Samstag, 1. Januar 2011
Start mit Hindernissen
Start mit Hindernissen
(Aus gegebenem Anlass weise ich darauf hin, dass dieser Blog ausschließlich meine subjektiven Eindrücke wiedergibt und keinesfalls einen offiziellen Reiseführer ersetzt. Dies ist ein privater Reisebericht und keine journalistische Arbeit. Besserwisser und Oberlehrer werden freundlichst gebeten, diesen Blog NICHT zu lesen)
1. Januar 2011, ca. 22:10 Uhr. Noch fünfeinhalb Stunden. Dann wird die B767 der Condor ihr Ziel erreicht haben. Fünfeinhalb Stunden bedeutet auch, dass die Hälfte der Strecke geschafft ist. Meine Beine sehnen sich nach Bewegung, der Weißwein an Bord ist warm und kostet vier Euro pro Fläschchen. Bleibe ich eben nüchtern.
Es hatte alles so schön angefangen: Am Abend vorher, an Silvester, waren wir wieder auf der obligatorischen Fete unserer Freunde in Dillingen. Eine Menge netter Leute waren da und wir hatten uns schon darauf eingestellt, den Weg runter nach Friedrichsdorf zu Fuß zu wandern – genau wie im letzten Jahr, als uns das vorbestellte Taxi versetzt hatte. Diesmal haben wir so gegen halb zwei ein Taxi angerufen, das auch pünktlich um zwei vor der Tür stand.
Sonntag, der 2. Januar 2011
Der erste Tag – die erste Nacht
Nach ausgiebigem Schlaf sind wir um halb eins am Neujahrsmorgen von unserer Freundin Kai zum Flughafen gefahren worden. Dagmar, meine Süße, hatte die Bordkarte bereits am Vortag ausgedruckt, so dass wir nur an einen Condor-Schalter gehen mussten, um unser Gepäck abzugeben. Theoretisch jedenfalls. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt…
Vor uns war ein junger Mann dran, der offenbar größere Probleme mit seinem Ticket hatte, denn es ging und ging nicht voran. Er erzählte uns, dass seine Maschine überbucht sei und er zwangsweise in die Holzklasse umgebucht würde. Das hat ihm so gar nicht gepasst. Die gelangweilte Dame am Counter verließ zweimal ihren Platz, um die Geschichte mit ihren Chefs zu besprechen. Dabei lief sie so provozierend langsam, dass man schon vom Zusehen wütend werden konnte. Nach einer halben Stunde war das Problem erledigt und wir kamen endlich dran. Ich wuchtete die beiden Koffer auf das Gepäckband und Dagmar schob ihr die Boardingkarten nebst Pässen zu. Was dann kam, werde ich mein ganzes Leben nicht mehr vergessen. Die Dame am Schalter teilte Dagmar nach kurzer Überprüfung Ihres Passes mit sadistischem Genuss mit, dass ihr Reisepass keine sechs Monate mehr Gültigkeit besäße. Geradezu begeistert belehrte sie uns, dass die Reisenden selbst dafür verantwortlich seien, die richtigen Dokumente mitzuführen. Ich hatte keine Lust auf ihre ständigen Belehrungen und wollte wissen, wo man den Pass am Flughafen verlängern lassen könne. Schließlich kann sowas ja jedem Mal passieren. Ich hatte nirgendwo gelesen, dass ein Reisepass sechs Monate länger gültig sein muss als der Aufenthalt selbst. Ich verstehe auch bis jetzt den Sinn dieser Maßnahme nicht. Dagmar hatte ihren Pass vorher überprüft und war der Ansicht, dass er bis 2017 gültig sei. Mit Brille wär´ das nicht passiert…
Na ja, das Condor-Mädel wiederholte ständig nur, dass das unsere eigene Schuld wäre und Dagmar daher nicht mitreisen dürfe. Nach unseren wiederholten Fragen, wo denn nun der Pass verlängert werden könnte, rückte sie mit irgendeiner Information heraus, die sich später als falsch heraus stellte. Ich nahm die Koffer wieder zurück auf unseren Gepäckwagen und lief mit Daggi zur zentralen Polizeistelle. Dort wurde Dagmar weiter zum Schalter A51 geschickt. Ein dort tätiger Grenzbeamter hatte angeblich keine Befugnis, das Dokument zu verlängern und die dafür zuständige Stelle war am Neujahrstag natürlich geschlossen.
Also sind wir wieder zur Gepäckaufgabe gelaufen – diesmal an einen „normalen“ Stand. Meine Lieblingsmitarbeiterin hat uns wohl vorbeilaufen sehen und während des Eincheckens ihre Kollegin angerufen. Ganz plötzlich fiel der dann nämlich auch auf, dass der Pass nur bis Ende März gültig ist und Daggi daher nach den Einreisebestimmungen nicht mitfliegen dürfe. Auf meine Bitte, doch einfach mal beide Augen zuzudrücken, durfte sie nicht eingehen. Außerdem bestünde die Gefahr, dass Dagmar am Zielort einfach in den nächsten Flieger gesetzt würde, um nach Hause zurück geschickt zu werden. Und Condor müsste eine sehr hohe Strafe bezahlen.
Daraufhin haben wir es aufgegeben. Dagmar wird am Montag morgen in Friedrichsdorf eine vorübergehende Passverlängerung erhalten und dann nachkommen. Einen Flug hat sie schon gekauft. Umbuchen ging nämlich nicht mehr.
Und so kommt es, dass ich seit inzwischen sechs Stunden alleine im Flieger sitze. Der Platz neben mir bleibt leer, so dass ich mich bei aufkommendem Schlafbedürfnis einigermaßen bequem rumflezen kann. So, jetzt wollt Ihr wahrscheinlich noch wissen, wo wir eigentlich hinfliegen:
Es geht nach MAURITIUS. Das liegt östlich von Südafrika, grob geschätzt. Jetzt im Januar sind es dort zwischen 28 und 30 Grad. Man spricht dort hauptsächlich Französisch, soll aber auch Englisch gut verstehen können. Nun, das werden wir ja sehen.
In Deutschland ist es noch nicht einmal 22.00 Uhr. Das wird noch eine Weile dauern, bis sich bei mir bleierne Müdigkeit breit machen wird. Ich schreibe auf meinem neuen MacBook Air, der mir eine Batterielaufzeit von mehr als sieben Stunden anzeigt.
Mein iPad habe ich schon fast leergesaugt. „Wallanders erster Fall“ habe ich komplett durchgelesen, außerdem den Spiegel von letzter Woche fertig durchgeblättert. Was man halt so macht, wenn man allein ist und nichts zu tun hat.
