Montenegro: Douce points
Es wurde mal wieder Zeit für einen kurzen Urlaub. Mal woanders hin, mal was Anderes sehen. Neue Menschen, neue Städte, neue Sprachen, alles neu.
Die Wahl fiel auf Montenegro, eine der sechs Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawien. Allen wohl bekannt als Teilnehmer beim jährlichen Europäischen Gesangswettbewerb ESC. Die Wahl fiel auch deshalb darauf, weil ein Besuch Dubrovniks, der „Perle der Adria“ damit verbunden war und weil das Prospekt der Firma Trends Tours einen äußerst günstigen Preis für die achttägige Reise inklusive einiger Ausflüge anbot. Mit den diversen Extras und dem Einzelzimmerzuschlag waren es dann doch rund 1050 Euro, die sich in Urlauberglück umwandeln sollten. Aber wenn sogar Sophia Loren angeblich Gefallen an dem Ländle gefunden hatte, sollte mir das doch auch möglich sein.
Leider haben das Management der Firma Trends Tours und die Lufthansa zunächst einmal alles versucht, die Urlaubsvorfreude in Frust umzuwandeln. Der geplante Start in Frankfurt um 15.55 Uhr verzögerte sich um fast eine Stunde, weil schon am frühen Morgen der Nebel einige Maschinen in Frankfurt stranden ließ. Bis 16.50 Uhr, als der Airbus endlich abhob, war der Lufthansa-Fahrplan völlig aus dem Ruder gelaufen. Sagte jedenfalls der Kapitän. Und der klang sehr erfahren. Mindestens so erfahren wie die Stewardess, die zusammen mit zwei anderen fröhlichen Greisinnen Käse- oder Wurstbrot samt Softdrink verteilte. Auch wenn die Maschine dann relativ schnell nach Dubrovnik düste, war die Dunkelheit nicht mehr weit. Die ultraharte Landung inmitten von Bergmassiven war auch nicht jedermanns Sache. Und bis unsere kitzekleine Reisegruppe (13 People) sich endlich vor dem Flughafen in Dubrovnik versammelt hatte, war es schon dunkel. Ein Kleinbus mit Gepäckanhänger zuckelte uns nun Richtung Montenegro. Unser „Reiseführer“, den ich deshalb in Anführungszeichen setze, weil er der deutschen Sprache so überhaupt nicht mächtig war (Audio), verriet uns, dass wir nun noch eine rund zweistündige Busfahrt bis zum Hotel in Budva, der bekannten Touristenhochburg, vor uns hätten. Unterbrochen wurde die Fahrt von der kroatischen Grenze (30 Minuten), der Montenegrischen Grenze (25 Minuten) und einer Schiffsüberfahrt (9 Minuten). Hoch lebe Schengen! Dabei gibt es in Montenegro einen internationalen Flughafen, den man auch von Frankfurt aus anfliegen kann. Warum, bitteschön, karrt man uns im Dunkeln quer durch zwei Länder, wenn man auch vom Flughafen direkt ins Hotel hätte fahren können? Wegen der Aussicht? Es war stockdunkel!! Der „Reiseleiter“ erzählte zwar unentwegt, welch tolle Sachen man rechts und links des Weges sehen könnte, aber tatsächlich sahen wir schlicht und einfach nichts. Und damit man auch wirklich nichts sehen konnte, waren die Scheiben des Kleinbusses auch noch tief getönt. Also, da sollten die Touristikfritzen doch noch mal gründlich nachdenken. Wenn es denn unbedingt Dubrovnik sein muss, könnte man am Reisetag ja auch eine frühere Maschine nehmen. Die Lufthansa bietet fünf Flüge am Tag an.
Aber was soll´s, irgendwann sind wir an unserem Hotel „IBEROSTAR“ angekommen. Klingt jetzt gar nicht so montenegrisch, ist es auch nicht. Iberostar ist eine weltweit operierende Hotelkette, die alleine 33.500 Zimmer der 4 und 5-Sterne-Kategorie in 27 Ländern anbietet. Bei unserem 4-Sterne-Hotel handelt es sich um einen Riesenkomplex, der aus drei megagroßen Gebäuden besteht. Die ersten Eindrücke waren verstörend.
Dann begab es sich aber, dass man uns endlich was zu essen und zu trinken gab! (Getränke im Bus? No way!). Wir mussten uns allerdings sputen, da das Buffet ab 21:30 Uhr abgeräumt wurde. Immerhin durfte man seine bis dahin eilig zusammengehäuften Schätze einigermaßen friedlich aufessen. Wein gab es auch, ziemlich warm. Kam ja auch wie der Rotwein aus demselben Zapfsystem. Ich saß mit einem Ehepaar aus Frankfurt zusammen. Im Bus war mir der Mann schon durch seine ständigen Kalauer aufgefallen. Ich dachte immer, dass ICH hier die Witze mache. Die beiden waren schon in den siebziger Jahren mal hier – der Mann hatte wohl jugoslawische Wurzeln, wie seine Physiognomie vermuten ließ. Erstaunlicherweise müsste ich ihn sogar kennen, da er früher mal in Bad Homburg im Cafe Kofler gearbeitet hat – unser Stammcafé während der Schulzeit. Über die anderen kann ich noch nichts erzählen, die muss ich erst noch besser kennenlernen.
Es war immer noch 19 Grad warm, als wir in Dubrovnik landeten, und es wurde im Laufe des Abends kaum kälter. Und es war immerhin Ende September. Nach dem Essen stellte sich unser „richtiger“ Reiseleiter vor, ein Deutscher mit klarer, lauter Stimme und einigen Aussprachefehlern („Resturang“). Er führte uns in die Gartenanlage des Riesenkomplexes und erklärte die verschiedenen Bauten. Es gab also drei „Resturangs“, mehrere Bars und eine Bühne für Tanz und Animation. Letztere lief gerade. Mir fiel fast die Brille von der Nase. „Oktoberfest“ war das Motto. Wo sind wir denn hier gelandet? Den Reiseleiter konnte ich nicht fragen. Den habe ich dann nämlich nie mehr gesehen.
