Side – Türkei

Der Sun Club Side

Spätestens, als ich in Frauenkleidern im „Sun Club Side“ auf der Bühne stand und einen Bauchtanz vorführte, hätte mir klar werden müssen, dass mein Leben eine ungewollte Richtung eingeschlagen hatte.

Wie konnte es soweit kommen? Es hatte doch ganz normal begonnen.
Dagmar und ich hatten einfach nur das bescheidene deutsche Wetter satt und buchten einen Last-Minute-Urlaub in der Türkei. Genauer gesagt nach SIDE in der Nähe von Antalya. Sechs Tage für gerade mal 330.- Euro pro Nase. Inklusive Flug, inklusive Transfer, inklusive Hotel, inklusive Vollpension, WLAN, also inklusive allem. „All Inclusive“ nennt sich das.
Der Hinflug mit „Sun Express“ gestaltete sich problemlos, wenn man mal davon absieht, dass die Damen und Herren dieser Fluglinie noch nicht kapiert haben, wie heutzutage ein Smartphone, genauer ein iPhone funktioniert. Selbstverständlich haben wir die Geräte auf „Flugmodus“ umgestellt, als wir die Maschine betraten. Trotzdem wurde Dagmar das Spielen mit dem Gerät untersagt, da der Flugmodus das Flugzeugsystem ebenfalls stören würde. Das ist natürlich völliger Blödsinn, zumal das Gerät ja auch bei Nichtbenutzung nie wirklich ausgeschaltet ist. An meinem iPad hatten sie nichts auszusetzen, obwohl da ebenfalls eine SIM-Karte drin ist, die den Funkverkehr stören könnte. Na ja, man muss ja nicht alles ausdiskutieren.
In Antalya – nach dreieinhalb Stunden – war es schon eine Stunde später, und die Sonne schickte sich gerade an, schlafen zu gehen. Es hatte wohl tagsüber etwas geregnet, was eigentlich nicht in unserem Plan stand. Eine gute Stunde später waren wir dann im Hotel. Der Busfahrer hielt in einer kleinen Stichstraße dicht am Meer. Das Hotelschild über einem dunklen Durchgang war irgendwie schief und handgemalt. Sollte das wirklich unser Hotel sein? Es war so. Der „Sun Club Side“ ist ein vergleichsweise winziges Hotel. Ca. 70 Zimmer sind in nur zwei Geschossen rund um den Pool gebaut worden. Mittendrin erhebt sich ein etwas hässlicher Bau für das Restaurant und die Poolbar. Nach dem Einchecken sind wir gleich ins Restaurant und haben dort – gegen 22.00 Uhr – noch eine Kleinigkeit zu Essen bekommen. Sehr löblich. Dazu gab´s Wein aus einem Selbstbedienungsautomaten. Nicht der Brüller, aber auch nicht wirklich daneben. Ließ sich eben gut und schnell trinken. An der Poolbar – im Erdgeschoss des Gebäudes – stand noch so eine Maschine. Hier war der Wein sogar schön kalt. Ruckzuck hatten wir ein paar Gläser intus. Und schon war der Kontakt zu anderen Hotelgästen hergestellt. Vor allem Silke aus Remscheid war gut drauf und unterhielt sich gleich mit uns. Sie war mit einer Freundin hier, die aber wegen akuten Sonnenbrands schon in der Koje lag. Ihre Männer und die Kinder hatten sie für diesen Kurzurlaub zu Hause gelassen. Ab 23.00 Uhr musste man die Getränke dann doch selbst bezahlen. Zwei bezahlte Gläser später sind wir dann auch ins Bett gefallen. Das Zimmer war zwar klein, aber sehr schön eingerichtet. Vom Balkon aus konnte man auf den Pool blicken. Es gab ein Einzel- und ein Doppelbett. Das Bad war sehr winzig, aber zweckmäßig eingerichtet. Lediglich die sehr hohe Einstiegskante zur Dusche/Badewanne dürfte älteren Leuten etwas Mühe bereiten. Na gut, so jung sind wir ja auch nicht mehr, aber das haben wir noch geschafft. Der Winzig-Fernseher brachte neben den üblichen türkischen Sendern noch EuroNews, ZDF und RTL. Aufgekratzt, wie wir waren, haben wir uns noch irgendeinen Film reingezogen, bevor der Tag dann endgültig zu Ende ging.
Erster Stock Mitte: Unser Apartment
Entsprechend schwierig gestaltete sich der nächste Morgen. Das Spätfrühstück (bis 10.30 Uhr) haben wir gerade noch so geschafft. Um 12.00 Uhr hatte sich dann unsere Reiseleitung angemeldet. Natürlich ging es dabei nur darum, möglichst viele Ausflüge zu verkaufen. Natürlich sind wir auch drauf reingefallen und haben gleich das Dreier-Paket gebucht. Türkisches Bad, Antalya und Green Canyon. Die kommenden Tage waren wir also bereits ausgebucht.
Das Wetter war so lala. In der Sonne war es schön warm, aber im Schatten war es richtig kalt und windig. Da es bereits Mittagszeit war, mussten wir aber sowieso ins Warme, ins Restaurant nämlich. Dort hatte man inzwischen ein sehr üppiges Buffet aufgebaut. Es gab Dutzende von Salaten, diverse Sättigungsbeilagen, Fleisch, Fisch und Suppe. Getränke wurden von den immer extrem freundlichen Kellnern serviert. Die Teller waren recht klein, sodass man nicht in Versuchung kam, sich übermäßig am Buffet zu bedienen, sondern dann lieber zwei oder gar dreimal gehen musste, um wirklich satt zu werden.
Nach dem Essen wurde es jetzt aber höchste Zeit, mal die Gegend zu erkunden. Wir wussten aus der Hotelbeschreibung, dass das Meer in unmittelbarer Nähe sein musste. Und so war es dann auch. Gerade mal hundert Meter entfernt fanden wir einen sehr schönen Strand, der allerdings den verschiedenen Hotels zugeordnet war. „Unser“ Strand musste irgendwo weiter rechts liegen – haben wir bis heute nicht gefunden. Noch nicht einmal gesucht, weil es am Pool sowieso schöner war. Wenn auch zu kalt zum Schwimmen.
Gegenüber des Hotels steht das Hotel „SIDE STAR“, ein Hochhausbrocken mit fünf Sternen. Das ist bestimmt in der Hochsaison die bessere Wahl, aber jetzt, Anfang April, war unser kleines gemütliches, familiäres Hotel mit Anschluss eindeutig die bessere Alternative. Leute, die wir später auf unseren Touren getroffen haben, konnten das bestätigen. In der Vorsaison in einem kleinen Teil eines Riesenhotels ausgehalten zu werden, macht nicht soviel Spaß wie in unserer kleinen Anlage, wo jeder neue Gast mit Hallo begrüßt wird und aus seinem Leben erzählen kann. Sicher war hier nicht das intellektuelle Zentrum der Welt, aber das war auch gar nicht wichtig. Trotz „All inclusive“ hat sich hier keiner daneben benommen; selbst die notorisch Betrunkenen sind nie unangenehm aufgefallen.
Im Bazar
Doch weiter mit unserem ersten Rundgang. Side liegt etwa 65 Kilometer vom Flughafen Antalya entfernt. Das letzte Mal war ich vor etwa 25 Jahren hier. Damals gab es einen Robinson-Club und ein paar wenige Hotels. Die Hauptstraße war vielleicht 400 Meter lang und abends haben die Straßenhändler den Ort zum Bazar gemacht. Heute stehen in Side Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Hotels, Pensionen und Clubanlagen. Unser Hotel gehört eindeutig zu den älteren Bauten und ist daher sehr dicht am Zentrum von SIDE, nämlich gerade mal 800 Meter entfernt. Das klingt viel, ist aber sehr kurz, wenn man den Weg am Meer entlang geht. Hier findet man Restaurants, Lokale und Geschäfte aller Art. Eines der ersten Geschäfte, das wir betraten, war ein Uhren- und Schmuckladen, weil sich Dagmar natürlich aufgrund ihres Goldschmiede-Hobbies sehr für Schmuck interessiert. Leider hatten die da auch Uhren. Die billigsten ab 20 Euro, die besseren dann so um die Hundert Euro. Das waren dann auch Automatik-Uhren oder Chronographen, die bei uns locker das 100fache kosten. Wobei der Unterschied zwischen einer echten und einer gefakten Breitling selbst für Fachleute kaum erkennbar sein dürfte. Und was noch mehr verwundert: Diese Uhren werden hier nicht heimlich von Strandverkäufern verscherbelt, sondern überall hochoffiziell angeboten. Und nicht nur Uhren. Egal, ob man Schuhe, Jeans oder T-Shirts kauft: Überall prangen die Label der Markenhersteller auf den Produkten. Man kann nicht einmal Socken kaufen, die nicht von BOSS, PRADA oder ARMANI hergestellt wurden. Angeblich hergestellt wurden. Vielleicht werden die Originale ja auch wirklich hier in der Türkei hergestellt. Unterschiede zu den Markenprodukten aus Deutschland ließen sich jedenfalls nicht feststellen. Nur bei den Preisen sind die Unterschiede deutlich. 15 Paar BOSS-Socken für 5 Euro oder D+G-Handtaschen für zwanzig Euro sind schon sehr verlockend. Wenn die Türkei in die EU will, wird sie diesen Handel wohl beenden müssen. Schade eigentlich. Schweren Herzens ließen wir die schönen Uhren liegen.
Später nahmen wir uns einen Bus nach Manavgat. Hier ist nämlich Montags immer Markt. Und alles, was wir am Strand gesehen haben, war billiger Tand gegenüber dem Riesenangebot auf diesem größten Bazar, den ich je gesehen habe. Selbst in Istanbul war das Angebot nicht so umfassend wie hier. Man muss zwar ein dickes Fell haben, um die ständige Anmache der Verkäufer auszuhalten, aber das gehört hier einfach dazu. Und wenn man dann wirklich was kaufen will, wird man in der Regel auch gut beraten. Daggi hat sich gleich im dritten Geschäft mit ein paar lebenswichtigen Handtaschen und Rucksäcken eingedeckt und ich hätte mir beinahe ein paar sehr schöne Schuhe, angeblich von PRADA, gekauft. Leider war dessen Preis dann doch zu hoch: 65 Euro wollte der Verkäufer von mir haben. Für 45 Euro hätte ich die Schuhe wahrscheinlich auch bekommen, aber die Anfangsforderung fand ich sehr unverschämt. Später habe ich genau dieses Schuhwerk (das ich im Flugzeug bei einem Mitreisenden das erste Mal gesehen hatte) leider nie wieder gesehen. Dann sind wir doch noch an einer Uhr hängengeblieben: Einer gefälschten SWATCH. Genau! Für gerade mal 10.- Euro hat Dagmar sich eine Nachbildung einer aktuellen SWATCH gekauft, deren Alu-Optik sehr edel aussieht und die am Flughafen für einen Hunderter gehandelt wird. Ich möchte nicht wissen, was dieses Teil im Einkauf gekostet hat.

Nach zwei Stunden Powershopping haben wir eine kleine Pause eingelegt. Zusätzlich zu dem großen Bazar gab es auch noch einen gigantischen Lebensmittelmarkt. Auch hier waren die Preise so niedrig, als wäre das Obst gefälscht.

Zurück haben wir auch wieder einen dieser Busse genommen, die man einfach so anhalten kann. Domusch heißen die (werden wahrscheinlich ganz anders geschrieben, aber das ist ja jetzt egal…). Für 1,25 Euro hat uns der Fahrer wieder in der Nähe unseres Hotels abgesetzt. Wir hatten zwar keine Ahnung, wo wir aussteigen mussten, aber der Fahrer wusste ja, wo wir hin wollten und hat uns rechtzeitig Bescheid gesagt. Die 300 Meter von der Hauptstraße bis zum Hotel haben wir uns dann auch alleine zurecht gefunden.
Ich schreibe hier ständig, dass wir mit EURO bezahlen, obwohl wir uns doch in Asien befinden und die offizielle Währung die „Türkische Lira“ ist. Ja, das war wirklich etwas verwirrend. Ich hatte am Flughafen 400 Euro in Lira gewechselt und wurde dabei gründlich übers Ohr gehauen. Der Kurs ist etwa 1:2, aber am Flughafen habe ich statt 800 Lira nur 756 Lira ausbezahlt bekommen. Hier in Side ist der Euro inzwischen zur Hauptwährung geworden. Man kann aber auch in Lira bezahlen, wenn man das unbedingt will. Die Preisschilder zeigen jedenfalls nur noch Europreise. Die einheimische Währung ist optisch dem Euro sehr ähnlich, weswegen man tunlichst genau darauf achten muss, ob das Wechselgeld dann wirklich Euros und keine Lira sind.
Nachdem wir unser Bargeld gleich am ersten Tag stark reduziert hatten, haben wir den Abend dann im Hotel verbracht. Das Abendessen war genau wie mittags reichlich und wohlschmeckend. Bedarf an Weißwein bestand heute allerdings weniger…
Das hauseigene Animationsprogramm begann um 21.00 Uhr. Da es sehr kalt war, fand die angesagte „Misswahl“ im Foyer des Hotels statt. Sado, unser schwarzer Animateur und die beiden russischen Teenies, die ihm assistierten, machten ihre Sache so gut es mit den wenigen Zuschauern ging. Die armen Teilnehmerinnen (die sich nicht etwa freiwillig gemeldet hatten, sondern von Sado auf die Bühne gezerrt wurden!) mussten singen, Bauchtanzen und Hosen von anwesenden Männern einsammeln. Ja, richtig gelesen. Es gab tatsächlich ein paar Zeitgenossen, die sich dann in der Unterhose präsentierten, um ihrer Favoritin ein paar Punkte zuzuspielen. Das wurde uns dann doch zu doof.

Animation ohne Hosen
Ich hatte sicherheitshalber ein paar Spielfilme auf einen USB-Stick kopiert und so konnten wir dann anschließend im Zimmer noch „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ schauen.
Der Dienstag begann routiniert mit dem Frühstücksbuffett. Auch wenn es „All inclusive“ hieß, kostete der frisch gepresste Orangensaft doch einen Euro extra. Das – sowie die vereinzelten Trinkgelder, die man in eine Box am Ausgang werfen konnte – war aber zu verkraften.
Für heute hatten wir „Türkisches Bad“ gebucht. Ich hatte von vornherein nicht vor, da mitzumachen. Deshalb ist Dagmar da alleine hingefahren. Um halb elf wurde sie abgeholt und kilometerweit in irgendein Neubaugebiet gefahren. Ein sächsisches Pärchen aus unserem Hotel war auch dabei. Was dann in diesem Bad so im Einzelnen geschah, kenne ich nur vom Hörensagen. Man konnte den Bikini bzw. die Badehose anbehalten und wurde von irgendwelchen Männern (!) gewaschen, massiert, abgeschrubbt und getrocknet. Gut, man konnte sich auch Frauen auswählen, aber die meisten wurden doch von Männern bedient. Der günstige Preis (Neun Euro) war nur ein Lockpreis. Tatsächlich versuchten die Schrubber, den Gästen unzählige Zusatzangebote aufzuschwätzen, was Dagmar aber tapfer abgelehnt hat. Da wurden die Jungs ziemlich sauer, aber Daggi war ja vorgewarnt und hat sich nicht beeinflussen lassen.
Als sie dann nach über vier Stunden wieder im Hotel ankam, war das Mittagessen schon vorbei. Ich hatte teilweise am Pool gelegen und gelesen, war ein bisschen was arbeiten und habe das Essen auch völlig vergessen.
Also sind wir wieder am Strand entlang Richtung SIDE gelaufen. Dachten wir am Vortag noch, wir hätten alles gesehen, mussten wir uns heute eines Besseren belehren lassen. Die vielen kleinen Läden und Kneipen am Meer entlang mündeten in eine komplette Einkaufsstadt mit Hunderten von Geschäften und Restaurants. Schnell waren 500.- Euro aus dem Automaten gezogen, damit man ja nichts verpasst. Zum Essen waren wir in einem skandinavischen Restaurant – auch wenn die Mitarbeiter alle Türken waren. Das Essen war auch hier supertoll und supergünstig. Ne komplette Forelle für fünf Euro (inkl. Beilagen) findet man in Deutschland nicht. Da es langsam kühl wurde, hat Daggi uns zwei dicke Jacken gekauft (zusammen 25.- Euro), die den Namen von Jack Wolffskin tragen. Später haben wir noch Tee probiert (und gekauft), Bier getrunken (lecker!) und einige Tausend Verkäufer abgewimmelt. Das Einkaufszentrum befindet sich unmittelbar neben den Sehenswürdigkeiten von Side, den alten Trümmern der Römer. Irgendwie scheint der Staat kein großes Interesse an einer Vermarktung dieser Altertümer zu haben – alles gammelt so vor sich hin. Nur das Amphietheater wird mit einer Führung (und 5 Euro Eintritt) geadelt. Für den Rückweg nahmen wir dann ein Taxi.
Beim Abendessen im Hotel haben wir dann einen sehr originellen Berliner aus dem Irak kennengelernt, der auch recht gut Türkisch sprach. Er war schon einige Male hier und sehr betrunken. Daran hat sich auch den ganzen Abend nichts mehr geändert. Der Kellner musste ihm die Suppe tragen, damit er nicht alles verschüttete…
Rechts – das ist SADO aus SIDE
Um 21.00 Uhr war wieder Animation angesagt. Das Thema heute Abend: „Misster Wahl“. Jawoll, mit zwei „ss“. Die beiden russischen Mädels sprechen nämlich so gut wie kein Deutsch, sind aber für die Schilder verantwortlich. Ich war schon sehr gespannt, welche Deppen Sado diesmal auf die Bühne (im Freien!) schleppen würde, damit die sich vor allen Gästen blamieren würden. Leider hatte ich nicht damit gerechnet, dass er ausgerechnet MICH auf dem Kieker hatte. Mein Protest half überhaupt nichts, alle grölten und klatschten (Dagmar eingeschlossen!!!), so dass mir gar nicht anderes übrig blieb als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Der zweite Kandidat hieß Volker und lebt mit seiner Frau Ulli in Philipsburg. Das ist irgendwo in der Nähe von Stuttgart, wie man am Dialekt leicht feststellen konnte. Der dritte und letzte Teilnehmer hieß Bernd (soweit ich mich erinnere), war – genau wie Volker – viel jünger als ich und trug einen Schnauzer. Unsere erste Aufgabe war leicht. Wir sollten ein Glas Bier auf ex trinken und gleich danach einen Luftballon so lange aufblasen, bis er platzte. Und da hatten wir auch schon das erste Problem. Ich habe das Bier nicht runter bekommen. Es war so kalt, dass ich es nur in kleinen Schlucken trinken konnte. Irgendwann gab man mir zu verstehen, dass ich das mit dem Bier jetzt auch vergessen und lieber den Luftballon aufblasen sollte. Der platzte dann sogar noch vor Bernd, aber nach Volker. Als nächstes sollten wir einen Striptease machen. (Sagte ich schon, dass alles ein wenig „familiär“ war?) Volker und Bernd haben da irgendwas gemacht, aber ich habe mich geweigert, mich vor den Leuten auszuziehen. Sooooo niveaulos wollte ich dann auch nicht sein. Spiel drei wurde dann sehr lustig. Wir drei stellten uns im Kreis auf, bekamen einen Hut auf den Kopf und mussten auf Befehl des Animators bestimmte Dinge ausführen:
1: Hand auf Nachbarhut legen
2: Hut eins weiter reichen
3: Hände schütteln
4: Einmal im Kreise drehen
5: dem linken Nachbarn in den Hintern kneifen und dabei „Miep Miep“ rufen.
Das klingt extrem dämlich und ist es auch, aber es machte – zumindest den Zuschauern – extrem viel Spaß. Die Stimmung war kurz vorm Überkochen.
Ja, das bin ich. Weitergabe dieses Fotos verboten.
Blieb noch das letzte Spiel. Wir drei wurden in einen Nebenraum der Küche gebeten und sollten uns umziehen. Genauer gesagt, sollten wir Frauenkleider anziehen. Und eine Perücke. Geschminkt wurden wir auch noch von Julia und Nastasia, den beiden Girlies aus Estonia, bzw. Weißrussland.
Und dann kamen wir wieder rein und mussten – einer nach dem anderen – einen Bauchtanz vorführen. Das Gegröle war groß, die Peinlichkeit kaum zu überbieten, aber dennoch hat es wohl allen sehr viel Spaß gemacht.
Wir standen dann mit allen noch ein Stündchen an der Bar und haben herzlich gelacht. Mit einem fröhlichen „Miep Miep“ gingen wir dann zu Bette.
Um sieben klingelte mein Wecker. Ich musste so früh raus, weil ich dringend noch etwas aufnehmen musste. Am gestrigen Abend hätte das nicht so ganz perfekt geklungen. Dann direkt zum Frühstück, wo uns Sado schon mit einem fröhlichen „Miep Miep“ begrüßte. Um viertel nach neun wurden wir für unsere erste große Tour abgeholt. Unser Reiseleiter sprach sehr gut deutsch, was wohl daran lag, dass er den Großteil seines Lebens in Deutschland verbracht hatte. Überhaupt – falls ich es noch nicht geschrieben habe: Die Landessprache ist nicht etwa türkisch, sondern deutsch. Ich glaube, alle ehemaligen Gastarbeiter sind hier in den Süden gezogen, um mit dem Tourismus das große Geld zu machen. Der Weg zu unserem ersten Haltepunkt in der Nähe von Antalya war lang. Zeit für ein kleines Nickerchen. So habe ich leider gar nicht viel von dem mitbekommen, was uns der Reiseleiter über die Türkei erzählt hat. Ich kann mich daran erinnern, dass er sagte, dass die Türken in wenigen Jahren die Deutschen stückzahlmäßig überholen würden. Antalya selbst wurde in den letzten Jahren zur Millionenstadt. Das zeigt sich leider darin, dass rund um die ehemalige Altstadt tausende von Hochhäusern in die Natur gesetzt wurden, in denen Abertausende von Eigentumswohnungen die Bevölkerung beherbergen.

Der erste Haltepunkt war ein mittelgroßer Wasserfall mitten in einem Naturschutzgebiet. Die Regierung hat irgendwann geschnallt, dass es keine so gute Idee war, sämtliche Wälder abzuholzen. Nur noch 5% der Landschaft besteht aus Wäldern – gegenüber 30% in Deutschland. Also lenkt man derzeit stark dagegen und verbietet weiteren Raubbau an der grünen Lunge des Landes. Wir latschten also durch das Grünzeug und stiegen nach ein paar obligatorischen „Aahs“ und „Oohs“ wieder in den Bus, der uns nun in das große Schmuckzentrum fuhr. Das Ganze verwandelte sich jetzt ein bisschen zur Kaffeefahrt. Das Schmuckzentrum war auf dem Gelände eines Luxushotels in einem ausrangierten Spielcasino untergebracht. Prächtige, kitschige Wände mit 300 Kilogramm Blattgold, dicker Samt überall und Hunderte von Vitrinen mit ziemlich langweiligen Schmuckstücken warteten auf uns. Nach einer kleinen Begrüßungsrede wurden wir in den ersten Stock geführt, wo sich sofort ein „Berater“ wie eine Klette an uns hing und versuchte, uns den Schmock, äh Schmuck anzudrehen. Statt dass wir also unser Glück an einarmigen Banditen suchen konnten, versuchten zweibeinige Salesmanager ihr Glück damit, uns ihren Käse anzudrehen. Aber der Schmuck war wirklich eher etwas für uralte russische Milliardärinnen als für uns. Zu dick, zu wuchtig, zu kitschig und natürlich viel zu teuer. Preise standen zwar nicht dran – und Handeln war das allerwichtigste in diesem Schmuckbazar! – aber irgendwelche Mitreisende sind natürlich auf die Jungs reingefallen und haben sich merkwürdige Klunker gekauft. Daggi als Schmuckexpertin (sie stellt sich ihren Schmuck schon seit Jahren selbst her – welch glückliche Fügung für mich!) hat schnell festgestellt, dass der Schmuck eher minderwertig war und außerdem schlecht verarbeitet wurde. Die Preise waren jedenfalls völlig überteuert. Schnell sind wir aus dem ehemaligen Casino wieder ausgebrochen und haben draußen vor dem Hotel auf den Rest der Gruppe gewartet. Als Nächstes ging es zum Mittagessen. Das war perfekt organisiert. Die Riesenbusse kamen quasi im Minutentakt angefahren, spuckten ihre Touristen aus und sammelten sie nach erfolgter Nahrungsaufnahme wieder ein. Das Essen wurde an Achtertischen aufgetragen. Es gab Salat, Brot, Hühnchen und Reis. Als Nachtisch noch eine Apfelsine. Getränke mussten extra bezahlt werden. Der Betrieb funktionierte perfekt wie eine Schweizer Uhr; lediglich an der Damentoilette gab es die üblichen Staus.
Weiter ging die Fahrt nach Antalya. Wir wurden direkt am Fuß der Altstadt ausgeladen und hatten nun zwei Stunden Freizeit. Natürlich sind wir als erstes gleich mal in den Bazar gelaufen, der aber im Gegensatz zu dem Markt in Manavgat recht klein und übersichtlich war. Die Preise waren auch etwas höher und es wollte sich keine Kauflust einstellen. Also sind wir in die Altstadt gelaufen. Schöne, verwinkelte Gassen mit sehr hübschen Lokalen und Restaurants luden zum Verweilen ein. Daran, dass man vor jedem Geschäft angesprochen wurde, hatten wir uns schon gewöhnt. Einer der Verkäufer stellte sich als alter Frankfurter heraus. Klar, dass Dagmar ihm daraufhin ein paar Sachen abgekauft hat – Seidenschals oder so was. Ein frisch gepresster Granatapfelsaft für Daggi und ein fettes Bier für mich beendeten dann unseren Aufenthalt in der Provinzhauptstadt Antalya. Von unserem Treffpunkt aus liefen wir in eine Tiefgarage, wo unser Bus bereits auf uns wartete, um uns zum nächsten Ziel zu bringen: zur Lederfabrik.
Tja, die Kaffeefahrt war noch nicht zu Ende.