Sehr überrascht bin ich über einige der Mitreisenden. Nicht nur, dass ein offensichtlich lesbisches Pärchen ständig in der Reihe vor mir rumknutscht und das einzige Baby im Flieger seine Stimmübungen selbstredend in meiner Reihe absolviert – nein, ich treffe auch gleich noch zwei Bekannte. Einen Bub aus meiner Volksschulklasse, an dessen Namen ich mich allerdings nur noch rudimentär erinnere und Wolfgang Herold, den Inhaber der Frankfurter Herold-Studios, der mit Frau und Kind im Flieger sitzt und im Club Med residieren wird. Wo sonst.
Man muss einfach nur positiv denken, dann klappt alles. So auch heute. Statt um 16.00 Uhr ist das Apartment bereits um 11:30 Uhr fertig, nicht zuletzt dank der Unterstützung der FTI-Repräsentantin. Ihren Vortrag über die unbedingt zu buchenden Ausflüge haben wir auf Dienstag, 11:45 Uhr verschoben, wenn Dagmar (hoffentlich) auch dabei ist.
Das Apartment besteht aus einem Schlafzimmer und einem großen Bad mit Dusche. Die Ablagemöglichkeiten sind im Vergleich zu unserem „Mein Schiff“ vom Vorjahr (dämlicher Name, oder?) eher rudimentär. Aber die Räume sind sehr schön gestaltet und eingerichtet. Es gibt sogar einen 32-Zoll Flachbild-Fernseher von SONY. Die Räume sind im Obergeschoss eines zweistöckigen Apartments innerhalb einer recht großen Anlage, etwa 50 Meter vom Zentrum entfernt. Nach dem Duschen bekomme ich auch überraschenden Besuch: Eine etwa 5 cm große Kakerlake huscht durch den Schlafraum. Leider muss ich ihren Besuch durch einen beherzten Tritt beenden. Ich hoffe, dass heute Nacht nicht die ganze Verwandtschaft zum Kondolieren antritt…
Es fällt mir zwar schwer, einzuschlafen, aber irgendwann schaffe ich auch dies. So gegen 17.00 Uhr stehe ich wieder auf und erkunde das Gelände. Eine wirklich sehr schöne Anlage mit zwei Pools, vielen Palmen und erstaunlich wenigen Menschen erwartet mich. Ich lege mich auf eine Liege am Pool und lese meinen Wallander fertig. Zwischendurch planschen Kinder und Jugendliche um mich herum. Erstaunlich, dass die meisten – vor allem die Mädchen – extrem übergewichtig sind. Bei den Eltern ein ähnliches Bild. Fast nur Frauen haben hier einige Zentner zuviel – die Herren sehen ganz passabel aus.
Eigentlich sollte ab 19.00 Uhr das Abendessen stattfinden. Aber es kommt keiner. Stattdessen klimpert ein Klavierspieler vor sich her. Gar nicht mal schlecht, der Kerl. Ich setze mich also an die Bar, trinke ein einheimisches Bier (!!!) und fange den nächsten Mankell an. So gegen acht geht es dann los, das Buffet hat geöffnet. Es ist nicht schlecht, aber auch nicht erwähnenswert spektakulär, was sich mir da anbietet. Ich bin inzwischen schon zur bedauernswerten Person abgestempelt, denn als einziger muss ich alleine essen. Schluchz, heul, flenn. Also schnell weg und wieder an die Bar.
Statt des im Hotelprogramm angekündigten Liedermachers sorgt ein DJ für die nun folgende akustische Umweltverschmutzung. Ein Lied klingt wie das nächste. Ich weiß, ich habe damals als aktiver DJ auch immer behauptet, dass es da ganz gravierende Unterschiede gibt, aber wenn man einfach nur so an der Bar sitzt, seinen Wallander liest und den Lärm ertragen muss, stellt sich das ganz anders dar. In den nun folgenden zwei Stunden gab es gerade mal einen einzigen Titel, den ich auch gespielt hätte: „I shot the sheriff“ von Bob Marley. Im Original. Aber ich werde wohl alt. Auf das Werk hat gerade mal eine einzige Frau getanzt, während bei dem sonstigen Computer-Gedudel die Tanzfläche voller dicker Teenies war, die sogar – wie in der Tanzschule – so eine Art Gruppentanz aufgeführt haben. Doch zurück zu der etwas älteren Dame aus Frankreich, die mir schon am Nachmittag wegen ihres verbissenen Gesichtsausdrucks unangenehm aufgefallen war.
Gleich nach dem Ende des Songs ging sie zurück an die Bar, völlig verschwitzt, und holte sich so ein Asthmatiker-Gerät aus ihrer rosaroten Handtasche, setzte es an und röchelte um ihr Leben. Ob sie das Gehüpfe überstanden hat, kann ich erst morgen vermelden. (Sie lebt noch!)
Die Preise in diesem Hotel haben sich gewaschen. Ein 0,1-Gläschen Wein kostet 4,25 Euro. Eine Stunde Internet etwas über 8 Euro. Eine Flatrate ist kaum bezahlbar. Und die Mehrwertsteuer wird erst anschließend drauf geschlagen.
Um elf verstummt der DJ und Mauritius geht anscheinend zu Bette. Es gibt noch etwa 5-6 Gäste an der Bar, mich eingeschlossen. In Deutschland läuft gleich der Tatort und ich bin alles Andere als müde.
Als ich eben das dritte Gläschen Wein bestellt habe, hat der Barchef demonstrativ auf die Uhr geschaut. Einer geht noch, dann ist Schluss. Um das zu verdeutlichen, hat er mir auch gleich die Rechnung vorgelegt. So beschließe ich diesen ersten Tag auf Mauritius mit gemischten Gefühlen. Und weiteren 300 Seiten Wallander…
Morgen werde ich den ganzen Tag Sport treiben!
Montag, 3. Januar 2011
Morgenstund ist aller Laster Anfang
Grand Baie, 10:00 Uhr morgens am Montag. Das Telefon klingelt. Nicht das Handy, sondern das Telefon im Apartment. Verwirrt komme ich zu mir. Wo bin ich, wer bin ich, was ist das für ein merkwürdiger Klingelton? Es ist Chrystel von FTI, unsere Betreuerin. Sie ruft nur an, um mir zu sagen, dass Daggis Transfer vom Flughafen geregelt ist. Jetzt kann ich nur noch hoffen, dass in der Stadtverwaltung in Friedrichsdorf alles klappt. Daggi hat gestern noch neue Fotos machen lassen, die wohl für dieses Sonderdokument nötig sind.
