Wie wir erfahren konnten, hatte man am Vorabend gerade den 60. Geburtstag der italienischen Demokratie gefeiert. Berlusconi war auch da. Und wir saßen im Zug vom Flughafen in die Stadt. Dumm gelaufen.
Wegen dieser Party war die Straße zum Colosseum gesperrt und wir mussten einen riesigen Umweg laufen, um dorthin zu kommen. Beide probierten wir unterwegs echt italienisches Eis und naschten eiskalte Melonenstücke und Obstsalate.

Vor dem Colosseum stauten sich die Touristen als wäre der Eintritt frei. War er aber nicht. Eine englische Touristenführerin sprach mich an. Ob ich für 35 Euro mit ihr mitkommen würde. Also ins Colosseum natürlich, ohne Wartezeit, mit englischer Führung. Wir haben dankend abgelehnt, zumal man durch die Ritzen im Gemäuer ohnehin Einiges sehen konnte. Die Geschichte dieses Theaters hatten wir schon in unserem Sightseeing-Bus gehört. Es war eine Ehre, als Sklave kämpfen zu dürfen. Wer zehn Kämpfe überlebt hatte, wurde gar entsklavt und durfte fürderhin als Ausbilder Gladiatoren ausbilden. Tolle Alternative, wirklich. Also ließen wir das Gemäuer rechts liegen und wanderten einmal fast ganz herum, bis zu den Bushaltestellen. Wir hatten nämlich festgestellt, dass die Linie B ziemlich dicht an den Stadtteil Travestere heranführt, der laut einiger Empfehlungen aus dem Heimatland ein besonders beliebter Nacht-Treff sein sollte. Leider kam zum Zerplatzen keine Linie B, nur ca. 6 mal Linie A. Nach einem kurzen Blick auf die Landkarte beschlossen wir, den Weg – die paar hundert Meter – jetzt auch noch zu Fuß hinter uns zu bringen. Offensichtlich war aber die Karte irgendwie verzerrt dargestellt. Aus den paar hundert Metern wurden ganz schnell einige Kilometer. Die Knochen schmerzten nicht wenig, bis wir endlich über den Tiber gelaufen waren und in Travestere ankamen. Das soll ein Touristen-Zentrum sein? Es war 17.00 Uhr, aber das einzige Lokal, das wir sahen, war eigentlich geschlossen. Aber mit ein bisschen Betteln bekamen wir doch noch ein Glas Pinot. Für 5 Euro. Je Glas. Wieder holten wir die mittlerweile sehr abgegriffene Landkarte heraus. Es musste noch ein anderes Zentrum geben. Hier waren wir definitiv falsch. Und Berlusconi würde auch nie in diesen Teil der Stadt kommen, da mussten wir uns nix vormachen. Also latschten wir mit schmerzenden Füßen weiter, bis uns freundliche türkische Straßenhändler die richtige Richtung zeigten. Das Touristenzentrum von Travestere war noch ewig weit entfernt.

Als wir dann aber nach langen, winkligen Gassen mit schmerzendem Kopfsteinpflaster an der großen Piazza mit der alten Kirche ankamen, war alles so, wie wir es erhofft hatten. Dutzende von Lokalen und Restaurants, Straßenhändler, Gaukler, ja ganze Gesangsvereine säumten den Platz und die Nebenstraßen. Zur Entlastung der Füße nahmen wir zunächst ein, zwei Gläser Wein ein und sogen das Spektakel in uns rein. Irgendwann wurde es dann Zeit für´s Abendessen. Und zu unserer vollsten Verblüffung hörte das Vergnügungsviertel am Rande der Piazza nicht auf, sondern erstreckte sich noch auf zwei, drei Dutzend weiterer Straßen und Gassen mit Myriaden kleiner Läden, Kneipen und eben auch Restaurants. Eine der gemütlichen Pizzaläden bekam den Zuschlag. Es gab Salate, Pasta, Fleisch oder Fisch, Wein und Brot. Wie es sich für ein italienisches Restaurant eben gehört. Wir saßen natürlich im Freien. Der Service war unglaublich gut und schnell, vielleicht schon etwas zu schnell. Denn nach einer guten halben Stunde waren wir schon durch mit unserem Essen. Also schlenderten wir weiter durch das Viertel, bewunderten die Auslagen und tranken hie und da ein Gläslein. (Wenn M vom MI5 wüsste, wie wir hier mit unseren Spesen umgegangen sind, würde ich wohl aus dem Staatsdienst fliegen. Aber dieser Bericht ist ja GEHEIM!)