Es fing alles ganz grandios an: Eine kurze Modenshow mit sechs oder sieben Models zeigte uns, was man derzeit an Lederkleidung tragen sollte. Jedes Model trug eine Nummer, mit der sich die Kleidungsstücke identifizieren ließen. Denn nach der sechs Minuten dauernden Show wurden wir in die Verkaufsräume geschoben. Und hier wurde es dann richtig unangenehm. Einer dieser Verkaufsnervensägen sprach mich schon hinter meinem Rücken an und wollte mir partout die Hand geben. Dazu hatte ich keine Lust und sagte ihm das auch, so freundlich ich eben noch konnte. Darauf spielte er die beleidigte Leberwurst, wich uns aber nicht von der Pelle. Egal, was sich Dagmar anschaute, sofort war er neben ihr und begann mit seinen Verkaufsgesprächen. Die Teile waren alle hoffnungslos überteuert – außerdem hatten wir uns im letzten Jahr in Istanbul erst mit Lederjacken eingedeckt. Irgendwann platzte mir dann auch der Kragen. Ich sagte Dagmar, dass ich hier nichts kaufen wolle und die Nase von dem Laden voll hätte. Darüber war sie dann auch sauer. Und so sind wir beide sauer aus dem Laden gelaufen, einen noch saureren Verkäufer hinterlassend. Draußen haben wir uns dann aber gleich wieder beruhigt und festgestellt, dass es den meisten Mitreisenden genauso gegangen war. Unter Druck bin ich einfach nicht bereit, irgendwas zu kaufen. Wir lassen uns doch nicht zwingen. Leider haben die meisten Verkäufer das noch nicht kapiert und nerven daher weiter, bis die Kunden eines Tages gar nicht mehr kommen.
Eine Stunde später waren wir dann wieder im Hotel; gerade rechtzeitig zum Abendessen. Ich hatte mir inzwischen den aktuellen Tatort heruntergeladen, so dass wir den Abend ruhig und alleine vor der Glotze beendeten.
Schon war der Donnerstag angebrochen. Das Aufstehen machte uns keine Mühe, nur das Schloss der Badezimmertür versetzte mich in Panik. Ich hatte mich für die morgendliche Toilette eingeschlossen, weil die Tür sonst immer wieder aufgegangen wäre. Als ich sie dann öffnen wollte, ging das nicht mehr! Klinke und Schließmechanismus hatten keine Verbindung mehr! Ich konnte machen, was ich wollte, ich war eingesperrt. Weder von innen noch von außen ließ sich diese vermaledeite Türe öffnen…
Dagmar rief an der Rezeption an und schon nach fünf Minuten war ein Techniker zur Stelle, der die Tür dann mit brachialer Gewalt aufbrach. Endlich konnte ich mich anziehen. Wir hatten es nämlich eilig, denn auch für heute hatten wir eieine Tour geplant. Der „Green Canyon“ stand auf dem Programm. Unser Reiseleiter Ali war etwas ungehalten, dass wir nicht vorne an der Straße auf ihn warteten. Dabei waren wir trotz der Einsperrung pünktlich um 9.15 Uhr an der Rezeption, aber er hatte 9.05 Uhr in seinem Plan stehen. Nach und nach sammelten wir noch ein paar Mitreisende in den verschiedensten Hotels ein – darunter auch alte Bekannte vom Vortag. Ali machte ein paar chauvinistische Frauenwitze und hatte damit gleich eine ältere Lady als Feindin. („Was machte eine Frau, nachdem sie ihren Führerschein schon ein Jahr lang hat? – Sie entdeckt den zweiten Gang“). Na ja, schon besser gelacht. Ali war noch ein recht junger Bursche aus Syrien, der angeblich in Deutschland studiert hatte. Ich glaube eher, er hat das Leben studiert. Und auf einem Flirtkurs muss er auch gewesen sein, so wie er alle alleinstehenden Damen angemacht hat.
Der „Green Canyon“ ist ein riesengroßer See in etwa 300 Meter Höhe mitten im Taurus-Gebirge. Deutschland hat dort in den letzten Jahren ein grandioses Stauwerk errichtet, das wir natürlich ebenfalls besichtigt haben. Dann sind wir in einen Katamaran umgestiegen. Zusammen mit Gästen aus anderen Bussen waren wir gut 100 Touristen, die nun auf diesem Riesengebirgssee rumschipperten. Das Wasser war türkisblau und sehr sauber. An den Bergen starrten uns die Bergziegen an als kämen wir von einer anderen Welt. Na ja, so war es ja auch. An Bord waren zwei Profi-Fotografen, die uns der Reihe nach ablichteten. Sie gaben sich sehr viel Mühe, die Touristen in vorteilhafte Posen zu dirigieren. So gegen 12.30 Uhr gingen wir dann an Land und kletterten 132 Stufen hinauf, um unser Mittagessen einzunehmen. Hier hatte man die Qual der Wahl: Hühnchen, Fisch oder Fleisch stand auf der Speisekarte. Dagmar wählte den Fisch, der sich als im Ofen gebackene Forelle entpuppte. Ich hatte Hühnchen mit Reis und den obligatorischen Salat. Auch hier klappte die Organisation hervorragend. Keiner musste warten, alle wurden satt. Nur der Himmel machte uns Sorgen. Der änderte nämlich seine Farbe von blau auf dunkelschwarz. Außerdem war ein dumpfes Grollen zu bemerken. Wieder auf dem Schiff, fing es dann prompt an zu regnen. Der bisher so angenehme Fahrtwind wurde schneidend kalt und brachte uns zum Bibbern. Dann begann es auch noch zu hageln. Nur hinten am Schiff, vor den Toiletten, ließ es sich noch einigermaßen aushalten. Alle anderen haben sich hier mindestens eine Lungenentzündung geholt.
Während des Essens hatten unsere Profi-Fotografen alle Bilder ausgedruckt und verteilten sie jetzt an die Schiffsgäste. Von uns gab es rund ein Dutzend Bilder, von denen ich sechs Stück auch gekauft habe. Ursprünglich wollten die Jungs 3.- Euro pro Bild, für 2,50 habe ich sie dann bekommen. Andere zahlten sogar noch weniger. Und was das Beste ist: Die Bilder sind richtig gut geworden. Zwei Stück stecken bereits im Rahmen und lachen uns täglich an.
Ali mit Silke und Elke
Ali, unser Reiseleiter, war auf dem Schiff selbst nicht im Dienst, sondern überließ die Moderation einem Kollegen, der ständig darauf hinwies, wie gut er doch eigentlich aussieht, seit er immer in diesem Wasser badet. Zusammen mit Ali hat er dann auch noch getanzt. Als Ali dann später alleine ebenfalls einen etwas obszönen Tanz aufführte, hatte er gleich wieder Ärger mit seiner Lieblingsfeindin, die das gar nicht komisch fand.
Irgendwann war der Green Canyon dann zu Ende und wir sind den ganzen Weg wieder zurück gefahren. Der Hagel hörte auf, ein paar Regentropfen klatschten noch gegen das Schiff, bis die Sonne wieder die Regie übernahm. Am Staudamm verließen wir das Schiff und stiegen in unseren Bus.
Aber das war natürlich noch nicht alles. Uns erwartete noch ein Einkaufsbummel im Textilparadies „Dickmann“. Und hier war tatsächlich mal alles anders. KEINE Verkäufer, KEIN Kaufzwang, KEIN Druck auf die Touristen. Und siehe da: Es hat funktioniert. Viele der Mitreisenden haben sich hier mit irgendwelchen Hemden, Hosen oder T-Shirts eingedeckt. Es war auch wirklich extrem billig. Ich habe mir sechs „Hilfiger“-Hemden zum Stückpreis von 10.- Euro gekauft. Dagmar hat allerdings nichts gefunden, was ihr gefallen hätte. Inzwischen habe ich allerdings erfahren, dass die Arbeitsbedingungen der Textilindustrie in der Türkei so miserabel sind, dass man besser beraten wäre, durch Verzicht auf diese Einkäufe dieses System nicht noch zu unterstützen. Kinderarbeit ist wohl hier unten noch an der Tagesordnung. Ich werde mich in Zukunft vorher informieren. Versprochen.
Alle saßen wieder pünktlich im Bus, aber Ali, unsere Nervensäge, fehlte. Er hatte irgendwelche Probleme mit der Provisionsabrechnung, bzw. wegen irgendwelchen fehlenden Armbändchen, die unsere Gruppe zu tragen hatte. Mit ca. 10 Minuten Verspätung fuhren wir dann wieder zum Hotel zurück.
Nach dem Abendessen im Hotel erwartete uns mal wieder eine Animations-Bespaßung. Diesmal stand BINGO auf dem Programm. Und wie es der Zufall will, hat Dagmar den dritten Preis gewonnen: Einmal Massage, einmal Haarschneiden und eine Packung Türkischen Honig! Und da Silke aus Remscheid um Mitternacht Geburtstag haben würde, hatte sich SADO etwas Besonderes für die Nacht ausgedacht. Er hatte einen Bus organisiert und etwa ein Dutzend willige Touristen ab 23.00 Uhr in eine Discothek geführt. Der Bus kostete 5.- Euro, aber der Eintritt in die Disco war frei. Wir waren natürlich auch dabei. Der Laden füllte sich in kurzer Zeit und die Tanzfläche stand keine Sekunde leer. Von der Musik kannte ich so gut wie gar nichts, aber das war auch egal. Ein sehr junger DJ spielte an seinem Laptop rum und hielt den Beat stundenlang durch. Um Mitternacht feierten wir dann Silkes Geburtstag, die sichtlich gerührt war und sich sehr über das schöne Fest gefreut hatte. So gegen zwei Uhr wurden wir wieder abgeholt. Details der Heimreise habe ich leider vergessen.
In  der Disco. Links sind Anastasia und Julia
Freitag Morgen. Unser letzter kompletter Ferientag. Die Abreise war für Samstag Mittag geplant. Nach dem (sehr späten!) Frühstück und ein bisschen Büroarbeit trudelten dann so langsam alle Mittänzer der vergangenen Nacht ein: Silke und ihre Freundin Elke, das Sachsenpärchen, Julia und Nastasia, Volker und seine Ulli, Sado und viele andere, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnere. Dagmar schenkte mir ihren Gutschein für den Friseur, den ich auch sofort eingelöst habe. Der Laden war nur einen Steinwurf vom Hotel entfernt und der Frisör war ausgesprochen gut. Es war zwar kurz verwirrend, dass er mir ohne Vorwarnung mit der Schere in der Nase rumgefuchtelt hat und ein paar Gesichtshaare mit einer offenen Flamme abfackelte. Andere Länder, andere Sitten. Das Trinkgeld hatte er sich redlich verdient. Dagmar freute sich schon auf die Massage am Nachmittag, aber erst kam das Mittagessen an die Reihe. Es war schon fast 14.00 Uhr, als ich nochmals in unser Zimmer ging. Etwas verwundert stellte ich fest, dass es immer noch nicht aufgeräumt war. Dann klopfte das Zimmermädchen und faselte was von „finish, finish!“. Mich beschlich ein merkwürdiges Gefühl. Ich lief zur Rezeption und suchte die Liste mit den Abreiseterminen. Und siehe da: Wir beide mussten schon HEUTE weg! Das Zimmer hätte um 12.00 Uhr ausgeräumt sein müssen. Wir hatten uns um einen vollen Tag verrechnet!!!
Also suchte ich Dagmar und binnen einer halben Stunde hatten wir unsere Koffer gepackt und sie in der Rezeption zwischengelagert. Wir tranken noch ein paar Tassen Kaffee und quatschten mit unseren neuen Freunden. Die letzte Stunde spazierten wir noch ein wenig im Ort umher, die eine oder andere Handtasche erwerbend. Dann hieß es Abschied nehmen. Eine letzte Umarmung, dann stand der Fahrer vor der Tür, der uns zum Flughafen bringen sollte. Nach etwa der Hälfte der Strecke wurde er angerufen, wen er da eigentlich abgeholt hätte. Es stellte sich heraus, dass wir im falschen Auto saßen und unser „richtiger“ Bus mit Verspätung in Side angekommen war. Die „richtigen“ Gäste mussten halt jetzt mit dem Bus fahren, während wir in einem PKW zum Flughafen gebracht wurden. Auch nicht schlimm.
Heißt der nicht Georgio?
So gegen 23.00 Uhr sind wir dann wieder in Frankfurt gelandet, wo uns ein Taxi zum Preis eines Türkeifluges nach Hause brachte.
Fazit: SIDE – immer wieder gerne! Aber nicht in der Hochsaison. Bei 40 Grad im Schatten ist das Leben nicht so lustig wie hier in der Vor- oder Nachsaison. Die Preise sind unschlagbar, das Essen ist hervorragend und die Einheimischen sind freundlich und liebenswert – von ein paar Nervensägen in den Bazaren mal abgesehen.

Mauritius

Samstag, 1. Januar 2011
Start mit Hindernissen
(Aus gegebenem Anlass weise ich darauf hin, dass dieser Blog ausschließlich meine subjektiven Eindrücke wiedergibt und keinesfalls einen offiziellen Reiseführer ersetzt. Dies ist ein privater Reisebericht und keine journalistische Arbeit. Besserwisser und Oberlehrer werden freundlichst gebeten, diesen Blog NICHT zu lesen)
1. Januar 2011, ca. 22:10 Uhr. Noch fünfeinhalb Stunden. Dann wird die B767 der Condor ihr Ziel erreicht haben. Fünfeinhalb Stunden bedeutet auch, dass die Hälfte der Strecke geschafft ist. Meine Beine sehnen sich nach Bewegung, der Weißwein an Bord ist warm und kostet vier Euro pro Fläschchen. Bleibe ich eben  nüchtern.
Es hatte alles so schön angefangen: Am Abend vorher, an Silvester, waren wir wieder auf der obligatorischen Fete unserer Freunde in Dillingen. Eine Menge netter Leute waren da und wir hatten uns schon darauf eingestellt, den Weg runter nach Friedrichsdorf zu Fuß zu wandern – genau wie im letzten Jahr, als uns das vorbestellte Taxi versetzt hatte. Diesmal haben wir so gegen halb zwei ein Taxi angerufen, das auch pünktlich um zwei vor der Tür stand.

Sonntag, der 2. Januar 2011
Der erste Tag – die erste Nacht

Nach ausgiebigem Schlaf sind wir um halb eins am Neujahrsmorgen von unserer Freundin Kai zum Flughafen gefahren worden. Dagmar, meine Süße, hatte die Bordkarte bereits am Vortag ausgedruckt, so dass wir nur an einen Condor-Schalter gehen mussten, um unser Gepäck abzugeben. Theoretisch jedenfalls. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt…
Vor uns war ein junger Mann dran, der offenbar größere Probleme mit seinem Ticket hatte, denn es ging und ging nicht voran. Er erzählte uns, dass seine Maschine überbucht sei und er zwangsweise in die Holzklasse umgebucht würde. Das hat ihm so gar nicht gepasst. Die gelangweilte Dame am Counter verließ zweimal ihren Platz, um die Geschichte mit ihren Chefs zu besprechen. Dabei lief sie so provozierend langsam, dass man schon vom Zusehen wütend werden konnte. Nach einer halben Stunde war das Problem erledigt und wir kamen endlich dran. Ich wuchtete die beiden Koffer auf das Gepäckband und Dagmar schob ihr die Boardingkarten nebst Pässen zu. Was dann kam, werde ich mein ganzes Leben nicht mehr vergessen. Die Dame am Schalter teilte Dagmar nach kurzer Überprüfung Ihres Passes mit sadistischem Genuss mit, dass ihr Reisepass keine sechs Monate mehr Gültigkeit besäße. Geradezu begeistert belehrte sie uns, dass die Reisenden selbst dafür verantwortlich seien, die richtigen Dokumente mitzuführen. Ich hatte keine Lust auf ihre ständigen Belehrungen und wollte wissen, wo man den Pass am Flughafen verlängern lassen könne. Schließlich kann sowas ja jedem Mal passieren. Ich hatte nirgendwo gelesen, dass ein Reisepass sechs Monate länger gültig sein muss als der Aufenthalt selbst. Ich verstehe auch bis jetzt den Sinn dieser Maßnahme nicht. Dagmar hatte ihren Pass vorher überprüft und war der Ansicht, dass er bis 2017 gültig sei. Mit Brille wär´ das nicht passiert…
Na ja, das Condor-Mädel wiederholte ständig nur, dass das unsere eigene Schuld wäre und Dagmar daher nicht mitreisen dürfe. Nach unseren wiederholten Fragen, wo denn nun der Pass verlängert werden könnte, rückte sie mit irgendeiner Information heraus, die sich später als falsch heraus stellte. Ich nahm die Koffer wieder zurück auf unseren Gepäckwagen und lief mit Daggi zur zentralen Polizeistelle. Dort wurde Dagmar weiter zum Schalter A51 geschickt. Ein dort tätiger Grenzbeamter hatte angeblich keine Befugnis, das Dokument zu verlängern und die dafür zuständige Stelle war am Neujahrstag natürlich geschlossen.
Also sind wir wieder zur Gepäckaufgabe gelaufen – diesmal an einen „normalen“ Stand. Meine Lieblingsmitarbeiterin hat uns wohl vorbeilaufen sehen und während des Eincheckens ihre Kollegin angerufen. Ganz plötzlich fiel der dann nämlich auch auf, dass der Pass nur bis Ende März gültig ist und Daggi daher nach den Einreisebestimmungen nicht mitfliegen dürfe. Auf meine Bitte, doch einfach mal beide Augen zuzudrücken, durfte sie nicht eingehen. Außerdem bestünde die Gefahr, dass Dagmar am Zielort einfach in den nächsten Flieger gesetzt würde, um nach Hause zurück geschickt zu werden. Und Condor müsste eine sehr hohe Strafe bezahlen.
Daraufhin haben wir es aufgegeben. Dagmar wird am Montag morgen in Friedrichsdorf eine vorübergehende Passverlängerung erhalten und dann nachkommen. Einen Flug hat sie schon gekauft. Umbuchen ging nämlich nicht mehr.
Und so kommt es, dass ich seit inzwischen sechs Stunden alleine im Flieger sitze. Der Platz neben mir bleibt leer, so dass ich mich bei aufkommendem Schlafbedürfnis einigermaßen bequem rumflezen kann. So, jetzt wollt Ihr wahrscheinlich noch wissen, wo wir eigentlich hinfliegen:
Es geht nach MAURITIUS. Das liegt östlich von Südafrika, grob geschätzt. Jetzt im Januar sind es dort zwischen 28 und 30 Grad. Man spricht dort hauptsächlich Französisch, soll aber auch Englisch gut verstehen können. Nun, das werden wir ja sehen.
In Deutschland ist es noch nicht einmal 22.00 Uhr. Das wird noch eine Weile dauern, bis sich bei mir bleierne Müdigkeit breit machen wird. Ich schreibe auf meinem neuen MacBook Air, der mir eine Batterielaufzeit von mehr als sieben Stunden anzeigt.
Mein iPad habe ich schon fast leergesaugt. „Wallanders erster Fall“ habe ich komplett durchgelesen, außerdem den Spiegel von letzter Woche fertig durchgeblättert. Was man halt so macht, wenn man allein ist und nichts zu tun hat.
Sehr überrascht bin ich über einige der Mitreisenden. Nicht nur, dass ein offensichtlich lesbisches Pärchen ständig in der Reihe vor mir rumknutscht und das einzige Baby im Flieger seine Stimmübungen selbstredend in meiner Reihe absolviert – nein, ich treffe auch gleich noch zwei Bekannte. Einen Bub aus meiner Volksschulklasse, an dessen Namen ich mich allerdings nur noch rudimentär erinnere und Wolfgang Herold, den Inhaber der Frankfurter Herold-Studios, der mit Frau und Kind im Flieger sitzt und im Club Med residieren wird. Wo sonst.
Man muss einfach nur positiv denken, dann klappt alles. So auch heute. Statt um 16.00 Uhr ist das Apartment bereits um 11:30 Uhr fertig, nicht zuletzt dank der Unterstützung der FTI-Repräsentantin. Ihren Vortrag über die unbedingt zu buchenden Ausflüge haben wir auf Dienstag, 11:45 Uhr verschoben, wenn Dagmar (hoffentlich) auch dabei ist.
Das Apartment besteht aus einem Schlafzimmer und einem großen Bad mit Dusche. Die Ablagemöglichkeiten sind im Vergleich zu unserem „Mein Schiff“ vom Vorjahr (dämlicher Name, oder?) eher rudimentär. Aber die Räume sind sehr schön gestaltet und eingerichtet. Es gibt sogar einen 32-Zoll Flachbild-Fernseher von SONY. Die Räume sind im Obergeschoss eines zweistöckigen Apartments innerhalb einer recht großen Anlage, etwa 50 Meter vom Zentrum entfernt. Nach dem Duschen bekomme ich auch überraschenden Besuch: Eine etwa 5 cm große Kakerlake huscht durch den Schlafraum. Leider muss ich ihren Besuch durch einen beherzten Tritt beenden. Ich hoffe, dass heute Nacht nicht die ganze Verwandtschaft zum Kondolieren antritt…
Hier wird gepennt.
Es fällt mir zwar schwer, einzuschlafen, aber irgendwann schaffe ich auch dies. So gegen 17.00 Uhr stehe ich wieder auf und erkunde das Gelände. Eine wirklich sehr schöne Anlage mit zwei Pools, vielen Palmen und erstaunlich wenigen Menschen erwartet mich. Ich lege mich auf eine Liege am Pool und lese meinen Wallander fertig. Zwischendurch planschen Kinder und Jugendliche um mich herum. Erstaunlich, dass die meisten – vor allem die Mädchen – extrem übergewichtig sind. Bei den Eltern ein ähnliches Bild. Fast nur Frauen haben hier einige Zentner zuviel – die Herren sehen ganz passabel aus.
Eigentlich sollte ab 19.00 Uhr das Abendessen stattfinden. Aber es kommt keiner. Stattdessen klimpert ein Klavierspieler vor sich her. Gar nicht mal schlecht, der Kerl. Ich setze mich also an die Bar, trinke ein einheimisches Bier (!!!) und fange den nächsten Mankell an. So gegen acht geht es dann los, das Buffet hat geöffnet. Es ist nicht schlecht, aber auch nicht erwähnenswert spektakulär, was sich mir da anbietet. Ich bin inzwischen schon zur bedauernswerten Person abgestempelt, denn als einziger muss ich alleine essen. Schluchz, heul, flenn. Also schnell weg und wieder an die Bar.
Statt des im Hotelprogramm angekündigten Liedermachers sorgt ein DJ für die nun folgende akustische Umweltverschmutzung. Ein Lied klingt wie das nächste. Ich weiß, ich habe damals als aktiver DJ auch immer behauptet, dass es da ganz gravierende Unterschiede gibt, aber wenn man einfach nur so an der Bar sitzt, seinen Wallander liest und den Lärm ertragen muss, stellt sich das ganz anders dar. In den nun folgenden zwei Stunden gab es gerade mal einen einzigen Titel, den ich auch gespielt hätte: „I shot the sheriff“ von Bob Marley. Im Original. Aber ich werde wohl alt. Auf das Werk hat gerade mal eine einzige Frau getanzt, während bei dem sonstigen Computer-Gedudel die Tanzfläche voller dicker Teenies war, die sogar – wie in der Tanzschule – so eine Art Gruppentanz aufgeführt haben. Doch zurück zu der etwas älteren Dame aus Frankreich, die mir schon am Nachmittag wegen ihres verbissenen Gesichtsausdrucks unangenehm aufgefallen war.
Gleich nach dem Ende des Songs ging sie zurück an die Bar, völlig verschwitzt, und holte sich so ein Asthmatiker-Gerät aus ihrer rosaroten Handtasche, setzte es an und röchelte um ihr Leben. Ob sie das Gehüpfe überstanden hat, kann ich erst morgen vermelden. (Sie lebt noch!)
Die Preise in diesem Hotel haben sich gewaschen. Ein 0,1-Gläschen Wein kostet 4,25 Euro. Eine Stunde Internet etwas über 8 Euro. Eine Flatrate ist kaum bezahlbar. Und die Mehrwertsteuer wird erst anschließend drauf geschlagen.
Um elf verstummt der DJ und Mauritius geht anscheinend zu Bette. Es gibt noch etwa 5-6 Gäste an der Bar, mich eingeschlossen. In Deutschland läuft gleich der Tatort und ich bin alles Andere als müde.
Als ich eben das dritte Gläschen Wein bestellt habe, hat der Barchef demonstrativ auf die Uhr geschaut. Einer geht noch, dann ist Schluss. Um das zu verdeutlichen, hat er mir auch gleich die Rechnung vorgelegt. So beschließe ich diesen ersten Tag auf Mauritius mit gemischten Gefühlen. Und weiteren 300 Seiten Wallander…
Morgen werde ich den ganzen Tag Sport treiben!

Montag, 3. Januar 2011
Morgenstund ist aller Laster Anfang
Grand Baie, 10:00 Uhr morgens am Montag. Das Telefon klingelt. Nicht das Handy, sondern das Telefon im Apartment. Verwirrt komme ich zu mir. Wo bin ich, wer bin ich, was ist das für ein merkwürdiger Klingelton? Es ist Chrystel von FTI, unsere Betreuerin. Sie ruft nur an, um mir zu sagen, dass Daggis Transfer vom Flughafen geregelt ist. Jetzt kann ich nur noch hoffen, dass in der Stadtverwaltung in Friedrichsdorf alles klappt. Daggi hat gestern noch neue Fotos machen lassen, die wohl für dieses Sonderdokument nötig sind.
Zehn Uhr morgens bedeutet allerdings auch, dass ich das Frühstück verpasst habe. Also setze ich mich mal wieder an die Bar und bestelle einen Kaffee. Dieser Kaffee schmeckt bedeutend besser als der für´s gemeine Buffet-Volk. Der Barkeeper – derselbe von gestern Abend übrigens – hat Mitleid mit mir und bringt mir zwei Croissants. Dann schüttet er unaufgefordert nochmal Kaffee nach. Ach, das Leben kann so schön sein.
Im großen Pool herrscht gähnende Leere, Im Kinderpool planschen ein paar Zwerge vor sich hin. Die Sonne scheint aus vollen Rohren. Heute Nacht hat es mal ein paar Minuten kräftig geregnet, aber heute Morgen ist davon nichts mehr zu sehen.
Pool, die Bar und dahinter der Speisesaal
Nun habe ich die große Auswahl. Lesen, Baden, Faulenzen, Sport treiben, Fernsehen (in der Lobby) oder Spazierengehen (Grand Baie ist zu Fuß erreichbar). Außerdem treibt sich draußen ein Glasbottomboot rum, man kann Wasserski fahren oder segeln. Als Erstes werde ich wohl mal wieder eine Stunde Internet ordern, um die neuen Blogs unterzubringen, meine aktuellen Mails abzuholen und eventuell ein paar Jobs zu erledigen. Das Apartment eignet sich recht gut für Sprachaufnahmen, wenn man sie im Bett macht. Ich denke da an einen Lernkurs für Microsoft Office, dessen hunderte von Einzeldateien ihrer Erledigung, sprich Sprachaufnahme entgegensehen. Nee, besser nicht. Ich bin doch im Urlaub, was immer das bedeutet. In zehn Minuten läuft Dagmar in der Friedrichsdorfer Stadtverwaltung auf. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, ob unsere flexible Verwaltung in der Lage sein wird, Daggi einen provisorischen Pass auszustellen, der ihr die Einreise in dieses Paradies auf Erden ermöglicht.
So, jetzt fängt mein Tag an. Ich melde mich morgen wieder.

Dienstag, 4. Januar 2011

Ein aufregender Tag
Inzwischen ist es Dienstag Morgen um 7:55h. Höchste Zeit, den vergangenen Tag Revue passieren zu lassen. Gestern morgen – kurz nach acht Deutscher Zeit die erlösende SMS von Dagmar, dass sie den vorläufigen Pass erhalten hat. Allerdings mit einer üblen Einschränkung: Die Dame in der Stadtverwaltung behauptete, dass dieser Pass von Mauritius nicht anerkannt würde. Zum Glück war ich noch Online, um die letzten Blogs auf die Reise schicken. Deshalb konnte ich ganz schnell feststellen, dass das Außenministerium auf der entsprechenden Webseite mitteilte, dass man sehr wohl mit einem vorläufigen Pass einreisen könne. Entwarnung? Sicherheitshalber hat Dagmar diese Seite ausgedruckt, um sie später ab Flughafen im Zweifelsfall vorlegen zu können.
Sie hatte wirklich einen Schei…tag nach meinem Abflug. Im Reisebüro am Flughafen (Terminal 1, Abschnitt B) sagte man ihr, dass sie den Flug nur bei FTI im neuen Terminal 2 umbuchen könne. Dann ist sie also mit dem ganzen Gepäck ins neue Terminal gefahren, hat lange nach FTI gesucht, um dann dort zu erfahren, dass e-tickets direkt bei Condor in Terminal 1, Abschnitt C, umgebucht werden müssten. Also wieder zurück. Dort erfahren, dass Umbuchen schon mal gar nicht mehr geht. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als ein neues One-way-Ticket nach Mauritius zu buchen. Dann war Christiane, ihre Freundin, so nett, sie vom Flughafen wieder abzuholen. Abends ging sie schon früh zu Bett, wurde dann aber ständig von irgendwelchen Anrufern geweckt – zuletzt von meiner SMS, dass ich sicher gelandet sei.
Wie lief der letzte Tag? Nun, so langsam komme ich mir vor wie ein tibetanischer Mönch mit Schweigegelöbnis. Außer ein paar Getränkebestellungen habe ich noch kein Wort von mir gegeben. Ich sitze den ganzen Tag rund um den Pool und lese, lese, lese. Nach Mankells ersten Kriminalfällen einen Thriller von Michael Chrichton, dann noch einen Krimi von Frank Schätzing, „Mordshunger“. Da wir ihn unserem Hotel nur Halbpension gebucht haben und ich das Frühstück bereits verpasst habe, ist der Hunger bei mir inzwischen auch durchaus ausgewachsen. Ich verlasse erstmal das Hotel und suche ein Restaurant außerhalb der Anlage. In Mauritius ist der zweite Januar ebenfalls ein Feiertag, wie sich herausstellt. Geschäfte sind geschlossen und der Eingeborene nutzt den Feiertag zum Grill-Picknic am Strand. Irgendwann finde ich ein schönes Restaurant direkt am Ufer mit vielen Leuten und leckeren Gerichten auf ihren Tellern. Leider werde ich nicht bedient. Nach langer Wartezeit, die ich verzweifelt aus der Wäsche schaue, kommt endlich ein Mitarbeiter des Hauses, um mir zu erklären, dass dies ein Privatclub sei, in dem ich nichts zu Essen bekäme.
Vor dem Hotel
Bin ich also wieder ins Hotel zurück und habe mich an dem üblichen Buffett bedient. 15,40 Euro + eine Flasche Wasser + Steuern. Danach wieder ab an den Pool und weitergelesen. Zwischendurch kommt eine SMS, dass Daggi mit dem vorläufigen Pass einreisen darf. Leider gibt es aber ein anderes Problem: Die Maschine ist überbucht. Die großzügige Lösung ist ein Upgrade in die erste Klasse. Na also, geht doch. Kaum eine Stunde später ein Anruf von Patrick, Dagmars Sohn. Ob die Mama gut gelandet sei? Ich erkläre ihm, dass das mit dem Beamen noch immer nicht funktioniert und er sich daher noch rund 12 Stunden gedulden müsse. Um 18.30 Uhr an die Bar, ein Bier trinken, danach Buffett. Abends wieder „tolle“ Musik, diesmal von einem Keyboardspieler mit angeschlossener Sängerin. Das Publikum ist entsprechend älter und tanzt wie blöde. Völlig aus dem Takt zwar, aber was soll´s. Irgendwann ergreift einer der Gäste, ein alter Engländer, das Mikrophon und versucht sich in einem Evergreen. Er singt so falsch, dass ich mich nicht mehr auf mein Buch konzentrieren kann. Für das Gejammer bekommt er sogar noch großen Applaus, der ihn später dazu animiert, sich auch noch beim Tanzen gründlich zu blamieren. Zum Glück ist um 23.00 Uhr Schicht und alle gehen ins Bett. Ich auch. Wird Zeit, dass Daggi kommt.