Zehn Uhr morgens bedeutet allerdings auch, dass ich das Frühstück verpasst habe. Also setze ich mich mal wieder an die Bar und bestelle einen Kaffee. Dieser Kaffee schmeckt bedeutend besser als der für´s gemeine Buffet-Volk. Der Barkeeper – derselbe von gestern Abend übrigens – hat Mitleid mit mir und bringt mir zwei Croissants. Dann schüttet er unaufgefordert nochmal Kaffee nach. Ach, das Leben kann so schön sein.
Im großen Pool herrscht gähnende Leere, Im Kinderpool planschen ein paar Zwerge vor sich hin. Die Sonne scheint aus vollen Rohren. Heute Nacht hat es mal ein paar Minuten kräftig geregnet, aber heute Morgen ist davon nichts mehr zu sehen.
Nun habe ich die große Auswahl. Lesen, Baden, Faulenzen, Sport treiben, Fernsehen (in der Lobby) oder Spazierengehen (Grand Baie ist zu Fuß erreichbar). Außerdem treibt sich draußen ein Glasbottomboot rum, man kann Wasserski fahren oder segeln. Als Erstes werde ich wohl mal wieder eine Stunde Internet ordern, um die neuen Blogs unterzubringen, meine aktuellen Mails abzuholen und eventuell ein paar Jobs zu erledigen. Das Apartment eignet sich recht gut für Sprachaufnahmen, wenn man sie im Bett macht. Ich denke da an einen Lernkurs für Microsoft Office, dessen hunderte von Einzeldateien ihrer Erledigung, sprich Sprachaufnahme entgegensehen. Nee, besser nicht. Ich bin doch im Urlaub, was immer das bedeutet. In zehn Minuten läuft Dagmar in der Friedrichsdorfer Stadtverwaltung auf. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, ob unsere flexible Verwaltung in der Lage sein wird, Daggi einen provisorischen Pass auszustellen, der ihr die Einreise in dieses Paradies auf Erden ermöglicht.
So, jetzt fängt mein Tag an. Ich melde mich morgen wieder.
Dienstag, 4. Januar 2011
Ein aufregender Tag
Inzwischen ist es Dienstag Morgen um 7:55h. Höchste Zeit, den vergangenen Tag Revue passieren zu lassen. Gestern morgen – kurz nach acht Deutscher Zeit die erlösende SMS von Dagmar, dass sie den vorläufigen Pass erhalten hat. Allerdings mit einer üblen Einschränkung: Die Dame in der Stadtverwaltung behauptete, dass dieser Pass von Mauritius nicht anerkannt würde. Zum Glück war ich noch Online, um die letzten Blogs auf die Reise schicken. Deshalb konnte ich ganz schnell feststellen, dass das Außenministerium auf der entsprechenden Webseite mitteilte, dass man sehr wohl mit einem vorläufigen Pass einreisen könne. Entwarnung? Sicherheitshalber hat Dagmar diese Seite ausgedruckt, um sie später ab Flughafen im Zweifelsfall vorlegen zu können.
Sie hatte wirklich einen Schei…tag nach meinem Abflug. Im Reisebüro am Flughafen (Terminal 1, Abschnitt B) sagte man ihr, dass sie den Flug nur bei FTI im neuen Terminal 2 umbuchen könne. Dann ist sie also mit dem ganzen Gepäck ins neue Terminal gefahren, hat lange nach FTI gesucht, um dann dort zu erfahren, dass e-tickets direkt bei Condor in Terminal 1, Abschnitt C, umgebucht werden müssten. Also wieder zurück. Dort erfahren, dass Umbuchen schon mal gar nicht mehr geht. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als ein neues One-way-Ticket nach Mauritius zu buchen. Dann war Christiane, ihre Freundin, so nett, sie vom Flughafen wieder abzuholen. Abends ging sie schon früh zu Bett, wurde dann aber ständig von irgendwelchen Anrufern geweckt – zuletzt von meiner SMS, dass ich sicher gelandet sei.
Wie lief der letzte Tag? Nun, so langsam komme ich mir vor wie ein tibetanischer Mönch mit Schweigegelöbnis. Außer ein paar Getränkebestellungen habe ich noch kein Wort von mir gegeben. Ich sitze den ganzen Tag rund um den Pool und lese, lese, lese. Nach Mankells ersten Kriminalfällen einen Thriller von Michael Chrichton, dann noch einen Krimi von Frank Schätzing, „Mordshunger“. Da wir ihn unserem Hotel nur Halbpension gebucht haben und ich das Frühstück bereits verpasst habe, ist der Hunger bei mir inzwischen auch durchaus ausgewachsen. Ich verlasse erstmal das Hotel und suche ein Restaurant außerhalb der Anlage. In Mauritius ist der zweite Januar ebenfalls ein Feiertag, wie sich herausstellt. Geschäfte sind geschlossen und der Eingeborene nutzt den Feiertag zum Grill-Picknic am Strand. Irgendwann finde ich ein schönes Restaurant direkt am Ufer mit vielen Leuten und leckeren Gerichten auf ihren Tellern. Leider werde ich nicht bedient. Nach langer Wartezeit, die ich verzweifelt aus der Wäsche schaue, kommt endlich ein Mitarbeiter des Hauses, um mir zu erklären, dass dies ein Privatclub sei, in dem ich nichts zu Essen bekäme.
Bin ich also wieder ins Hotel zurück und habe mich an dem üblichen Buffett bedient. 15,40 Euro + eine Flasche Wasser + Steuern. Danach wieder ab an den Pool und weitergelesen. Zwischendurch kommt eine SMS, dass Daggi mit dem vorläufigen Pass einreisen darf. Leider gibt es aber ein anderes Problem: Die Maschine ist überbucht. Die großzügige Lösung ist ein Upgrade in die erste Klasse. Na also, geht doch. Kaum eine Stunde später ein Anruf von Patrick, Dagmars Sohn. Ob die Mama gut gelandet sei? Ich erkläre ihm, dass das mit dem Beamen noch immer nicht funktioniert und er sich daher noch rund 12 Stunden gedulden müsse. Um 18.30 Uhr an die Bar, ein Bier trinken, danach Buffett. Abends wieder „tolle“ Musik, diesmal von einem Keyboardspieler mit angeschlossener Sängerin. Das Publikum ist entsprechend älter und tanzt wie blöde. Völlig aus dem Takt zwar, aber was soll´s. Irgendwann ergreift einer der Gäste, ein alter Engländer, das Mikrophon und versucht sich in einem Evergreen. Er singt so falsch, dass ich mich nicht mehr auf mein Buch konzentrieren kann. Für das Gejammer bekommt er sogar noch großen Applaus, der ihn später dazu animiert, sich auch noch beim Tanzen gründlich zu blamieren. Zum Glück ist um 23.00 Uhr Schicht und alle gehen ins Bett. Ich auch. Wird Zeit, dass Daggi kommt.