Während ich im Bus noch der mit Abstand jüngste Mitreisende war (kritisch geschätzt!), war ich inmitten dieser Mega-Touristen-Versorgungsanlage dann plötzlich doch wieder eine alte Socke. Und dann auch noch Alleinreisend. Ich finde, es macht nichts, alleine zu reisen. Umso freundlicher sind die ganzen Bedienungen zu mir, sogar die Jungs. Eben brachte mir der Kellner noch ein Glas Wein (lauwarm), obwohl die Alkoholbewirtung ab 23.00 Uhr beendet ist. Es ist 23.19 Uhr. Erwähnte ich schon, dass ich mal wieder so ein Bändchen am Handgelenk trage, das mich als dekadenten All-Inclusive-Schnäppchenjäger brandmarkt? Ich schwöre, dass ich das nicht vorher wusste!!!
Ich weiß überhaupt nicht, was mich hier erwartet, weil ich die Reise schon vor sieben Monaten gebucht habe und den Reiseverlauf irgendwann unter „P“ wie Papierkorb abgelegt habe. Ich habe immerhin schon herausgefunden, dass das Meer ziemlich nah sein muss. Das Hotel hat nämlich eine Strandbar. Morgen scheint die Sonne.
Aber jetzt wird es Zeit für die Heia.
Der zweite Tag.
So langsam lichtet sich das Dunkel. Mein sehr schön eingerichtetes Zimmer, in dem es leider eiskalt war, ließ mich den Schlaf der Gerechten schlafen, wenn das nicht so anmaßend klänge. Gegen neun bin ich dann aufgestanden. Das Frühstücksbuffet war erwartungsgemäß sehr umfangreich. Leider – oder besser zum Glück – kann ich morgens nicht viel essen. Eine Scheibe Toast mit Käse (Schinken gab´s nicht), zwei Kaffee mit Milch und ein bisschen Obstsalat. Viel mehr als zuhause, aber ich hatte ja heute noch ein anstrengendes Programm vor mir. Zuerst galt es mal, das Hotel zu erkunden. Die Strandbar entpuppte sich als Poolbar. Die Strandbar war weiter unten, am Strand, wo sonst. Und trotz der frühen Stunde waren schon Myriaden von Urlaubern unterwegs. Am Pool, am Strand, am Buffet, sogar an der Bar. Wie man um zehn schon Grappa trinken kann, wird nie in meinen Kopf gehen.
Ein kleiner Blick auf den Globus im iPad zeigte mir dann auch, wo ich mich derzeit aufhielt. Unser Flieger ist ja nach Kroatien geflogen – ein Land, dass sich ziemlich lang an der adriatischen Küste entlangschlängelt. Ganz im Osten liegt Dubrovnik. Von da sind wir mit dem Bus weiter nach Osten gefahren – eben bis Montenegro. Das winzige Land hat eine Menge Nachbarn. Im Norden zunächst einmal Bosnien und Herzegowina, daneben Serbien. Als ob das nicht schon genug Trouble machen würde, liegt im Osten auch noch der Kosovo und im Süden Albanien. Montenegro ist nicht in der EU, aber man kann hier mit dem Euro bezahlen. Genauer gesagt, man muss mit dem Euro bezahlen, denn das Land hat gar keine eigene Währung. Und deswegen haben sie einfach den Euro eingeführt. Sie stellen natürlich keine eigenen Scheine her, sondern nutzen nur das Geld, das die Touristen in den Umlauf bringen. Das ist doch mal eine geniale Idee, oder? Die EU kann oder will jedenfalls nichts dagegen unternehmen, dass der Euro hier okkupiert wurde.
Eine eigene Sprache haben sie auch nicht, weil die Leute im Grunde genommen serbisch sprechen. Um dennoch einen künstlichen Unterschied der beiden Sprachen einzuführen, hat der Staat drei zusätzliche Buchstaben eingeführt, die keiner kennt und kein Textverarbeitungsprogramm verarbeiten kann. Egal, Hauptsache anders.
Um halb elf lernte ich unseren Reiseleiter, Herrn Bierbaum, näher kennen. Er hatte die übliche Aufgabe, uns den Ablauf im Hotel zu erklären und möglichst viele Zusatzausflüge zu verticken. Außerdem wurden uns die Chefs vom Hotel vorgestellt. Beim Buchen der morgigen „fakultativen“ Tour mit Titos Eisenbahn lernte ich auch Lisa und ihre Mutter kennen, zwei Berliner Seelen, die vor über 25 Jahren in Bayern gelandet sind. Den Berliner Dialekt haben sie aber nie verloren. Unsere anfängliche Minigruppe war inzwischen auf über 50 Leute angewachsen. Das waren die „Trend-Tours“-Kunden aus Berlin, München, Köln und sonst woher. Bis auf Lisa alle schon reichlich alt. Sie war so was wie unsere „Seniorenbetreuerin“.
Nach dem lauwarmen Mittagessen begann dann auch gleich unsere erste Tour. Und wieder stellte sich ein neues Mädel vor: Katarina, jung, ganz ordentlich deutsch radebrechend (bis auf die Grammatik) und sehr plapperfreudig. Sie sollten wir die ganze Woche als Begleiterin haben. Es gab schon bedeutend Schlimmere.