Mittwoch, der 5. Januar 2011
Besuch aus der alten Welt
Eine miserable Nacht. Ständig werde ich wach, höre Geräusche, fürchte Cockroaches auf dem Rachefeldzug. Die Klimaanlage ist entweder zu schwach oder zu stark. Es will mir nicht gelingen, fest zu schlafen. Kein Wunder – mein innerer Wecker steht auf sieben Uhr. Das ist „in Wirklichkeit“ vier Uhr morgens. Aber ich will so früh aufstehen, weil Dagmar nach meiner Berechnung so gegen acht Uhr eintreffen müsste. Dem ist tatsächlich so. Um viertel nach acht taucht sie im Frühstücksraum auf. Ausgeschlafen, frisch und gut gelaunt. Man sollte nur noch erster Klasse fliegen. Die Verpflegung an Bord muss gigantisch gewesen sein. Natürlich muss sie sich nach dem zweiten Frühstück hier im Hotel auch erst mal wieder restaurieren. 15 Stunden (inklusive An- und Abreise zum und vom Flughafen) sind eine lange Reisezeit. Ich zeige ihr dann die Anlage und im Nu liegen wir auf den Strandliegen, genießen das tolle Wetter und die relative Einsamkeit, denn außer uns sind höchstens zwei oder drei weitere Gäste anwesend. Daggi schwimmt ein bisschen im Meer rum und schläft dann erschöpft auf der Liege ein. Ich lese die aktuelle c´t, die sie mir mitgebracht hat und tippe ein bisschen auf meinem Computer rum. Um viertel vor elf kommt dann auch Chrystal von FTI. Sie sagt ihr Sprüchlein auf, was wir hier alles anstellen könnten und überredet uns zu drei Inseltouren, die wir am kommenden Donnerstag, Samstag und Montag unternehmen wollen.
So, inzwischen habe ich mal ein bisschen im Reiseführer rumgeblättert. Mauritius hat 1,2 Millionen Einwohner und ist nicht größer als Berlin. Ganz früher haben hier hauptsächlich Piraten gewohnt. Dann haben die Holländer die Insel besetzen wollen, sind aber wieder vertrieben worden. Anschließend haben es die Franzosen versucht, unter anderem mit 100.000 Sklaven aus Indien, von denen die Hälfte wieder an Krankheiten und Naturkatastrophen eingegangen ist. Das war wohl das Angriffssignal für die Engländer, die aber eine Weile gebraucht haben, bis die Franzmänner genervt aufgegeben haben. Die vielen Weißen, Inder und Afrikaner haben ein buntes kreolisches Volk hervorgebracht, deren offizielle Landessprache englisch ist. Spricht aber kaum einer wirklich gerne. Die höheren Schichten bevorzugen Französisch und 95% der Einwohner unterhalten sich in Kreolisch, was auch ein bisschen französisch klingt. Seit 1989 ist die Insel eine selbstständige Republik. So, ich hoffe, ich habe mir das alles richtig gemerkt. Falls Ihr Fehler findet, könnt Ihr sie gerne behalten.
Wir zwei haben dann unsere Hotelanlage zu Fuß verlassen und sind nach Grand Baie gelaufen. Das klingt sehr sportlich, ist aber nur 10 Minuten weit. Grand Baie klingt auch größer als es ist. Selbst die Hugenottenstraße in Friedrichsdorf ist um Einiges länger. Aber es ist definitiv mehr los. Ein Restaurant, eine Kneipe reiht sich an die andere und dazwischen ist immer noch Platz für viele Mode- und Schmuckgeschäfte. Sogar zwei Einkaufszentren haben wir in einer der wenigen Nebenstraßen gefunden. Wir kehren in einer gemütlichen Hofkneipe („Cocoloko“) auf ein Bier ein und genießen die nette ortstypische Musik, die dezent im Hintergrund läuft. Selbstverständlich gibt es hier Wireless Lan und ich nehme mir vor, beim nächsten Upload dieser Posts dem Hotel kein weiteres Geld mehr in den Rachen zu schmeißen. Leicht angetüdelt wandern wir weiter durch die Straßen von Grand Baie. Der Ort liegt direkt an einem öffentlichen Strand, an dem riesige Mangobäume Schatten spenden. Unser Mittagessen nehmen wir in einem rustikalen Restaurant direkt am Meer ein. Es gibt Chicken Curry für mich und irgendwelchen Fischkram für Dagmar. Herrlich.
Das Cocoloko
Ermattet laufen wir wieder nach Hause, diesmal noch kürzer direkt am Meer entlang. Dagmar legt sich eine Runde aus Ohr und tippe endlich diesen heutigen Blog fertig. Nachher gehen wir nochmal ins Meer.
Ob das klappt und was sonst heute noch so passieren wird, erfahrt Ihr morgen oder irgendwann.
Ich könnte jetzt schon wieder ein Bier vertragen…

Mittwoch, der 5. Januar 2011
Das Nachtleben von Grand Baie

Nach der Erkundung der großen Stadt „Grand Baie“, die vielleicht 10.000 Einwohner hat (inklusive der Touristen!), gehen wir ins Wasser. Zunächst in den Pool, dann auf Bitte Dagmars auch ins Meer. Daggi findet das Meer nämlich viel sauberer als den Pool. Ich sehe das anders. Ich sehe noch nicht mal meine Füße, als ich bis zum Bauch drin stehe. Kein Wunder, wir baden ja auch in einer Brühe, durch die täglich hunderte von Motorbooten tuckern. Ich will nicht unbedingt behaupten, dass das Meer nach fauligem Brackwasser stinkt, aber unter „sauber“ stelle ich mir was Anderes vor. Z.B. das Wasser der Dusche, die uns wieder von Salz und Dreck befreit.
Wir faulenzen uns so durch den Nachmittag und ziehen uns dann für das Abendessen um. Ist hier Pflicht; in Shorts bekommt man nichts zu essen. Es wird wieder reichlich aufgefahren, aber wirklich lecker sind nur wenige Speisen. Wir bleiben mal wieder an einem WOK-Gericht hängen und essen Obst zum Nachtisch. Die musikalische Untermalung kommt diesmal aus Indien. Ravi Shankars Enkel geben sich die Ehre und quälen ihre Sitars. Der verantwortliche Musikplaner des Hotels hat irgendwie kein gutes Händchen. Nachmittags am Pool läuft zwar dezent ganz angenehme Pop-Musik von einer CD, aber warum jeder Titel grundsätzlich dreimal hintereinander läuft, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Ich kenne auch gar keinen CD-Player, bei dem man einstellen kann, wie oft jeder Titel wiederholt werden soll. Hier ist das aber der Fall – und zwar immer und grundsätzlich.
Nach dem Essen laufen wir wieder am Strand entlang zurück in die Kneipe, die wir schon am Mittag besucht haben. Inzwischen ist es gerammelt voll und wir setzen uns direkt an die Bar. Der Weißwein schmeckt ein bisschen nach Sprit, was sich durch Verdünnen mit Eiswürfeln einigermaßen verschleiern lässt. Das Wireless Lan ist kostenlos und viel schneller als im Hotel. Ich kann sogar einen Videoclip runterladen, den mir Nobi geschickt hat. Danke, wir haben sehr gelacht!
In dem Laden läuft sehr angenehme Trance-Musik á la Café del Mar und der Wein schmeckt immer besser. Als eine der vielen Flaschen, die dort an dem Abend geöffnet werden, verkorkt ist, werden die Getränke fein säuberlich in die Flasche zurückgekippt – zwecks Reklamation beim Lieferanten.
Die nächste Flasche ist wieder OK. Vielleicht auch nicht, denn der frühe Morgen beschert mir doch recht intensive Kopfschmerzen.
Bis zum Aufstehen um neun bin ich aber wieder auf dem Damm. Irgendwie wird im Moment alles zur Routine: Aufstehen – Frühstücken – Blog schreiben – schwimmen – lesen. Als wäre ich im Urlaub. Ich könnte bei der Wassergymnastik im Pool mitmachen, aber da würde ich als Jüngster ja nur unangenehm auffallen. Daggi döst vor sich hin und lässt sich fein braun brutzeln. Und damit klappe ich Kapitel sieben zu.
Klapp.
Und gleich wieder auf.
Klapp.
Kaum, dass ich die letzten Zeilen geschrieben habe, verdunkelt sich der Himmel. Aus vereinzelten Regentropfen wird ein Tropensturm, der sich gewaschen hat. An Schwimmen oder Sonnen ist natürlich jetzt nicht mehr zu denken. 30 Minuten lang tobt der Himmel, dann klart es sich genau so schnell wieder auf wie es sich verdunkelt hat.
Sun is shining. Ein paar Runden durch den Pool und ein paar Minuten Rückenmassage im Jakuzzi oder wie das Ding heißt. Dann ist es schon wieder ein Uhr mittags. Daggi geht sich duschen, ich mache mich stadtfein – und wenn es nicht gleich noch mal donnert, laufen wir endlich in die kleine Metropole.

Donnerstag, der 6. Januar 2011
Der Süden – komplett

Sieben Uhr morgens. Höchste Zeit, für unsere erste Tour auf dieser Insel aus den Federn zu springen. Von gestern gibt es nichts Besonderes mehr zu berichten. Höchstens, dass wir uns darauf geeinigt haben, die Halbpension nicht mehr so häufig in Anspruch zu nehmen. Das musikalische Angebot des Hotels ist auch alles Andere als ein „Must have“, so dass wir gestern Abend auf unserer Terrasse saßen, ein Fläschlein australischen Chardonnays verdrückten und unsere Musik aus dem iPad kam. Geniale Musikauswahl. Wer das wohl wieder zusammengestellt hat…

Auf unserer Terrasse
Doch nun zum großen Ausflug.  Der Tourbus kommt mit leichter Verspätung – und zu meiner großen Überraschung sitzt da drin schon ein Pärchen, mit dem ich am Sonntag morgen vom Flughafen ins Hotel gefahren bin. Er ist ein jovialer Immobilienkaufmann aus Bad Vilbel und seine Frau/Freundin; eine Schneiderin für Hochzeits- und Abendkleider aus Polen. Vor dem eigentlichen Start der Tour musste noch ein weiteres Pärchen abgeholt werden. Zu Dagmars großer Überraschung handelt es sich um ein Pärchen, mit dem sie am Dienstag morgen vom Flughafen ins Hotel gefahren ist. Die Insel ist halt doch ziemlich klein. Beide hörbar aus Sachsen. Das dritte Pärchen kommt aus Luxembourg. In Port Louis, der Hauptstadt der Insel, steigt dann auch unsere Tourleiterin zu. Eine mollige 50-jährige mit sehr guten Deutschkenntnissen und nur einem Fehler: Sie kann den Mund nicht halten. Was sie uns alles in den insgesamt sechs Stunden erzählt, hat nur zu 10% mit der Insel oder deren Sehenswürdigkeiten zu tun. Wir wissen nun alles über ihre Ehe (geschiedener Mann, inzwischen gestorben), ihre Kinder (Junge 18, Mädchen 17), deren Erziehungsprobleme (reicht der Platz nicht), ihr Gehalt (umgerechnet 150.- Euro im Monat), ihre Ängste und Sorgen, ihre Altersvorsorge und und und… Mit diesen ganzen Informationen müsste ich in der Lage sein, einen sozialkritischen Roman über das Leben im vermeintlichen Paradies zu verfassen. Dass sie mehrmals erwähnt, dass sie verrückt sei, bleibt von allen Teilnehmern unwidersprochen. Außer von uns bekommt sie auch kein Trinkgeld (was ich auch eher als Schweigegeld betrachtet habe).
Doch nun zu den Sehenswürdigkeiten im Süden dieser wunderschönen Insel. (Ich muss das alles immer wieder mal betonen, sonst denkt ihr, mein Gemecker müsse negativ bewertet werden. Alles ist schön: Das Hotel, die riesengroßen Pools, die Zimmer. Die Natur ist einzigartig, die Menschen sind extrem freundlich und man fühlt sich sicherer als irgendwo sonst auf dieser Erde – soweit ich das bisher beurteilen kann. Mein Kritik besteht nur aus Beobachtungen, die Raum zur Optimierung bieten. Wie im Hotel z.B. das Buffett oder die musikalische Berieselung.)
Als erstes besuchen wir eine Werkstatt für Holzspielzeug, um das mal etwas despektierlich zu sagen. Tatsächlich werden hier Schiffsmodelle aus Holz in wochenlanger Handarbeit angefertigt, die so wunderschön aussehen, dass man sie sich gerne ins Wohnzimmer stellen würde – wenn man darauf steht. Bei mir passt die Titanic oder die Gorch Fock leider nicht rein. Außerdem werden hier Flugzeuge aus Holz gebastelt (Daggi hätte sich beinahe eine Boing 727 gekauft). Die Preise sind für diese Wahnsinnsfummelei moderat: Ein großes Schiff (ca. 70 cm lang) bekommt man schon für 105.- Euro. Passt leider nicht in den Koffer und bleibt somit vor Ort.
Direkt gegenüber hat ein gewisser Hugo Boss seinen Laden. Hier gibt es alles, was das Modeherz begehrt, zum deutlich günstigeren Preis als auf der Frankfurter Zeil, was wohl auch daran liegt, dass die ganzen Sachen hier hergestellt werden. Allerdings sind die Dinge nicht so billig, wie man es vielleicht erwarten könnte. Leider haben wir nicht genug Zeit, uns gründlich umzusehen. Dazu müssen wir wohl noch ein zweites Mal nach Port Louis fahren.
Weiter fährt der Bus durch die morgendliche Rushhour gen Süden. Wir fahren an einer Villa vorbei, die angeblich dem Besitzer von Coca Cola gehört. Noch interessanter ist, dass der Besitzer von Pepsi-Cola gleich nebenan wohnt. Falls der geneigte Leser unter diesen Umständen selbst mit dem Gedanken spielt, sich hier häuslich niederzulassen, dem seien einige Voraussetzungen verkündet: So darf man nur hierher ziehen, wenn man mit seinem eigenen Geld im Land investiert. Sollte man einen Mauritier oder eine Mauritierin heiraten, darf man auch ins Land. Wenn sich die Ehe aber als glücklos erweisen sollte, muss man spätestens zwei Jahre nach der Scheidung das Land wieder verlassen haben. Die sozialen Unterschiede sind hier noch um einiges größer als bei uns. Das gesamt Geld der Insel befindet sich in gerade mal 15 Familien. Wenn ein Mitglied dieser Familie jemanden heiraten will, der nicht diesem Stande angehört, wird er enterbt, was letztendlich die Inzucht nicht unerheblich fördert.
Weiter mit der Tour. Mauritius ist irgendwann mal aus einem Vulkan entstanden. Reunion, die Nachbarinsel hängt da auch irgendwie unterirdisch mit drin. Alle Vulkane sind inzwischen erloschen und da liegt es nahe, uns Touristen mal in den Schlund eines solchen Ungetüms blicken zu lassen. Hübsch, sehr hübsch.
Weiter geht’s zu einem monumentalen Hindu-Denkmal. Eine Menge Götter und ihre Geschichten werden uns erklärt – das ist alles ein bisschen kompliziert zu verstehen und soll hier nicht weiter vertieft werden. Interessant ist vielleicht, dass in dem See am Tempel unglaublich viele Aale unglaublich viel Weißbrot fressen, dass von unglaublich vielen Touristen da rein geworfen wird.
Götter ohne Ende
Apropop Wasser: Das Trinkwasser der Insel kommt aus diversen Bergseen, die den häufigen Regen einfangen. Es ist derzeit nicht nur Zyklon-Zeit, sondern auch Regenzeit, was wir an den ständigen kleinen und großen Schauern merken, die uns auf der Tour begleiten. Trotzdem fehlt Wasser. Die Seen sind schon zur Hälfte ausgetrocknet. 1999 soll es so schlimm gewesen sein, dass selbst Touristen nur zwei Liter Wasser am Tag verbrauchen durften. Beschließe spontan, den Trinkwasserverbrauch deutlich zu reduzieren und nur noch Cocktails zu trinken.
Inzwischen ist es 12 Uhr mittags geworden und wir laufen zur im Tourpreis inbegriffenen Mittagsmahlzeit ein. Ein sehr schönes, sehr großes Holz-Restaurant mitten in den Bergen. Chirac war schon hier, Prinz Edward aus dem Buckingham-Palace und jetzt wir. Eine würdige Entwicklung. Auch hier hat man sich auf ein Buffett spezialisiert. Ein Buffett allerdings, dass sehr viele unterschiedliche Speisen bietet, die allesamt supergut schmecken und die wir hier in der Einöde auch gar nicht erwartet haben. Bis auf das Problem, dass die Dame aus Sachsen die Chilipaste vielleicht nicht mit dem großen Löffel hätte essen sollen, ist alles ganz harmonisch. In den wenigen Kaupausen, die uns unsere Führerin lässt, können wir uns auch untereinander ein bisschen näher kommen. Und wir machen den ersten Kontakt mit weiteren Geschöpfen dieser Insel: Fast jeder fängt sich ein paar Mückenstiche ein. Fast wie im Dschungelcamp – nur ohne Maden
Aber schon nach etwa 30 Minuten geht die Tour weiter. Jetzt geht es in das Naturschutzgebiet von Mauritius. Früher bestand die Insel ja zu 100% aus Wäldern. Jetzt sind es angeblich nur noch 10% und die müssen natürlich geschützt werden. Erste Station: Der Wasserfall. Ein bisschen mickrig, wenn man schon mal den Niagara-Fall gesehen hat, aber immerhin auch echt. Der einsetzende Regen hat alle Mücken dieser Erde hierher gelockt, so dass ich es vorziehe, im Bus zu bleiben. Außerdem fängt es an zu hageln. Dagmar kämpft sich tapfer durch und wird auch kaum nass, da die Bäume den Regen doch sehr abhalten. Zweite Station: Die sieben Farben. Wenn man weiß, dass ein PC im Schnitt 16,8 Millionen Farben darstellen kann, haut einen das nicht um, aber es handelt sich hier um sieben verschiedene Farben von Erde, die aufgrund unterschiedlicher Materialzusammensetzungen und diverser Oxidationsprozesse eben diese sieben verschiedenen Farben angenommen haben. Klauen der Erde ist verboten. Ich wüsste auch nicht, was ich damit anfangen sollte. Man bekommt sie sowieso an jedem Andenkenstand, wobei ich zu bedenken gebe, dass es sich dabei um Fälschungen handeln könnte.
Könnte auch mal ´ne Faltencreme gebrauchen: 250-jährige Schildkröte
Letzte Station: Uralte Schildkröten. Papa und Mama sind so um die 250 Jahre alt und die Kinder (die sich im Dreck wälzen, wie es sich für Kinder gehört) sind auch schon um die siebzig. Bevor ich beginne, Vergleiche der Schildkrötenhaut mit der Haut anwesender Tourteilnehmer durchzuführen, schlurfe ich lieber wieder in den Bus. Das war´s, weitere Besichtigungen verbieten sich schon alleine aufgrund des einsetzenden Tropensturms. Die Rückfahrt ins Hotel dauert dann fast noch zwei Stunden und wir sind ziemlich K.O.
Das Abendprogramm sieht Hummeressen vor. Mal sehen, was daraus wird…

Samstag, der 8. Januar 2011
Der Hummer war der Hammer

Auch wenn das der Hummer vermutlich anders sieht: aber unser Hummeressen ist wirklich klasse. Zwei Riesenviecher mit vier Soßen, Gemüse, Salaten und Reis. So alle paar Jahre muss man sich das mal leisten. Dies ist erst mein dritter Hummer am Stück; Daggi hatte schon öfter Gelegenheit, sich diese Biester einzuverleiben. Nach dem Festessen gehen wir noch in unsere WLAN-Kneipe „Cocoloko“ und aktualisieren unseren Maileingang. Gegen Mitternacht Heia.
Über den heutigen Freitag lässt sich zunächst nicht viel berichten. Nach dem Frühstück mache ich es mir in unserem Bad gemütlich, schließe das Mikrophon an und spreche die aktuellen Ansagen für Antenne Brandenburg. Das Bad hat nämlich die beste Akustik in unserem Apartment. Die Aufnahmen klingen im Kopfhörer ausgezeichnet, sodass ich ab sofort hier auch Aufträge annehmen kann. Wir sind ja schließlich nicht zum Vergnügen hier…
Dann ist Pooltime. Die Poolgymnastik lassen wir aus. Stattdessen traue ich mich ein weiteres Mal ins Meer, in dieses wunderbare, supersaubere Wasser. (Ihr seht, ich lerne schnell…) Meine Füße kann ich immer noch nicht sehen, aber das wird vielleicht an meinen Augen liegen…
Dann ein bisschen relaxen, lesen, rumtrödeln, schwätzen und schatzen. Es ist verdammt heiß heute. Wer immer behauptet hat, auf Mauritius wären es immer zwischen 28 und 30 Grad, hat großen Stuss erzählt. Unsere gestrige Reiseleiterin sagte, es kann im Winter bis zu sieben Grad kalt werden und im Hochsommer sogar weit über 40 Grad. Im Schatten. Den sollte man demzufolge meiden.
Heute sind es gute dreißig Grad. OK, Ihr da in Deutschland, ich habe heute einige Facebook-Meldungen mit den aktuellen Temperaturen von Euch gelesen. Bitte seid nicht neidisch, aber heißer als heute sollte es bitteschön nicht mehr werden. Allein die 400 Meter einmal rund ums Hotel auf der Suche nach einer alternativen Futterquelle ( – die es nicht gibt – ), kosten uns die letzten Kräfte. Wir essen also im Hotel „A la carte“. Für Dagmars Salat und meinen Clubsandwich braucht die Küche geschlagene 45 Minuten. Wird wohl an der Hitze liegen.
Völlig geplättet legen wir erstmal eine Mittagspause ein. Gerade im schönsten Tiefschlaf wecken uns die Zimmermädchen. Also raus aus der Kiste und ab ins „Cocoloko“ und mit Kaffee und Fruchtsäften die Lebensgeister reanimiert. Denn unser Tagesziel heißt „PORT LOUIS“, die Hauptstadt der Insel. Weil wir beide ja recht selbstständige Menschen sind, verzichten wir auf den Luxus einer geführten Profitour und nehmen den Bus. Aus dem ersten Bus müssen wir gleich wieder aussteigen, weil der in die falsche Richtung fährt. Aber der zweite alte Klapperkasten der Marke British Leyland (früher sagte man immer „British Elend“, haha) bringt uns in etwa 70 Minuten in die zwanzig Kilometer entfernte Metropole. Auf Stoßdämpfer hat man in diesem Modell verzichtet, so dass jeder Hubbel auf der Straße zu einer Zerreißprobe für meine Bandscheiben wird. Daggi macht´s nix aus. In meinem nächsten Leben werde ich auch sportlich.
Von der Stadt selbst sehen wir gar nicht sonderlich viel. Vom Busbahnhof laufen wir bis zum Postmuseum, um uns die „Blaue Mauritius“ anzusehen. Diese berühmte Briefmarke gibt’s nur ein paarmal auf der Welt. Berühmt ist sie nur deshalb, weil sie ein Fehldruck ist. Gefehlt haben wir auch in der Annahme, dass dieses Briefmarkenjunkiehighlight einfach so zu besichtigen wäre. Es ist gerade mal zwanzig Minuten nach 17.00 Uhr – und das Museum hat geschlossen. Na ja, denken wir, wenn wir schon mal hier sind, schauen wir uns eben diese großartigen Einkaufspassagen an, die man hier direkt am Hafen neu erbaut hat. Die Namen der berühmtesten Modeschöpfer reihen sich Geschäft für Geschäft auf – alleine kaufen kann man nichts. Es ist 17.30 Uhr und die Läden sind zu. Nochmal zum Mitschreiben: ES IST FREITAG ABEND UM 17:30 UND DIE LÄDEN SIND ZU!!!!! Fast alle. Irgendwelchen Billigkrempel bekommt man auch jetzt noch vereinzelt.
Das ist für uns irgendwie schwer zu verstehen. Da beträgt der durchschnittliche Monatslohn also nur umgerechnet 7,50 am Tag und dann schließen sie die Läden schon um 16.00 Uhr zu. (Ja, genau: 16:00 Uhr ist die offizielle Ladenschlusszeit!). Obwohl, eigentlich macht es ja Sinn. Wenn man erst um 16.00 Uhr Feierabend hat, kann man das mühsam verdiente Geld dann wenigstens auch nicht mehr ausgeben. Kaufen können sowieso nur die Touristen oder die 15 reichen Familien mit ihren Clans. (Unsere Reiseleiterin: „Oben wohnen die Reichen, unten die Bunten.“)
Wir zählen uns weder zu den Reichen ( – alles ist relativ – ) und auch nicht zu den Bunten, obwohl wir inzwischen deutliche Schäden durch Sonneneinwirkung zu verzeichnen haben, aber wir wollen den Abend in Port Louis doch wenigstens mit einem schönen Abendessen beenden. Es ist noch ein bisschen früh für die Speisekarte, aber für ein Pint Bier in einem sogenannten „PUB“ passt die Uhrzeit feinstens. Auch hier wieder problemloses, kostenloses Internet für alle. Warum gibt´s sowas bei uns immer noch nicht?
Rund um das geschlossene Einkaufszentrum befinden sich Dutzende von FastFood-Restaurants und Kneipen. Sogar ein Spielcasino lacht uns an, hat aber beileibe nicht das Flair der „Mutter von Monte Carlo“, also der Bad Homburger Spielbank. Da wir keinen Bock auf FAST FOOD haben, landen wir nach langer Suche auf einem Schiff. Es ist ein italienisches Restaurant namens „Mamma Italia“, das sehr romantisch im Hafen verankert ist. Man sitzt im Freien – unter Baldachinen – und hört feine Musik, während das traumhafte Personal die lukullischen Kostbarkeiten anschmort, auf die man schon seit zehn Jahren wartet. Hatten wir uns jedenfalls so vorgestellt. Es kam ein bisschen anders. Die Flasche Rosé-Wein, die ich leichtsinnigerweise geordert hatte („Bei dem Preis kann man nichts falsch machen!“) entpuppte sich als klebrige Süßspeise mit Spritgeschmack. Nur durch Verdünnen mit Perrier (die Flasche zu 10 Euro) und der Zugabe von Eiswürfeln und Zitronenscheiben ließ sich diese Plörre runterschlucken. Vermutlich ist das die erste Flasche Wein, die ich nicht ausgetrunken habe.
Nun denn, wir wollten ja nicht unhöflich sein und haben uns sehr auf das Essen gefreut. Die Melone mit Schinken war auch allerfeinst. Ich war fast schon wieder guter Laune. Dann aber kamen die Hauptgerichte. Daggi hatte vier gekochte Rindfleischscheiben mit Tomatensoße. Und vier Scheiben Baguette. Sonst nichts. Kein Gemüse, kein Salat, keine Kartoffeln, Reis oder sonstige „Sättigungsbeilagen“. Nur Fleisch mit Brot. Mein „Saltimbuco Romana“ entpuppte sich als vier Scheiben gekochte Rindfleischscheiben mit einer Schicht Kochkäse und zerstückelten Formschinkenscheiben obendrauf, garniert von sieben (!) Scheiben Baguette und einer geraspelten Möhre. Wir haben das Essen abgebrochen und sind geflohen. Wenn die Mafia hier Fuß fassen will, muss sie erst mal ein paar gescheite Köche herschicken.
Port Louis
Auf dem Weg zum Taxistand läuft mir eine Fastfood-Kellnerin mit gebratenen Nudeln über den Weg. Vollbremsung, Bestellung, Verputzung. Bin jetzt endlich satt.
Das Taxi nach Hause ist auch so ein Abenteuer. Das japanische Gefährt unseres Chauffeurs dürfte so in den sechziger Jahren zugelassen worden sein. Es funktionieren weder eine Instrumentenbeleuchtung noch die Instrumente selbst; das Licht der Scheinwerfer erhellt eher den Himmel denn die Fahrbahn, der Auspuff ist löchriger als die Innenverkleidung und die fehlenden Stoßdämpfer harmonieren mit der durchgesessenen Rückbank auf das Vorzüglichste. Der Zustand des Fahrzeugs zwingt unseren Fahrer daher, sehr vorsichtig zu chauffieren, sodass sich unsere Angst in Grenzen hält.
Daggis Angst wird dann nur durch die KARAOKE-Party im Hotel geweckt. Ich war nämlich mal wieder fast so weit, „Yesterday“ von den Beatles vorzutragen. Zum Glück gibt es dafür kein Playback. Also setzen wir uns noch ein bisschen auf die Terrasse an unserem Apartment. Daggi liest, ich schreib diese Zeilen und jetzt wird es höchste Zeit für einen Turboschlaf: Um fünf Uhr klingelt der Wecker, weil wir partout Delfine sehen wollen.