Nun mussten wir noch das Problem der Heimreise lösen. Denn LAUFEN war nun beim besten Willen nicht mehr drin. Glücklicherweise gibt an einem Ende des Viertels eine Bahn- und Busstation, deren Linien selbstverständlich bis zum Bahnhof Termini führen. Und ruckzuck klemmten wir in dem völlig überfüllten Nachtbus. Die Tickets mussten wir vorher in einer Kneipe kaufen, da es in Rom für den Nahverkehr keine Ticketautomaten gibt. Nach ca. 25 Minuten kamen wir am Bahnhof an und liefen zielstrebig Richtung Hotel. Leider wollte sich so gar keine Erinnerung an das Straßenbild einstellen. Nach etwa 500 Metern schaltete ich mein iPhone ein und suchte unser Hotel. Da hatten wir den Salat. Wir waren im Bahnhof an der verkehrten Seite rausgekommen und liefen seit zwanzig Minuten in die entgegengesetzte Richtung. Wieso haben Menschen keinen funktionierenden Kompass intus? Nun musste doch wieder ein Taxi her, das aber diesmal sehr viel günstiger war. Vor dem Hotel war die kleine Kneipe von gestern noch geöffnet. Ein letzter Wein rundete den Abend ab.
Unseren Auftrag hatten wir immer noch nicht erfüllt, nicht mal ansatzweise. Und ganz ehrlich: Mir war dieser komische Berlusconi mittlerweile auch vollkommen egal. Sollte sich doch ein anderer darum kümmern. Wir mussten ROM erkunden, das war doch viel wichtiger. Müde fielen wir ins Bett und schliefen bis 9.30 Uhr. Frühstück gab´s bis 10.30 Uhr.

Ein neuer Tag lag vor uns. Die Sonne schien schon früh mit voller Energie. Vom Bahnhof aus nahmen wir zunächst wieder den Sightseeing-Bus, dessen Tickets ja auch heute noch gültig waren. In der Nähe der spanischen Treppe sprangen wir ab und bewegten von da an wieder unsere Füße. Unser Weg führte uns direkt zur spanischen Treppe, die wir dann komplett runter liefen. Auch hier gab es wieder ein Viertel mit hunderten von Mode- und Schmuckgeschäften. Daggi kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Schnell waren ein paar Kleidchen gekauft, auch zwei oder drei Hemdchen. Ein Blumenhändler schenkte Dagmar eine rote Rose. Dachte ich jedenfalls zunächst. Aber dann ließ er uns nicht in Ruhe und wollte uns ständig irgendwas andrehen. Ich gab ihm die Rose trotz seines Protestes zurück und musste schon ein bisschen laut werden, bis er von seinem Opfer abließ.

Zum Mittagessen wollten wir noch einmal in die Via Veneto. Wir hatten gestern dort wunderschöne Lokale gesehen mit wunderbarem Essen. Auch hier stellte sich heraus, dass unsere Karten-Distanzen wenig mit der Wirklichkeit zu tun hatten, aber so gegen 14.30 Uhr hatten wir es dann tatsächlich ohne fremde Hilfe geschafft, die Via Veneto zu Fuß zu finden und dort besagtes wunderbares Mittagessen einzunehmen. Anschließend liefen wir wieder Richtung Zentrum und entdeckten plötzlich ein 3D-Kino, in dem die Geschichte Roms gezeigt wurde. Da es kurz nach 16.00 Uhr war, kamen wir gerade richtig zur nächsten Vorstellung. Es handelte sich allerdings um ein sehr runtergekommenes Kino. Wir hatten zwei Filme gebucht. Der erste Film war in 3D und zeigte die Entstehung der Welt. War sehr schön gemacht, zumal auch die (verdreckten) Sitzbänke über pneumatische Konstruktionen mit bewegt wurden. Der zweite Film war dann eher komisch. Dazu mussten wir in ein zweites Kino gehen, das auch mit diesen Wackelstühlen ausgerüstet war, allerdings nur 2D-Darstellung bot. Die Geschichte Roms war deswegen komisch, weil die deutsche Synchronisierung der Schauspieler dermaßen grauenhaft war, dass man nur lachen konnte. Wer immer diesen Auftrag verhunzt hat, sollte sich tief und ehrlich schämen. Ich habe nach der Hälfte dann auf das englische Original umgeschaltet. Dagmar war vor dem Schluss eingenickt.