Der Bus fuhr uns zunächst in den Hafen von Bodva, der Haupt-Urlaubsstadt von Montenegro. Da war es richtig nett, aber außer einem Gang auf eine öffentliche Toilette (die ich verweigerte), hatten wir dort zunächst nichts verloren. Wir stiegen in ein Motorboot ein, das unsere Gruppe gerade so fassen konnte. Zusammen mit Lisa und Ihrer Mutter saß ich sogar auf dem Vorderdeck des Schiffes, dem Kapitän die Sicht versperrend. Und so fuhren wir dann eine gute Stunde die Küste entlang und schauten uns die kleinen Inseln, die Strände, die Drachenflieger und die Motorbootfahrer an. Drinnen plapperte sich Katarina die Selle aus dem Leib, um den dummen Touristen die schaurig-schöne Geschichte des Landes näher zu bringen.
Wieder an Land, ging es nun in die Altstadt von Bodva. Eine wuselige Ministadt mit vielen Boutiquen, Schmuckgeschäften, Cafés, Bars und Restaurants. Außerdem die übliche Anzahl an Trümmern, wiederaufgebauten Kirchen und Museen. Wie man ja sicher weiß, hat es hier im damaligen Jugoslawien mehrfach erdbebenmäßig schwer gerummst. Das schwerste Beben in Montenegro war 1969 mit 6,4 auf der „nach oben offenen“ Richterskala. Damals war alles zerstört. Auch 1981, 84, 86, 90 und 2015 schoben sich da diverse Gesteinsplatten ineinander, was jedes Mal zu größeren materiellen Schäden führte. Die Altstadt von Budva wurde damals originalgetreu wiederaufgebaut. Ein paar Trümmer liegen zwar noch rum, da fehlt wohl die Kohle. Übrigens bebt die Erde auch heute noch jedes Jahr bis zu fünf Mal, allerdings in verträglichen Dosen. Hoffentlich bleibt das so.
Als Nächstes stand die Stadt „Bar“ auf der Liste der zu besuchenden Orte. Es handelt sich hierbei keineswegs um ein Etablissement zum Einnehmen alkoholischer Getränke, sondern um die frühere Hauptstadt des Landes. Sie lag im Landesinnern und wurde viele Jahrhunderte von den Osmanen, also den Türken, beherrscht. Irgendwann hatten die Einwohner die Nase voll und jagten die Stadt buchstäblich in die Luft. Das war 1878. Sie flohen ein Stückchen Richtung Küste und gründeten ein neues „Bar“. Der Grund, warum sie nicht gleich an die Küste gingen und damit vom weltweiten Handel hätten profitieren können, lag daran, dass es in Küstennähe nirgendwo einen Brunnen gab, der genug Wasser lieferte, um die Stadt zu beliefern.
Das war irgendwie auch nicht der Hit. „BAR“ wurde jedenfalls ein drittes Mal direkt an der Küste aufgebaut und entwickelte sich prächtig. Eine Zeitlang war die Stadt der wirtschaftliche Mittelpunkt der ganzen Gegend. Wie wir wissen, haben diverse Völkerkriege in dieser Gegend einen Strich durch die Rechnung gemacht. Was da im Einzelnen passiert ist, werde ich hoffentlich im Lauf der Tour noch erfahren.
Heute habe ich nur gelernt, dass die Arbeitslosigkeit von früher 50% auf immerhin 20% gesenkt werden konnte. Klingt gut, ist es aber nicht. Denn dieser Prozentsatz bezieht sich nur auf die Sommermonate, also die Zeit, in der die Touristen das Land übervölkern. Im Winter beträgt die Arbeitslosenquote nahezu 100 %. Es gibt keinerlei Industrie und nur marginale Landwirtschaft. Der deutsche Mindestlohn gilt hier sicher nicht.
Inzwischen waren wir im „mittleren“ BAR angekommen. Auch hier wurden viele Gebäude nach den Erdbeben restauriert. Enge Gassen, von Restaurants und kleinen Geschäften gesäumt, die nur eine Richtung kennen: Nach oben! Ins Original-BAR, das ebenfalls teilweise wiederaufgebaut wurde.
Man hatte uns vorher gewarnt, dass man für diese Besichtigung sicheres Schuhwerk tragen sollte. Und ganz ehrlich: es war sehr steil. Ein Orthopäde hätte hier täglich seine Kundschaft. Plapper-Kat überfüllte uns mit einer Unmenge von Details, an die sich keiner mehr erinnern wird.
Die Rückfahrt ins Hotel verzögerte sich um ein paar Minuten, weil Lisa in irgendeiner Kneipe hängengeblieben war. Ohne mich, um das klarzustellen.
Im Hotel das Übliche: Fressen, saufen, feiern. Jedenfalls für die meisten. Ich setzte mich brav irgendwo ins Freie und tippte diese Zeilen in den Laptop. Morgen muss ich um fünf Uhr aufstehen.
TITOs Eisenbahn wartet auf uns.
Der dritte Tag
Wie immer, wenn ich früh aufstehen muss, habe ich Angst zu verschlafen. Also wachte ich auch in dieser kurzen Nacht mehrmals auf, um mich zu vergewissern, dass ich noch weiter schlafen konnte. Als dann um fünf der Wecker klingelte, kam ich mir vor wie in einem Alptraum. Duschen, Anziehen – alles erledigte ich wie in Trance. Pünktlich um 5:30 erschien ich im Frühstücksraum. Die meisten waren schon hellwach – senile Bettflucht vermutlich. Nur Lisa saß wie in Trance mit Ihrer Mutter (Sigrid heißt sie) am Tisch und konnte außer Kaffee nichts zu sich nehmen. Unser Bus war kleiner als gestern, da es nur rund 30 Interessenten gab, die Titos Eisenbahn erleben wollten. Pünktlich um 6.00 Uhr fuhren wir ab – mal wieder nach Bar, wo der Bahnhof war. Plapper-Kat und ein neuer Busfahrer waren heute als Begleiter dabei. Dann kam der Zug. Unter Titos Eisenbahn hatte ich mir irgendwas Museales vorgestellt. Eine Dampflok mit Gesellschaftswagen wie in einem Agatha-Christie-Krimi. Tatsächlich war das ein großer Etikettenschwindel. Der Zug war ziemlich modern, vielleicht 15 Jahre alt. Es gab einzelne Abteile, in die wir jeweils zu sechst verteilt wurden. Immerhin hatten wir einen „eigenen“ Waggon. Die originale Tito-Bahn steht in irgendeinem Museum. Sie hätte wegen einer ganz anderen Spurweite auch gar nicht auf die Gleise gepasst. Na gut, wenn wir schon mal da waren, sollten wir auch mitfahren. Mit mir im Waggon war ein Schweizer Ehepaar, ein alter Sachse namens Fritz und eine gewisse Lisa mit ihrer Mama. Der Schweizer verteidigte die Volksentscheidungen seines Landes, der Sachsenfritze erzählte langwierige Reiseerlebnisse aus seiner Jugend und Lisa fotografierte sich die Seele aus dem Leib, bzw. die Speicherkarte Ihrer Sony-Kamera voll.