Samstag, der 10. Januar 2011
Der Tag am Meer

Während sich in Deutschland langsam die Discotheken füllen, klingelt bei uns der Wecker. Wir haben heute eine Verabredung mit echten Delphinen. Kurz vor sechs erhalten wir ein rudimentäres Frühstück. Dabei stellt sich heraus, warum der Kaffee hier so gruselig schmeckt: Es handelt sich um Nescafé! Und das, obwohl die afrikanischen Kaffeeplantagen gar nicht weit weg sind. Kurz nach sechs holt uns ein sehr redseliger Fahrer ab. Wie immer geht es um Politik, die unfähige Regierung, den Beschiss im Allgemeinen und das eigene Elend im Besonderen. Wir fahren wieder in den Süden, durch Port Louis durch bis nach Tamarin. Es herrscht noch relativ wenig Verkehr und unser Fahrer heizt durch die Gegend, dass einem Angst und bange werden kann. Gegen halb acht kommen wir am Startpunkt der Reise an. Rund zwei Dutzend Bootseigner teilen sich die Kundschaft auf. Die kleinen Motorboote fassen jeweils 5-10 Personen. Wir sind zu neunt, darunter eine Familie aus „Capetown“, also Kapstadt und zwei weitere Südafrikaner aus Durban. Sie ist etwa 21, sehr hübsch und ein bisschen arrogant und Er dürfte etwa vier bis fünf Jahre älter sein, auch sehr hübsch, aber mit nur einem Bein. Stattdessen baumelt eine Metallprothese am Kniestumpf des rechten Beines. Vermutlich ein Motorradunfall. Die beiden Crewmitglieder tragen ihn an Bord, weil seine Prothese nicht nass werden darf.
Undressierte, echte Delphine auf der Flucht vor Touristen
Und los geht’s! Mit zwei mal 75 PS jagt das Boot durch die Wellen. Nach ein paar Minuten stoppt unser korpulenter Fahrer die Maschinen und wir pirschen uns langsam in die Nähe vieler anderer Boote, die alle dasselbe suchen: Delphine. Und plötzlich sehen wir sie: etwa 4-5 relativ kleine Flipper pflügen durch die Wellen. Dann sind sie wieder weg. Unser Fahrer gibt wieder Vollgas und steuert eine weitere Bootsgruppe an. Hier lohnt sich´s schon eher. Etwa 30-40 Delphine tauchen regelmäßig auf, um Luft zu holen. Nun dürfen wir von Bord, um die Tiere von ganz Nahem zu erleben. Anfassen ist aber verboten. Nach und nach gehen einige der Tourteilnehmer ins Wasser. Aus Sicherheitsgründen führen sie einen Ballon mit, auf dem „Diver under water!“ steht, damit sie nicht von den anderen Booten überfahren werden, was wohl des öfteren vorkommt und auch mal tödlich enden kann. Wieder an Bord, schwärmen die Schnorchler von den tollen Eindrücken, müssen aber zugeben, dass die Delphine doch um Einiges schneller sind als wir Menschen. Kurzum: Kaum sind wir im Wasser, sind die lieblichen Meeressäuger auch schon wieder weg. Und damit beginnt ein etwa einstündiges Katz- und Mausspiel. Unser Fahrer sichtet irgendwo Delphine, fährt ein Stück außen rum und lässt seine Gäste just in dem Moment ins Wasser platschen, wenn die Viecher vorbei geschwommen kommen. Auch unser Einbeiniger geht ins Wasser. Dazu nimmt er die komplette Prothese ab und humpelt auf einem Bein an den Bootsrand. Er braucht verständlicherweise nur eine Flosse. Im Wasser kann er sich ebenso geschickt bewegen wie alle anderen.
Irgendwann fragt man Dagmar und mich, warum wir nicht ins Wasser wollen. Dagmar will nicht, weil sie vor den vielen Booten Angst hat und ich kann nicht, weil meine Badehose in Dagmars Rucksack steckt. Umziehen vor all den Leuten ist nicht drin – also bleibe ich an Bord und beobachte das Ganze aus sicherer Entfernung. Irgendwie habe ich da am Morgen falsch geschaltet. Eigentlich hätte ich in Badesachen losfahren sollen und mich erst am Ende wieder anziehen wollen. Aber morgens um halb sechs ist die Welt bei mir eben noch nicht in Ordnung…
Inzwischen ist es neun Uhr und wir fahren weiter. Diesmal stoppt das Schiff, um uns das Schnorcheln zu ermöglichen. Viele bunte Fische gibt es zu sehen und alle – außer mir – sind im Wasser, um sich das bunte Treiben anzusehen. Endlich kann ich mal meine Unterwasserkamera ausprobieren. Daggi filmt etwa 30 Sekunden unter Wasser, nimmt aber leider den Finger nicht von der Linse, so dass die cineastische Ausbeute eher gering ist. Immerhin ist die Kamera immer noch dicht. Auch hier wird es nach einer knappen Stunde langweilig und wir fahren daher an die Anlegestelle zurück. Hier wechseln wir das Boot, um nun als Nächstes eine unbewohnte Insel aufzusuchen. Unser neues Boot ist ein Schlauchboot, das ebenfalls mit zwei 75-PS-Außenbordern angetrieben wird. Die etwa zehnminütige Fahrt wird durch einen Stop an einem Korallenfelsen unterbrochen, auf dem ein Weihnachtsbaum geschmückt wurde. Warum nicht. Andere Länder, andere Sitten. Dann rast das Boot weiter, ohne die geringsten Rücksichten auf unsere Bandscheiben zu nehmen, die auch hier wieder fürchterlich leiden müssen.
Koralle, Koralle!
Das Grillfest auf der Insel wird dann der Höhepunkt des Tages. Außer uns haben auch noch Dutzende andere Boote angelegt. Zu jeder Reisegruppe gehört ein eigener, überdachter Platz mit einem Tisch in der Mitte und Baumstämmen ringsherum als Sitzplätze. Kaum an Land, werden wir von den üblichen Strandverkäufern umringt. Daggi findet ein sehr schönes Tuch, das man sich sehr clever zusammenknoten kann, um es als Kleid oder Umhang zu benutzen. Die Verkäuferin führt das beeindruckend freundlich direkt auf Dagmars Körper vor. Das Tuch kostet nur 240 Rupien, das sind gerade mal sechs Euro. Da lohnt sich das Handeln nicht. Ich gebe 250 und bekomme sogar die zehn Rupien Wechselgeld zurück, die ich gar nicht haben will. Und danach lassen uns die Verkäufer auch völlig in Ruhe. Wer noch was kaufen will, muss sich selbst auf die Suche machen. Unsere Gruppe ist inzwischen neu zusammengewürfelt worden. Ein etwa 75-jähriger Italiener mit seiner kreolischen Frau indischer Abstammung, deren Sohn und Schwiegertochter sowie zwei Kindern um die sechs Jahre stellt die größte Personengruppe. Zwei französische Paare sowie eine weitere kreolische Familie komplettieren unseren Rastplatz. Es wird langsam unerträglich heiß und ich beschließe, nun endlich meine Badesachen anzuziehen. Es hängt vielleicht auch ursächlich damit zusammen, dass die Crew uns einige kühle Getränke, darunter auch BIER und WEIN auf den Tisch gestellt hat. Ihr glaubt nicht, wie toll so ein eiskaltes Bier morgens um elf schmeckt, wenn einem die Sonne auf den Schädel brummt. Das Umziehen wird dann sehr schmerzhaft, denn meine Schuhe sind noch in einem Korb auf dem Schiff und der Weg ins Unterholz ist steinig und dornig. Und heiß. Sehr heiß. Sehr, seeeehr heiß. Nach ein paar Metern ist es mir plötzlich egal, ob mir die halbe Insel auf den entblößten Allerwertesten glotzt.
Und jetzt kann ich endlich auch ins Wasser! Das Meer ist trotz der Motorboot-Armada sehr sauber – ich kann sogar meine Füße sehen! Kaum wieder an Land, beginnt die Grillparty erst richtig. Unsere Crew hat mittlerweile in zweiter Reihe einen Grill aufgebaut und ein paar Köstlichkeiten vorbereitet. Das Ganze ist wirklich perfekt organisiert. Je nach Geldbörse sind die Grillstände unterschiedlich luxuriös eingerichtet. Eine etwas größere Gruppe hat sogar richtige Stühle und Tische, eine Liveband und einen Grill, auf dem einige Hummer ihr Leben lassen. Bei uns gibt’s erstmal Grillspieße mit Krabben, Thunfisch, Champignons, Mais und Paprika. Einfach lecker. Bis zum Hauptgang dauert es noch eine Weile. Wir haben also Zeit, uns etwas näher zu kommen, was uns aufgrund der zunehmenden Alkoholwirkung auch recht schnell gelingt. Nach einem weiteren erfrischenden Bad kommt der Hauptgang: Krautsalat mit diversen Dressings, gegrilltes Hühnerfleisch und gegrillter Fisch sowie gegrillte Hot Dogs. Von Allem ist mehr als genug da und wir öffnen schon bald die dritte, kalte Flasche Weißwein. Unser alter Italiener ist voll in seinem Element. „Berlusconi ist tot“ ruft er laut (- auf italienisch natürlich -), als eine mit ihm wohl befreundete Italienerin aus einer anderen Gruppe vorbei läuft und sich halb tot lacht über seinen Witz. Die Stimmung ist prächtig.
Picnic am Strand
So gegen 14.00 Uhr geht es wieder zurück. Auf dem Rückweg passieren wir mal wieder eine Bootsgruppe. Es dürften Hunderte von Booten sein. Es ist die größte Bootsparty des Kontinents, wie uns erklärt wird. Findet jeden Samstag hier statt. Also warum weiterfahren? Feiern wir doch einfach ein bisschen mit. Das Schiff kettet sich an eine etwas größere Jacht, auf der eine Menge junger Leute trinken und tanzen. Die Musik kommt unmittelbar neben uns von einem Schiff mit echtem DJ, der Technomusik vom Feinsten über das Meer bläst. Auch wenn das nur Wenige verstehen, bin ich ja ein echter Fan gut gemachter Technomusik – und die hier ist einfach hervorragend. Klingt so, als wäre sie in Frankfurt produziert worden. Dagmar springt ins Wasser und fürchtet sich plötzlich kein bisschen mehr vor den vielen anderen Booten. Ich will hinterher, aber da kommt schon der Befehl unseres „Captains“, dass wir jetzt wieder zurück müssen.
Technoparty im Meer
Viel zu früh verlassen wir also die Party (auf der wir ohnehin nichts zu Trinken bekommen haben) und donnern mit 150 PS zurück in den Hafen. Hier wartet schon unser Fahrer auf uns, derselbe vom Morgen. Seine Sorgen sind noch größer geworden, sein Redeschwall will nicht abebben, obwohl Dagmar und ich wirklich hundemüde sind. Wir erfahren, dass sein Sohn nicht bereit ist, nach der Schule auf den Feldern zu arbeiten – wie fast alle in seinem Alter. Also wird man Hilfsarbeiter aus Madagaskar oder Indien einführen müssen. Das passt ihm alles gar nicht. Schon zu viele Firmen würden ausschließlich mit eigenem, importiertem Personal arbeiten, was zu höherer Arbeitslosigkeit führen würde. Und nicht stimmt, denn es gibt viel zu tun. Mauritius will die Zahl von derzeit einer Million Touristen pro Jahr recht bald verdoppeln. Dafür werden eine Unmenge neuer Hotels gebaut. Die angeblich so unfähige Regierung baut Dutzende von neuen, schnellen Straßen. Es sickert immer wieder durch, dass Korruption hier wohl ein ernst zu nehmendes Thema ist. Die hohen Benzinkosten machen ihm das Leben schwer; ein neues Taxi kostet mehr als ein eigenes Haus, sagt er.
Ich verstehe seine Wut nicht wirklich, denn offensichtlich verstehen sich die über 50 verschiedenen Nationen, die hier miteinander arbeiten, trotz der 5-6 Hauptreligionen doch bestens. Weder sehen wir am Abend randalierende Jugendliche noch fürchten wir uns vor den überall rumsitzenden Männern, die man eher zur Unterschicht zählen muss. Im Gegenteil, alle haben ein freundliches „Bon Soir“ auf den Lippen, wenn man vorbeigeht. Wenn jemand neidisch auf mein Airbook schaut, dann ist das bestimmt kein Einheimischer, sondern ein Tourist. IT-Technik wird auf Madagaskar stark gefördert und der Handel mit chinesischer Hi-Tech-Ware macht einen großen Umfang des Bruttosozialproduktes aus. Die Zuckerrohrernte bringt zwar immer noch das meiste Geld, führt aber auch dazu, dass ein Viertel aller Inselbewohner mittlerweile an einer damit zusammenhängenden Diabetes leiden. Wie heißt es so schön in einem Schlager von Roy Black aus den fünfziger Jahren? „Du kannst nicht alles haben, das Glück, den Sonnenschein…“
Hier hat man schon nahezu alles.
Nach eineinhalb Stunden schwatzhafter Fahrt sind wir wieder im Hotel. Ich muss noch schnell was aufnehmen, während Daggi am Pool ein bisschen vor sich hin döst. Kurz vor sechs laufen wir dann – am Meer entlang – wieder nach Grand Baie. In „unserem“ Club ist noch Happy Hour. Ein Liter Bier für 120 Rupien = 3 Euro. Wir checken unsere Mails, ich schicke die Sprachaufnahme nach Hause und ruckzuck ist es Zeit für´s Abendessen. Nach dem Bier schaukelt die Umgebung ein wenig. War vielleicht doch zu viel Sonne auf dem Schiff…
Auch heute werden wir in dem Restaurant, in dem wir unser Hummeressen hatten, nicht enttäuscht. Ein grandioser Meeresfrüchtesalat macht den Anfang, gefolgt von Fisch-Curry für Dagmar und einem Filetsteak für mich. Letzteres war zwar nicht zäh, gehört aber offensichtlich nicht zu den Spezialitäten von Mauritius. Um einundzwanzig Uhr tritt dann auch noch eine grandiose Trommeltruppe mit vier Tänzerinnen in exotischen Kostümen auf. Die ethnischen Hintergründe sind uns unklar, aber es hat was mit Bauchtanz zu tun.
Sonnenuntergang – vom Restaurant aus gesehen
Aber wir sind müde und wollen den versäumten Schlaf nachholen. Blöderweise müssen wir dazu wieder an unserem WLAN-Lokal vorbei. Da treten auch zwei Live-Musiker auf. „Ne halbe Stunde haben wir doch noch, oder?“ fragt Daggi und steuert auf die Theke zu. Eine Flasche Rosé später wanken wir weiter. Auch in der Disco etwa 100 Meter weiter hören wir Live-Musik. Die Reinkarnation von Bob Marley steht auf der Bühne. Ein junger Rasta-Bursche mit einer unglaublich guten Stimme und perfektem Gitarrenspiel, begleitet von einem zweiten Gitarristen, zwingt uns leider zu einem weiteren Stopp.
Gegen Mitternacht beenden wir unseren 19-stündigen Partytag. Es ist ein perfekter Tag gewesen.
Heute, am Sonntag morgen, geht es uns zwar gut, aber das schwüle Wetter macht meinem Kreislauf schwer zu schaffen. Ich kann keine drei Zeilen lesen, ohne einzuschlafen. Also lege ich mich nach dem Frühstück gleich wieder in die klimatisierte Bude und penne, bis mich das Hausmädchen aufweckt. Dagmar ist wie immer sehr sportlich und dreht ein paar Runden im Pool. Nach dem Büffet-Mittagessen im Hotel verziehen sich die Wolken und die 33 Grad lassen sich einigermaßen aushalten. Daggi schwimmt und liest abwechselnd und ich schreibe hier im Schatten bei ständigem Wind an diesem Blog weiter.
Weitere Pläne haben wir bisher für heute nicht. Morgen ist ja auch wieder eine Tour angesagt. Dann geht’s in den Osten – zur Robinson Crusoe-Insel.

Montag, der 10. Januar 2011
Die Robinson-Insel

Unser Abend plätschert so dahin. So wie er begonnen hat, wird er wohl enden. Wir sind viel zu träge, um nochmal in die Stadt zu laufen. Also essen wir im Hotel zu Abend und setzen uns noch eine Weile an die Bar. Wir spielen mal wieder „Georific“ und obwohl Dagmar eigentlich mehr weiß als ich, liege ich mit meinen geografischen Schätzungen oft näher dran als sie. Vier Spiele, alle gewonnen.
Inzwischen quält uns mal wieder ein DJ. Er hat, wie das heute so üblich ist, einen Laptop dabei und fährt die Titel so gruselig ineinander, dass man es kaum ertragen kann. Die Gäste im Hotel sind clever, die haben sich alle sofort verzogen. Als der Bub dann auch noch diese Ska-ähnliche Musik spielt, die hier wohl gerade modern ist, verlassen selbst die beiden deutschen Neuankömmlinge, die mit uns die einzigen Gäste stellen, die Bar. Um elf darf er aufhören und wir dürfen ins Bett.
Unser Katamaran
Montag morgen, sieben Uhr. Aufstehen zur Katamaranfahrt zur Robinson-Insel. Angeblich soll hier Robinson Crusoe gestrandet sein und ein halbes Leben lang mit seinem Freund (?) Freitag verbracht haben. Der Bus ist überpünktlich und ich bin eine Minute zu spät, weil ich das Ticket im Zimmer vergessen habe. Ein paar Kilometer später steigt ein Schweizer Pärchen ein, dass sich sofort mit uns unterhält und einen sehr netten Eindruck macht. Der nächste Zugang ist ein Ehepaar aus München – wie sich später herausstellt, auch vom Allernettesten. Schließlich steigt noch ein recht mürrisches französisches Ehepaar zu, zu dem aber keiner sonst irgendwelche Kontakte knüpft. Kein Wunder, dass die so mürrisch sind – wurden sie doch versehentlich einer deutschen Gruppe zugeteilt. Wir fahren eine halbe Ewigkeit quer durch den Norden runter in den Osten, wo uns ein Motorboot zu einem imposanten Katamaran fährt. Mit nur 45 PS betrieben, schleicht sich der Riese aus dem Hafen, während uns Dutzende von Schnellbooten auf beiden Seiten überholen, voll mit grölenden Touristen. Wir sind nur zu acht – plus der Crew. Das heißt, wir haben eine Menge Platz. Und die Crew hat verhältnismäßig wenig Arbeit mit uns. Irgendwann wird der Motor abgeschaltet und die Segel verrichten ihren Auftrag. Still gleiten wir durch so manche Bucht. Der Schweizer entpuppt sich als Gastronom mit jahrelanger DJ-Erfahrung. Außerdem veranstaltet er Konzerte in der Schweiz. Er und seine nette blonde Freundin haben vier Lokale in Appenzell. In drei Monaten wird geheiratet. Der Münchner hat einen wasserdichten Fotoapparat dabei. Also ein Gerät, das noch mit richtigen Filmen funktioniert. Immer wieder erstaunlich, was es früher alles mal gegeben hat. Gegen halb elf wird schon wieder das obligatorische Bier angeboten. Unser Schweizer zieht ein Rum-Cola-Getränk vor. Er hat so in etwa meine Figur (also ein klein wenig überproportioniert) und erzählt mit von seinen schlechten Erfahrungen mit diversen Popstars. Je länger jemand erfolglos ist, desto schlimmer sind die Verträge und das Benehmen der Stars. Barcley James Harvest beispielsweise muss es extrem dolle getrieben haben. Der Vertrag war 30 Seiten lang. In deutsch. Und dann nochmal weitere 30 Seiten in Englisch. Erst wollten sie im besten Hotel am Platz nicht essen, taten es dann mangels brauchbarer Alternative dann doch, verzehrten aber gerade mal für ca. 5 Franken pro Person, wovon man auch im Appenzeller Land nicht satt wird. Kurz vorm Auftritt hatten sie dann plötzlich Hunger. Die Mutter unseres neuen Bekannten soll sie dann mit Bratwurst und Brötchen gefüttert haben. Vergebene Liebesmüh, denn Les Holroyd, der Sänger von Barclay James Harvest, wollte nicht auftreten, weil ihm die Windgeräusche der Open-Air-Veranstaltung zu laut waren. Eigentlich hätte sich unser Schweizer gar nicht direkt mit ihm unterhalten dürfen, aber da ist dem Guten dann doch die Hutschnur geplatzt. Ein paar deutliche Worte und die Band ist aufgetreten. Es war ein Scheiß-Konzert.
Ich kenne die drei ja ganz anders. Als Barclay James Harvest vor zig Jahren im Tonstudio von Frank Farian eine neue Platte aufnahmen (Keine CD, eine Platte!!!), war ich ja noch bei Frankieboy als Studiomanager und Toningenieur angestellt. Die Band samt Management war sehr diszipliniert, alles klappte bestens. Selbst unser ständig bekiffter Servicetechniker (sowas war bei einem NEVE-Mischpult und den damals erstmals eingesetzten Digitalmehrspurmaschinen absolut nötig – also nicht das Kiffen, sondern der Techniker) wurde von den Jungs von der Insel akzeptiert. Les Holroyd hatte sich sogar in Bad Homburg irgendwo auf der Promenade eingemietet und die drei oder vier Monate verliefen in völliger Harmonie. Ich war damals so dreist, als Moderator bei hr3 den Fans anzubieten, ihnen ein Autogramm von Barclay James Harvest zu besorgen. Dass sich darauf einige Hundert gemeldet hatten, wird mir mein Briefträger nie verziehen haben. Ohne mit der Wimper zu zucken, unterschrieben die drei – eigentlich eher stillen – Musiker die Karten und kehrten zur Tagesordnung zurück. Aber wie schon eingangs erwähnt. Erfolg verdirbt. Und wenn der Erfolg dann plötzlich ausbleibt, wird alles nur noch peinlich…
Zurück auf den Katamaran. Peinlich wird es hier auch, weil wir jetzt alle schnorcheln sollen. Natürlich habe ich meine Badehose diesmal unter die normale Hose gezogen, so dass ich mit wenigen Griffen wasserbereit bin. Dass der Katamaran genügend Räume hat, um sich ungestört umzuziehen, erwähne ich nur am Rande. Das Wasser ist zwar sehr sauber, aber auch mit Korallen und Seeigeln gefüllt. Wir müssen also Flossen anziehen. Ich hasse Flossen, weil ich dann nicht mehr Herr meiner Füße bin (die ich übrigens im Wasser klar sehen kann).
Aber ich habe brav mitgespielt. Daggi kann mit diesen Flossen supertoll durch die Wellen pflügen. Ich kann das nicht und sehe aus wie ein Clown mit Flossen. Also tappse ich wieder an Bord, schmeiße die Flossen von mir und habe für den Rest des Ausflugs `ne nasse Badehose an.
Mal wieder ein Wasserfall
Wir fahren nun zu einem Wasserfall. Mal wieder. Der Katamaran würde dort nicht wenden können, also steigen wir wieder in unser Begleitboot um. Für mauritianische Verhältnisse ist der Wasserfall ganz ordentlich. Nach fünf Minuten sind wir wieder im Katamaran und steuern den nächsten Programmpunkt an, der da heißt: Essen fassen! Die Jungs haben inzwischen Speis und Trank zubereitet, der in etwa dem entspricht, was wir vor zwei Tagen auf der Insel bekommen haben. Dazu Bier, Wein und Rum. Versehentlich stößt Dagmar meinen Weinbecher um, den ich unvorsichtigerweise in die Nähe ihres Ellbogens platziert hatte. Das gute Stück plumpst ins Wasser. Ich denke mir nichts dabei; es wird ja wohl noch einen Ersatzbecher geben. Aber von wegen. Es dauert gut fünf Minuten, bis die Crew des Katamarans den Becher wieder aus dem Meer gefischt hat. Umweltschutz eben. Wie viel Dreck die Motoren bei dieser Aktion verschleudert haben, ist ja unwichtig.
Die nächste Station ist nun endlich die Robinson-Insel. Falls die vor ein paar Jahrhunderten wirklich mal unbewohnt gewesen sein soll, hat sich dies mittlerweile extrem verändert. Es gibt ein Restaurant, Geschäfte, eine Bar und sogar Toiletten mit Dusch- und Umziehräumen, falls man seine salzigen Badesachen ausziehen will. Unsere Gruppe wird schlagartig auseinander gerissen und findet sich für die nächsten zweieinhalb Stunden nicht wieder, weil einfach viel zu viele Touristen auf der Insel sind. Wir landen auf der Terrasse der Bar, bei der gerade ein Medley alter Boney M,-Hits läuft. Farian zum Zweiten an diesem Tag. Etwas leichtsinnig bestelle ich eine Karaffe Rosé, nach deren Vertilgung ich dringend Urlaub brauche.
Unser Beiboot holt uns pünktlich für die Rückfahrt ab. Auch jetzt müssen wir wieder Getränke vernichten. Ich werfe meinen Becher ein weiteres Mal um, ohne ihn aber diesmal an das Meer zu verlieren. Schade nur um den Inhalt. Aber immerhin ein Grund, sich endlich wieder umzuziehen.
Wir drei deutschen Paare sind inzwischen prima ins Gespräch gekommen. Wir fragen die Schweizer, ob sie heute Abend noch mit in unser Lokal in Grand Baie kommen wollen. Aber die beiden sind schon ziemlich fertig. Um acht ist bei denen Schicht. So wie im ganzen Hotel.
Die beiden Münchner werden auch nicht mehr wegkommen. Morgen früh um fünf klingelt bei denen der Wecker, weil es zurück nach Hause geht. Schade eigentlich.
Und so zuckeln wir mit dem Bus dann schließlich wieder zurück in unsere Hotels. Während ich dies schreibe, sitzen wir frisch geduscht an der Bar und warten darauf, das Abendessen einnehmen zu können.
Ob wir danach noch rüberlaufen, um der Einöde zu entgehen, weiß ich noch nicht. Daggi hat Halsschmerzen und ich wurde gerade schon wieder von einer Mücke gestochen. Siechtum überall.
Und Hunger.
(Irgendwie passen die Sätze nicht mehr zusammen, also ende ich diesmal mittendri