Nach dem Kino war wieder Sightseeing angesagt, unterbrochen von einer Tasse Cafe in einer der vielen Bars. Und weil wir schon mal so schön unterwegs waren, sind wir auch diesen Abend wieder Richtung Travestere gelaufen. Nach der Überquerung des Tiber waren wir schon nahe am Vatikan, mussten also noch eine große Strecke am Fluss entlang laufen. Vorbei an irgendwelchen Museen, an Dutzenden von Verkaufsständen mit dem üblichen Touristentrödel wurde es uns dann irgendwann doch zu lang. Wir hielten ein Taxi an und fuhren die letzten zwei Kilometer mit einem begeisterten AUDI-Fahrer. Statt uns an der Bushaltestelle des Zentrums von Travestere rauszulassen, fuhr er uns noch eine Ewigkeit weiter, damit die Kasse auch schön klingelte. Wir landeten schon wieder am falschen Ende, wussten aber diesmal den richtigen Weg und waren bald wieder im zuckenden Zentrum der Glückseligkeit. Heute wollten wir zur Abwechslung mal so richtig römisch essen gehen. Ein sehr großes, sehr teures Lokal war auch schnell gefunden. Draußen war alles reserviert, daher mussten wir uns in den altertümlichen Innenraum setzen. Auch hier nahezu alle Plätze belegt. Musste ja eine tolle Küche sein. Die Ernüchterung kam schon bei der Vorspeise. Mächtige Portionen mit megaviel Kalorien regten den Appetit nicht gerade an. Was in unserem gestrigen Lokal zu schnell ging, dauerte hier zu lange. Wir waren froh, als wir wieder im Freien waren, 2 Kilo schwerer und 100 Euro leichter.

Draußen hatte es inzwischen angefangen zu tröpfeln. Wir kamen gerade noch unter der Veranda einer kleinen Kneipe unter, bevor der Regen sich austobte. Als es dann wieder ein bisschen besser wurde, machten wir uns wieder auf den Weg zur Bushaltestelle, um im wiederum überfüllten Nachtbus zur Termini-Station zu fahren. Diesmal kannten wir den Weg ins Hotel, sodass noch genug Zeit blieb, ein weiteres Mal Station in der kleinen Kneipe neben dem Hoteleingang zu machen. Wir müssen auf die Wirtin einen guten Eindruck gemacht haben, denn völlig überraschend schenkte sie uns eine Flasche Weißwein. Einfach so. Die steht allerdings immer noch im Kühlschrank unseres Hotelzimmers. Warum? Ich will nichts vorwegnehmen, aber es gab tragische Gründe…

Sonntag Morgen. Die letzte Möglichkeit, Berlusconi aufzuspüren. „Vielleicht treibt er sich beim Papst rum?“ fragte sich Agent 008. Und schon hatten wir einen Plan. Da unser Hop-On, Hop-off-Ticket inzwischen abgelaufen war, nahmen wir einen Bus zum Vatikan. Eine Einzelfahrt kostet übrigens nur einen Euro. Ein Tagesticket vier Euro – und mit 16 Euro kann man eine ganze Woche Busse und Bahnen fahren. Vorausgesetzt, man weiß, wo sie abfahren. Natürlich am Bahnhof Termini, wo sonst. Beim Papst war schwer was los. Auf vier Riesenbildschirmen, die auf dem Riesenplatz vorm Vatikan aufgebaut waren, erzählte er den Gläubigen gerade irgendwas vom Jesuskind. Es hat eine Weile gedauert, bis wir merkten, dass es sich um eine Aufzeichnung handelte. Ratzi war nämlich gar nicht zu Hause! Um in die Peterskiche zu kommen, musste man sich zunächst einer gründlichen Kontrolle unterziehen. Die Scanner vom Flughafen hatten hier gewaltig viel Arbeit. Aber auch wenn es piepte – und es piepte unentwegt – wurde niemand gründlicher gefilzt. Das soll jetzt kein Tipp für bekloppte Christenhasser sein. Eher ein Hinweis, dass die Security doch ziemlich lasch mit den Touristen umgeht. Nach etwa 20 Minuten waren wir dann in der Peterskirche. Hübscher Kasten, wenn auch ziemlich groß und ungemütlich. Teilweise zu kalt – trotz der Hitze im Freien – und teilweise stickig warm. Überall Altare, Gruften und Gräber. Gut tausend Touristen versuchten, möglichst wenig Lärm zu machen. An der Stirnseite wurde den Leuten irgendwas gepredigt – wir haben uns da nicht mit reinziehen lassen. Lieber haben wir uns die Bilder angesehen, die ein gewisser Michelangelo da an die Decken gemalt hatte. Beeindruckende Leistung, wirklich vom Feinsten. Aber nun auch nicht so dolle, dass man da länger als eine halbe Stunde aushalten muss. Vor der Peterskirche standen noch so ein paar Hansel von der Schweizer Garde rum. Im Gegensatz zu den Jungs vorm Buckingham-Palast in London dürfen sich die hier sogar bewegen und mit den Touris flirten. Soweit also unsere Erlebnisse beim Papst, der nicht da war.