Mittwoch, der 5. Januar 2011
Besuch aus der alten Welt
Besuch aus der alten Welt
Eine miserable Nacht. Ständig werde ich wach, höre Geräusche, fürchte Cockroaches auf dem Rachefeldzug. Die Klimaanlage ist entweder zu schwach oder zu stark. Es will mir nicht gelingen, fest zu schlafen. Kein Wunder – mein innerer Wecker steht auf sieben Uhr. Das ist „in Wirklichkeit“ vier Uhr morgens. Aber ich will so früh aufstehen, weil Dagmar nach meiner Berechnung so gegen acht Uhr eintreffen müsste. Dem ist tatsächlich so. Um viertel nach acht taucht sie im Frühstücksraum auf. Ausgeschlafen, frisch und gut gelaunt. Man sollte nur noch erster Klasse fliegen. Die Verpflegung an Bord muss gigantisch gewesen sein. Natürlich muss sie sich nach dem zweiten Frühstück hier im Hotel auch erst mal wieder restaurieren. 15 Stunden (inklusive An- und Abreise zum und vom Flughafen) sind eine lange Reisezeit. Ich zeige ihr dann die Anlage und im Nu liegen wir auf den Strandliegen, genießen das tolle Wetter und die relative Einsamkeit, denn außer uns sind höchstens zwei oder drei weitere Gäste anwesend. Daggi schwimmt ein bisschen im Meer rum und schläft dann erschöpft auf der Liege ein. Ich lese die aktuelle c´t, die sie mir mitgebracht hat und tippe ein bisschen auf meinem Computer rum. Um viertel vor elf kommt dann auch Chrystal von FTI. Sie sagt ihr Sprüchlein auf, was wir hier alles anstellen könnten und überredet uns zu drei Inseltouren, die wir am kommenden Donnerstag, Samstag und Montag unternehmen wollen.
So, inzwischen habe ich mal ein bisschen im Reiseführer rumgeblättert. Mauritius hat 1,2 Millionen Einwohner und ist nicht größer als Berlin. Ganz früher haben hier hauptsächlich Piraten gewohnt. Dann haben die Holländer die Insel besetzen wollen, sind aber wieder vertrieben worden. Anschließend haben es die Franzosen versucht, unter anderem mit 100.000 Sklaven aus Indien, von denen die Hälfte wieder an Krankheiten und Naturkatastrophen eingegangen ist. Das war wohl das Angriffssignal für die Engländer, die aber eine Weile gebraucht haben, bis die Franzmänner genervt aufgegeben haben. Die vielen Weißen, Inder und Afrikaner haben ein buntes kreolisches Volk hervorgebracht, deren offizielle Landessprache englisch ist. Spricht aber kaum einer wirklich gerne. Die höheren Schichten bevorzugen Französisch und 95% der Einwohner unterhalten sich in Kreolisch, was auch ein bisschen französisch klingt. Seit 1989 ist die Insel eine selbstständige Republik. So, ich hoffe, ich habe mir das alles richtig gemerkt. Falls Ihr Fehler findet, könnt Ihr sie gerne behalten.
Wir zwei haben dann unsere Hotelanlage zu Fuß verlassen und sind nach Grand Baie gelaufen. Das klingt sehr sportlich, ist aber nur 10 Minuten weit. Grand Baie klingt auch größer als es ist. Selbst die Hugenottenstraße in Friedrichsdorf ist um Einiges länger. Aber es ist definitiv mehr los. Ein Restaurant, eine Kneipe reiht sich an die andere und dazwischen ist immer noch Platz für viele Mode- und Schmuckgeschäfte. Sogar zwei Einkaufszentren haben wir in einer der wenigen Nebenstraßen gefunden. Wir kehren in einer gemütlichen Hofkneipe („Cocoloko“) auf ein Bier ein und genießen die nette ortstypische Musik, die dezent im Hintergrund läuft. Selbstverständlich gibt es hier Wireless Lan und ich nehme mir vor, beim nächsten Upload dieser Posts dem Hotel kein weiteres Geld mehr in den Rachen zu schmeißen. Leicht angetüdelt wandern wir weiter durch die Straßen von Grand Baie. Der Ort liegt direkt an einem öffentlichen Strand, an dem riesige Mangobäume Schatten spenden. Unser Mittagessen nehmen wir in einem rustikalen Restaurant direkt am Meer ein. Es gibt Chicken Curry für mich und irgendwelchen Fischkram für Dagmar. Herrlich.
Ermattet laufen wir wieder nach Hause, diesmal noch kürzer direkt am Meer entlang. Dagmar legt sich eine Runde aus Ohr und tippe endlich diesen heutigen Blog fertig. Nachher gehen wir nochmal ins Meer.
Ob das klappt und was sonst heute noch so passieren wird, erfahrt Ihr morgen oder irgendwann.
Ich könnte jetzt schon wieder ein Bier vertragen…
Mittwoch, der 5. Januar 2011
Das Nachtleben von Grand Baie
Nach der Erkundung der großen Stadt „Grand Baie“, die vielleicht 10.000 Einwohner hat (inklusive der Touristen!), gehen wir ins Wasser. Zunächst in den Pool, dann auf Bitte Dagmars auch ins Meer. Daggi findet das Meer nämlich viel sauberer als den Pool. Ich sehe das anders. Ich sehe noch nicht mal meine Füße, als ich bis zum Bauch drin stehe. Kein Wunder, wir baden ja auch in einer Brühe, durch die täglich hunderte von Motorbooten tuckern. Ich will nicht unbedingt behaupten, dass das Meer nach fauligem Brackwasser stinkt, aber unter „sauber“ stelle ich mir was Anderes vor. Z.B. das Wasser der Dusche, die uns wieder von Salz und Dreck befreit.
Wir faulenzen uns so durch den Nachmittag und ziehen uns dann für das Abendessen um. Ist hier Pflicht; in Shorts bekommt man nichts zu essen. Es wird wieder reichlich aufgefahren, aber wirklich lecker sind nur wenige Speisen. Wir bleiben mal wieder an einem WOK-Gericht hängen und essen Obst zum Nachtisch. Die musikalische Untermalung kommt diesmal aus Indien. Ravi Shankars Enkel geben sich die Ehre und quälen ihre Sitars. Der verantwortliche Musikplaner des Hotels hat irgendwie kein gutes Händchen. Nachmittags am Pool läuft zwar dezent ganz angenehme Pop-Musik von einer CD, aber warum jeder Titel grundsätzlich dreimal hintereinander läuft, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Ich kenne auch gar keinen CD-Player, bei dem man einstellen kann, wie oft jeder Titel wiederholt werden soll. Hier ist das aber der Fall – und zwar immer und grundsätzlich.