Dienstag, der 11. Januar 2011
Kaufrausch

Wir tun´s schon wieder. Statt in das pralle Leben zu wandern, bleiben wir nach dem Abendessen an der Hotelbar hängen. Die Musik zieht uns die Schuhe aus, aber der Rosé schmeckt lecker. Wie schon gestern hat sich das gesamte Publikum weit vor uns auf seine Zimmer begeben, um der Abendanimation zu entkommen. Wir halten auch nur solange durch, bis Dagmar langsam die Dötzchen zufallen. Halb zehn Heia. Neuer Rekord. Das war wohl ´ne Sauerstoffvergiftung.
Dienstag, der 11. Januar, 8.00 Uhr. Daggi ist wach und giert nach sportlicher Bestätigung, die aber dann schnell nach dem Frühstück mit der Lektüre eines guten Buches endet. Morgen vielleicht??
Stattdessen sind wir dann wieder nach Grand Baie gelaufen und haben diverse Boutiquen unsicher gemacht. Güldener Schmuck und heiße Gewänder wurden erworben, um das Weibchen noch schöner zu gestalten. Damit nicht genug, fiel uns ein, dass es hier auch einen Markt gibt, den man besuchen kann. Trotz mittlerweile gefühlten 40 Grad bei 400% Luftfeuchtigkeit haben wir den Weg dorthin eingeschlagen und das Ziel erreicht. Man kann es kaum glauben, aber dieser Bazar befindet sich komplett unter einem Dach. Das erinnert uns an Istanbul, aber im Kleinen. Es ist sauheiß und die Verkäuferinnen sind – im Gegensatz zu Istanbul – sehr distanziert und freundlich. Daggi kauft für ihre Freundinnen mehrere Geschäfte leer. Ich habe immer noch kein einziges Elektronikgeschäft gefunden, was diese Reise für mich zur Günstigsten aller Zeiten machen dürfte. Wir nutzen eine Kaufpause, um die ersten Biere des Tages zu testen (Also jeder eins, damit das nicht falsch verstanden wird!). Sie schmecken wie immer supererfrischend, haben aber aus irgendwelchen Gründen einen erhöhten Alkoholanteil. Oder warum halten wir danach die Theke fest, damit sie nicht umfällt?
Dagmar (links im Bild) im Basar
In unserem Cocoloko-Stammlokal steuern wir deshalb schnell mit Cesar-Salaten dagegen und trinken für den Rest des Tages nur noch Wasser. (Der Tag endet hier gegen 18.00 Uhr!)
Danach laufen wir wieder durch die Hitze ins große Kaufhaus. Dort finden wir noch ein Kleidchen für meine Süße und ein paar Flaschen Rosé zum baldigen Verzehr auf unserer Terrasse. (Nachtrag: Das Zeugs ist so süß, das wir die Flaschen zurücklassen müssen…) Außerdem kaufen wir Zahnpasta, die ist nämlich alle. Blendax. Gibt´s auch hier. Der Weg vom Kaufhaus ins Hotel ist uns zu lang. Zufällig steht ein Taxi unseres Hotels vor der Tür und nimmt uns klimatisiert in unser Domizil zurück.
Am Pool ist es so heiß, dass ich es im Gegensatz zu Dagmar nur wenige Minuten dort aushalte. Im Apartment sind es 19 Grad; die Klimaanlage ist leise und erfrischend und mein Buch fesselt mich ganze drei Minuten. Schlaf bis 16.00 Uhr. Dann am Pool weitergelesen. Inzwischen bin ich bei Herrn Schätzing und seinem Roman „Lautlos“ hängengeblieben. Schon wieder ein Thriller. Ich weiß, mit wirklicher Literatur hat meine Ferienauswahl nicht wirklich was zu tun, aber es beruhigt ungemein. Daggi hat Mankells „Chinese“ in der Mache (kein Wallander!) und bringt die rund 600 Seiten an diesem Nachmittag zu Ende.
Wir diskutieren ein wenig über die Inhalte der Bücher und die Wirklichkeit. Zum Beispiel die soziale Lage in Mauritius. Wer nicht arbeitet, kriegt nichts. Es gibt keine Arbeitslosenversicherung. Rente gibt es je nach Beruf ab 62 Jahre. Und zwar 50% des normalen Durchschnittsgehalts, also 75 Euro. Nicht pro Tag, sondern pro Monat! Sollte man älter als 75 Jahre alt werden, steigert sich die Rente auf 200 Euro. Hundertjährige und drüber bekommen noch mehr. Und die sind sind gar nicht so selten, sind aber in unserer Gegend kaum anzutreffen. Behinderte ab 60% Behinderung müssen ebenfalls mit der Hälfte des Durchschnittseinkommens auskommen, dürfen aber hinzuverdienen. Schwerbehinderte bekommen etwas mehr – genauso viel wie deren Pflegekräfte. Das bedeutet, dass Behinderte von ihren Angehörigen auch gut versorgt werden. Um Missbrauch zu vermeiden, wird das alles sehr genau kontrolliert.
Aber das Leben hier hat auch andere Vorteile: Die Kleinen haben zum Beispiel gerade zwei Monate Ferien hinter sich – und müssen vermutlich in diesen Tagen komplett neu angelernt werden. Militär gibt es hier nicht. Im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung würde die indische Armee (!) hier einlaufen und das Land verteidigen. Das hat uns ziemlich verwundert.
Nachdem wir uns eine Weile über die sozialen Verhältnisse dieses Landes unterhalten haben, wird es Zeit, die Klamotten den Abendessenssitten anzupassen (Keine Badekleidung!). Das hausinterne Menü ist heute mal wieder durchgewachsen, aber sättigend. Eigentlich ist ziemlich egal, was man isst. Satt wird man immer wieder. Und durstig auch.
Wir sitzen jetzt seit zwei Stunden im WLAN-Zentrum Cocoloko und schreiben so nach und nach diese Zeilen für heute. Morgen wollen wir es ein zweites Mal in Port Louis versuchen, um uns diese verdammte Briefmarke anzuschauen. Der Express-Bus soll sehr viel schneller sein…
Ob das stimmt und was uns jetzt uns wieder Schlimmes* passiert, könnt Ihr (vielleicht) morgen lesen.
* Schlimmes = es ist zu heiß oder zu kalt oder zu nass oder zu trocken

Mittwoch, der 12. Januar 2011
Kälteeinbruch

Mittwoch, der 12. Januar 2011, so gegen halb neun. Im Zimmer ist es schön kühl. Die Klimaanlage haben wir inzwischen auf 21 Grad hochgedreht und den Ventilator abgeschaltet. So kann man gut pennen. Wiedermal hat es über Nacht geregnet, und das nicht zu knapp. Das Gras der Grünanlagen ist immer noch nass. Der Regen hat einen Temperatursturz mitgebracht. Es sind höchstens noch 27 Grad. Bibbernd laufen wir zum Frühstück. Aber die Kälte hat auch Ihr Gutes. Man könnte doch endlich mal mit dem Schnellbus nach Port Louis fahren, um sich diese weltberühmte blaue Briefmarke anzuschauen, um die alle so ein Gedöns machen.
Nach einem kurzen eMail-Check (…wenn wir schon mal da sind) steigen wir in den ziemlich schmuddeligen Express-Bus ein. Statt 32 Rupien kostet die Fahrt ganze 35 Rupien. Dafür gibt es eine Klimaanlage und eine schnellere Tour in die Hauptstadt. Der Bus ist im Nu bis unters Dach gefüllt. Unterwegs steigt kaum noch jemand zu, weil einfach kein Platz mehr ist. Nach nur 25 Minuten ist der Koloss auf dem Riesenbusplatz in Port Louis angekommen. Von dort zur blauen Mauritius sind es etwa 600 Meter. 600 Meter allerdings, die so manchen Stop bedingen. Zum einen müssen wir durch einen nicht enden wollenden Straßenbazar durch. Auch hier gibt es immer wieder dasselbe: Tücher, Touristenkitsch und Obst.
Doch weiter in Port Louis. Die Einkaufszentren an der Waterfront hatte ich ja schon beschrieben – diesmal waren sie sogar geöffnet. Wir haben eine Menge Läden betreten und wieder verlassen. Daggi sucht eine aktuelle Sonnenbrille und eine neue Uhr. Die Brillen passen meist nicht oder sind offensichtlich Imitationen und die Uhren, die ihr gefallen, liegen weit über unserem Budget. Das hat sich also nicht geändert. 🙂
Dann endlich das „Penny-Museum“. Ganz hinten liegt es. Für das Eintrittsgeld erhält man einen Audioguide (dessen Batterie schon nach der ersten Station alle war) und sehr viele Originaldokumente. Das Ganze ist hübsch gemacht und bestimmt auch höchst interessant, leider fast ausschließlich in Französisch. Bei den Briefmarken unterstützt uns dann wieder der (ausgewechselte) Audioguide. Die „Blaue Mauritius“ ist also so wertvoll, weil der Herr Graveur statt „Postal Office“ nur „Post Office“ graviert hat. Nachdem man den Fehler bemerkt hat, waren schon einige der ersten Drucke dieser Gravurplatte im Umlauf. Jetzt soll es gerade noch drei dieser Marken geben. Einer davon sehen wir uns unvermittelt gegenüber.
Die „Blaue Mauritius“ zusammen mit einer „roten Mauritius“, die wohl etwas billiger ist. Mauritius hat mit Hilfe vieler Sponsoren das Geld zusammengetrieben, um diese Marke wieder in den Besitz zu bekommen. Trotzdem ist der „Wow-Effekt“ ziemlich mau. Disney hätte da mehr draus gemacht. Ohne die Unterstützung des Audioguides würden wir glatt dran vorbei laufen, weil es noch ein paar Dutzend fast gleich aussehender Marken in den Vitrinen gibt. Trotz Foto-Verbots fotografiere ich den Schatz. Mal sehen, was mein Farbdrucker draus macht…
Danach Mittagsessen in einem Luxushotel unmittelbar neben dem Museum. Alles sehr fein und auch nicht sonderlich teuer. Zurück zum Busbahnhof. In den Straßen mit den fliegenden Händlern ebenfalls nach Markenuhren gesucht. Aber leider nicht mal ´ne Rolex gefunden.
Am Busbahnhof selbst macht sich langsam Verzweiflung breit. Aberhunderte von Bussen fahren hier ohne jede erkennbare Regel kreuz und quer über den Platz. Manchmal steigen Schüler ein oder aus (erkennbar an der Schulkleidung, eine vernünftige Erfindung aus England), manchmal erkennen wir das Vorhandensein einer Haltestelle. Aber für wen, für welchen Bus, in welche Richtung – das alles will nicht in unsere Köpfe, die in der Mittagshitze zu glühen beginnen. Wir haben beide keinen Hut mitgenommen, weil es ja in Grand Baie so kalt war. Inzwischen hat die Sonne allerdings ein paar Kohlen nachgelegt, so dass es jetzt wieder locker 33 Grad im Schatten sind. Wir sind allerdings in der Sonne. Als Retter in der Not erweist sich ein Einheimischer, der wohl unsere Verzweiflung richtig gedeutet hat. Daggi sagt ihm, wo wir hin wollen und er führt uns quer über den Riesenplatz irgendwo ziemlich an den Rand, wo die Busnummer (215) auf den Asphalt gemalt wurde. Der Junge ist wohl selbst schon mal unter einen Bus geraten. Ihm fehlen einige Finger und sein Körper ist merkwürdig schief geformt. Das Trinkgeld hat er sich redlich verdient. Allerdings haben wir außer der auf den Asphalt gemalten Nummer nichts weiter außer viel Sonne – vor allem keinen Bus. Der kommt erst eine Viertelstunde später, als wir uns eigentlich schon aufgegeben haben. Dank der Klimaanlage waren wir in den 25 Minuten Fahrtzeit wieder voll erholt und konnten uns im Cocoloko von der Strapaze erholen.
Ein bisschen härter hat es wohl unser Körper empfunden. Um neun liegen wir im Bett. Daggi schläft sofort ein, ich quäle mich noch durch ein paar Seiten, von denen ich die letzten drei am nächsten Tag wiederholen muss.
Für morgen planen wir etwas ganz Spektakuläres: Drachenfliegen und Fallschirmspringen! Stay tuned!

Donnerstag, der 13. Januar 2011
Das Außergewöhnliche wagen

Habe ich da gestern geschrieben, dass wir heute Fallschirmspringen oder Drachenfliegen wollen? Ist natürlich völliger Blödsinn. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Das war nur ein Aufreißer, um das geneigte Publikum bei der Stange zu halten. Aber wenn ich wahrheitsgemäß geschrieben hätte, dass wir heute morgen eine Rundfahrt mit dem Glasbottom-Boot machen, wärt Ihr doch längst gelangweilt auf www.bild.de umgeschwenkt.
Wobei man eine solche Fahrt auch durchaus spannend erzählen kann…
Prolog:
„Hey Ehrhardt“ sagt mein Chef, „für die Donnerstagsausgabe brauche ich noch drei Spalten über den Wassersport in Mauritius.“ – „Aber Chef“, wende ich ein, „dass ist doch stinklangweilig. Da gibt’s doch nur Wasserski, Drachenfliegen und Angeln. Höchstens noch Glasbootchen fahren“. – „Dann schreiben Sie halt was über die Glas-Dinger. Hauptsache spannend. Was mit sozialem Touch. Das wollen die Leute. Ein guter Journalist kann so was!“ – „OK, Chef, ich werd´ mir Mühe geben.“
. . .
Robinson verfluchte den Tag, an dem er den Job in diesem Hotel angenommen hatte. Er – angeblich ein direkter Nachfahre des berühmten Robinson Crusoe – hatte nichts Besseres mehr zu tun, als alte eingefettete Ladys und klapprige Touristenopas sorgsam in das hoteleigene, überdachte Glassbottomboat zu geleiten. „Schuhe ausziehen!“ befahl er (auf französisch) und zeigte auf eine Plastikkiste, in der die Sandalen der Touristen gesammelt wurden. Diesmal waren auch noch ein paar dicke Kinder dabei. Die ärgerten ihn am meisten, weil die immer so laut quietschten oder rumschrien, wenn mal ein kleiner Fisch zufällig unter dem Boot durchschwamm. Das ihm anvertraute Boot fasste etwa zwanzig Personen. Heute waren es 12 Erwachsene und sechs Kinder. Alle sprachen französisch oder kreolisch bis auf zwei Deutsche, die ihn wenigstens in Ruhe ließen. Als endlich alle an Bord waren, ließ er den rechten Außenborder an. Das Boot hatte zwei Maschinen, falls mal einer ausfallen sollte. Nur einer der beiden Yamaha-Motoren war mit dem Benzintank verbunden, der vor jeder Fahrt ausgetauscht wurde. Die Maschinen waren sehr zuverlässig. Niemals war eine ausgefallen, seit er vor ein paar Monaten diesen langweiligen Job angenommen hatte. Aber was sollte er machen? Seine Frau hatte ihn mehr oder weniger dazu gezwungen. Das Geld, das sie als Obstverkäuferin auf dem Markt verdiente, reichte einfach nicht, um die vier Kinder und sich selbst zu versorgen.
Er löste die Leinen und balancierte den Kasten durch die Untiefen, die man in Küstennähe umfahren musste. Eine Tour wie jede andere. Ein Tag wie jeder andere. Dachte er.
ES war gewaltig. Gewaltig groß, schwabbelig und von undefinierbarem Braun-Schwarz-Grau. Falls es Augen hatte, konnte man sie nicht sehen. Normalerweise lag ES in permanentem Halbschlaf in etwa fünf Meter Tiefe inmitten eines Korallenriffs. ES ernährte sich von unvorsichtigen Fischen, die im Riff nach Nahrung suchten und dadurch selbst zu Nahrung wurden. Ein ideales Leben für ein Biest wie ES. Es lebte da unten schon an die vierzig Jahre. Ganz am Anfang seines Lebens konnte ES noch schwimmen, aber das hatte sich als überflüssiger Energieverbrauch erwiesen und wurde daher irgendwann eingestellt. Ihm reichten die zwanzig bis dreißig Kilo Frischfisch pro Tag, die schon fast automatisch von seinem Schlund aufgesaugt wurden. Seit es in der Bucht immer mehr Angler gab, ging die Ausbeute gleichermaßen zurück. Heute hatte ES Hunger.
Robinson lenkte das Boot an der Küste entlang. Wunderbarer Blick auf die teuren Hotelanlagen. Mit Zimmern, die er nie von innen gesehen hatte. Die Fahrt bis zum Korallenriff dauerte in der Regel zwanzig Minuten. Er konnte die Stelle nicht verfehlen, weil eine weithin sichtbare Boje die Stelle markierte. Wie immer waren die Kinder an Bord zu laut. Etwa drei- bis 5-jährig, waren sie noch nicht schulpflichtig und konnten mit ihren reichen Eltern Ferien im Paradies machen. Ein Paradies, das er immer nur durch den Hintereingang betreten durfte.
Plötzlich verlor das Boot an Fahrt. Der Motor stockte, fing sich wieder, um dann plötzlich ganz stehen zu bleiben. Einfach so. Die Kinder sahen die Erwachsenen an, die Erwachsenen starrten Robinson an. Der zuckte die Schultern. Routinemäßig überprüfte er die Treibstoffleitung und den Tank. Dann war klar, warum es nicht weiterging: Er hatte vergessen, den leeren Tank gegen einen vollen auszuwechseln. Menschliche Nachlässigkeit. Kann passieren. Da half auch der Ersatzmotor nichts. „Wird mich wohl meinen Job kosten, wenn es rauskommt“, dachte Robinson. Bis zur Küste waren es nicht mehr als fünfhundert Meter. Bis zur Koralleninsel mit der Boje noch ein Stück weiter.
Was tun? Die trägen Touristen hatten offenbar den Ernst der Situation noch nicht ganz verstanden. Das deutsche Paar kam als Erstes darauf: „Mauritius, wir haben ein Problem“, scherzte der junge, schlanke Mann zu seiner bildhübschen Begleitung. „Wie meinst Du das?“ fragte sie. „Das Benzin ist alle. Und wir sind ziemlich weit draußen ohne jeden Kontakt zu irgendwelchen anderen Schiffen“. – „Und jetzt?“ – „Jetzt rufen wir um Hilfe. Falls unser Handy hier überhaupt funktioniert“. Ein Blick auf´s iPhone schloss diese Möglichkeit aus. Kein Empfang.
Robinson hatte den anderen Schiffsinsaßen die missliche Lage inzwischen auf Französisch erklärt. Man nahm es mit Humor. „Die werden uns schon vermissen und dann eben später abholen!“, sagte eine junge Kreolin. „Solange können wir doch ein bisschen Baden oder Schnorcheln!?“
Robinson sparte es sich, die Reisenden darauf hinzuweisen, dass hier überall Seeigel oder Korallen an der Tagesordnung waren, an denen man sich ohne Taucherflossen leicht die Füße zerschneiden konnte. Waren doch bloß Touristen. Seinen Job war er ohnehin los. Malcolm, ebenfalls ein Kreole, wagte sich als Erster ins Wasser. „Macht nochmal ein Foto vor mir! Falls ich nicht wiederkomme!“ scherzte er und ließ sich rückwärts von der Seitenwand ins Wasser fallen. Das Boot trieb schnell von ihm weg. Geistesgegenwärtig warf ihm Robinson den Rettungsring zu, aber Malcolm hatte gar nicht hingesehen. Er hatte seine Taucherbrille aufgesetzt und starrte mit großem Interesse in die Tiefe.
ES war ungehalten. Wer wagte es, seinen hypnoseähnlichen Tiefschlaf zu stören? Was waren das für widerliche Geräusche? Sonst wachte er nur auf, wenn ein Zyklon die Insel besuchte und infolge der starken Strömung sein Korallenhaus manchmal ein wenig vom Meeresboden losgerissen wurde. Zwei fast symmetrische Stellen seines matschigen Körpers öffneten sich, aus denen die vermatschten Augen quollen. Im Nu hatten sie sich auf das Licht eingestellt, das hier – nur etwa einen Meter unter der Meeresoberfläche – fast genauso hell war wie über dem Wasser. Das Zucken der Beine Malcolms hieß für seinen einfachen Verstand nur eins: Mahlzeit.
Inzwischen war das Boot weiter abgetrieben. Malcolm hörte die Rufe nicht. Robinson schrie sich die Seele aus dem Leib. Selbst die Kinder schrien um die Wette, um den Schnorchler zur Rückkehr zu bewegen. `Das auch noch´, dachte Robinson. Er hatte auch keinen Anker an Bord. Wozu auch? Für die paar Meter raus ins Meer?
. . .
Epilog:
„Na Ehrhardt, wie weit sind Sie?“. Der Chef war reingekommen. „Na ja, ich bin noch mittendrin. Aber ich befürchte, mit einem Dreispalter kommen wir nicht hin.“ – „Dann zeigen Sie mal, was Sie schon haben.“ Er starrte auf Ehrhardts Laptop, scrollte an den Anfang und begann zu lesen.
Nach zehn Minuten brach er ab. Der Chef war zunächst sprachlos, aber dann polterte es aus ihm heraus: „Sagen Sie mal, hammse Ihnen ins Hirn geschissen? Sie sollten einen kleinen Aufsatz über eine harmlose Glasboottour schreiben – und dann kommen Sie mir mit dieser Ausgeburt kranker Phantasie an? Ham Se zuviel Frank Schätzing gelesen? In 10 Minuten habe ich einen ordentlichen Artikel, sonst sind sie gefeuert!!!“
P.S.: Die Fahrt war so harmlos wie nichts Anderes auf dieser Insel, aber irgendwas muss ich ja schreiben.
Echte Fische – direkt aus dem Glasbottomboot fotografiert
Der Glassbottom-Tag endet mit Hüpfen. Getreu dem Motto des alten Radio-Kollegen Fred Metzler „…und wenn Sie Freizeit haben, dann hüpfen Sie“ begeben wir uns nach dem Abendessen an die Bar. Unser Haus-DJ hat das mit den Übergängen noch nicht so raus, deswegen bricht jede Platte im Fade out ab – und nach einer Sekunde Stille setzt die nächste ein. Inzwischen hat das Publikum im Hotel gründlich gewechselt, wie man an den vielen bleichen Gesichtern sehen kann. Und die sind auch ganz gut drauf und fangen gleich an zu tanzen. An der Bar sitzt auch ein französischer Seemann. Nun ja, er sagt, er war bei der Marine. Muss im ersten Weltkrieg gewesen sein. Er sieht aus wie Popeye und bewegt sich auf der Tanzfläche wie ein tapernder Zirkusbär (wobei Zirkusbären immerhin den Takt halten können). Seine Frau sitzt auch an der Bar. Aber die darf anscheinend weder was trinken noch tanzen. Also fragt er Daggi – und die geht auch brav mit ihm auf die Tanzfläche, die sich dann nach und nach auch füllt. Irgendwann kann ich mich auch nicht länger am Glas festhalten und hüpfe mit. Um 11 muss der DJ Schluss machen, aber das Publikum zwingt ihn zu 15 Minuten Zugabe. So einen Tag hat der schon lange nicht mehr erlebt. Hoffentlich verpfeift ihn keiner an die Hotelgewerkschaft…

Freitag, den 14. Januar 2011
Die mit dem Popeye tanzt.
Wieder ziemlich bewölkt und schwül draußen. Daggi macht es sich am Pool gemütlich. Ich habe noch ein paar Sachen zu sprechen und an meine Kunden zu schicken. Inzwischen muss ich das wieder vom Hotel aus machen, weil die mir im Cololoko die IP-Adresse gesperrt haben. Alle anderen Rechner können sich einloggen, nur mein Notebook nicht. Die haben sich wahrscheinlich gedacht, dass irgendein Nachbar heimlich in deren Netzwerk rumturnt und haben die Adresse meines Computers – also die sogenannte IP-Adresse – gesperrt. Schade, aber für die verbleibenden zwei Tage unerheblich.
Mittags essen wir im Hotel á la carte. Zwar nur Spaghetti, aber das klingt ja viel zu profan. Der Nachmittag zieht sich – wie immer, wenn wir am Pool oder am Strand rumhängen. Ist halt nicht meine Welt.
Abends dann nochmal ein schönes Essen in dem Fischlokal, in dem wir auch den Hummer gegessen haben. Die Touristen entschwinden langsam; es ist fast leer. Zum Abschluss besuchen wir noch zwei weitere Lokale auf der Hauptstraße. Das eine ist eher eine Bar unter freiem Himmel mit netter Musik. Da aber der Himmel mal wieder seine Pforten öffnet, fliehen wir ins „Life“, der Discothek, in der Bob Marley II. letzte Woche aufgetreten ist. Heute ist da eine Sängerin, gut 120 Kilo schwer, mit einer fantastischen Stimme. Ihr Gitarrist hat ein feines Gerät zu seinen Füßen. Während er die Dame begleitet, nimmt er sein Gezupfe per Fußdruck auf den internen Speicher des Gerätes auf. Sobald die Dame genug gesungen hat und es Zeit ist für ein Solo innerhalb des Liedes, drückt er im richtigen Moment die Wiedergabe-Taste und wiederholt somit die aufgenommene Passage. Gleichzeitig spielt er dann sein Solo life darüber. Das ist sehr effektvoll und spart einen kompletten Musiker.
Um 23.00 Uhr haben die beiden Feierabend und das Lokal füllt sich ziemlich schnell bis zum letzten Platz. Wir sitzen direkt am Eingang auf Barhockern und ertränken uns an Mochijtos.
An den Wänden des Lokals hängen Flachfernseher. Und zu unserer völligen Verblüffung wird dort das Bundesligaspiel Leverkusen-Dortmund live übertragen, dass die Dortmunder verdient mit 3:1 gewinnen. Dagmar will mir gar nicht glauben, dass freitags Bundesliga gespielt wird und dieses Spiel dann auch noch in Mauritius übertragen wird, aber es ist nun mal tatsächlich so. Irgend so ein Sportsender, der sich die Highlights des Sports rauspickt und live sendet, ist dafür verantwortlich. Deutscher Fußball ist anscheinend so ein Highlight. Die Gäste schauen weniger auf den Fernseher. Die haben genug mit ihrer Musik zu tun. Und der DJ, der ganz unscheinbar am Rand der Tanzfläche vor seinem Laptop kauert, macht seinen Job verdammt gut. So perfekte Übergänge habe ich schon ewig nicht mehr gehört. Die Musik ist auch hervorragend und animiert zum Tanzen. Leider können wir unsere Sachen nicht alleine am Stehtisch zurücklassen. Das Risiko ist uns dann doch zu groß. Also schauen wir einfach nur zu und erfreuen uns an dem sehr gemischten Publikum. Und das Schöne ist: Hier verträgt sich wirklich jeder mit jedem. Egal, welche Religion, welche Hautfarbe, welches Alter, welches Geschlecht. Es ist so harmonisch, dass es schon fast wieder verdächtig ist.
Sauer ist nur einer, und der bin ich. Der Taxifahrer verlangt für die 500 Meter zu unserem Hotel glatte 400 Rupien, also 10 Euro. Und das ist echter Wucher.

Sonntag, 16. Januar 2011
Nachdurst

So lecker diese Mochjitos ja sind, so sehr sorgen sie doch am nächsten Morgen für Nachdurst. Durst nach Wasser.
Wir sind den letzten Tag hier. Daggi faulenzt wieder am Pool rum; ich schicke noch eine kleine Aufnahme nach Deutschland und widme mich dann dem SPIEGEL, den ich mir über das Internet auf das iPad geladen habe.
Mittags wieder Essen im Hotel, danach so langsam Aufbruchstimmung. Wir müssen morgen früh um 5.15 Uhr geschniegelt und gebiegelt am Empfang stehen, da uns der Bus bereits vier Stunden vor dem Abflug abholt.
Am Nachmittag laufen wir noch einmal rüber nach Grand Baie.
Im Cocoloko trinken wir erst einen Café und dann das 1-Liter-Paket Bier für kleines Geld. Auf der Suche nach einem schönen Restaurant finden wir zum Abschied noch einen Italiener direkt im Hinterhof des „Live“. Feinste italienische Speisen, serviert von lustigen Einheimischen, die sich auch gerne ihren Spaß mit uns machen. Der letzte Heimweg fällt schon ein bisschen schwer, aber im Hotel werden wir nochmal wach. Hier tanzt gerade eine einheimische Tanzgruppe folkloristische Tänze mit den üblichen Paarungs-Zeremonien. Dagmar muss mittanzen, obwohl sie jetzt eigentlich lieber ins Bett möchte. Noch fünfeinhalb Stunden bis zum Wecken.
Und damit gehen wir ins Bett, schließen den Blog ab und stellen uns innerlich darauf ein, morgen unausgeschlafen 11 Stunden Fliegerei über uns ergehen zu lassen. Aber das gehört halt dazu, wenn man fremde Länder erkunden will. War´s schön? Es war sehr schön!!!!

Das Fazit: Eine wunderschöne Insel. Ideal für Sonnenanbeter und Wassersportfreunde – und somit für mich nicht wirklich relevant. Die Menschen hier sind einfach wunderbar, freundlich, ehrlich und liebenswert. Dennoch möchte ich nicht hier leben wollen. Alles ist doch ein ganzes bisschen langsamer als bei uns daheim – und damit meine ich nicht nur die schleichenden Internetverbindungen. Alles ist hier noch ein bisschen altmodisch, angefangen bei den Ladenöffnungszeiten, den Wartezeiten im Restaurant und den doch sehr eingeschränkten Vergnügungen im Hotel. Wir haben das Glück, nahe der „Riviera von Mauritius“ gebucht zu haben. Grand Baie ist der einzige Ort auf dieser Insel, in dem abends was los ist. Wer ein Hotel irgendwo in der Prärie gebucht hat, ist völlig abgeschnitten von jeglichem Kontakt zum Leben. Da kostet eine Flasche Wasser dann auch 150 Rupien, fast vier Euro. Verständlich, dass dann viele schon um acht ins Bett gehen…
Aber: Wir haben die „Blaue Mauritius“ gesehen, wir haben die hochinteressante Geschichte des Landes in uns aufgesogen und gut gegessen, geschlafen und getrunken. Wir sind braun gebrannt; keiner hat sich verletzt oder war ernsthaft krank. Und das kann man ja nicht von jedem Urlaub behaupten.