Zu Fuß – was auch sonst – suchten wir den Weg zur nächstgelegenen U-Bahn-Station. Ja, es gibt tatsächlich zwei U-Bahnlinien in Rom und eine dritte ist im Bau. Unser Plan für den Nachmittag war nämlich der Besuch der Via Appia Antica, einer uralten römischen Straße mit nur 5 Meter Breite und mehreren Grabstellen uralter Römer und Christen, den sogenannten Katakomben. Die U-Bahn brachte uns in die Nähe einer Busstation, wo wir ohne lange Wartezeit mit einem Bus an unser Ziel gefahren wurden. Leider stiegen wir zu früh aus und es begann erneut zu regnen. So warteten wir an einem einsamen Café auf den nächsten Bus, der auch bald kam und uns dann näher an die Katakomben chauffierte. Der Bus war randvoll mit Gleichgesinnten. Alle wollten sich die Grabmäler oller Römer anschauen. Entsprechend lang war dann auch die Schlange am Eingang. Wir wurden nach Sprachen aufgerufen und dann einer leidlich gut deutsch sprechenden Touristenführerin zugeteilt. Sie erzählte uns zunächst anhand einiger Schautafeln, was uns gleich alles erwarten würde. Vier Stockwerke tief, natürlich nachträglich abgesichert, 250.000 Gräber. Hui, hoffentlich stinken die nicht so.

Die Leichen wurden damals direkt in kleine Nischen im Lehm gelegt, die von speziellen Grabtechnikern dort ausgebuddelt worden sind. Große und vor allem reiche Familien bekamen auch schon damals große, hübsch verzierte Totenlager, während sich der Durchschnittstote ziemlich zusammenkrümmen musste, um in den kleinen Mulden genügend Platz und ewige Ruhe zu finden. Es stellte sich aber leider zu unserer Enttäuschung heraus, dass die Dahingeschiedenen schon lange nicht mehr an ihrem Platze lagen. Man hatte die Knochenreste irgendwann ausgeräumt. Sogar ein paar Päpste waren übrigens dabei. Sehen konnte man nur noch, wie kalt und ungemütlich man da im Dunkeln vor sich hin lag. Ein bisschen Schmuck und Grabbeilagen gab es zu bewundern, aber im Wesentlichen war es nur ganz schön kalt. So macht tot sein auch keinen Spaß. Wieder an der Oberfläche, liefen wir zurück zur Bushaltestelle. Leider kam und kam kein Bus. Stattdessen öffnete der Himmel seine Schleusen und begoss uns wie begossene Pudel. Wir hatten uns unter einen Baum gestellt, wurden aber trotzdem pitschnass. Einen Schirm hatten wir ja immer noch nicht. Plötzlich bemerkte ich, dass Dagmars helle Bluse über und über mit schwarzen Punkten übersät war. Und auch auf den Händen, den Haaren, einfach überall bemerkten wir diese kleinen schwarzen Punkte. Und die bewegten sich sogar! Der Regen hatte die Blattläuse aus den Blättern der Bäume herausgewaschen! Und die suchten sich jetzt auf uns ein neues Zuhause! Wie eklig kann das denn sein??? Schnell verließen wir den schützenden Baum und ließen uns nochmal richtig zugießen, um die Viecher wenigstens oberflächlich loszuwerden.