Nach dem Essen laufen wir wieder am Strand entlang zurück in die Kneipe, die wir schon am Mittag besucht haben. Inzwischen ist es gerammelt voll und wir setzen uns direkt an die Bar. Der Weißwein schmeckt ein bisschen nach Sprit, was sich durch Verdünnen mit Eiswürfeln einigermaßen verschleiern lässt. Das Wireless Lan ist kostenlos und viel schneller als im Hotel. Ich kann sogar einen Videoclip runterladen, den mir Nobi geschickt hat. Danke, wir haben sehr gelacht!
In dem Laden läuft sehr angenehme Trance-Musik á la Café del Mar und der Wein schmeckt immer besser. Als eine der vielen Flaschen, die dort an dem Abend geöffnet werden, verkorkt ist, werden die Getränke fein säuberlich in die Flasche zurückgekippt – zwecks Reklamation beim Lieferanten.
Die nächste Flasche ist wieder OK. Vielleicht auch nicht, denn der frühe Morgen beschert mir doch recht intensive Kopfschmerzen.
Bis zum Aufstehen um neun bin ich aber wieder auf dem Damm. Irgendwie wird im Moment alles zur Routine: Aufstehen – Frühstücken – Blog schreiben – schwimmen – lesen. Als wäre ich im Urlaub. Ich könnte bei der Wassergymnastik im Pool mitmachen, aber da würde ich als Jüngster ja nur unangenehm auffallen. Daggi döst vor sich hin und lässt sich fein braun brutzeln. Und damit klappe ich Kapitel sieben zu.
Klapp.
Und gleich wieder auf.
Klapp.
Kaum, dass ich die letzten Zeilen geschrieben habe, verdunkelt sich der Himmel. Aus vereinzelten Regentropfen wird ein Tropensturm, der sich gewaschen hat. An Schwimmen oder Sonnen ist natürlich jetzt nicht mehr zu denken. 30 Minuten lang tobt der Himmel, dann klart es sich genau so schnell wieder auf wie es sich verdunkelt hat.
Sun is shining. Ein paar Runden durch den Pool und ein paar Minuten Rückenmassage im Jakuzzi oder wie das Ding heißt. Dann ist es schon wieder ein Uhr mittags. Daggi geht sich duschen, ich mache mich stadtfein – und wenn es nicht gleich noch mal donnert, laufen wir endlich in die kleine Metropole.
Donnerstag, der 6. Januar 2011
Der Süden – komplett
Sieben Uhr morgens. Höchste Zeit, für unsere erste Tour auf dieser Insel aus den Federn zu springen. Von gestern gibt es nichts Besonderes mehr zu berichten. Höchstens, dass wir uns darauf geeinigt haben, die Halbpension nicht mehr so häufig in Anspruch zu nehmen. Das musikalische Angebot des Hotels ist auch alles Andere als ein „Must have“, so dass wir gestern Abend auf unserer Terrasse saßen, ein Fläschlein australischen Chardonnays verdrückten und unsere Musik aus dem iPad kam. Geniale Musikauswahl. Wer das wohl wieder zusammengestellt hat…
Doch nun zum großen Ausflug. Der Tourbus kommt mit leichter Verspätung – und zu meiner großen Überraschung sitzt da drin schon ein Pärchen, mit dem ich am Sonntag morgen vom Flughafen ins Hotel gefahren bin. Er ist ein jovialer Immobilienkaufmann aus Bad Vilbel und seine Frau/Freundin; eine Schneiderin für Hochzeits- und Abendkleider aus Polen. Vor dem eigentlichen Start der Tour musste noch ein weiteres Pärchen abgeholt werden. Zu Dagmars großer Überraschung handelt es sich um ein Pärchen, mit dem sie am Dienstag morgen vom Flughafen ins Hotel gefahren ist. Die Insel ist halt doch ziemlich klein. Beide hörbar aus Sachsen. Das dritte Pärchen kommt aus Luxembourg. In Port Louis, der Hauptstadt der Insel, steigt dann auch unsere Tourleiterin zu. Eine mollige 50-jährige mit sehr guten Deutschkenntnissen und nur einem Fehler: Sie kann den Mund nicht halten. Was sie uns alles in den insgesamt sechs Stunden erzählt, hat nur zu 10% mit der Insel oder deren Sehenswürdigkeiten zu tun. Wir wissen nun alles über ihre Ehe (geschiedener Mann, inzwischen gestorben), ihre Kinder (Junge 18, Mädchen 17), deren Erziehungsprobleme (reicht der Platz nicht), ihr Gehalt (umgerechnet 150.- Euro im Monat), ihre Ängste und Sorgen, ihre Altersvorsorge und und und… Mit diesen ganzen Informationen müsste ich in der Lage sein, einen sozialkritischen Roman über das Leben im vermeintlichen Paradies zu verfassen. Dass sie mehrmals erwähnt, dass sie verrückt sei, bleibt von allen Teilnehmern unwidersprochen. Außer von uns bekommt sie auch kein Trinkgeld (was ich auch eher als Schweigegeld betrachtet habe).
Doch nun zu den Sehenswürdigkeiten im Süden dieser wunderschönen Insel. (Ich muss das alles immer wieder mal betonen, sonst denkt ihr, mein Gemecker müsse negativ bewertet werden. Alles ist schön: Das Hotel, die riesengroßen Pools, die Zimmer. Die Natur ist einzigartig, die Menschen sind extrem freundlich und man fühlt sich sicherer als irgendwo sonst auf dieser Erde – soweit ich das bisher beurteilen kann. Mein Kritik besteht nur aus Beobachtungen, die Raum zur Optimierung bieten. Wie im Hotel z.B. das Buffett oder die musikalische Berieselung.)
Als erstes besuchen wir eine Werkstatt für Holzspielzeug, um das mal etwas despektierlich zu sagen. Tatsächlich werden hier Schiffsmodelle aus Holz in wochenlanger Handarbeit angefertigt, die so wunderschön aussehen, dass man sie sich gerne ins Wohnzimmer stellen würde – wenn man darauf steht. Bei mir passt die Titanic oder die Gorch Fock leider nicht rein. Außerdem werden hier Flugzeuge aus Holz gebastelt (Daggi hätte sich beinahe eine Boing 727 gekauft). Die Preise sind für diese Wahnsinnsfummelei moderat: Ein großes Schiff (ca. 70 cm lang) bekommt man schon für 105.- Euro. Passt leider nicht in den Koffer und bleibt somit vor Ort.