Carribean Harmonists – mit „Mein Schiff“ durch die Karibik

Das Schiff im Hafen von Dominica

4.1.2010
Die Bar heißt „Tapas y Mas“. Sie ist im elften Stock und nahezu menschenleer. Elegante Korbsessel mit schick designten  Kissen laden zum Rumflezen ein. Über die dezenten Lautsprecher säuselt landestypische Musik. Es ist kurz vor 13.00 Uhr und ein großer 42-Zöller von Panasonic zeigt an, wo wir uns gerade befinden: Im Hafen von DOMINICA, genauer gesagt, auf einem riesengroßen Schiff im Hafen von Dominica, in ROSEAU, um ganz genau zu sein. Das Schiff hat den dämlichen Namen „Mein Schiff“ und ist so eine Art AIDA für Normalsterbliche. Dahinter steht der Tourismusriese „TUI“, also das letzte Filetstück des ARCANDOR-Konzerns. Rund zweitausendsiebenhundert Leute haben hier Platz – zumindest in den Rettungsbooten. Habe ich durchgezählt. Tatsächlich sind nur etwa 1100 Touristen an Bord. Das Personal ist also fast in der Mehrheit (961 Leutchen), lässt uns das aber nicht spüren. Im Gegenteil, alle sind von einer ausgesuchten Freundlichkeit und Höflichkeit, das man unwillkürlich seine eigenen Fähigkeiten zur freundlichen Kommunikation wieder entdeckt. Je nach Wichtigkeit und Größe der Aufgaben kommen die jungen Crewmitglieder entweder aus Deutschland oder aus über fünfzig anderen Nationen. Erstaunlicherweise sprechen die alle auch einige Brocken deutsch. Englisch sowieso.

Doch mal langsam. Was mache ich hier, wie komme ich hierher, mit wem bin ich hier und wie lange werde ich hier bleiben?

Kurz vor der Landung in Romana
Oktober 2009

Im „Spiegel“ flattert mir eine Reisebeilage aus dem Heft. 8 Tage Karibikrundreise für 1650.- Euro. Zwei Wochen für zwei Mille. Ich war zwar schon zweimal in dieser Gegend: Vor 27 Jahren in Jamaica und vor zwei Jahren in Kuba. Die ganzen anderen weltberühmten Inseln kenne ich dagegen nicht. Das Schiff mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“ soll jedenfalls alle diese wunderbaren Inseln Tag für Tag abklappern. Morgens wird angelegt und abends geht´s weiter zur nächsten Destination. Klingt doch klasse, denke ich und frage meine Liebste, was sie denn davon hält. Sie hält eine Menge davon, plündert ihr Aktiendepot und ist mit im Boot, um im Bild zu bleiben. Die Buchung klappt telefonisch, wenn auch nicht ganz fehlerfrei. So haben sie aus meiner lieben Daggi einen Mister gemacht. Für neue Reiseunterlagen ist es zu spät – ab sofort sind wir in den Eingeweiden der Buchungscomputer zwei Jungs, die zusammen reisen.

31.12.2009
Die Koffer haben wir bereits eingecheckt, und auf uns wartet nur noch eine wunderbare Sylvesterparty bei ganz lieben Freunden oben in Dillingen, einem Ortsteil von Friedrichsdorf im Taunus, wo wir wohnen. Man hat da so einen wunderbaren Blick auf die Sklyline Frankfurts (ja, und bei wunderschönem Wetter kann man auch den Atommeiler Biblis sehen, aber das ist jetzt nicht wichtig). Ein Taxi holt uns ab und bringt uns bei leichten Minusgraden hoch nach Dillingen. Ich versuche, den Taxifahrer zu bestechen, uns um eins wieder abzuholen. Zwanzig Euro bar Tatze verspreche ich ihm, aber er bleibt vage.
Die Party ist ein toller Erfolg, wir tanzen und ergötzen uns insgeheim am Neid der Anderen, die wohl den Rest des Winters in dieser Nasskälte ausharren müssen, während uns nur noch wenige Stunden von Sonne, Sand und Meer trennen. Vielleicht haben sie aber auch nur Mitleid mit uns, weil wir die Party so früh verlassen müssen, während die Fete bis in die frühen Morgenstunden toben wird.


1.1.2010
Das Feuerwerk dauert ein gute halbe Stunde. Durchgefroren tanzen wir uns nochmal warm, bis wir dann ins Freie tappsen und auf unseren bestochenen Taxifahrer warten. Der kommt natürlich nicht. Also bleibt uns nichts Anderes übrig, als zu Fuß die ca. 4 Kilometer nach Hause zu laufen. Es ist regnerisch und eiskalt, die Wege sind rutschig und Daggi frieren langsam die Ohren ab. Egal, das halten wir jetzt auch noch durch. Auf halber Strecke kommt uns der Taxifahrer entgegen, sieht uns aber leider nicht und braust an uns vorbei. Tja, Pech gehabt.
Um halb zwei fallen wir ins Bett. Vier Stunden Turboschlaf trennen uns noch  von unserer großen Reise.
Dagmar steht immer eine halbe Stunde früher auf als ich. Die Zeit braucht sie, um die Zeitung zu lesen, den ersten Liter Kaffee einzunehmen und ein paar Lungentorpedos zu inhalieren. Leider kommt um 1.1. keine Zeitung und der Brötchenbringer hat wohl auch zu lange gefeiert. Wenigstens funktionieren der Kaffee und die Kippen. Um sechs werde ich auch aus dem Bett geschmissen. Wir haben vor, mit der S-Bahn zum Flughafen zu fahren, weil ein Taxi gut und gerne 60 Euro kostet. Obwohl ich nur eine dünne Lederjacke anhabe und auch Dagmar nur das Allernotwendigste gegen einen sofortigen Tod durch Erfrieren trägt, halten wir die arktische Kälte gut aus. Nach ein paar Schritten vermisst Daggi aber dann doch ihren Schal. Ich gebe ihr den Hausschlüssel, sie sprintet zurück und ist zwei Minuten später wieder da. „Der Hausschlüssel passt nicht“, sagt sie enttäuscht. Und damit hat sie recht. Ich habe versehentlich einen falschen Schlüssel von meinem Schlüsselbund mitgenommen. Aber uns läuft die Zeit davon. So eine S-Bahn fährt nämlich genau nach Plan. (Jedenfalls dann, wenn man es eilig hat. Manchmal kommen auch gar keine Züge, aber das ist eine andere Geschichte.)
Wir also hurtig weiter. Mein Chronometer zeigt noch zwei Minuten bis zur Abfahrtszeit, als wir am Bahnhof ankommen. Ich hätte wohl vorher mal einen sogenannten „Uhrenvergleich“ durchführen sollen. Die zwei Minuten sind längst um – und im selben Moment, als wir die Stufen des Bahnsteigs hinauf rennen, setzt sich der Eisenkoloss in Bewegung. Ohne uns. Daggi keucht nur noch „Taxi!“ und wir rennen beide die Stufen wieder runter, die Unterführung durch und dann die Stufen zum Taxistand wieder hoch. Die Wahrscheinlichkeit, am Neujahrsmorgen um sieben Uhr ein Taxi zu finden, dürfte der eines Sechsers im Lotto sehr ähnlich sein. Aber wir haben das Glück. Fast. Denn die nette, aber vom langen Dienst gezeichnete Fahrerin spricht gerade in ihr Handy. „Ja, dann bin ich so in etwa 5 Minuten bei Ihnen!“ Ich reiße die Tür auf und rufe nur „Flughafen!“, um die Frau aus pekuniären Gründen zu einer Änderung ihres Vorhabens zu bewegen. Und das klappt sogar. „Eben ist ein Fahrgast eingestiegen. Und direkt einsteigende Fahrgäste haben bei uns immer Vorrang. Ich bin in einer guten Stunde zurück, dann kann ich Sie gerne abholen!“ säuselt sie ihrem Gesprächspartner ins Ohr. Was der dann so zusammenbrüllt, ist nicht Gegenstand dieses Reports.
Wir kommen dann auch ein bisschen ins Gespräch. Ich erzähle ihr, dass wir schon am Vorabend mit einem anderen Taxi dieser Firma auf die Party gefahren wären. Es stellt sich heraus, dass der Fahrer unseres Taxis ihr Mann ist, genau der Typ, der uns nachts sitzen gelassen hat. Nun kommt das Geld (und noch viel mehr) doch noch in die Familienkasse. Von dem Bestechungsgeld hat er ihr übrigens nichts erzählt. Männer sind wohl so.

So sieht unsere Hütte aus. Die Wintersachen haben wir dann doch nicht gebraucht.
4.1.1010

Wir sitzen immer noch im elften Stock unseres Schiffes mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“. Im Freien, ganz hinten im Heck. Wir haben gerade zu Mittag gegessen, den kostenlosen Tischwein, bzw. einen Pott Kaffee mitgenommen und dösen so vor uns hin. Dagmar liest in ihrem Wälzer „Die Verdammnis“ von Stieg Larsson weiter und ich teste die Akkukapazität meines Netbooks. Immer noch 71%. Etwa so wie die Luftfeuchtigkeit.

Das war heute morgen viel schlimmer. Da waren wir nämlich auf der Insel Dominica, nicht zu verwechseln mit einer gewissen Dame aus Hamburg, die sich „Domenica“ nennt. Beide haben was mit Verkehr mit Fremden zu tun, aber auf „Dominica“ ist der Fremdenverkehr neben Bananenexport ein durchaus ehrbares Geschäft. Wir beschließen, den heutigen Landgang mal alleine zu organisieren. Die organisierten TUI-Touren unterscheiden sich nämlich oft nur im Preis von den direkt angebotenen touristischen Aktivitäten. Dominica ist seit 1976 selbstständig und gilt als „Grüne Insel“. So ziemlich das ganze Land ist von Regenwald bedeckt; diverse Wasserfälle ziehen die Touristen-Miniknipsen geradezu magisch an. Nach Sichtung aller verfügbaren Reiseunterlagen entscheiden wir uns aber doch für den Klassiker „Faulenzen am Strand“. Dagmar packt ihren Rucksack voll: Badezeug, Bücher, Handtücher, Sonnencreme, Obst, Wasser.
Wir nehmen einen der insgesamt 10 Fahrstühle (in drei Treppenhäusern) und landen im dritten Stock, der sich „Einschiffung“ nennt, aber durchaus auch der Ausschiffung dient. Jeder „PAX“, also Passagier, wie es früher hieß, hat beim ersten Betreten des Schiffes eine vorbereitete, scheckkartengroße ID-Karte ausgehändigt bekommen. Und damit keiner diese Karte missbrauchen kann, sind wir auch noch fotografiert worden. Wenn also jemand das Schiff verlässt, dann wird diese Karte eingescannt. Der Sicherheitstyp schaut außerdem auf seinen Laptop, ob das Gesicht mit dem tatsächlichen Menschen übereinstimmt. Aus Spaß an der Freud versucht er sich dann noch im Aussprechen der ihm völlig unbekannten Namen. Das ist immer sehr lustig.

Und schon sind wir an Land. Große Schilder warnen uns davor, zu spät zurückzukommen. Die Crew muss sogar eine halbe Stunde eher zurück sein, woraus sich immerhin schließen lässt, dass die Mitarbeiter selbst auch an Land dürfen. Und das in einem Gebiet, in dem Sklaverei bis vor ein paar Jahrzehnten durchaus üblich war…

Und wie überall auf der Welt stürzen sich sofort alle möglichen Verkäufer auf uns. Die TUI-Organisierten werden grüppchenweise in moderne Reisebüsschen gezwängt, während wir uns mit dem verbleibenden freien Markt arrangieren müssen. Ähnlich wie in italienischen Touristenfütterungslokalen „Essen nach Bildern“ lange der letzte Schrei war, werden hier die Inseltouren durch gewagte Grafikkollagen angepriesen. Von Strandurlaub sehen wir leider nichts, deswegen folgen wir einfach mal einem gut aussehenden Eingeborenen, der uns eine 2 1/2-stündige Inselrundfahrt im Jeep für sechzig Dollar anbietet. Während ich noch fieberhaft überlege, welche Dollars er eigentlich meint ( – weil es hier einen „Eastern Caribbean Dollar“ mit einem hübschen Bild von Queen Elisabeth gibt -), geht er schon auf 50 Dollar runter. Ich schlage ein und frage ihn, ob er auch Kreditkarten nimmt. Selten so gelacht. Immerhin werde ich dann an einen hochmodernen Bankautomaten geführt, der mir auch brav 50 Eastern Carribean Dollars ausspuckt, etwa 12 Euro. Das war schon wieder falsch. Es waren doch US-Dollar gemeint. Also nochmal an den Automaten. Der gut aussehende Tourismussachverständige führt uns dann zum Auto, einem Suzuki mit Vierradantrieb aus den guten Jahren des Konzerns. Leider steigt er nicht mit ein, sondern stellt uns „Ashram“ vor, den Fahrer. Wie wir im Laufe der Fahrt mitbekommen, ist er 44 und schon dreifacher Großvater. Verheiratet ist er allerdings nicht, dafür hat er vier „Ladies“, die in unterschiedlichen Stadtteilen wohnen und nichts voneinander wissen. Er kann diese moderne Art der Vielehe durchaus rechtfertigen: „When a girl is out with me, she´s the Lady for me– and I´m the King for her! And whatever I do in between hasn´t to be noticed“. Erinnert mich alles ein bisschen an Jamaica. Ashram sieht älter aus als 44, was wohl auch an seinen komplett desolaten Zähnen und diversen üblen Augenkrankheiten liegt, die ihn gründlich entstellen. Er ist Torwart im örtlichen Fußballclub und hat seinen Körper bis auf die Hände durch den Sport ruiniert, wie er sagt. Aber es ist echt gut drauf. Er lacht ständig, quatscht pausenlos irgendwelche Freunde auf den Straßen an und riskiert auch gern die große Lippe, wie wir schnell merken. Der Suzuki mit den geöffneten Fenstern (- was viel besser als eine Klimaanlage ist -) hat auf den brüchigen Straßen Dominicas wohl schon harte Zeiten hinter sich. Ich gehöre eher zu den Leuten, die von einer Rückentherapie zur nächsten eilen und bin daher hier etwas fehl am Platz. Würde ich natürlich nie zugeben und so stecke ich die vielen harten Schläge auf meine Bandscheiben lächelnd weg. Dass Linksverkehr herrscht, macht es für mich nicht leichter. „If you feel good, I feel good“. Sagt Ashram und liegt damit gar nicht so falsch. Denn was wir mit unserem privaten Reiseleiter erleben, ist so ganz anders und viel zauberhafter als der TUI-Kommerzausflug vom Vortag, auf den ich später noch gründlich eingehen werde.

Irgendeiner der vielen Häfen
Wir fahren zunächst zu einer kleinen Kneipe irgendwo mitten im Urwald und trinken ein Bier. 10.30 Uhr. Ein Bier. OK – in Deutschland ist es jetzt schon fünf Stunden später, aber auch da käme ich nicht im Traum drauf, Alkohol zu konsumieren. Macht nix, hier geht das. Ist ja auch nach deutschem Reinheitsgebot gebraut.

Wir fahren die Serpentinen weiter hinauf und werden dann zu einem 10-minütigen Fußmarsch durch den Urwald animiert. Am Ziel des durchaus ambitionierten Fußwegs sehen wir gleich zwei richtig tolle Wasserfälle. Man verzeihe mir die etwas fantasielose Beschreibung dieses Naturphänomens, aber da läuft es einem doch trotz der Hitze kalt den Rücken runter. Es ist schon erstaunlich, was so ein bisschen Natur ganz alleine zustande bringt. Papayabäume wachsen um uns rum, räkeln sich an Steilhängen gen Himmel. Blumen in grellen roten und gelben Farbtönen umschmeicheln das Auge. Krabben krabbeln durch die Füße und aus den anfänglich 71% Luftfeuchtigkeit sind längst knapp 100 Prozent geworden.
Inzwischen sind auch die organisierten Touristen (mit Walking-Stöcken!) eingetroffen und knipsen die Akkus ihrer Kameras leer.

Ashram erzählt uns, dass heute, am Montag, Nationalfeiertag sei, weil die Regierung im Stadion das neue Parlament bekannt geben würde. Und während ich hier oben im elften Stock in dem wunderschönen Cafe „Tapas Y Mas“ am Heck eines Kolosses mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“ sitze, schaue ich immer mal rüber ins Stadion, ob die Party schon läuft.
Für das wohlverdiente Trinkgeld von Ashram habe ich den Geldautomaten übrigens ein drittes Mal aufsuchen müssen…

Daggi hat sich inzwischen in irgendeine Hängematte am Pool gelegt. Sowohl Hängematten als auch Pools sind reichlich vorhanden. Selbst FKK-Anhänger haben einen eigenen Bereich irgendwo ganz oben kurz unterm Himmel. Die wollen gerne unter sich bleiben, wie man verstehen kann, aber ansonsten gibt es hier (fast) keine Mehr-Klassen-Gesellschaft. Anders als ich das noch aus dem Titanic-Film in Erinnerung habe, darf hier jeder fast überall hin. OK, die Kids dürfen nicht ins Spielcasino und für die Generation Silberlocke ist der Basketballbereich auch nicht unbedingt der Bringer. Und obwohl ich es darf, würden mich keine zehn Pferde zum Yogakurs zwingen können. Daggi ist da anders. Sie schwankt noch zwischen einem Haut-Peeling und diversen SPA-Paketen, bei denen man allerdings nicht SPAren kann, sondern ordentlich zuzahlt. Die Muggibude ist leider immer so stark frequentiert, dass ich eine bequeme Ausrede habe, dort „gerade mal keinen Platz“ gefunden zu haben. Der Mini-Golfplatz ist auch nicht so mein Ding und im „WII-Corner“ nehmen mir die Kinder immer die Controller ab. Ich könnte für 35 Euro einen Grundkurs in der Bildbearbeitung absolvieren, aber leider wird nicht „Photoshop“, sondern „Photo-Impact“ gelehrt. Da könnte ich den Kurs auch gleich selbst leiten und die 35 Euro selbst einsacken.
Erzähle ich doch lieber Mal, wie die Anreise weiterging…

Das linke Schiff gehört zum WALT DISNEY-Konzern, ist aber kleiner, ätsch.
1.1.2010

Nachdem der Neujahrsmorgen für die Friedrichsdorfer Taxifahrerin dann doch so eine positive Wendung genommen hat, sitzen wir am Frankfurter Flughafen und harren der Dinge, die da kommen sollen. Wie immer habe ich mit der Security-Kontrolle mein Problem. Ich habe nämlich einen kleinen schwarzen Metallkoffer dabei, in dem die lebenswichtigen Dinge aufbewahrt werden, also Kameras, Ladegeräte, Handy, Laptop, Playstation und auch ein Mikrophon. Und letzteres scheint den Kontrollören sehr suspekt zu sein. Jedesmal muss ich das Ding anschließen und dessen Funktion vorführen. Diesmal genügt meine eidesstattliche Erklärung, dass es sich bei diesem Mikrophon nicht um eine Bombe oder ein anderes, derzeit verbotenes Utensil handelt. Ruckzuck sind wir am Gate und stellen fest, dass wir uns das Taxi hätten schenken können, da noch so unendlich viel Zeit bis zum Abflug bleibt. Ich schließe die Augen und penne erst mal eine Runde.

Lange nach dem Start werde ich wieder wach. Ich muss wohl zwischendurch auch irgendwie irgendwas gemacht haben, aber ich kann mich nicht daran erinnern. An Bord der Condor-Maschine sitzen wir zu zweit in Reihe zwanzig direkt neben der Toilette, was zu netten Beobachtungen führt, die ich hier besser nicht ausführen möchte. Der Flug ist unglaublich ruhig – nur eine einzige ganz kurze Turbolenz lässt meinen Blutdruck hochjagen. Anders als früher, als Kopfhörer in Flugzeugen noch über Luftröhren gespeist wurden, damit die Paxe die Dinger nicht mitnehmen, schenkt uns TUI heute großzügig ein Paar recht brauchbarer Ohrkapseln, mit denen man das sogenannte „Inflight-Entertainment“ genießen soll. Die Dinger zu putzen und den Gästen neu anzudrehen, ist wohl teurer. Akustisch sind  bei unserem Flug die üblichen Hit-Compilations aller Musikrichtungen angesagt sowie ein „Comedy-Kanal“, bei dem unter Anderen Mario Barth und Loriot einen nicht ganz harmonischen Mix darstellen. Spätestens bei Paul Panzer schalte ich ab. Die beiden Filme und das Rahmenprogramm wollen wir auch nicht sehen, obwohl ICE AGE 3 gezeigt wird. Aber in diesen reduzierten, an den Rändern auf das 4:3-Format reduzierten Spezial- Flugfassungen macht das Zuschauen einfach keinen Spaß. Also hole ich das iPhone aus der Tasche und wir spielen eine Portion „GEORIFIC“. Kennt keiner? Das ist so eine Art Geographiequiz. Man muss beispielsweise folgende Frage beantworten: „Wo fanden 2004 die Olympischen Winterspiele statt?“. Klingt sehr einfach, aber man muss zur Beantwortung auf einer Landkarte den richtigen Ort markieren. Und da zeigen sich üble Lücken!!! Außer bei Daggi. Die ist ja einige Jahre als Stewardess um die Welt geflogen und hat – anders als andere Blondinen – durchaus aufgepasst, wo sie sich befindet. Je nach Entfernung zum korrekten Ziel werden Strafpunkte vergeben. Wer zuerst 8000 km daneben liegt, hat verloren. Kurzum: Ein Spiel, bei dem ich nicht gewinnen kann, das ich aber um so lieber spiele, weil ich dabei sehr viel lernen kann.

Ich schweife ab. Nach neun Stunden, 14 Minuten und einer butterweichen Landung kommen wir in „LA ROMANA“ an, einer großen Hafenstadt in der Domenikanischen Republik. Es ist viertel nach zwei Ortszeit und wir sind wieder putzmunter. Genau fünf Stunden haben wir die Uhr zurückgedreht. Nach dem Aussteigen werden wir sofort in klimatisierte Busse geleitet und zu einem Ungetüm von Kreuzfahrschiff gekarrt, das den dämlichen Namen „Mein Schiff“ trägt, falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte. Es ist blau angestrichen und überall mit Worten wie „Sonnenaufgang“ oder „fliegende Fische“ verziert. Wir sind etwas verwirrt, weil im Flieger höchstens 250 Gäste saßen, das Schiff aber über 2000 Passagiere fassen soll. Wie wir später erfahren, sind wir einfach mal wieder zu spät. In der Vorwoche war das Schiff ausgebucht; wir dürfen uns in der kommenden Woche den schwankenden Boden gerade mal mit 1100 Passagieren teilen. Und die verlaufen sich ganz schön!

Unsere Koffer haben wir schon seit dem Sylvesterabend nicht mehr gesehen. Um so erstaunlicher, dass sie tatsächlich nach dem Einchecken in unserer Kabine stehen. Und diese Kabine ist nicht von schlechten Eltern, obwohl wir natürlich das günstigste Modell gewählt haben, nämlich eine Innenkabine. Wir sehen nicht ein, warum wir für die Tatsache, während der Nacht durch ein Bullauge ins Freie schauen zu können, rund 30% mehr zahlen sollten. Mit eigenem Balkon oder gar einer Suite müssten wir schon eine Lebensversicherung flüssig machen.

Unsere kleine, aber feine Kabine hat 16 Quadratmeter, zwei zusammengeschobene Betten, zwei Nachttische, einen Schminktisch mit vielen Schubladen, eine Minibar, einen LCD-Fernseher mit bordeigenem TV-Programm, eine Menge geräumiger Schränke und ein durchaus akzeptables Bad mit Dusche, WC und Waschtisch, die vielen zusätzlichen Ablagemöglichkeiten nicht zu vergessen. Alles in modernen Holztönen gehalten – sehr geschmackvoll. Wir testen mal kurz die Betten und sind sehr zufrieden. Strom gibt es auch in mehreren Dosen; selbst eine Kaffeemaschine steht bereit, für die eine Kapsel des modernen Livestyle-Produkts pro Tag und Person gratis ist. Das Zimmer wird gleich zweimal am Tag aufgeräumt, ohne dass man von arbeitswütigen Putzmäusen aus dem Schlaf gerissen wird. Abends gibt´s Leckerlis aufs Kissen. Außerdem liegt jeden Abend die druckfrische Ausgabe des kommenden Tagesprogramms auf dem Bett. So auch am Ankunftstag.

Am Pool ist´s echt cool.

Wir machen uns frisch, ziehen uns um und beginnen, den Kahn mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“ zu erforschen. Jeder von uns hat ein kleines Mäppchen bei sich, damit er sich nicht verläuft. (Und dieses Mäppchen ist auch heute noch – nach drei Tagen, unersetzlich. Ich habe gerade einen Kartenspielraum entdeckt.)
Wir wandern also durch die Stockwerke und bestaunen die wirklich einmalig geschmackssichere Einrichtung des Dampfers. Da gibt es Bars, die über mehrere Stockwerke hinweg gehen. Es gibt Restaurants an jeder Ecke, Bars bis zum Abwinken und Erholungsnischen noch und noch. Dazu das Pooldeck mit zwei unterschiedlich tiefen Schwimmbecken und drei Whirlpools, Showbühnen ohne Ende und immer wieder überraschende Räume, in die man oft fast nur durch Zufall gerät. Im Spielcasino spielen sie Black Jack und Roulette. Rauchen darf man in diversen Spezialbars sowie im Freien – außer am Pool.

Dann scheppert es plötzlich ganz fürchterlich und der Kapitän hält seine Begrüßungsrede über die bordeigene Lautsprecheranlage, bei der die Firma BOSE ganz sicher nicht den Zuschlag erhalten hat. Zwei bunt gekleidete Sängerinnen grölen die Bordhymne „Oceans of Love“ und die Jungs vom Theater tanzen dazu. Zusätzlich wird Unmengen Sekt verschenkt. Also ein ganz passabler Anfang. So gegen 18.00 Uhr tritt dann an dem einen Ende des Poolbereichs die Band „Sol Tropical“ auf, die sich dadurch auszeichnet, dass die beiden Bandmitglieder sich bei so gut wie keinem Titel über die Akkorde einig sind. Dafür dauert jeder Titel aber  mindestens zehn Minuten. Bevor wir Ohrenkrebs kriegen, gehen wir erst mal was essen. Das zweitgrößte Restaurant auf dem „Mein Schiff“ (merkt Ihr, wie dämlich das klingt?) heißt Anckermannsplatz und bietet etwa 450 Plätze, die sich auf beide Schiffsseiten verteilen. In der Mitte findet man ca. 80 laufende Meter Speisen aller Art. Es gibt wirklich nichts, was es hier nicht gibt. Selbst Pferdefleisch. Das Buffet ist im Reisepreis enthalten, kostet also keinen Cent extra. Bier, Wein und Softdrinks sind ebenfalls umsonst.
Und wie wir im Laufe der Tage erfahren, gilt dies auch für weitere Restaurants an Bord. Im zweistöckigen „ATLANTIC“ (Über 900 Plätze!) gibt es beispielsweise täglich verschiedene Menüs, die man sich an den Tisch bringen lassen kann. Am Pool schuften zwei der 141 Köche (!) rund um die Uhr, um mal schnell was Kurzgebratenes, Hinkel oder Baked Potatoes aufzutischen. Und ein paar Meter weiter werkelt eine Dependace der Fischkette „GOSCH“ aus Sylt, also so eine Art NORDSEE für Besserverdiener. Hier fallen allerdings Extrakosten an, die bei 5-6 Euro pro totem Fisch liegen – also sehr schonend für die Reisekasse. Ach ja, irgendwo bekommt man (natürlich gratis) auch noch alle möglichen Pastas nach Wunsch hergestellt und bei „Tapas Y Mas“ gibts, na? Richtig, Tapas rund um die Uhr. Irgendwo haben sich noch ein aufpreispflichtiges Steakhaus und ein Edelrestaurant versteckt. Und falls man aus irgendwelchen Gründen keins der Futterstellen findet, wird ständig irgendwo ein Zusatzbuffet aufgebaut. Da gibt´s dann mal Kuchen mit Kaffee, Eis mit Früchten, Champagner mit Kaviar oder Austern mit Gemüse. Etwas stillos, aber sehr vernünftig: Alle Getränke werden im Außenbereich aus Plastikgläsern getrunken; Glas gibt´s nur innen.