Unser Ziel war die Stadt Kolasin (sprich „Kolaschin“), die etwa 80 km nördlich in etwa 1000 Metern Höhe lag. Der Zug würde dann noch weiter bis nach Belgrad zuckeln, aber da wollte nun wirklich keiner hin. Während wir uns innerhalb der Felsmassive hochschraubten, durchquerten wir sage und schreibe 33 Tunnel und überfuhren unzählige Aquädukte. Wenn man zwischen zwei Tunneln schnell genug war, konnte man sogar schöne Aufnahmen einer atemberaubenden Landschaft machen. Je höher wir fuhren, desto grüner wurde die Natur.
Nun gut, sooo atemberaubend war das Ganze nun auch wieder nicht. Unser Bus war gleichzeitig parallel auf der Straße nach Kolasin gefahren und holte uns am Bahnhof ab. Wenige Meter später waren wir dann in dieser geschichtlich wohl sehr bedeutenden Stadt. Hier war nämlich das jugoslawische Kampfzentrum für den ersten und zweiten Weltkrieg sowie für die Balkankriege beheimatet. Deswegen standen in dem inzwischen winzigen Ort auch überall Büsten von berühmten oder berüchtigten Feldherren rum. 70 Minuten Aufenthalt zur eigenen Verfügung standen uns bevor. Katarinchen zeigte uns ein echtes Tito-Kaffee, in dem tatsächlich die gesamte Dekoration sehr sozialistisch anmutete – ein Wandteppich mit Titos Konterfei inklusive. Einen Espresso später waren wir dann auf uns allein gestellt. Ich bin einfach ein paarmal durch die sechs Straßen des Ortes gelaufen und stellte fest, dass es hier unheimlich viele Cafés gab. In jedem saßen ausnahmslos Männer. Die Frauen saßen wohl zu Hause, machten den Haushalt, wuschen die Wäsche und kümmerten sich um die Kinder. Business as usual.
Wir hätten hier auch irgendein montenegrisches Spezialessen ausprobieren können, so eine Art POLENTA mit extra Sahne. War mir nicht danach.
Ach ja: dieser Ort hat noch etwas Besonderes. Es ist einer der wenigen Ski-Hochburgen des Landes. Mein Aussage von gestern, dass es nur eine Sommersaison in Montenegro gibt, muss revidiert werden. Und der Ort profitiert selbst im Hochsommer von seiner Höhenlage. Wenn es an der Adria ungemütliche 45-50 Grad warm ist, kann man hier oben bei gemütlichen 25 Grad einen sehr angenehmen Sommer verbringen. Einer der wenigen Orte des Landes, der keine Fluktuation seiner Arbeitskräfte befürchten muss. Die vielen jungen Männer, meist ganz in schwarz gekleidet, sind gern hier oben auf 1000 Meter Höhe. Und noch was haben sie aus der sozialistischen Epoche übernommen: wenn sich die Burschen treffen, küssen sie sich. So wie wir es noch von Honecker kennen.
Und bevor die Sonne infolge meines langsam schütter werdenden Haupthaars Löcher in den Schädel brennen konnte, stiegen wir wieder in den Bus und fuhren die ganze Strecke wieder zurück, allerdings auf einer alternativen Route.
Dann stand ein Klosterbesuch auf dem Programm. Ein zugegeben perfekt gepflegtes Grundstück mit einer durchaus sehenswerten orthodoxen Kirche und den entsprechenden Nebenräumen für die Priester. Irritiert hat mich nur der Gesang einiger Frauen, die doch eigentlich da nichts zu suchen haben, oder? Nun bin ich bekanntermaßen nicht unbedingt ein Freund des Klerikalen, auch wenn ich letzte Woche in einem Theaterstück noch den Papst gespielt habe. Palaver-Kati, deren Deutsch nach nur einem Tag merklich schlechter geworden ist, ist wohl sehr gläubig und erzählte uns von den diversen Riten, denen man da unterworfen ist. Grund genug, das Weite zu suchen. Lisa hatte sich eine Stickdecke gekauft, die vor dem Kloster an einem Stand angeboten wurde. Ich habe es gewagt, ein Eis zu essen. Bisher haben die Salmonellen Ruhe gehalten.