Dann kam der Bus. Alles stürzte rein. Sofort beschlugen alle Fenster. Der Fahrer musste anhalten, weil er nichts mehr sehen konnte. Es wurde auch nicht besser. Unsere Horde dampfender Touris setzte den Bus schachmatt. Der Fahrer weigerte sich fortzufahren und rief seine Zentrale an. In zwanzig Minuten sollte ein Ersatzbus kommen. Die lautstarken Beschimpfungen der einheimischen Bevölkerung hätte ich gerne übersetzt, aber es war auch so klar, dass da jemand sauer war. Nach einer dreiviertel Stunde kam dann tatsächlich ein Ersatzbus. Der war allerdings noch voller als der erste Bus. Und als alle Touristen aus dem alten in den neuen Bus gestürzt waren, beschlugen sich auch hier sofort wieder alle Fenster. Der Fahrer brüllte uns an, wir sollten gefälligst den Bus verlassen, aber keiner verließ seinen mühsam erkämpften Platz. Ich wusste noch nicht einmal, ob Agent 008 noch an Bord war, da wir getrennte Eingänge gestürmt hatten. Nachdem der Fahrer gemerkt hatte, dass er mit Drohungen nicht weiter kam, fuhr er ein paar Meter im Schneckentempo, blieb stehen, öffnete die Türen, wartete, bis wieder ein bisschen Sicht war und fuhr dann die nächsten 50 Meter. Die Rückfahrt dauerte auf diese Weise reichlich lange. Am Ende waren die Scheiben nur noch ein bisschen beschlagen. Mit der U-Bahn fuhren wir wieder zurück zum Bahnhof Termini, liefen dann die 500m zum Hotel und duschten uns erstmal die widerlichen Läuse ab. Bah, war das eklig. Genau dafür war es gut, dass ich noch ein Ersatzhemd dabei hatte…

„Unser Abflug ist übrigens morgen schon sehr früh“, sagte Agent 008 beim Fönen ihres güldenen Haares. „Wann müssen wir denn aufstehen?“ fragte ich. „Ich glaube, so um fünf. Schau doch mal auf den Flugschein!“. Wenn ich etwas hasse, dann ist es früh aufzustehen. Ich quäle mich ja zuhause schon nur deshalb um halb neun aus dem Bett, weil um neun der Paketbote oder die Putzfrau klingeln könnten.
Leicht genervt ob dieser Aussichten fummelte ich das Schreiben der Fluggesellschaft aus meiner Jacke. Und verkündete erleichtert: „Schatz, wir fliegen erst um 11.10 Uhr!“. Das bedeutete, statt fünf Uhr erst um sieben aufstehen zu müssen. Immer noch eine Zumutung für einen älteren Herrn, aber gerade noch akzeptabel, da man ja im Flieger pennen kann…
Und kaum, dass wir frisch gewaschen und neu eingekleidet waren, kam auch die liebe Sonne wieder hinter den Wolken hervor. Weil dies heute unser letzter Abend werden sollte und der Tag ja schon aufregend genug war, vereinbarten wir eine Erkundung der näheren Umgebung unseres Hotels. Immerhin waren da noch einige Nebenstraßen mit ein paar netten Lokalen zu prüfen. Gleich das erste Lokal, gerade mal zwei Querstraßen weiter und Teil eines großen Hotels für Jugendliche (also so ´ne Art Jugendherberge), entpuppte sich als außerordentlich ergiebig. Es war voller junger Leute, die zum Teil schon reichlich dem Alkohol zugesprochen hatten. Es handelte sich um eine Reisegruppe aus Belgien, die gerade ein Fußballtournier hinter sich hatte und nun gebührend ihren dritten Platz feierte. (Die Deutschen hatten natürlich den ersten Platz gewonnen.)

Die Jungs im Alter zwischen 20 und 25 sprachen sehr gut Englisch und sogar ein bisschen deutsch, so dass wir uns blendend mit ihnen unterhalten konnten. Auffällig war, dass viele der jungen Leute ein MacBook vor sich hatten und irgendwas in die Tastatur tippten oder über Skype mit ihren Freunden weltweit sprachen. Es stellte sich heraus, dass in diesem Hotel jeder – umsonst! – ein MacBook geliehen bekam, wenn er dort wohnte. Der Pass hat als Pfand ausgereicht. Und das wurde von der Jugend auch begeistert aufgenommen. Irgendwann kamen wir dann mit einer Amerikanerin ins Gespräch, die in Rom die Liebe ihres Lebens gefunden hatte und mittlerweile hier verheiratet war. Sie arbeitete als Hotelmanagerin, war bildhübsch und redete wie ein Wasserfall. Andere hatten nur dann eine Chance zu einer Äußerung, wenn man ihr mal kurz den Mund zuhielt. Und so redeten und