Wir hauen uns also den Bauch voll und können danach kaum noch „Piep“ sagen. Um 19:30 Uhr beginnt am Pool die Willkommensparty, bei der eine durchaus hervorragende Popband aus Tschechien mit einer dümmlich grinsenden Blondine das fehlende Publikum einzuheizen versucht. Aber wir sind einfach zu schlapp. Außerdem müssen wir unsere Kräfte schonen, denn um 21:30 Uhr beginnt im Theater eine große Show mit den besten Musicalmelodien aller Zeiten. Theater? Ja, Ihr habt richtig gelesen: als wäre das alles noch nicht genug, trumpft „MEIN SCHIFF“ (Hey! Jetzt passt es ja mal!) auch noch mit einem richtigen Theater auf. Mit „richtig“ meine ich nicht so ein Tourneebühnchen wie das Kurtheater in Bad Homburg. Der Laden ist zwei Stockwerke hoch, hat über 900 Sitzplätze mit Abstelltischen für Getränke, eine technisch unglaublich tolle Drehbühne mit zwei unabhängigen Drehelementen, hunderte von fernbedienbaren Scheinwerfern und und und. Also der neueste Theater-Schnickschnack, den man sich so denken kann. Eine 4 mal 9 Meter breite LCD-Leinwand, die sich in der Mitte teilen lässt, ein megaheller Beamer, ein Soundsystem, bei dem BOSE ganz sicher Pate gestanden haben muss und circa fünfzehn Künstler, die ihr Bestes geben, runden das Theatererlebnis ab. Das Einzige, was die Bühne aus Platzgründen nicht bieten kann, ist ein Kulissenboden, weil nach oben einfach der Platz fehlt. Die Jungs und Mädels der Künstlercrew wurden in langwierigen Castings zusammengestellt und haben ihr täglich wechselndes Showprogramm in Berlin einstudiert. Fantastische Kostüme, perfekte Choreografie und vor allem eine Gesangsqualität, die man nur ganz selten geboten bekommt. Ich bin ja nun wirklich kein Freund von Musicals oder gar Operetten, aber was diese Truppe da auf die Bühne bringt, ist schon alleine die Reise wert. Schade, dass nur etwa 300 Leute zuschauen.
Danach fallen uns die Dötzchens zu.

Hier wurde mal RUM hergestellt.
2.1.2010

Der erste Reisetag ist ein sogenannter „Schiffstag“. Das heißt, wir hängen den ganzen Tag und die ganze Nacht auf dem (Mein) Schiff rum, das uns unterdessen von Romana nach Martinique schippert. Dass dies nicht ganz so schlimm ist, kann man sich nach der langen Vorrede sicher ausmalen. Um die Mittagszeit wird ein Sektbuffet aufgebaut, bei dem sich der geneigte Gast an die zweihundert Flaschen vom Feinsten hinter die Binde kippt. Ansonsten knüpfen wir den einen oder anderen Kontakt. Zum Beispiel mit dem alleinreisenden Rentner aus Osnabrück, der schon die dritte Woche hier ist und abends gerne die Damenwelt angräbt. Oder mit einem jungen Pärchen aus der Stuttgarter Gegend, das sich allerdings als ziemlich langweilig entpuppt. Früher hat man Kreuzfahrten immer als Tummelplatz für steinreiche Senioren belächelt – heute ist das Durchschnittsalter deutlich drunter. Die Hälfte der Gäste ist höchstens 35 Jahre alt. Auch bringen viele Kinder Leben in die Bude, ohne dass sie stören. Wir erfahren, dass die Reise im TUI-Katalog fast 5000 Euro kosten sollte, aber die hat wohl niemand bezahlt. Im Gegenteil, wir wundern uns immer wieder, wie es junge Paare heutzutage schaffen, sich diesen Luxus zu gönnen. Der Anteil der Berufsgruppen „Automechaniker“, „Fußballspieler“, „Muggibudenbesitzer“ und „Friseurinnen“ ist dabei überdurchschnittlich hoch – leider. Wirklich interessante Gespräche gelingen daher zunächst nicht – aber wir sind ja erst am zweiten Tag!

Ich führe jetzt nicht mehr aus, was wir wo und wann gegessen und getrunken haben. Der Kapitän, ein Finne, der uns heute irgendwann seine Crew vorgestellt hat, sagte nicht ohne Grund: „Unseren Küchenchef werden Sie lieben, solange Sie an Bord sind. Aber wenn Sie nach Hause kommen und sich auf die Waage stellen, werden Sie ihn hassen!“ Ich befürchte, damit wird er Recht behalten. Daggi ist natürlich strebermäßig sofort ins Sportprogramm eingestiegen und schwimmt jetzt jeden Morgen 40 Bahnen. Im Pool gibts sogar Wellen – das liegt bestimmt daran, dass der mit Meerwasser gefüllt ist. Ich schone meine Kräfte noch für wirklich wichtigere Aufgaben. Nur noch ´ne kleine Käseplatte…


3.1.2010
Martinique. Um sieben Uhr morgens sind wir „gelandet“. Am Vorabend haben wir uns im Theater schon eine Präsentation der Insel angesehen und spontan den teuersten Ausflug gebucht. Eine Tagesrundfahrt für 89 Euro pro Nase. Inklusive kreolischem Mittagessen nebst folkloristischer Musikbegleitung durch Eingeborene. Klingt doch prima – und so sitzen wir pünktlich um 9:30 Uhr im klimatisierten Reisebus. Entgegen der Vorankündigung spricht der Tourguide nicht englisch, sondern deutsch. Und das ist schon er erste Fehler. Eigentlich spricht er französisch mit einigen wenigen deutschen Brocken drin. Bei jedem Satz versagt er irgendwo in der Mitte, weil er nicht weiß, wie man Sätze beendet. Er versucht dann gerne, den Inhalt mit einer anderen gewagten Satzkonstruktion an den Mann zu bringen. Weil er damit sein grundlegendes Problem nicht beseitigt, stammelt er stattdessen irgendwelche Grunzlaute, um zumindest eine Art Satzmelodie zusammen zu bringen. Wir Reisenden starren uns verstohlen an. So langsam sind wir uns einig, dass wir keinen an der Waffel haben, sondern dass unser Tourguide wirklich nur Unsinn verzapft. Schade eigentlich. Oder auch nicht, denn was er uns zeigt, lernt man heutzutage auch schon im Kindergarten (allerdings nur bei Montessory). Wir halten am Straßenrand und schauen uns Bananenstauden an. Wir halten im Halteverbot vor einer Haarnadelkurve und ziehen durch ein privates Ananasfeld, dessen Betreten verboten ist. Dafür sind die Ananas auch alle schon geerntet worden. Wir schauen uns ein Museum an, in dem ein paar Exponate an den letzten Vulkanausbruch 1902 erinnern. Die interessante Geschichte dahinter bekommen wir leider nicht mit, da unser Guide unbedingt den hervorragenen (französischen) Vortrag der Museumsmitarbeiterin übersetzen will. Außerdem bummeln wir noch durch eine Rum-Destille mit Verkostung. Hier legt sich der Guide sogar mit der offiziellen Führerin des Rum-Museums an, da er offenbar eine ganz andere Art der Rumherstellung gelernt hat. Kurzum: Schön ist nur das kreolische Mittagessen mit Musikbegleitung. Alle sind gut drauf, das Essen ist hervorragend, es gibt Wein und Rum und die Wirtsleut schenken uns beim Weggehen noch einen warmen Apfelkuchen. Im Bus und beim Essen lernen wir auch zwei nette Mitreisende kennen: Jürgen und Maria. Pensionierter, aber noch aktiver Mathelehrer und seine deutlich jüngere Freundin aus dem Finanzdienstleistungsbereich. Mit den Beiden werden wir noch unseren Spaß haben…

Ein schöner Tag? Ja, natürlich, aber dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack. Fast 180 Euro für einen stammelnden Tourguide, der der deutschen Sprache völlig ohnmächtig gegenüber steht? Ich habe mich dann im Schiff auch über dieses Manko beschwert. Bis heute leider keine Reaktion. (Und heute, da ich dies schreibe, ist schon der 6.1.2010!) (Und heute, da ich diesen Text mal wieder redigiere, ist schon der 9.1.!) (Dito am 12.1. – ich gebe es auf.)

Abends haben wir Jürgen und Maria nochmal getroffen und in der „Blaue Welt-Bar“ einen Cocktail eingenommen, der für Teilnehmer eines Ausflugs um 50% reduziert war. Doch davon später mehr. Jetzt muss ich erst mal in die Kajüte und ein paar Werbespots für „Medipharma Cosmetics“ sprechen, die drüben in Deutschland dringend gebraucht werden. Gut, dass ich mein Mikrophon und dieses Netbook dabei habe…
Also, bis morgen dann!


7.1.2010

Ein schwarzer Tag für Dagmar. Hat sie doch bei „Georific“ 10:0 verloren. Jawoll, ich habe das erste Mal gewonnen und dann auch noch so hoch…
Auch ein schwarzer Tag für meine Kreditkarte: 460.- Euro an Extras haben wir in den ersten sechs Tagen an Bord verbraten. Mit Internet, Ausflugskosten, diversen kleinen Einkäufen ist das ganz OK. Die Kosten außerhalb des Schiffes kommen aber auch noch hinzu. Das dürften bisher etwa 160.- Euro gewesen sein. Ich schreibe das nicht, damit Ihr Mitleid bekommt, sondern weil ich denke, dass das ganz braucbare Informationen sind, falls Ihr selbst mal so eine Reise plant.
Heute sind wir wiedermal den ganzen Tag auf dem Schiff mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“. Die Reise von Guadeloupe nach La Romana dauert knapp 36 Stunden.  Es ist zwar warm, aber meistens bewölkt. Die Crew gibt sich redlich und erfolgreich Mühe, die Gäste bei Laune zu halten. Alle paar Minuten gibt es irgendwo was zu Trinken oder zu Essen und die üblichen Kapellen dudeln ihre Musik runter. Im „Konferenzraum“ wird heute Abend eine DVD vorgeführt, auf der die bisherige Reise von einem Profiteam festgehalten wurde. 67.- Euro kostet das Unikat und ich überlege mir ernsthaft, das Werk zu kaufen. Aber natürlich erst am Ende der nächsten Woche.

Vier von 15 Showtalenten bei der Arbeit.
So, dann arbeiten wir mal die weiteren bisher getätigten Ausflüge ab.

5.1.2010
St. Maarten heißt die Insel, die uns heute erwartet. Die eine Hälfte gehört den Holländern, die andere Hälfte wird von den Franzosen regiert. Die Grenze verläuft problemlos mitten durch die Insel und alle verstehen sich prächtig, solange sie französisch reden. Direkt am Hafen steht ein riesiges Duty-Free-Einkaufsparadies. Bezahlt wird in US-Dollar, obwohl wir eigentlich in Europa sind. OK, der Euro wird zwar akzeptiert, aber 1:1 abgerechnet, was beim derzeitigen Eurokurs ein feines Geschäft für diese modernen Pirates of the Caribbean ist. Da sich die Elektronikpreise auch nicht wesentlich von denen im Mediamarkt und Co. unterscheiden, schließen wir uns einem Sammeltaxi an und fahren für je 6 US-Dollar pro geröteter Nase an einen Strand, der an der Atlantikseite im französischen Teil gelegen ist. Die rund zwei Kilometer lange Sandküste wird von Abertausenden von Liegestühlen und Sonnenschirmen samt eingeschmierten amerikanischen Touristen verunstaltet, die wohl noch vor uns in St. Maarten mit einem Dampfer der Firma Walt Disney angereist sind. 18 Euro = Dollar (wir haben leider nichts gewechselt) werden uns für die beiden Liegen abgeknöpft, und nun können wir endlich das lange ersehnte Strandleben genießen. Dagmar geht zweimal ins Wasser und ich einmal. Neuer Rekord. In Thailand gehe ich nie ins Meer, weil mir da Korallen ständig meinen schmalen Leib aufschlitzen. Dann schauen wir noch eine Weile zu, wie diese ganzen Supersportler mit ihren gemieteten Jet-Skies durch die Badenden preschen oder sich – von Motorbooten gezogen – durch die Luft wirbeln lassen. Weitere Abwechslung erhalten wir durch die im Minutentakt vorbeiziehenden Händler, die das übliche Gedöns anbieten. Erstaunlicherweise befinden sich da auch zwei recht gut aussehende europäische Frauen um die 40 darunter, die versuchen, handgefertigte Blüten loszuwerden. Ich meine jetzt kein Falschgeld, sondern richtige Blüten, die irgendwie umgebastelt wurden, damit man sie sich ins Haar oder sonstwo hinstecken kann. Was machen die hier? Wir spekulieren, dass die beiden wohl vor ein paar Jahren mal mit ihren Männern hier eine neue Existenz aufbauen wollten. Die Männer sind ganz schnell wieder abgehauen und seitdem versuchen die beiden, durch den Verkauf dieses Schnickschnacks das Geld für den Heimflug zusammenzusparen. Und jedesmal, wenn sie das Geld fast zusammen haben, passiert etwas Unvorhergesehenes. Einmal werden sie von Einbrechern überrascht, die das mühsam Ersparte mitnehmen; ein andermal versaufen sie alles auf einer Riesenparty; dann werden sie mit einem Joint erwischt und müssen das Ersparte als Strafe an die Behörden abgeben. Keine Ahnung, ob´s stimmt, aber es könnte doch sein, oder?

Dagmar nascht Süßes. Sie darf das.
Leider zieht sich die Zeit langsam wie Kaugummi und wir beschließen, doch wieder auf´s „Mein Schiff“ zu fahren. Da gibt es immerhin kostenloses Essen. Das Taxi zurück kostet jetzt schon 7 Dollar pro noch geröteteter Nase, aber wir kommen noch rechtzeitig ans Buffet. Den Nachmittag verbringe ich mit Lesen, Internetblogschreiben und ein paar kleinen Sprachaufnahmen, damit ich es nicht verlerne.

Abends schauen wir uns zunächst die Präsentation über „Guadeloupe“ an. Die wie üblich überteuerten Ausflüge lassen wir links liegen, merken uns aber die besten Stellen und beschließen, die morgen auf eigene Faust zu erkunden.

Um halb zehn gibt es wieder einen tollen Showauftritt der Berliner Unterhaltungscrew. Habe leider vergessen, worum es ging, weil sich die Auftritte – so spektakulär sie auch sein mögen – doch in ihrer Art sehr ähneln. Daggi schläft inzwischen regelmäßig dabei ein. Das liegt aber nicht an den Showdarbietungen, sondern am Erschöpfungszustand meiner Süßen nach so einem anstrengen Tag. Ich stecke das ja locker weg…

Der Dampfer von seiner schönsten Seite.
Nach dem Theaterbesuch setzen wir uns noch zum einem Absacker in die Heckbar „Tapas Y Mas“ und treffen dort auch wieder Jürgen und Maria, mit denen wir unsere Leben im Schnelldurchlauf abgleichen und einige Gemeinsakeiten entdecken.

Daggi hat wohl doch ein bisschen zu viel Sonne abbekommen und verträgt den Wein nicht mehr so richtig. Ich bringe sie in die Koje, putze mir die Zähne und lege mich dazu. Sie schläft schon tief und fest.

Schönes Flugzeug. Schön schnell.
6.1.2010

Ich hätte mich besser nicht dazugelegt. Am nächsten Morgen stehe ich im Bad vorm Spiegel und merke plötzlich, wie mir etwas den Rücken runterkrabbelt und dann zu Boden fällt. Panik pur! Das „Etwas“ entpuppt sich als eine in Stanniolpapier eingewickelte Nougatpraline, die zwecks Erbauung der Passagiere vor dem Schlafengehen auf den Betten verteilt werden. Habe ich Dunkeln natürlich nicht gesehen und daher die ganze Nacht darauf gelegen. Ein Blick auf das Bettlaken zeigt mir, wie unruhig mein Schlaf gewesen sein muss. Der arme Zimmerbub muss einen gehörigen Schreck bekommen haben, sah das Betttuch doch aus wie nach einer blutigen Messerstecherei.

Nach dem Frühstück dann die nächste Landtour. Inzwischen sind wir ja in Guadeloupe angekommen.Wie wir alle wissen, gehört auch diese Insel den Franzosen, auch wenn die Briten sie zwischenzeitlich mehrmals erobert hatten. Die Währung ist hier tatsächlich mal der Euro, was uns wenig bringt, da wir die Taschen inzwischen voller Dollars haben – der EC-Karte sei Dank.
Wir beschließen, zunächst per Fuß die Hafenstadt „Point-á-Pitre“ zu erobern. Freundlicherweise hat man den sinnvollsten Spazierweg auf den Bürgersteigen markiert und so sehen wir eine Menge netter Häuser und Monumente, deren Sinn und zweck jeder selbst im ADAC-Führer nachlesen möge.

Leider ist es brüllend heiß bei annähernd 100% Luftfeuchtigkeit und wir haben sehr bald keine Lust mehr, uns durch alte Immobilien und neue Billigramschläden durchzukämpfen. Schnell finden wir einen Taxifahrer, der uns für 80 Euro drei Stunden lang durch die Gegend fahren möchte. Kaum im Taxi, vergisst er leider seine englischen Sprachkenntnisse und spricht fortan nur noch Französisch, was zumindest für Daggi kein Problem darstellt. Sie hat einen interessanten Mangrovenwald herausgefunden, in dem man mit einem Motorboot Faun und Flora besonders nahe kommt. Leider kennt der Fahrer dieses Reservat nicht, fährt uns aber innerhalb einer halben Stunde circa 200 Meter weiter zum Tourismusbüro, wo man tatsächlich weiß, worum es uns geht. Eine Telefonnummer für die Buchung des Bootes haben wir auch erhalten. Weitere 30 Minuten, also 200 Meter später, sind wir dem Innenstadtgewühl entfleucht und fahren erstmal zu einer Tankstelle, weil das Taxi wohl nicht aufgetankt ist. Erstaunlicherweise tankt der Fahrer gerade mal fünf Liter. Das sollte uns zu denken geben, tut es aber nicht. Bevor wir weiterfahren, ruft er die angegebene Nummer an. Die Bestellung eines Bootes ist angeblich nicht möglich, weil alle Bootchen bereits in Betrieb sind. Also gut, Plan B. Der Fahrer fährt einfach seine Standard-Strecke. Die Fahrt führt durch eine sehr schön bewachsene Insel mit recht hübschen Häusern und Anwesen. Einmal dürfen wir aussteigen und einen Panoramablick genießen, bei dem man natürlich auch wieder „Mein Schiff“ sieht.

Das war in…? Mist, vergessen.
Der nächste Stopp ist am Eingang eines Naturparks, wo wir nach zweiminütiger Wanderung einem kleinen Wasserfall gegenüberstehen, in dem man baden darf. Aber nicht alles, was man darf, muss man wollen – deswegen latschen wir wieder zurück. Unser Fahrer flirtet inzwischen mit einer Andenkenverkäuferin, die auch selbstgepressten Saft verscherbelt. Daggi trinkt einen Guavesaft, von dessen Existenz ich erst hier und jetzt erfahre. Aber ich kann ja nicht alles wissen. Als letztes Ziel bietet uns der Fahrer wahlweise einen botanischen Garten oder eine Rumdestillerie an. Demokratisch entscheide ich mich für den Rum und freue mich schon auf die übliche Gratisverkostung des Nationalgetränks. Auf dem Weg dorthin muss unser Fahrer schon wieder tanken, was nun doch etwas suspekt ist, zumal er für die Bezahlung von weiteren 5 Litern sein letztes Kleingeld zusammengekratzt hat. Na ja, was geht´s uns an. Irgendwann erreichen wir die Rum-Destillerie. Leider ist kein Mensch zu Hause, jedenfalls sehen wir niemanden. Ein kleines Restaurant direkt am Eingang, das von zwei sehr befreundeten Jungs geführt wird, lädt uns zu einem alternativen Glas Wein ein, während wir auf die Rum-ler warten. Die sind nämlich gerade auf einer Betriebsversammlung. Ja, in europäischen Verwaltungen muss alles korrekt sein. Nun endlich geht es weiter. Die Tür zur Destillerie wird geöffnet, bunt gekleidete Schönheiten drücken uns Rumgläschen in die Hand, die wir jetzt aber noch ablehnen. Wir wollen erst eine Tour mit einer kleinen Bimmelbahn machen, die uns die Rumproduktion verdeutlichen soll. Kostet 18.- Euro für uns beide. Start in 15 Minuten. Nun wird unser Fahrer plötzlich garstig. Sooo lange könne er nicht auf uns warten, da müssten wir was drauflegen. Ich biete ihm gerne und ohne irgendwelche Tarifverhandlungen 100 statt 80 Euro an und freue mich in Gedanken schon auf das dankbare Gesicht des guadeloupischen Einwohners. Das allerdings unterbleibt. Stattdessen hätte er nun gerne 120.- Euro. Wenige Sekunden lang bin ich sprachlos – und das kommt wirklich selten vor. Ähnlich wie sich unsere Regierung nicht von Terroristen erpressen lässt, lasse ich mich nicht von Taxifahrern erpressen. Ich gebe die beiden Tickets für die Bimmelbahn zurück und befehle – durchaus autoritär – die sofortige Rückreise zum Schiff. 50% Aufpreis für eine knappe Stunde Wartezeit, in der sein Auto noch nicht einmal bewegt würde, sind unverschämt. Wenn man die Tankpausen und seine fehlenden Geografiekenntnisse der eigenen Insel hinzuzählt, haben wir gerade mal eineinhalb Stunden seiner Zeit in Anspruch genommen. Er schimpft noch irgendwas auf Französisch, bevor er uns dann wortlos, aber mit deutlich aggressivem Fahrstil innerhalb von nur zwanzig Minuten zum Schiff zurückbringt. Das Wechselgeld rückt er nur widerwillig heraus, weil die ganz in der Nähe stehende Hafenpolizei ein Einbehalten des Geldes nicht sehr ratsam erscheinen liesse…

Das Abendessen ist heute richtig fein. Wir sitzen zusammen mit Maria und Jürgen im Restaurant „Atlantik“ (wie schon erwähnt hat das ca. 900 Sitzplätze, die über zwei Stockwerke verteilt sind) und genießen ein sechsgängiges Menu vom Feinsten, allerfeinsten Tischwein inklusive. Die Zeit vergeht wie im Fluge und ruckzuck ist es Zeit für die Abendunterhaltung.

So voll wie hier war es nur bei Poolpartys.
Im Theater läuft um halb zehn mal wieder eine Art Musical („Baby´s Best“), geschrieben von einem ehemaligen KLIMBIM-Autor. Die Qualität ist heute erstmals deutlich unter den bisher gebotenen Leistungen; ein Beatles-Medley am Ende klingt sogar richtig peinlich. Also wecke ich Daggi und wir nehmen noch ein paar Getränke in unserer „Stammbar“ ein. Bett um halb eins. So langsam habe ich den Jetlag überwunden.
In die Rettungsboote passen 2700 Personen.

9.1.2010
Heute ist mal wieder ein Seetag. Wir gondeln von La Romana in der Dominikanischen Republik nach Grenada. Und das ist nun mal ein Stück weit weg.

Ein Tag, an dem man schön faulenzen kann, wenn man das könnte. Ich habe heute morgen einen kleinen Auftrag für einen Lernkurs über das Europäische Wettbewerbsrecht gesprochen und in die USA geschickt, wo es – mit hübschen Powerpoint-Folien versehen – für unsere Heimat konfektioniert wird. Außerdem habe ich endlich mal ein Dutzend Bilder ausgesucht, in ein internetfreundliches Format umgewandelt und für den Einbau in diesen Blog gespeichert. Kann also nicht mehr lange dauern, bis man auch SEHEN kann, wo wir uns befinden. Die Eingabe der Inselnamen in „Google Earth“ ist übrigens auch eine gute Hilfe.
Da ansonsten außer der üblichen Völlerei nichts passiert, erzähle ich besser mal von GESTERN:

8.1.2010

Heute ist ja die erste Woche zu Ende. Einschifftag = Ausschifftag. Rund 600 Gäste verlassen mein Schiff (wie schnell sich das doch in die Umgangssprache einschmeichelt!) und machen Platz für mindestens 900 Neue. Ja, es wird langsam eng an Bord. Gleichzeitig ist das Durchschnittsalter dramatisch gestiegen. Die Generation der Rentenempfänger hat das Kommando übernommen. Gut, dass wenigstens das Personal sowie Daggi und ich den Durchschnitt noch dramatisch drücken. Na gut, Spaß muss sein.

Das sind übrigens Maria und Jürgen
Wir haben inzwischen in LA ROMANA angelegt, wo die Reise begonnen hat. Die zweite Hälfte führt uns zu den noch fehlenden Inseln Grenada, St. Lucia, Barbados und Antigua. Für heute haben wir beschlossen, zumsammen mit Maria und Jürgen eine Stadtbesichtigung der Hauptstadt der Dominikanischen Republik, SANTO DOMINGO, zu unternehmen. Die Stadt liegt nun nicht gerade um die Ecke, sondern muss erst mal nach einer knapp zweistündigen Taxifahrt erreicht werden. „Toni King“ heißt unser Fahrer, was ihn als direkten Nachfahren einer Sklavengeneration auszeichnet. Die Straßen sind recht gut in Schuss, nur die eine oder andere Bodenwelle versetzt mein geplagtes Kreuz in üble Schmerzzustände. Wenn ich ein Pferd wäre, hätte man mich jetzt erschossen, um mir weitere Qualen zu ersparen. Egal. In der Stadt werden wir zunächst in ein BERNSTEIN-Museum geführt. Auch hier werden wir semi-professionell betreut. Der Guide spricht zunächst Englisch und schaltet dann, als er unsere Nationalität erkennt, auf Deutsch um. Leider spricht er beide Sprachen nur rudimentär, sodass wir besser die englischen Beschreibungen unter den Exponaten lesen. Bernstein gibt es also nicht nur an der Ostsee, sondern auch hier. Das Zeugs muss unheimlich wertvoll sein, denn für einen Ring ruft man im Verkaufsraum, wo die Tour verständlicherweise endet, stolze 450 US-Dollar auf. Das übersteigt unsere Möglichkeiten und wir fahren deshalb mit Toni King weiter in die „koloniale Altstadt“. Weil gerade Mittagszeit ist, fährt er uns in ein sehr angesagtes Restaurant, in dem wir uns am Buffet mal wieder die Kiste vollschlagen. Danach lernen wir unseren dritten Guide des Tages kennen. Er will uns im Schnelldurchlauf die Geschichte der Stadt näherbringen und uns trotzdem noch genug Zeit lassen, ein paar Einkäufe zu tätigen. Das mit der Geschichte schaffen wir in etwa 30 Minuten. Ein gutes Dutzend alter Kästen samt ihrer spannenden Historie graben sich in unsere Hirnwindungen ein. Näheres siehe ADAC-Reiseführer. Wir sehen sogar das Haus des Megatyrannen Trujillo, der erst 1967 ermordet wurde. Hier hat er den einen oder anderen Regimefeind vom Leben persönlich zum Tode befördert. Das Haus steht übrigens seit über 10 Jahren zum Verkauf (100.000 Dollar, recht gut in Schuss), aber keiner will es haben. Ich würde ein Gruselmuseum daraus machen, aber mir fehlen die 100.000 Dollar.
Der „Wasserfall“ am Ende eines dreiminütigen Wanderwegs. Man soll ja auch nichts übertreiben bei der Hitze…

Dann geht es in den landestypischen Supermarkt – ein vier Meter breites und zwei Meter fünfig hohes Reihenhaus, das bis in die kleinste Ecke mit Tinneff gefüllt ist. Natürlich auch mit Bernstein-Schmuck, der hier erstaunlicherweise weniger als ein Zehntel des Museumspreises kostet. Ob er echt ist, wissen wir nicht, aber die Finger unserer Liebsten zieren jetzt sogenannte Wende-Ringe. Man kann sie drehen und wenden, wie man will, sie zeigen mal einen Bernstein, mal einen anderen, blauen Stein namens „LARIMAR“, der hier auch massenhaft gefördert wird. Zum Schluss gibt es noch eine Kathedrale zu sehen, in der die wichtigsten Personen der „neuen“ DOM REP aufgebahrt sind. Unser genialer Führer, der übrigens ein wunderbares Englisch spricht, zeigt uns alle wichtigen Motive und macht auch selbst ein paar Bilder mit und für uns.
Schließlich landen wir noch in einer Depardence einer berühmten amerikanischen Kette, die keine Hamburger herstellt. Wo wir da waren und was wir da gekauft haben, bleibt aber bis zur Rückkehr ein Geheimnis. Ätsch.