Auf der Weiterfahrt gab es noch zwei Foto-Stopps und eine Vollsperrung. Der Grund dafür war mal wieder der Fortschritt. 2014 ist durch einen gewaltigen Erdrutsch der größte Teil der Straße zerstört worden. Statt die uralte Strecke mit ihren aberwitzigen Serpentinen zu reparieren, hat man eine neue, schnelle Straße in die Felsen gehauen. Leider ist sie noch nicht ganz fertig. Und wenige hundert Meter vor ihrem Ende war ausgerechnet heute eine Vollsperrung angesagt, damit die Bauarbeiten weitergeführt werden konnten. Es spricht für die Intelligenz unserer Truppe, dass wir uns nicht gegenseitig zerfleischt oder wenigstens einen Bagger umgeschmissen haben. Die Energie dazu hätten wir gehabt …
Rund elf Stunden, nachdem mein Wecker geklingelt hatte, waren wir wieder im Hotel. Das Lunch-Paket, das zum Ausflug gehörte, hatte ich kaum berührt. Ein weiches Brot, zwei Scheiben Wurst und Käse, ein Stück Butter, eine Banane und eine riesige Tomate. Die Banane hatte ich Lisa geschenkt, die Tomate hatte ich (kleckernd!) gegessen und den Rest dem Müll anvertraut. Also waren wir alle hungrig. Im Hotel gibt es einen Bereich, in dem man nahezu rund um die Uhr was zu essen bekam. Pizza, Nudeln, Eis und Süßigkeiten. Alles sehr gesund, versteht sich. Ich saß schon da und mümmelte eine kleine Portion lauwarmer Spaghetti, als sich Lisas Ma dazugesellte. Sie ist eben so wenig auf den Kopf gefallen wie ihre Tochter. Fragte mich ganz ungeniert nach meinem Beruf. Man vermutete, dass ich Finanzbeamter sei oder „so was“.
Der Schock saß tief. Wenn das meine Außenwirkung ist, muss ich schnellstens meinen Style verändern. Ich weiß zwar jetzt nicht, ob mein tatsächlicher Beruf einen besseren Eindruck macht als der, den ich in den Augen der Mitreisenden ausübe, aber ich hoffe, dass ich mein Image mit der Aufklärung über meine Person reparieren konnte.
Immerhin wollten wir drei uns zum Abendessen wiedersehen.
Leider war der Sachsenfritze schneller. Der Tisch auf der Terrasse hatte nur drei Plätze. Also keinen Platz für mich. Auch nicht schlimm.
Nach dem Essen bin ich noch mal im „Animationszentrum“ des Hotels gelandet. Inzwischen wurde es abends deutlich kühler als noch vor zwei Tagen. Das Programm auf der kleinen Bühne war ein Mischmasch irgendwelcher Volkstänze und landestypischer Folklore. Auch so eine Art Oktoberfest.
Es war erst 22:09 Uhr und ich war hundemüde.
Obwohl: Ein letzter Wein geht immer.
Der vierte Tag
Erstaunlich, wie schnell die Zeit verging. In Deutschland war Bundestagswahl und ich saß schon um acht Uhr dreißig im Frühstücksraum, um meinen Magen mit wabbligem Weißbrot und Käse zu füllen. Punkt neun erwartete Plapperkati ihre Kundschaft, um sie nach Dubrovnik zu fahren. Moment, da waren wir doch schon!? Ja, aber nur auf dem Flughafen. Diesmal sollte es in die berühmte Altstadt gehen. Das bedeutete, dass wir uns an diesem Sonntagmorgen vier Stunden Richtung Dubrovnik quälten. Wieder mit dem Umweg über die Fähre und über zwei Grenzkontrollen. Um 13.00 Uhr kamen wir bei Kaiserwetter am Rand der besagten Altstadt an. Und nicht nur wir. Der menschliche Inhalt von sage und schreibe drei Kreuzfahrtschiffen hatte sich heute dort ebenfalls eingefunden. Glücklicherweise durften wir vor Beginn der Stadtführung noch eine Stunde frei rumlaufen. Diese geschenkte Stunde habe ich für ein leckeres Mittagessen direkt an dem großen Terrassenrestaurant am Eingang der Altstadt genutzt. Dann kam Ruth. Ruth oder Frau Ruth? Keine Ahnung. Ein junges kroatisches Mädel etwa Ende zwanzig, abgeschlossenes Touristikstudium, frech, witzig und vor allem hochdeutsch sprechend! Und das, obwohl sie in München aufgewachsen ist! Mit ihrer klaren und lauten Stimme hatte sie uns alle sofort in ihren Bann gezogen. Und so haben wir die Geschichte dieser weltberühmten „Perle der Adria“ aus ihrem Mund vernommen. Leider ist in den vielen Jahrhunderten mit dieser Stadt dermaßen viel passiert, dass es diesen Blog sprengen würde, wenn ich das alles aufschriebe. Die Altstadt ist von einer starken Mauer umgeben, die sogar diverse Erdbeben ausgehalten hat. Es gab Feinde gegenüber in Italien und Feinde ringsherum. Man hat sogar den Feinden im Norden, also Bosnien, Land geschenkt, damit diese die Stadt gegen die Italiener verteidigten. Das hat alles sogar wunderbar geklappt. Dann kam das große Erdbeben, das 2000 Menschenleben kostete, der erste und der zweite Weltkrieg, diverse Besetzungen und schließlich die Neueinteilung Jugoslawiens durch Tito. Plötzlich waren viele Völker, die sich eigentlich auf den Tod nicht ausstehen konnten, miteinander verbrüdert. Auf Dauer konnte das nicht gut gehen. Wie immer hatte die Religion Schuld an den Konflikten. Während die Kroaten alle Katholiken waren, waren die Serben Orthodoxen, bzw. Muslime. Und schon gab´s den größten Krach. Kriege, die mir wohl nie verständlich sein werden. Und erst 1992, nachdem die vielen Landesteile sich selbstständig gemacht hatten, wurde ein Friedensvertrag unterzeichnet. Heute tut´s angeblich allen leid, aber die Abneigung der diversen Gruppen untereinander lässt sich immer noch spüren. So sprechen die Kroaten dieselbe Sprache wie die Serben – der Unterschied ist viel geringer als zwischen Hochdeutsch und bayerisch! Aber die Serben schreiben denselben Text in kyrillisch und die Kroaten in lateinischen Buchstaben. So etwas dürfte auch einmalig in der Welt sein. Montenegro ist mittendrin, aber wohl etwas mehr Serbien zugewandt.