Direkt gegenüber hat ein gewisser Hugo Boss seinen Laden. Hier gibt es alles, was das Modeherz begehrt, zum deutlich günstigeren Preis als auf der Frankfurter Zeil, was wohl auch daran liegt, dass die ganzen Sachen hier hergestellt werden. Allerdings sind die Dinge nicht so billig, wie man es vielleicht erwarten könnte. Leider haben wir nicht genug Zeit, uns gründlich umzusehen. Dazu müssen wir wohl noch ein zweites Mal nach Port Louis fahren.
Weiter fährt der Bus durch die morgendliche Rushhour gen Süden. Wir fahren an einer Villa vorbei, die angeblich dem Besitzer von Coca Cola gehört. Noch interessanter ist, dass der Besitzer von Pepsi-Cola gleich nebenan wohnt. Falls der geneigte Leser unter diesen Umständen selbst mit dem Gedanken spielt, sich hier häuslich niederzulassen, dem seien einige Voraussetzungen verkündet: So darf man nur hierher ziehen, wenn man mit seinem eigenen Geld im Land investiert. Sollte man einen Mauritier oder eine Mauritierin heiraten, darf man auch ins Land. Wenn sich die Ehe aber als glücklos erweisen sollte, muss man spätestens zwei Jahre nach der Scheidung das Land wieder verlassen haben. Die sozialen Unterschiede sind hier noch um einiges größer als bei uns. Das gesamt Geld der Insel befindet sich in gerade mal 15 Familien. Wenn ein Mitglied dieser Familie jemanden heiraten will, der nicht diesem Stande angehört, wird er enterbt, was letztendlich die Inzucht nicht unerheblich fördert.
Weiter mit der Tour. Mauritius ist irgendwann mal aus einem Vulkan entstanden. Reunion, die Nachbarinsel hängt da auch irgendwie unterirdisch mit drin. Alle Vulkane sind inzwischen erloschen und da liegt es nahe, uns Touristen mal in den Schlund eines solchen Ungetüms blicken zu lassen. Hübsch, sehr hübsch.
Weiter geht’s zu einem monumentalen Hindu-Denkmal. Eine Menge Götter und ihre Geschichten werden uns erklärt – das ist alles ein bisschen kompliziert zu verstehen und soll hier nicht weiter vertieft werden. Interessant ist vielleicht, dass in dem See am Tempel unglaublich viele Aale unglaublich viel Weißbrot fressen, dass von unglaublich vielen Touristen da rein geworfen wird.
Apropop Wasser: Das Trinkwasser der Insel kommt aus diversen Bergseen, die den häufigen Regen einfangen. Es ist derzeit nicht nur Zyklon-Zeit, sondern auch Regenzeit, was wir an den ständigen kleinen und großen Schauern merken, die uns auf der Tour begleiten. Trotzdem fehlt Wasser. Die Seen sind schon zur Hälfte ausgetrocknet. 1999 soll es so schlimm gewesen sein, dass selbst Touristen nur zwei Liter Wasser am Tag verbrauchen durften. Beschließe spontan, den Trinkwasserverbrauch deutlich zu reduzieren und nur noch Cocktails zu trinken.
Inzwischen ist es 12 Uhr mittags geworden und wir laufen zur im Tourpreis inbegriffenen Mittagsmahlzeit ein. Ein sehr schönes, sehr großes Holz-Restaurant mitten in den Bergen. Chirac war schon hier, Prinz Edward aus dem Buckingham-Palace und jetzt wir. Eine würdige Entwicklung. Auch hier hat man sich auf ein Buffett spezialisiert. Ein Buffett allerdings, dass sehr viele unterschiedliche Speisen bietet, die allesamt supergut schmecken und die wir hier in der Einöde auch gar nicht erwartet haben. Bis auf das Problem, dass die Dame aus Sachsen die Chilipaste vielleicht nicht mit dem großen Löffel hätte essen sollen, ist alles ganz harmonisch. In den wenigen Kaupausen, die uns unsere Führerin lässt, können wir uns auch untereinander ein bisschen näher kommen. Und wir machen den ersten Kontakt mit weiteren Geschöpfen dieser Insel: Fast jeder fängt sich ein paar Mückenstiche ein. Fast wie im Dschungelcamp – nur ohne Maden
Aber schon nach etwa 30 Minuten geht die Tour weiter. Jetzt geht es in das Naturschutzgebiet von Mauritius. Früher bestand die Insel ja zu 100% aus Wäldern. Jetzt sind es angeblich nur noch 10% und die müssen natürlich geschützt werden. Erste Station: Der Wasserfall. Ein bisschen mickrig, wenn man schon mal den Niagara-Fall gesehen hat, aber immerhin auch echt. Der einsetzende Regen hat alle Mücken dieser Erde hierher gelockt, so dass ich es vorziehe, im Bus zu bleiben. Außerdem fängt es an zu hageln. Dagmar kämpft sich tapfer durch und wird auch kaum nass, da die Bäume den Regen doch sehr abhalten. Zweite Station: Die sieben Farben. Wenn man weiß, dass ein PC im Schnitt 16,8 Millionen Farben darstellen kann, haut einen das nicht um, aber es handelt sich hier um sieben verschiedene Farben von Erde, die aufgrund unterschiedlicher Materialzusammensetzungen und diverser Oxidationsprozesse eben diese sieben verschiedenen Farben angenommen haben. Klauen der Erde ist verboten. Ich wüsste auch nicht, was ich damit anfangen sollte. Man bekommt sie sowieso an jedem Andenkenstand, wobei ich zu bedenken gebe, dass es sich dabei um Fälschungen handeln könnte.
Letzte Station: Uralte Schildkröten. Papa und Mama sind so um die 250 Jahre alt und die Kinder (die sich im Dreck wälzen, wie es sich für Kinder gehört) sind auch schon um die siebzig. Bevor ich beginne, Vergleiche der Schildkrötenhaut mit der Haut anwesender Tourteilnehmer durchzuführen, schlurfe ich lieber wieder in den Bus. Das war´s, weitere Besichtigungen verbieten sich schon alleine aufgrund des einsetzenden Tropensturms. Die Rückfahrt ins Hotel dauert dann fast noch zwei Stunden und wir sind ziemlich K.O.