Nach weiteren zwei Stunden im Taxi sind wir wieder auf dem Schiff. Die meisten Gäste sind inzwischen an Bord und fallen durch zwei Dinge auf: Zu dick angezogen und käsebleich. Außerdem sind sie eben viel älter.

Die rüstigen Reiseprofis sind aber in Vielem fitter als wir. Kaum, dass die Band zur Willkommensparty aufspielt, ist die Tanzfläche schon voll. Von „Gammelfleisch“ kann man da wohl kaum reden.
Deswegen fliehen wir auch gleich wieder ins Restaurant „Atlantic“, um uns aus den rund 14 angebotenen Delikatessen ein leckeres Menu zusammenzustellen.

Anschließend – in der dreistöckigen „Blaue Welt Bar“ – traue ich mich sogar mal paar Minuten an den Flügel, weil der diensthabende Pianist durch Abwesenheit glänzt. Hat Spaß gemacht, obwohl mir langsam wirklich die Übung fehlt. Wir vier trinken einen Cocktail und Daggi raucht mal wieder sehnsuchtsvoll eine Kippe.

Weiter geht´s in die „Aussicht Bar“. Ja, wenn man die Namen auf diesem Schiff so hört, muss man Humor haben. Es gibt nämlich auch noch eine „Überschau Bar“, eine „Abtanz Bar“, eine „Unverzicht Bar“, eine „Netz Bar“, eine „Nasch Bar“ und eine „Versteck Bar“. Ich kann mir gut vorstellen, wie die Verantwortlichen  für die Namensgebung sich in einem dreitägigen Brainstorming die wunderlichsten Dinge aus dem Schädel gesaugt haben, ohne zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. Erst, als der Chef „Haschisch für Alle“ freigibt, sprudeln die Einfälle wie verrückt. Leider ist der Chef selbst wohl auch völlig zugedröhnt, als er den Unsinn abzeichnet.
Egal, man gewöhnt sich an Alles.

Rot = braun
Nach einem Drink in besagter „Aussicht Bar“ im Heck des sechsten Stocks gehen wir direkt in das unmittelbar anschließende „Casino“, das hier natürlich „Spielplatz“ heißt. Wir müssen Bares in Chips wechseln, um mitspielen zu können. Daggi und ich wechseln 50 Euro in 2-Euro-Chips und begeben uns zum Roulettetisch. Irgendwie müssen wir beiden (Quasi)-Homburger die Gene der „Mutter von Monte Carlo“ im Blut haben, denn nach einer halben Stunde verlassen wir den Laden mit immerhin 27 Euro im Haben. Jürgen hat auch sehr viel gewonnen. Leider hat Maria das immer wieder gleich verzockt.

Noch ein letztes Glas im Freien im „Tapa Y Mas“ und das Bett schreit nach uns…

10.01.10
Highlight des Tages ist eine Tour durch Grenada. Auch diesmal haben wir uns dazu entschlossen, das überteuerte Angebot von TUI (89.- Euro pro Person) zu ignorieren und stattdessen auf eigene Faust die Insel zu erobern. Haben die Engländer, Russen, Amerikaner etc. ja auch nicht anders gemacht. Um an Land zu kommen, müssen wir diesmal aber „tendern“, wie der Fachmann sagt. Unser Schaluppe ist nämlich zu groß, um ganz vorne im Hafen anlegen zu können. Achteinhalb Meter Tiefgang hat der Kahn, einen halben Meter zu viel für den letzten noch freien Ankerplatz im Hafen. Die anderen Kolosse waren nämlich schneller – drei weitere Kreuzfahrtschiffe spucken bereits in großem Bogen Passagiere aus ihren Bäuchen. Die Übersetzung an Land, also das besagte „Tendern“ wird mit ein paar der vielen Rettungsboote, die unser Schiff hat, bewerkstelligt. So lernen wir unsere Lebensretter in einem etwaigen Notfall auch mal von innen kennen. Sehr ordentliche Boote, die sogar Ruder an Bord haben, falls der Motor schlapp macht. Die Überfahrt dauert zwanzig Minuten und bringt uns in den Hafen von Grenada, Georgetown. Schnell finden sich 15 Leute zusammen, die für 20.- US-Dollar pro Person von unserem eingeborenen Tourguide GLENN die spannenden News der Insel aufsaugen. Das größte Drama von Grenada war ein verheerender Hurrikane im Jahr 2004, der 90% aller Häuser der Insel dem Erdbeben gleich machte. Auf unserer Tour haben wir einige Ruinen gesehen, bei denen nur noch das Bad und die Toilette übrig geblieben waren, weil dies die beiden einzigen Räume aus Beton waren. Alles, was aus Holz war, ist weg geflogen. Erstaunlicherweise wurde die Insel – mit viel Geld der internationalen Staatengemeinschaft – wieder fast vollständig aufgebaut. Unser Fahrer erinnerte auch an den Krieg, bei dem die USA (war es 1984?) das Land von den Russen befreit hat. 2000 Jungs sind da an einem Tag gestorben. Ein paar hundert Jahre vorher, als die Engländer mit Kanonen auf Macheten zielten, waren das noch ein paar mehr. Um der Sklaverei zu entgehen, stürzten sich die Überlebenden wie die Lemminge von einem hohen Felsen in die Tiefe. Inzwischen ist Grenada unabhängig und selbstständig, was man sofort an der befreienden, lockeren Lebensweise der Bewohner merkt. Hier fließt fast ausschließlich karibisches Blut in den Adern – und das hat es in sich. Die Wirtschaft brummt, vor allem durch den Verkauf von Gewürzen und Rum. Und so ist die Vorstellung der inseltypischen Gewürze auch Teil des Ausflugsprogramms. Wir kaufen dann gleich mal einen Jahresvorrat ein. Weiter geht es zu einem Wasserfall, an dem sich mutige junge Männer – gegen Dollars – vom Felsen ins Wasser stürzen. Wir sehen Männer mit Äffchen auf der Schulter, Gürteltieren im Arm oder Riesengeckos am Armband. Frauen tanzen und singen, obwohl sie einen Riesenhut voller Bananen und anderen Früchten auf dem Schädel balancieren. Die Gewürzhändler verfolgen uns an jeder Station, an der wir halt machen. Alle wollen unser Bestes – den Dollar. Und weil alle gut drauf sind, verdienen die eigentlich bemitleidenswerten Folkloredarsteller reichlich viel davon. Was langfristig dazu führt, dass irgendwann gar niemand mehr arbeitet. Die Geschäfte sind jedenfalls alle zu, was aber wohl eher mit dem heutigen Wochentag, dem Sonntag zusammenhängt.

Im Naturkunde-Freilichtmuseum
Wir fahren weiter, ganz hoch zu einem Waldsee, wo wir schon von weiteren One-Dollar-Darstellern erwartet werden. Aber auch die machen ihre Sache so nett, dass wir bereitwillig unseren Obulus entrichten.

Und so geht das munter weiter. Als letzte Station vor der Rückfahrt werden wir noch für ein paar Minuten an einen wunderschönen Strand entlassen. Jürgen hat seine Badehose mitgenommen und nutzt die wenigen Minuten für einen Quickie im Meer. Also ohne Maria, aber mit Wasser. Danach geht´s zurück in den Hafen, wo vor unseren Augen gerade ein Tenderboot ablegt. Das nächste ist aber schon da. Weil wir denken, das dauert jetzt ´ne Ewigkeit, bis da genügend Leute für die Rückfahrt eintrudeln, bummeln wir noch ein bisschen durch die Touri-Läden im Hafen. Schwupps fährt auch dieses Boot vor unseren Augen halbleer weg. Das Dritte haben wir dann gekriegt und es gelingen spektakulär schöne Aufnahmen von unserem Schiff:

Das ist eigentlich eine Filmaufnahme aus dem Beiboot. Kann man aber hier nicht sehen.
Der Nachmittag verläuft wie gewohnt. Rumsitzen, rumlesen, rumquatschen, Rum trinken. Gegen halb vier gibt es ein wunderbares Eisbüffet mit allerfeinstem Speiseeis, natürlich aus Europa importiert.

Und so leise regt sich unser Öko-Gewissen. Kann es in Ordnung sein, dass ein paartausend Wohlbetuchte abertausend Kilometer durch die Welt fliegen, um mit einem Megadampfer, der nicht gerade als Spritsparer verschrien ist, sinnlos in der Karibik hin- und herzufahren sowie Jeeptouren durch uns unbekannte Eiländer zu unternehmen, die dazu führen, dass die Bewohner der Inseln sich lieber zum Kasper machen als einer anständigen Arbeit nachzugehen? Ist es nicht geradezu perfid, dass das an Bord gereichte Sprudelwasser aus Gerolstein in Deutschland kommt und nicht aus den sicher nicht schlechteren Brunnen der besuchten Inseln? Ist es wirklich nötig, dermaßen viel CO2 in die Luft zu blasen, nur damit wir unseren Bauch auch im Winter, wenn es schneit, in der Sonne brutzeln lassen können? Hat die Evolution wirklich vorgesehen, dass wir mit Höchsteinsätzen Schiffe bauen, die nur dem Zweck dienen, uns das Leben so bequem wie möglich zu machen? Müssen wir wirklich jeden Ort der Welt persönlich gesehen haben? Eine Folge „Wunderbare Welt“ im ZDF bringt doch da sehr viel mehr (- vor allem, wenn ich sie gesprochen habe -) und kostet am Ende sehr viel weniger (vor allem, wenn ich sie gesprochen habe, leider).

Die Antwort ist natürlich: „JA!“

Im Moment sind es minus 15 Grad in Deutschland und Europa versinkt im Schnee. Anscheinend klappt das mit der Klimakatastrophe im Moment nicht so dolle wie versprochen, denn es sollten ja eigentlich Plusgrade herrschen, bedingt durch die schonungslose Luftverpestung durch CO2-Gase. Und warum wird es nicht wärmer? Weil immer noch viel zu wenig Leute in die Karibik fliegen und sinnlos Umweltgase erzeugen. Das funktioniert erst bei einer bedeutend höheren Fallzahl. Wäre das Schiff ausgebucht, wären sicher schon -10 Grad…

*** Ende des Satirebeitrags***

Übrigens, mal so am Rand: Die Umweltabgabe, die wir in Deutschland brav an den Staat abführen, wird nur zu 5 % für die Weiterentwicklung alternativer Energien verwendet – 90% dienen dazu, die Rentenbeiträge künstlich tiefer zu halten, um damit den „Produktionsstandort Deutschland“ für Unternehmer attraktiver zu machen.

Diese Kolosse sehen wir hier jeden Tag.

Um halb sieben treffen wir uns wieder mit Maria und Jürgen zum Abendessen. Vorher kaufe ich mir in einer der ca. 20 Boutiquen an Bord noch eine Hose, die aber leider nicht passt, wie sich später herausstellt. Ich beginne bereits, den Chefkoch zu hassen, bestelle aber erst mal die Karte hoch und runter. Meine Süße nimmt immer noch nicht zu, obwohl sie genauso viel isst wie ich. Das ist ziemlich ungerecht.
Nach dem Essen spielen wir BINGO. Maria gewinnt das erste Spiel, einen Trostpreis und Daggi fehlt beim Hauptspiel (Full House) nur noch eine Zahl. Ich bin chancenlos. Die zehn Euro Einsatz müssen wir leider abschreiben. Das Nachtprogramm beginnt sich zu wiederholen – heute ist wieder die Travestieshow dran, die allerdings auch ganz hervorragend ist. Ich erfahre, dass das Showteam Anfang nächster Woche ausgewechselt wird. Hoffentlich sind die Neuen genauso gut. An Bord sind sie bereits und schauen sich jeden Tag die Arbeit ihrer Kollegen an.

Neu ist auch die Band im „Tapaz Y Mas“. Das Jazztrio „Voodoolulu“ besteht aus einem Gitaristen, der aus Mozambique kommt, einem Bassisten aus New York mit einem richtigen Standbass und dem Drummer und Sänger aus Berlin. Und genau dort haben sich die drei auch getroffen und ihre sehr schöne Jazz/Raggae-Musik kultiviert. Wir bleiben bis Mitternacht.

Kokosnussbaum, auch als Korkenzieher zu verwenden
11.01.10

Spätes Frühstück. Daggi hat heute morgen „nur“ zwanzig Runden geschafft. Ich habe dafür eine Runde länger geschlafen. Es muss sich halt alles ausgleichen.
Inzwischen sind wir in BARBADOS angekommen. Maria und Jürgen wollen an den Strand, wir ziehen eine weitere Inselbesichtigung vor. Diesmal wird es nicht so einfach, Mitreisende zu finden, da die Meisten schon an Land sind. Schließlich müssen wir zu viert mit einem alten, klapprigen Toyota-Taxi mit durchgesessenen Sitzen vorlieb nehmen. PETER, unser Fahrer und Guide, erklärt uns die Insel in dem typischen Pidgin-Englisch, das sich hier breitgemacht hat. Zunächst fahren wir in die noblen Vorstraßen der Hafenstadt, wo ein kleines Grundstück am Meer schon eine Million Dollar kostet. Wir fahren über Golfplätze, die das Ausmaß eines kleinen Bundeslandes haben und sehen Villen, in denen unter anderem Paul McCartney, Cliff Richard und Celine Dion ihr klägliches Dasein fristen müssen. Irgendwelche, mir unbekannte englische Sportler haben ganze Villendörfer hochgezogen, um betuchte Promis an Land zu ziehen. Kurzum, eine Gegend, in der ich auf keinen Fall wohnen will. Wir stoppen an der ältesten Kirche der Insel aus dem Jahre 16hundertweißnichtmehr, in der schon die Kennedys, die Reagens, Kofi Annan und auch Cliff Richard gesessen haben. Ich teste mal spaßeshalber den Sitz, auf dem Reagan saß, es ist aber bisher kein böser Virus auf mich übergesprungen. Einen weiteren Stopp machen wir auf dem höchsten Punkt der Insel, so ca. 300 Meter über Null. Ja, das ist ein schöner Ausblick. Braucht man aber nicht unbedingt. Während auf der einen Seite der Hafenstadt, die Seite mit den Luxuswohnungen, keinerlei Nachtleben erlaubt ist, übertrifft man sich dafür auf der anderen Seite. Die Kneipen, Restaurants, Nachtbars und Discotheken schließen erst morgens um sechs. Da sind wir doch längst wieder an Bord!
Eigentlich wollen wir nach der drei-Stunden-Tour noch einmal durch die Hafenstadt Bridgetown bummeln, aber ein plötzlich einbrechender Platzregen macht uns einen Strich durch die Rechnung. Ich wechsele noch schnell ein paar „Barbados-Dollar“ ein, um den Fahrer zahlen zu können, und wir beenden den Rundgang mit einem weiteren lokalen Bier, das meine Süße mit Kennerblick bestellt. Ich höre meinen Anrufbeantworter ab, führe ein paar Gespräche und lese verwundert, dass meine Auslandstelefonate bereits mehr als 120.- Euro gekostet haben. Gut, dass es das Internet gibt, sonst wäre ich verloren…

Hier wohnt Cliff Richard.
Abends das übliche Programm: Essen, Trinken, Theater, Trinken, Heia.

12.01.10
Heute legen wir in St. Lucia an. Zusammen mit Maria und Jürgen wollen wir mal wieder auf eigene Faust das Landesinnere erkunden. Nach langen, zähen Verhandlungen steigen wir bei „POPO“ in den Bus. Der heißt wirklich so und ist – wie alle Touristenführer auf diesen Inseln – sehr freundlich zu uns. Der 16-Sitzer bleibt ansonsten leer, da er keine weiteren Fahrgäste findet. Die Fahrt ist sehr angenehm, da Popo auch ein sehr gepflegtes Englisch spricht und uns viel über die Insel erzählen kann. St. Lucia (sprich „Saint Luuschia) ist seit 1979 selbstständig, gehört aber noch dem britischen Commonwealth an. Entsprechend streng sind hier die Gesetze. So darf man erst mit 35 Jahren Taxifahrer werden. Regelmäßige Prüfungen und eine doppelte KFZ-Versicherung sollen sicherstellen, dass es den Gästen an nichts mangelt. Popo klappert zunächst die üblichen Aussichtsplattformen ab und fährt uns dann direkt in einen Regenwald, in dem wir eine Art Freilicht-Naturkundemuseum besuchen. Alle Mitarbeiter, sogar Popo und der Tourverkäufer im Hafen, sind mit der Besitzerin des Museums irgendwie verwandt. In 45 Minuten lernen wir alle Pflanzen kennen, die hier auf der Insel wachsen. Wir kosten eine Unmenge an Früchten und dürfen sogar das Brot probieren, dass uns die Chefin extra gebacken hat. Wir erfahren, wie die Ureinwohner früher in ihren Hütten gewohnt haben und erhalten am Ende der zu Fuß durchlaufenen Tour auch noch was zu trinken. Es war einfach beeindruckend und die 25 Dollar Gesamtkosten pro Nase allemal wert. Der nächste Stop führt uns in ein runtergekommenes Strandrestaurant mit der Möglichkeit, hier baden zu gehen. Dazu hat aber niemand der Teilnehmer Lust. Maria möchte gerne wieder an Bord, während Daggi und ich noch zu Fuß die Hafenstadt durchkämmen. Wir kämpfen uns durch Dutzende von Souvenirläden, ohne irgendwas zu finden, das uns oder unsere Freunde erfreuen würde. Die Stadt selbst ist auch ganz winzig – trotz immerhin 17.000 Einwohnern. Parlament, Gerichtsgebäude, ein kleiner Park, ein Kaufhaus, das war´s mehr oder weniger. Netbooks kosten hier stolze 899 US-Dollar, also mehr als das Doppelte wie zuhause. Als wir merken, dass wir immer wieder an denselben Stellen aus der relativ jungen Stadt ( Anfang der 1920iger-Jahre wiederaufgebaut) herauskommen, laufen wir den langen Weg zum Schiff in praller Sonne mit einigen Wolken-Unterbrechnungen. Diese Lauferei gehört nicht zu meinen Lieblingsbewegungen. Durch Hitze, Reibung und weitere Einflüsse, auf die ich keinen Einfluss habe, wird´s ein bisschen feucht in der Hose, wenn Ihr wisst, was ich meine. Charlotte Roche hat in ihrem Buch „Feuchtgebiete“ wohl schon genug darüber geschrieben, sodass ich das jetzt nicht weiter ausführen muss. Eine Dusche später ist das aber schon wieder Vergangenheit.
Spätes Mittagessen am Pool. (Hatte ich erwähnt, dass es auf dem Schiff 24 Stunden was zu Essen gibt?). Danach rumgefaulenzt und viel gelesen. Ja, ich habe endlich mal Zeit, ein Buch zu lesen. Das zweite sogar schon. („Die verblödete Republik – wie uns Medien und Politiker für dumm verkaufen“). Deswegen auch so lange schon keine Fortsetzung des Blogs. Diese Zeilen schreibe ich am 14.1.2010.
Abends das übliche Programm – allerdings ohne Theater. Die Damen und Herren haben ihren freien Abend. Stattdessen Poolparty mit den „Shipping Wizzards“ aus Tschechien. Wir verziehen uns ins „Tapa Y Mas“ und hören 30-minütigen Improvisationen von „Sunny“ zu. Gegen Mitternacht ab in die Koje.


13.10.2010
Mit Entsetzen hören wir von dem Erdbeben in Haiti, das eine Menge Menschenleben gekostet haben soll. Wir sind rund 900 km vom Zentrum des Bebens entfernt. Eine Tsunami-Warnung verunsichert uns dennoch. Aber der Kapitän beruhigt die Gäste über die Hausanlage. Das Schiff ist Tsunami-sicher. Es kann uns nicht das Geringste passieren. Wir bleiben den ganzen Morgen an Bord, weil wir für die letzte Insel unserer Rundreise, ANTIGUA, eine Katamarantour mit Schnorcheln gebucht haben. Um 13.15 Uhr, nach einem leichten Mittagessen, klettern 45 Teilnehmer auf das weiße Segelschiff, das aber heute mit Motorkraft fährt. Gleich nach dem Ablegen werden die Schwimmflossen zugeteilt, passend zur jeweiligen Schuhgröße. Bis auf Maria und mich sowie drei Crewmitglieder machen auch alle mit. Ich habe ja, wie schon berichtet, einen Heidenrespekt vor irgendwelchen Korallenriffen. Und tatsächlich haben sich auch einige der Touristen irgendwo verletzt und bluten ein bisschen. Daggi ist die Erste im Wasser und genießt das Tauchen ungemein, auch wenn nicht sonderlich viel zu sehen ist. Ein besonders kurzfüßiger Mann beschwert sich später auch noch lautstark, dass dies ein völlig unbrauchbarer Ausflug sei. Alle anderen haben allerdings viele Fische und Korallen gesehen und sind sehr zufrieden. Mann kann´s halt nicht allen recht machen. Wieder an Bord, gibt es erstmal Rum mit Cola (70:30) und ein paar Häppchen zu essen. Wir schippern weiter an eine der 365 Sandstränden der Insel. Ein Teil der Gäste schwimmt an Land, so auch Daggi. Ich habe auf den Rucksack aufzupassen sowie die Kameras in der Hand und muss daher mal wieder „tendern“. Das Schlauchboot fährt zweimal, um alle Gäste sicher an Land bringen zu können. Nach einem ausgiebigen Bad geht´s dann nach insgesamt drei Stunden wieder zurück zum Schiff. Die Crew dreht noch mal gewaltig auf, tanzt Limbo und singt zur lauten Reggae-Musik, die an Bord ertönt. Ein einfach wunderbarer Ausflug. Hier wollen wir gerne nochmal einen Urlaub verbringen, auch wenn wir von der Insel sonst eigentlich gar nichts gesehen haben.

20:30 Uhr Bingo. Diesmal gewinnt Jürgen die vier Ecken und Maria den Hauptpreis. Mir fehlt nur noch eine Zahl. Mist.
21:30 Uhr Theater. „AQUA“ heißt die heutige Show, die wiedermal ganz besonders gut gelungen ist. Perfekte Choreografie, supertolle Kostüme und absolut stimmiger Gesang. Eine handsignierte CD mit der extra hierfür komponierten Musik kann man im Anschluss erwerben. Auch die Schiffshymne „Oceans of Love“ ist darunter. Man gewöhnt sich selbst daran.

Maria und Jürgen sind müde und verabschieden sich; wir gehen wie üblich nochmal ins „Tapaz Y Mas“, wo gerade eine kostenlose Tapas-Verköstigung stattfindet. Nach dem zweiten Teller(chen) winken wir übersättigt ab. Wir hatten ja schon ein 6-Gänge-Menü.
Um die Kalorien wieder abzubauen, schauen wir mal in der „Abtanz Bar“ vorbei. Es ist zwar recht gut besucht, aber er DJ muss noch viel lernen. So eine krude Musikmischung habe ich schon lange nicht mehr ertragen müssen. Daher also baldige Bettruhe.


14.01.2010
Schiffstag. Letzter kompletter Ferientag. Morgen Nachmittag fliegen wir zurück. Schade.
Wir stehen spät auf, bekommen aber noch ein Frühstück im Anckermannsplatz. Daggi hat heute wieder nur 20 Runden geschafft und ich habe einen dicken Kopf. Vermutlich vom Rum auf dem Katamaran. Nach dem Lesen und Beantworten der aktuellen eMails springen wir in den Pool. Ich bereits zum dritten Mal!
Danke übrigens allen, die sich Sorgen um uns gemacht haben, aber die Angst war, wie schon geschrieben, unbegründet. Heute Abend findet die Verlosung einer von den Offizieren unterschriebenen Schiffskarte statt, deren Erlös nicht wie sonst an eine spezielle Einrichtung für das Personal geht, sondern diesmal einer Hilfsorganisation in Haiti gespendet wird. TUI Cruises verdoppelt den eingegangenen Betrag und legt außerdem nochmal 3000.- Euro obendrauf. Daraufhin haben wir uns natürlich auch gleich Lose gekauft.
Zum Mittagessen waren wir diesmal auch im Restaurant ATLANTIK und waren erstaunt, dass da gerade mal ein Dutzend Gäste zu finden waren. Das drei bis viergängige Menü war leicht und sehr bekömmlich. Daggi hat sich einen „Locker“ gemietet, in dem wir morgen bis zum Flughafentransfer unser Handgepäck verstauen können. Sehr praktisch.

Unser Los hat natürlich nicht gewonnen. Macht auch nichts, war ja für einen guten Zweck. Der Gewinner der Seekarte hat den Preis übrigens gleich wieder gestiftet, damit noch mehr Geld zusammenkommt. Auch bei der zweiten Ziehung – abends im Theater nach der supertollen Schlussshow – gehörten wir nicht zu den Gewinnern. Die Hilfsorganisation „CARE“ schon – fast 10.000 Euro sind es letztendlich geworden.
Wir gehen nach der Ziehung in unsere Kajüte und packen unsere Koffer. Ist alles von Daggi schon perfekt vorbereitet worden, sodass wir nur 20 Minuten brauchen. Um 23.00 Uhr treffen wir nochmal Maria und Jürgen auf einen Absacker. Wir müssen heute früh zu Bette, denn der Wecker klingelt schon um halb acht.


15.01.10

Punkt halb acht schmeißt uns Herr König, seines Zeichens „Cruise Director“ mit seiner schrecklichen Stimme aus dem Tiefschlaf. Wir tanzen bei der an Bord residierenden Behörde an und lassen unsere Pässe abstempeln. Danach Frühstück – erstmals auch im ATLANTIK. Warum wir da nicht schon früher hingegangen sind, ist uns ein Rätsel, aber jetzt ist es zu spät. Bis 14.00 Uhr hängen wir noch auf dem Schiff mit dem gräßlichen Namen „Mein Schiff“ rum, bis uns ein alter klappriger Bus zum Flughafen bringt. Auch hier dauert es noch ewig, bis wir unser Gepäck identifiziert haben und einschecken können. Danach Warten auf den Start. So gegen 17.00 Uhr sind wir dann auch endlich abgeflogen. 8 Stunden und 40 Minuten dauert der Flug zurück – Rückenwind sei Dank. Beim Aussteigen rede ich noch kurz mit einem der Darsteller des Theaters, die ja an diesem Tag ausgetauscht werden. Mein Lob freut ihn sichtlich. Ich weiß ja, wie sehr wir Schauspieler die Bestätigung brauchen. Diese Truppe hat es verdient. Inzwischen habe ich auch erfahren, dass alle Mitwirkenden aus allen möglichen TV-Auftritten, Opern, Musicals, Operetten, Tanzdarbietungen etc. bekannt sind.
Der Flug verläuft wieder wunderbar ruhig und wir beiden können einige Stunden „vorschlafen“. In Frankfurt schnappen wir uns die S-Bahn und fahren bis Friedrichsdorf. Es steht tatsächlich sogar ein Taxi am Bahnhof. Man muss auch mal Glück haben…

FAZIT:
Abgesehen von dem tragischen Erdbeben in Haiti, dessen Ausmaß erst jetzt so langsam bekannt wird, war es ein wundervoller Urlaub. „CARRIBEAN HARMONISTS“ habe ich den Blog getauft – und tatsächlich gab es weder Streit noch schlechte Launen. Und das ist doch schon mal sehr positiv für den ersten gemeinsamen Urlaub. Die Karibik ist wunderschön; zwei oder drei Inseln wollen wir noch einmal für einen ganzen Urlaub besuchen: ANTIGUA und DOMINICA haben es uns sehr angetan. Aber wohnen oder gar unseren Lebensabend dort verbringen wollen wir nicht. Da fehlt doch noch gewaltig viel Infrastruktur. Und die ständige Angst vor Erdbeben oder Vulkanausbrüchen macht selbst Kurzurlaube zum Abenteuer.
Über „Mein Schiff“ kann man nur das Beste sagen. Große Klasse! Das begeisterte, freundliche Personal, die tollen Shows, das unglaubliche Essen (Meine Süße und ich haben beide je 3,1 kg zugenommen…), die günstigen Preise für zusätzliche Getränke oder Cocktails verdienen jeweils nur Bestnoten. 261 Meter Länge, 32 Meter Breite und 77.000 Bruttoregistertonnen lassen viel Platz für persönlichen Freiraum.

Und damit will ich diesen Blog beenden. Die Kommentarfunktion ist jetzt endlich funktionsfähig. Natürlich werde ich den Text hier und da noch mal ergänzen, verbessern oder ändern. Es wird weitere Bilder geben. Es schadet also nichts, den ganzen Text demnächst nochmal von vorne zu lesen. Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie übrigens gerne behalten.

Danke fürs Mitlesen und Eure Kommentare. Und zum Schluss will ich endlich auch noch die am häufigsten gestellte Frage beantworten: Nein, man wird nicht seekrank. Selbst bei rauher See liegt der Kahn seelenruhig im Wasser.