redeten wir, bzw. sie, das eine oder andere Glas Wein dabei einnehmend, bis sich der Hunger meldete. Wir hatten seit dem Frühstück lediglich ein Sandwich gegessen, das war deutlich zu wenig. Also verabschiedeten wir uns, zogen gegenüber der Jugendherberge zu „Mamma Mia“ und bestellten dort – wiederum im Freien, wo es jetzt langsam kühl wurde – zur Abwechslung mal ein paar italienische Speisen. Daggi hatte Fisch, ich hatte Fleisch. Da der Laden gerammelt voll war, dauerte es ziemlich lange, bis wir unser Essen hatten. Es war trotzdem sehr lecker. So gegen 23.00 Uhr brachen wir dann auf. Eigentlich wollte ich früh zu Bette, denn unser Wecker stand ja bekanntlich auf sieben Uhr früh. Aber 008 wollte noch ein bisschen durch die Straßen laufen, um den schönen Abend abzurunden. Und so machten in einem weiteren Lokal für einen letzten Drink halt. Zu dem kam es aber nicht mehr, denn Daggi wurde es plötzlich schlecht. Richtig schlecht. Der Fisch. Vergiftet? Egal, weg von hier. Auf dem Heimweg liefen wir wieder an der Jugendherberge, dem „Hostal“, vorbei. Die belgischen Jungs waren inzwischen völlig groggy und hielten sich an ihren Longdrinks fest, um nicht wegzusacken. Nur die Amerikanerin war frisch wie vorher, unterhielt in ihrem entwaffnend spritzigen Monolog ein Dutzend Männer und Frauen und genoss ihre Rolle sichtlich. Ich versuchte, mich auch noch zu einem kleinen Abschiedsgeplauder einzuhaken, bis ich plötzlich sah, dass Daggi ein knallrotes Gesicht hatte, wie frisch gegrillt. Das konnte ja dann wohl keine Vergiftung sein, sondern eher eine Allergie. Eine Fischallergie vielleicht. Also wartete ich ein Atempause der amerikanischen Quasselstrippe ab und abscheute uns. Äh, verabschiedete uns. Sieben Uhr ist auch in Rom ein Argument. Von Dagmars Gesicht, das aussah, als wäre es von Feuerquallen gepeinigt worden, mal ganz abgesehen.
Unser Plan, die geschenkte Flasche Wein im Hotel zu öffnen, scheiterte an zwei Gründen: erstens war ich mir nicht sicher, ob Dagmar nicht jeden Moment mit einem Allergieschock zusammenbrechen würde und ich dann den Ärger mit der Leiche hätte und zweitens – viel schlimmer – dass wir gar keinen Flaschenöffner hatten. Das Universal-Taschenmesser von Q wird ja schon lange nicht mehr gebaut und wäre mir an Bord sowieso abgenommen worden.
Also machten wir das einzig Richtige. Wir legten uns schlafen. Das Knallrote in Dagmars Gesicht wurde allmählich rosa und schließlich kalkweiß. Wahrscheinlich auch kein gesunder Zustand. Wie auch immer – sie scheint es überlebt zu haben, denn pünktlich um sieben klingelten unsere diversen Wecker (Wir haben alle mehrere eigene Wecker, um ja nichts zu verpassen!). Dagmar war frischauf und wieder völlig gesund. Zumindest sah es so aus. Langzeitschäden kann man ja jetzt noch nicht sehen. Im Hotel war so früh am Morgen schon die Hölle los. Es war kein Platz frei, die Wartezeit hätte unseren Flug gefährdet. Also sind wir ein weiteres Mal in das Lokal direkt neben dem Hotel gewandert, in dem wir vorgestern noch die Flasche Wein geschenkt bekamen. Jetzt am Tag konnte man dort frühstücken. Zwar einfach, aber lecker und günstig. Danach schnell zum Bahnhof Termini. Wir mussten wieder durch den ganzen Bahnhof durch, auf die andere Seite und dann noch kilometerweit laufen, bis wir am Bahnsteig ankamen. Unterwegs versuchten wir, die Tickets zu kaufen. Aber die dortigen Automaten unterscheiden sich in nichts von unseren Krücken in Deutschland. Nach zehn vergeblichen Versuchen mit allen möglichen Kreditkarten und deren grundsätzlicher Ablehnung haben wir dann unser letztes Bargeld geschultert und die Tickets bar bezahlt. Immerhin hat das geklappt und wir sind bei unseren Versuchen auch nicht überfallen oder beraubt worden – wovor eindringliche Hinweise an jedem Automaten warnen. Endlich, buchstäblich in letzter Sekunde (wie sich das für einen Bond gehört) sind wir dann an Bord des Schnellzugs zum Flughafen gestürmt, um kurz danach den nächsten Schock zu erleben.