Das Abendprogramm sieht Hummeressen vor. Mal sehen, was daraus wird…
Samstag, der 8. Januar 2011
Der Hummer war der Hammer
Auch wenn das der Hummer vermutlich anders sieht: aber unser Hummeressen ist wirklich klasse. Zwei Riesenviecher mit vier Soßen, Gemüse, Salaten und Reis. So alle paar Jahre muss man sich das mal leisten. Dies ist erst mein dritter Hummer am Stück; Daggi hatte schon öfter Gelegenheit, sich diese Biester einzuverleiben. Nach dem Festessen gehen wir noch in unsere WLAN-Kneipe „Cocoloko“ und aktualisieren unseren Maileingang. Gegen Mitternacht Heia.
Über den heutigen Freitag lässt sich zunächst nicht viel berichten. Nach dem Frühstück mache ich es mir in unserem Bad gemütlich, schließe das Mikrophon an und spreche die aktuellen Ansagen für Antenne Brandenburg. Das Bad hat nämlich die beste Akustik in unserem Apartment. Die Aufnahmen klingen im Kopfhörer ausgezeichnet, sodass ich ab sofort hier auch Aufträge annehmen kann. Wir sind ja schließlich nicht zum Vergnügen hier…
Dann ist Pooltime. Die Poolgymnastik lassen wir aus. Stattdessen traue ich mich ein weiteres Mal ins Meer, in dieses wunderbare, supersaubere Wasser. (Ihr seht, ich lerne schnell…) Meine Füße kann ich immer noch nicht sehen, aber das wird vielleicht an meinen Augen liegen…
Dann ein bisschen relaxen, lesen, rumtrödeln, schwätzen und schatzen. Es ist verdammt heiß heute. Wer immer behauptet hat, auf Mauritius wären es immer zwischen 28 und 30 Grad, hat großen Stuss erzählt. Unsere gestrige Reiseleiterin sagte, es kann im Winter bis zu sieben Grad kalt werden und im Hochsommer sogar weit über 40 Grad. Im Schatten. Den sollte man demzufolge meiden.
Heute sind es gute dreißig Grad. OK, Ihr da in Deutschland, ich habe heute einige Facebook-Meldungen mit den aktuellen Temperaturen von Euch gelesen. Bitte seid nicht neidisch, aber heißer als heute sollte es bitteschön nicht mehr werden. Allein die 400 Meter einmal rund ums Hotel auf der Suche nach einer alternativen Futterquelle ( – die es nicht gibt – ), kosten uns die letzten Kräfte. Wir essen also im Hotel „A la carte“. Für Dagmars Salat und meinen Clubsandwich braucht die Küche geschlagene 45 Minuten. Wird wohl an der Hitze liegen.
Völlig geplättet legen wir erstmal eine Mittagspause ein. Gerade im schönsten Tiefschlaf wecken uns die Zimmermädchen. Also raus aus der Kiste und ab ins „Cocoloko“ und mit Kaffee und Fruchtsäften die Lebensgeister reanimiert. Denn unser Tagesziel heißt „PORT LOUIS“, die Hauptstadt der Insel. Weil wir beide ja recht selbstständige Menschen sind, verzichten wir auf den Luxus einer geführten Profitour und nehmen den Bus. Aus dem ersten Bus müssen wir gleich wieder aussteigen, weil der in die falsche Richtung fährt. Aber der zweite alte Klapperkasten der Marke British Leyland (früher sagte man immer „British Elend“, haha) bringt uns in etwa 70 Minuten in die zwanzig Kilometer entfernte Metropole. Auf Stoßdämpfer hat man in diesem Modell verzichtet, so dass jeder Hubbel auf der Straße zu einer Zerreißprobe für meine Bandscheiben wird. Daggi macht´s nix aus. In meinem nächsten Leben werde ich auch sportlich.
Von der Stadt selbst sehen wir gar nicht sonderlich viel. Vom Busbahnhof laufen wir bis zum Postmuseum, um uns die „Blaue Mauritius“ anzusehen. Diese berühmte Briefmarke gibt’s nur ein paarmal auf der Welt. Berühmt ist sie nur deshalb, weil sie ein Fehldruck ist. Gefehlt haben wir auch in der Annahme, dass dieses Briefmarkenjunkiehighlight einfach so zu besichtigen wäre. Es ist gerade mal zwanzig Minuten nach 17.00 Uhr – und das Museum hat geschlossen. Na ja, denken wir, wenn wir schon mal hier sind, schauen wir uns eben diese großartigen Einkaufspassagen an, die man hier direkt am Hafen neu erbaut hat. Die Namen der berühmtesten Modeschöpfer reihen sich Geschäft für Geschäft auf – alleine kaufen kann man nichts. Es ist 17.30 Uhr und die Läden sind zu. Nochmal zum Mitschreiben: ES IST FREITAG ABEND UM 17:30 UND DIE LÄDEN SIND ZU!!!!! Fast alle. Irgendwelchen Billigkrempel bekommt man auch jetzt noch vereinzelt.
Das ist für uns irgendwie schwer zu verstehen. Da beträgt der durchschnittliche Monatslohn also nur umgerechnet 7,50 am Tag und dann schließen sie die Läden schon um 16.00 Uhr zu. (Ja, genau: 16:00 Uhr ist die offizielle Ladenschlusszeit!). Obwohl, eigentlich macht es ja Sinn. Wenn man erst um 16.00 Uhr Feierabend hat, kann man das mühsam verdiente Geld dann wenigstens auch nicht mehr ausgeben. Kaufen können sowieso nur die Touristen oder die 15 reichen Familien mit ihren Clans. (Unsere Reiseleiterin: „Oben wohnen die Reichen, unten die Bunten.“)
Wir zählen uns weder zu den Reichen ( – alles ist relativ – ) und auch nicht zu den Bunten, obwohl wir inzwischen deutliche Schäden durch Sonneneinwirkung zu verzeichnen haben, aber wir wollen den Abend in Port Louis doch wenigstens mit einem schönen Abendessen beenden. Es ist noch ein bisschen früh für die Speisekarte, aber für ein Pint Bier in einem sogenannten „PUB“ passt die Uhrzeit feinstens. Auch hier wieder problemloses, kostenloses Internet für alle. Warum gibt´s sowas bei uns immer noch nicht?
Rund um das geschlossene Einkaufszentrum befinden sich Dutzende von FastFood-Restaurants und Kneipen. Sogar ein Spielcasino lacht uns an, hat aber beileibe nicht das Flair der „Mutter von Monte Carlo“, also der Bad Homburger Spielbank. Da wir keinen Bock auf FAST FOOD haben, landen wir nach langer Suche auf einem Schiff. Es ist ein italienisches Restaurant namens „Mamma Italia“, das sehr romantisch im Hafen verankert ist. Man sitzt im Freien – unter Baldachinen – und hört feine Musik, während das traumhafte Personal die lukullischen Kostbarkeiten anschmort, auf die man schon seit zehn Jahren wartet. Hatten wir uns jedenfalls so vorgestellt. Es kam ein bisschen anders. Die Flasche Rosé-Wein, die ich leichtsinnigerweise geordert hatte („Bei dem Preis kann man nichts falsch machen!“) entpuppte sich als klebrige Süßspeise mit Spritgeschmack. Nur durch Verdünnen mit Perrier (die Flasche zu 10 Euro) und der Zugabe von Eiswürfeln und Zitronenscheiben ließ sich diese Plörre runterschlucken. Vermutlich ist das die erste Flasche Wein, die ich nicht ausgetrunken habe.