Und wenn wir schon mal beim Lernen sind: Das Land hat gerade mal 645.000 Einwohner, ist nur 13.812 qkm groß (kleiner als Schleswig-Holstein) und steht beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) an 155. Stelle in der Welt, was nicht gerade ruhmreich ist.
Aber sie haben den Euro, wenn auch nur geklaut. Kroatien ist in der EU, hat aber den Euro NICHT. Verkehrte Welt.
Unsere Fremdenführerin in Dubrovnik, die ein abgeschlossenes Studium und ein Diplom vorweisen konnte, verdient gerade mal 500.- Euro im Monat. Ohne Trinkgelder, versteht sich. Die flossen heute reichlich, weil wir alle heilfroh waren, endlich mal wieder was Anderes zu hören als das Gestammel von Katastrofina. Mit unseren Trinkgeldern dürfte Ruth alleine heute ein weiteres halbes Monatsgehalt verdient haben.
Und wir hatten nach der Führung durch die völlig überfüllte Altstadt von Dubrovnik die Aufgabe, den ganzen Weg wieder zurückzufahren. Eineinhalb Stunden Stadtführung standen sieben Stunden im Bus gegenüber. Irgendwie passte das nicht zusammen.
Nach dem Essen mit Lisa und ihrer Mutter war ich dann noch eine Weile im Animationszentrum, um den Tag zu dokumentieren. Auf der Bühne stand eine KORG Triton mit schwachem Sänger. Für denjenigen, der nicht weiß, was das bedeutet: Die Triton ist ein „Keyboard“ und spielt alle Instrumente eines Orchesters samt zweiter oder dritter Stimmen. Der „Interpret“ muss nur noch selbst dazu singen und so tun, als würde er irgendwelche Tasten bedienen. Getanzt wurde trotzdem. Und immer, wenn die Tanzfläche voll war, wechselte der Sänger die Musikrichtung. Und schon tanzte niemand mehr.
Ich war dann auch bedient und habe noch eine Weile darüber sinniert, warum die AFD 12,6 Prozent der Wählerstimmen bekommen hat. Ich habe noch keine Erklärung gefunden, die diesen Aufstand der Wutbürger rechtfertigt.
Der fünfte Tag
Ein Tag ohne Plan, ohne Ausflug, ohne Verpflichtungen. Ich hätte zwar einen Ausflug buchen können, aber das Ziel lag ohnehin in unmittelbarer Nähe und wäre die 49.- Euro Zusatzkosten nicht wert gewesen.
Also endlich mal wieder ausschlafen! Um halb zehn erst am Frühstücksbuffet aufgetaucht. Der Blick nach draußen verhieß nichts Freudiges: REGEN und nur noch 15 Grad Außentemperatur.
Ich hatte eigentlich vor, heute mal die ganze Küste entlang zu laufen, soweit es möglich war, also etwa 3 Kilometer in östlicher Richtung. Der permanente Nieselregen machte mir einen Strich durch die Rechnung. Programm B war Lesen. Ich hatte ja mein iPad dabei – und damit ein paarhundert Bücher zur Hand. Ich entschied mich für „Tiere denken“ von David Richard Precht.
Hier zeigte sich ein Strukturfehler des Hotels. Ruhige Räume im Inneren der Komplexe gab es nicht. Man saß immer irgendwie im Freien, wenn auch überdacht. Dazu lief ständig Discomusik über irgendwelche unsichtbaren Lautsprecher. Ein Lob für den Hersteller der Kaffeemaschinen, die bisher noch nicht ein einziges Mal ausgefallen waren. Schon früh ausgefallen waren dagegen einige Urlauber, die mit ihrem Alkoholkonsum bereits direkt nach dem Frühstück begonnen hatten.
Um 15 Uhr sollte eine Sonderausgabe des „Spiegel“ erscheinen, die ich mir sofort herunterladen wollte. Da würde die Wahl in allen Details noch einmal aufgearbeitet. Es ist müßig, jetzt meine Meinung über dieses Desaster noch einmal kund zu tun, da dieser Blog in ferner Zukunft ja noch immer im Netz stehen wird und man sich dann vielleicht wundert, wovon ich überhaupt spreche.
So, weiter im Text. Mittagessen mit meinen neuen Freunden Lisa und ihrer Mam, ein weiterer Kaffee, eine kurze Mittagspause mit Schlafversuch, Durchlesung des inzwischen runtergeladenen „Spiegel“, Kuchenstückchen, ein weiteres Treffen mit Lisa & Ma. Sachsen-Fritze ist inzwischen auch immer dabei. (Irgendwann kennt man kaum einen anderen Menschen mehr) und zaghafter Auslauf am Strand. Wieder Regen, Rückkehr, Wein, Abendessen (mit den ab sofort nicht mehr extra erwähnten netten Menschen), Abendbespaßung („Ballett“), noch mehr Wein, Bett. Man nennt das wohl Urlaub.
Ich dachte, es müsste so etwa 21.00 Uhr sein, als ich mal wieder auf den Zeitmesser schaute: Es war schon 22:45 Uhr.
Der Abend fing ja gut an.
Und hörte auch sehr bald auf. Nach 23.00 Uhr gab es nichts mehr zu trinken.
Der sechste Tag
Wieder ein Tag ohne Gruppenzwang. Die fakultative Tour für 49.- Euro habe ich geschwänzt, da mich weder der Besuch der Hauptstadt des Landes, Podgorica, noch ein weiteres Wasser namens Skutarisee gelockt haben. Nur sieben Leute unserer Reisegruppe haben da mitgemacht – fanden es aber wunderbar.
Ich bin nach einem späten Frühstück dann tatsächlich nochmal in die Altstadt von Buvda gelaufen. Werter Leser, Du hast richtig gelesen: ICH BIN GELAUFEN! In unserem Hotel gab es einen kleinen Tunnel, durch den man unterhalb einer Terrasssenwohnanlage in die nächste Bucht laufen konnte. Immer am Strand entlang. Das Wetter war wieder vom Feinsten. Eigentlich sogar wieder viel zu heiß, sodass ich ein paar Ruhepausen für die Kopfoberfläche einlegen musste. Eine Mütze wäre wohl das Beste gewesen, hatte ich aber nicht.