„Haben wir eigentlich die Tickets entwertet?“ fragte ich naiv meine blonde Begleitung. „Nö, wieso? Muss man das?“ Ich erinnerte Dagamr an das Dilemma eines Reisenden auf unsere Hinfahrt, der damals 50 Euro Strafe zahlen musste, weil er sein Ticket nicht VOR Fahrtantritt an einem speziellen Automaten AUSSERHALB des Zuges entwertet hatte. „Ich habe keinen Entwerter gesehen“, sagte Dagmar resolut, fing aber doch an, das Kleingedruckte auf dem Fahrschein genauer zu lesen. Und da stand dann – zwar nur auf Italienisch, Englisch und natürlich japanisch – dass der Fahrschein vor Antritt der Fahrt zu entwerten sei.

Den Rest der Fahrt ging unser Blutdruck in die Höhe, jedesmal, wenn sie die Waggontüre öffnete. Aber wir hatten Glück. Kein Kontrolleur, keine Strafe, gar nix. Glückskinder eben, die wir sind.
Die Tickets sind übrigens noch ein paar Monate gültig…
Um drei Minuten vor neun waren wir am Flughafen. Ich scherzte noch blöd, dass ja bisher alles perfekt geklappt hatte und dass dann wahrscheinlich der Flieger ausfällt.
Ich sollte sowas lassen.
Der Flieger ist zwar nicht ausgefallen – nein, er war pünktlich. Sogar ganz besonders pünktlich! Um genau neun Uhr erhob sich der kleine Airbus der Alitalia gen Frankfurt. Zwar ausgebucht, aber ohne Dagmar und Rainer. Was war passiert?
Ich hatte die Abflugzeit mit der Ankunftszeit verwechselt!!!! Um 11.10 sollte er nicht starten, sondern in Frankfurt landen! Und das mir! Der immer so genau alles kontrolliert! Egal, zu spät. Bei Alitalia lachte man uns zwar nicht aus, bot aber den nächsten Flug erst für den späten Nachmittag an. Keine Chance, ich musste nach Hause! Vergessen wir mal M und den MI5, James Bond, den ollen Berlusconi und den ganzen Quatsch – das habe ich nur erfunden, damit das hier nicht zu langweilig wird (Ätsch, reingefallen!). Ich hatte um 16.00 Uhr über ISDN-Schaltung Sprachaufnahmen zu machen. Die Kunden waren eh schon sehr fair, so lange zu warten, bis ich meine vier Tage Rom hinter mich gebracht hatte. Also blieb mir nur noch eine Wahl: LUFTHANSA.
Der nächste Flug nach Frankfurt war für 10.05 angesagt. Inzwischen war es neun Uhr fünfzehn. Schnell an den Lufthansa-Schalter. Eine Italienerin mit perfektem Deutsch nahm sich unser an. Es gab nur die Möglichkeit, neue Tickets zu kaufen. Jetzt und sofort. Ein paar Plätze waren noch frei. Also gut. Kostet wieviel? „280.- Euro“, sagte Miss Lufthansa. „Pro Ticket“. Zähneknirschend schob ich meine Kreditkarte über den Tresen. Das Geld für die Sprachaufnahme würde dafür nicht reichen, aber Blödheit gehört nun mal bestraft. Und wenn es eine Geldstrafe ist.
Dann schnell zum Einchecken – vorbei an der ganzen Schlange. Meine notdürftigen Erklärungen wurden eh nicht verstanden. Das Lufthansa-Mädel hatte uns angemeldet und so kamen wir ganz schnell an unsere Bordkarten. Vielleicht ein bisschen zu schnell. Denn in der nächsten Schlange, der Gepäckkontrolle, stellten wir fest, dass wir zwei Bordkarten für mich hatten, aber keine für Dagmar. Für ein Zurück war es zu spät. „Augen zu und durch“ war die Devise. Beim Einsteigen hat Dagmar dann aber trotzdem mal nachgefragt, ob sie auch eine Bordkarte bekommen könnte, da ich zwar nicht der Dünnste wäre, aber bestimmt auch keine zwei Plätze bräuchte (die auch noch dieselbe Nummer hätten…)
Wider Erwarten war dieses Probelm durch einen einfachen Ausdruck einer weiteren Bordkarte schnell gelöst. Dürfen wir jetzt endlich nach Hause???
Wir durften.
Der Rest der Reise verlief harmonisch, wenn man von einer zwanzigminütigen Sperrung der S-Bahnstrecke in Oberursel absieht. Wir waren wieder zu Hause, rechtzeitig zu meiner Sprachaufnahme, die erstaunlich locker verlief, rechtzeitig zu einem Treffen mit ein paar Freunden, um über unsere Reise zu berichten und rechtzeitig, um die letzten Blattläuse, die sich vielleicht noch in den Haaren versteckt hatten, in einer Unterwasserkur endgültig zu ersäufen.