Seit unserer Tour hatte sich die Altstadt erwartungsgemäß nicht geändert, sodass ich nach ein paar Kreiselbewegungen wieder den Heimweg antrat. Ja, auch den habe ich per pedes durchgestanden. Die gesamte Strecke dürfte etwa sechs Kilomater lang gewesen sein. (Höre ich da Applaus?)
Zurück im Hotel, war es Zeit für das Mittagsbuffet. Und wen sehe ich da? Nein, nicht Lisa samt Mama, sondern den Fritz. Hab´ mich dazugesetzt. Und ich habe so erfahren, wie der sozialistische Alltag in der ehemaligen DDR wirklich war. Fritz erzählte es mir schonungslos und vor allem sehr detailliert.
Und lange.
Um viertel vor drei haben sie uns dann mit freundlichen Worten aus dem Restaurant geschmissen.
Ich wollte mich dann in meinem Zimmer etwas erholen. Beim Öffnen der Terrassentüre fiel mir auf, dass sie gar nicht mehr verschlossen war. Als inzwischen vierfaches Einbruchsopfer fand ich es überhaupt nicht in Ordnung, dass die Reinigungsdamen nicht darauf geachtet hatten, dass die Türen weiterhin geschlossen sind. Immerhin wohnte ich auf der untersten Ebene. Jeder hätte hier ohne Probleme alles stehlen können, was ich nicht bei mir hatte. Das gibt leider einen Punktabzug.
Und als ich mich gerade so gemütlich auf mein Bett gelegt hatte, hörte ich plötzlich ein leises „Miau“. Da krabbelte doch allen Ernstes ein winziges Katzenbaby unter meinem Bett hervor. Das muss wohl während der Reinigung des Zimmers reingelaufen sein. Aber auch das sollte in so einem etablierten Hotel nicht vorkommen. Ich habe eine blöde Katzenallergie, die zum Glück bei dem kurzen Kontakt nicht ausgebrochen ist.
Bis zum Abendessen war dann doch noch viel Zeit, die ich mit Lesen des aktuellen „Spiegel“ an der Poolbar vollbracht habe.
Zum Abendessen war unser Quartett wieder zusammen. Vier Leute aus mehr als vier Jahrzehnten. Lisa, das Küken, mit ca. 35 Jahren, ihre Mutter mit knapp über 60, ich mit guten 60 und Fritz mit stolzen 78 Jahren.
Wie jeden Abend, haben sich die Damen sehr früh verbschiedet, um noch im Zimmer Fernsehen zu schauen.
Fritz und ich sind tapfer zur Animationsbühne gegangen und haben gemeinsam auf die Attraktion des Abends, der angekündigten „Varieté“-Show gewartet. Die kam dann zwar spät, aber gewaltig. Es hatte zwar nichts mit „Varieté“ zu tun, war aber eine Tanzshow von selten erlebter Präzision. Drei Typen und zwei Mädels mit aufregend schönen Körpern tanzten zu Songs von z.B. Michael Jackson, Queen und den Bee Gees. Und als wir dachten, dass es noch besser nicht werden kann, tanzten sie dann noch diese wahnsinnig komplizierten irischen Tänze, für die man in Frankfurt 40 Euro Eintritt bezahlt. Hey, das war supergut!!!!
Glücklich zu Bette.
Der siebte Tag
Das Aufstehen ging irgendwie heute nicht so leichtfüßig von der Hand wie gewohnt. Schon früh merkte ich, dass ich mir am Vortag mit der morgendlichen Wanderung in die Altstadt von Budva ein bisschen viel vorgenommen hatte. Meine Knochen jaulten bei jedem Schritt. Und heute sollten wir noch einmal viele Schritte laufen müssen.
Am letzten Tag gab es als Abschiedstour (im Preis enthalten) eine Fahrt nach Kotor.
Wie schon so oft, mussten wir wieder mit der Fähre auf die andere Seite der Bucht übersetzen. Dort fuhren wir aber erstmals nach rechts ab und nicht nach links Richtung Dubrovnik. Auf der Fahrt Richtung Kotor besuchten wir in einer vorgelagerten Bucht noch eine superluxuriöse Hafenstadt namens Porta Montenegro mit herrlichen Jachten, megateuren Hotels und einer Auswahl der feinsten Modemarken dieser Erde zu Preisen, die sicherlich genauso abgehoben waren wie deren Käufer. Ich kenne jemanden, der sich hier pudelwohl fühlen würde.
Das obligatorische Lunchpaket hatte ich bewusst wieder nicht abgeholt, da mir der Inhalt ja mittlerweile bekannt war. Im Bus belegten Lisa, Ihre Ma, Fritz und ich eine komplette Reihe. Und solange Katarina nicht plapperte, redete mir Fritz irgendwas in meine müden Ohren.
Die nächste Station war ein winziger Ferienort namens Perast, in dem es eine kleine künstliche Insel mit einer Kirche drauf zu sehen gab. Auch wenn es so aussah, war die Insel nicht mitten in einem See, sondern mitten in der Adria. Das Meer hatte sich tief in die Bucht geschlängelt. Zweihundert Jahre lang haben die Einwohner Schutt und Dreck an diesen Platz mitten auf dem Meer gefahren, um ein Fundament für die Kirche zu haben. Grund für die merkwürdige Bauwut war wohl eine suspekte Heiligensichtung an eben diesem Ort. Man kennt das ja. Gründe für den Bau einer Kirche findet man immer. Ein Motorboot, das unsere Gruppe, die heute mal wieder aus 52 Urlaubern bestand, brachte uns auf das künstliche Eiland. Aus Gründen, die ich nicht nachvollziehen kann, habe ich keine Eintrittskarte für den Besuch der Kirche erhalten. Da mich der Inhalt ohnehin wenig bis gar nicht interessiert hätte, blieb ich eben draußen und schaute die umliegenden Berge an. Als dann irgendwann auch noch ein Flussschiffdampfer an der Insel anlegte und weitere 200 Leute ausspuckte, konnten wir zum Glück wieder zurückfahren.