Home, sweet Home.

Fazit: Rom ist das absolute MUSS für jeden Menschen! Drei bis vier Tage reichen völlig aus. Lieber dafür öfter. Die Preise sind günstiger als in Deutschland – vor allem der Nahverkehr. Das Essen ist formidabel und der Wein schmeckt überall. Man muss allerdings gut zu Fuß sein. Taxifahrer sind eher Wegelagerer, aber die Innenstadt ist wirklich komplett zu Fuß begehbar. Und falls die Füße weh tun, kauft man einfach ein paar neue Schuhe. Gibt’s an quasi jeder Ecke. Rom ist ein El Dorado für Modefreaks und auch für alle, die sich einfach nur schön und trotzdem günstig einkleiden wollen. Die Geschichte Roms ist sehr brutal, aber unglaublich spannend. Cäsar und Cleopatra begegnen einem überall. Für mich eine der schönsten Städte der Welt.
Side – Türkei
Mauritius
Start mit Hindernissen
Sonntag, der 2. Januar 2011
Der erste Tag – die erste Nacht
Dienstag, 4. Januar 2011
Besuch aus der alten Welt
Mittwoch, der 5. Januar 2011
Das Nachtleben von Grand Baie
Donnerstag, der 6. Januar 2011
Der Süden – komplett
Samstag, der 8. Januar 2011
Der Hummer war der Hammer
Samstag, der 10. Januar 2011
Der Tag am Meer
Inzwischen ist es neun Uhr und wir fahren weiter. Diesmal stoppt das Schiff, um uns das Schnorcheln zu ermöglichen. Viele bunte Fische gibt es zu sehen und alle – außer mir – sind im Wasser, um sich das bunte Treiben anzusehen. Endlich kann ich mal meine Unterwasserkamera ausprobieren. Daggi filmt etwa 30 Sekunden unter Wasser, nimmt aber leider den Finger nicht von der Linse, so dass die cineastische Ausbeute eher gering ist. Immerhin ist die Kamera immer noch dicht. Auch hier wird es nach einer knappen Stunde langweilig und wir fahren daher an die Anlegestelle zurück. Hier wechseln wir das Boot, um nun als Nächstes eine unbewohnte Insel aufzusuchen. Unser neues Boot ist ein Schlauchboot, das ebenfalls mit zwei 75-PS-Außenbordern angetrieben wird. Die etwa zehnminütige Fahrt wird durch einen Stop an einem Korallenfelsen unterbrochen, auf dem ein Weihnachtsbaum geschmückt wurde. Warum nicht. Andere Länder, andere Sitten. Dann rast das Boot weiter, ohne die geringsten Rücksichten auf unsere Bandscheiben zu nehmen, die auch hier wieder fürchterlich leiden müssen.
Montag, der 10. Januar 2011
Die Robinson-Insel
Dienstag, der 11. Januar 2011
Kaufrausch
Wir diskutieren ein wenig über die Inhalte der Bücher und die Wirklichkeit. Zum Beispiel die soziale Lage in Mauritius. Wer nicht arbeitet, kriegt nichts. Es gibt keine Arbeitslosenversicherung. Rente gibt es je nach Beruf ab 62 Jahre. Und zwar 50% des normalen Durchschnittsgehalts, also 75 Euro. Nicht pro Tag, sondern pro Monat! Sollte man älter als 75 Jahre alt werden, steigert sich die Rente auf 200 Euro. Hundertjährige und drüber bekommen noch mehr. Und die sind sind gar nicht so selten, sind aber in unserer Gegend kaum anzutreffen. Behinderte ab 60% Behinderung müssen ebenfalls mit der Hälfte des Durchschnittseinkommens auskommen, dürfen aber hinzuverdienen. Schwerbehinderte bekommen etwas mehr – genauso viel wie deren Pflegekräfte. Das bedeutet, dass Behinderte von ihren Angehörigen auch gut versorgt werden. Um Missbrauch zu vermeiden, wird das alles sehr genau kontrolliert.
Mittwoch, der 12. Januar 2011
Kälteeinbruch
Donnerstag, der 13. Januar 2011
Das Außergewöhnliche wagen
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Die mit dem Popeye tanzt.
Sonntag, 16. Januar 2011
Nachdurst