Blieb noch unser letztes Ziel für diesen Tag: die berühmte Stadt KOTOR, sehr geschützt im hintersten Winkel der Bucht von Kotor gelegen. Also angeblich ist die Altstadt sehr berühmt; ich kannte sie mal wieder nicht. Und das, obwohl die UNESCO 1979 die Stadt zum Weltkulturerbe erklärt hatte.
Als sich unser Bus der Stadt näherte, trauten wir unseren Augen nicht: Da war doch tatsächlich ein riesengroßes Kreuzfahrtschiff, die Queen Victoria, bis in den Hafen des winzigen Urlaubsorts gefahren! Und mit ihr 1990 Passagiere. Die 981 Mitarbeiter sind wohl an Bord geblieben. Das sah alles dermaßen gigantisch und gleichzeitig fehlplatziert aus, dass einem glatt die Luft wegblieb. Das Schiff war knapp dreihundert Meter lang, 32 Meter breit und so hoch wie ein fünfstöckiges Hochhaus. Mitten in einem kleinen, ja direkt winzigen, betulichen Hafen. Das war genauso bescheuert, als würde ein Jumbojet in meinem Garten parken.
Die Altstadt von Kotor ist wirklich ganz besonders schön. In den vielen Jahrhunderten ihres Bestehens hatten schon so manche Völker den Daumen drauf: Illyrer, Römer, Byzantiner, Venezianer, Österreicher, Russen, Serben und Türken bis zu den Franzosen unter Napoleon. Natürlich hat das große Beben 1979 hier auch Einiges zertrümmert, aber alle Gebäude wurden mit Originalbauteilen wieder zusammengebaut – manche stehen zwar ein bisschen schief wie der 1602 erbaute Renaissance-Uhrturm. In der Altstadt findet man unzählige kleine und kleinste Läden für Andenken, Boutiquen ohne Ende und einige Dutzend Restaurants und Kneipen. Trotz der hauptsächlich englischen Kreuzfahrt-Touristen war die Altstadt bei unserem Besuch nicht so überlaufen wie in Dubrovnik. Ich muss gestehen, dass ich die offizielle Führung mit Plapperina nicht mitgemacht habe, sondern mich bei einem Italiener mit einer Portion Spaghetti Bolognese den Bauch vollgehauen habe. Musste mal sein.
Um etwa 17:30 Uhr waren wir wieder im Hotel, nicht ohne eine nicht enden wollende Dankesrede von Katarina über uns ergehen lassen zu müssen. Wir wären ihr bisher bestes Publikum gewesen, sie wäre unendlich traurig, uns nun nach sieben Tagen verlassen zu müssen – blah blah blah. Es waren zwar nur sechs Tage, und da ich an zwei Tagen keinen Ausflug gebucht hatte, nur vier Tage für mich. Egal, sie hat sich Mühe gegeben, und was man nicht verstanden hatte, konnte man unterwegs in Wikipedia nachlesen. Endlose Umarmungen samt diskreter Geldübergabe, vereinzelte Tränen der Rührung – unserer Truppe schien es wirklich gut gefallen zu haben.
Der letzte Abend im Hotel brachte Lisa, Sigrid, Fritz und mich noch einmal zusammen. Ausnahmsweise stimmten die Damen dem Abendprogramm im Animationsbereich zu, wo heute die „80er-Jahre“ das Thema waren. Wieder war es eine reine Tanzshow zu bekannten Hits, diesmal etwas weniger gut als am Vorabend. An unserem Tisch saß noch eine junge Russin, bildhübsch, angeblich schon 30, obwohl sie bei mir auch für 21 durchgegangen wäre. Sie sprach ein akzentfreies Englisch und erzählte uns ein bisschen aus ihrem Leben und ihrer Arbeit bei LÓreal. Ein kleines Kind samt Oma hatte sie auch noch dabei. Wenn alle jungen Russen so weltoffen sind wie dieses Mädel, dann habe ich keine Angst vor der Zukunft.
Lisa langweilte die Show offenbar sehr, denn sie zog zusammen mit ihrer Mutter noch vor Ende der Show ab. Ich blieb mit Fritz noch eine Weile sitzen und ließ mir noch ein paar lustige Geschichten aus dem realen Sozialismus erzählen.
Der achte Tag
Um 13:30 Uhr brachte ein Bus alle Urlauber der Firma „TrendTours“, die auch in Frankfurt zugestiegen waren, wieder zurück nach Dubrovnik. Dort mussten wir wegen der inzwischen offenbar überall üblichen Verspätungen lange auf den Flieger warten. Als wir um 22.00 Uhr in Frankfurt landeten, war auch noch unser Ankunftsgate besetzt, was ich noch nie erlebt habe. 30 Minuten später war ein Ersatzgate gefunden. Leider hatte man wohl den Gepäckjungs nicht gesagt, dass unsere Maschine jetzt wo ganz anders steht, denn sonst hätte es nicht eine weitere halbe Stunde gedauert, bis das Gepäck endlich auf dem Laufband ankam.
Das Fazit:
Mein erster Ausflug nach Osteuropa ist äußerst angenehm verlaufen. Tolles Hotel, tolles Wetter, hochinteressante Ausflüge, nette Leute, tolles Essen und sogar WLAN! Was will man mehr. Das alles für einen sehr akzeptablen Preis. Bestimmt gibt es noch ein paar weitere Perlen, die man sich anschauen sollte. Mal sehen. Jetzt geht es erst mal nach VIETNAM!