Nun denn, wir wollten ja nicht unhöflich sein und haben uns sehr auf das Essen gefreut. Die Melone mit Schinken war auch allerfeinst. Ich war fast schon wieder guter Laune. Dann aber kamen die Hauptgerichte. Daggi hatte vier gekochte Rindfleischscheiben mit Tomatensoße. Und vier Scheiben Baguette. Sonst nichts. Kein Gemüse, kein Salat, keine Kartoffeln, Reis oder sonstige „Sättigungsbeilagen“. Nur Fleisch mit Brot. Mein „Saltimbuco Romana“ entpuppte sich als vier Scheiben gekochte Rindfleischscheiben mit einer Schicht Kochkäse und zerstückelten Formschinkenscheiben obendrauf, garniert von sieben (!) Scheiben Baguette und einer geraspelten Möhre. Wir haben das Essen abgebrochen und sind geflohen. Wenn die Mafia hier Fuß fassen will, muss sie erst mal ein paar gescheite Köche herschicken.
Auf dem Weg zum Taxistand läuft mir eine Fastfood-Kellnerin mit gebratenen Nudeln über den Weg. Vollbremsung, Bestellung, Verputzung. Bin jetzt endlich satt.
Das Taxi nach Hause ist auch so ein Abenteuer. Das japanische Gefährt unseres Chauffeurs dürfte so in den sechziger Jahren zugelassen worden sein. Es funktionieren weder eine Instrumentenbeleuchtung noch die Instrumente selbst; das Licht der Scheinwerfer erhellt eher den Himmel denn die Fahrbahn, der Auspuff ist löchriger als die Innenverkleidung und die fehlenden Stoßdämpfer harmonieren mit der durchgesessenen Rückbank auf das Vorzüglichste. Der Zustand des Fahrzeugs zwingt unseren Fahrer daher, sehr vorsichtig zu chauffieren, sodass sich unsere Angst in Grenzen hält.
Daggis Angst wird dann nur durch die KARAOKE-Party im Hotel geweckt. Ich war nämlich mal wieder fast so weit, „Yesterday“ von den Beatles vorzutragen. Zum Glück gibt es dafür kein Playback. Also setzen wir uns noch ein bisschen auf die Terrasse an unserem Apartment. Daggi liest, ich schreib diese Zeilen und jetzt wird es höchste Zeit für einen Turboschlaf: Um fünf Uhr klingelt der Wecker, weil wir partout Delfine sehen wollen.
Samstag, der 10. Januar 2011
Der Tag am Meer
Während sich in Deutschland langsam die Discotheken füllen, klingelt bei uns der Wecker. Wir haben heute eine Verabredung mit echten Delphinen. Kurz vor sechs erhalten wir ein rudimentäres Frühstück. Dabei stellt sich heraus, warum der Kaffee hier so gruselig schmeckt: Es handelt sich um Nescafé! Und das, obwohl die afrikanischen Kaffeeplantagen gar nicht weit weg sind. Kurz nach sechs holt uns ein sehr redseliger Fahrer ab. Wie immer geht es um Politik, die unfähige Regierung, den Beschiss im Allgemeinen und das eigene Elend im Besonderen. Wir fahren wieder in den Süden, durch Port Louis durch bis nach Tamarin. Es herrscht noch relativ wenig Verkehr und unser Fahrer heizt durch die Gegend, dass einem Angst und bange werden kann. Gegen halb acht kommen wir am Startpunkt der Reise an. Rund zwei Dutzend Bootseigner teilen sich die Kundschaft auf. Die kleinen Motorboote fassen jeweils 5-10 Personen. Wir sind zu neunt, darunter eine Familie aus „Capetown“, also Kapstadt und zwei weitere Südafrikaner aus Durban. Sie ist etwa 21, sehr hübsch und ein bisschen arrogant und Er dürfte etwa vier bis fünf Jahre älter sein, auch sehr hübsch, aber mit nur einem Bein. Stattdessen baumelt eine Metallprothese am Kniestumpf des rechten Beines. Vermutlich ein Motorradunfall. Die beiden Crewmitglieder tragen ihn an Bord, weil seine Prothese nicht nass werden darf.
Und los geht’s! Mit zwei mal 75 PS jagt das Boot durch die Wellen. Nach ein paar Minuten stoppt unser korpulenter Fahrer die Maschinen und wir pirschen uns langsam in die Nähe vieler anderer Boote, die alle dasselbe suchen: Delphine. Und plötzlich sehen wir sie: etwa 4-5 relativ kleine Flipper pflügen durch die Wellen. Dann sind sie wieder weg. Unser Fahrer gibt wieder Vollgas und steuert eine weitere Bootsgruppe an. Hier lohnt sich´s schon eher. Etwa 30-40 Delphine tauchen regelmäßig auf, um Luft zu holen. Nun dürfen wir von Bord, um die Tiere von ganz Nahem zu erleben. Anfassen ist aber verboten. Nach und nach gehen einige der Tourteilnehmer ins Wasser. Aus Sicherheitsgründen führen sie einen Ballon mit, auf dem „Diver under water!“ steht, damit sie nicht von den anderen Booten überfahren werden, was wohl des öfteren vorkommt und auch mal tödlich enden kann. Wieder an Bord, schwärmen die Schnorchler von den tollen Eindrücken, müssen aber zugeben, dass die Delphine doch um Einiges schneller sind als wir Menschen. Kurzum: Kaum sind wir im Wasser, sind die lieblichen Meeressäuger auch schon wieder weg. Und damit beginnt ein etwa einstündiges Katz- und Mausspiel. Unser Fahrer sichtet irgendwo Delphine, fährt ein Stück außen rum und lässt seine Gäste just in dem Moment ins Wasser platschen, wenn die Viecher vorbei geschwommen kommen. Auch unser Einbeiniger geht ins Wasser. Dazu nimmt er die komplette Prothese ab und humpelt auf einem Bein an den Bootsrand. Er braucht verständlicherweise nur eine Flosse. Im Wasser kann er sich ebenso geschickt bewegen wie alle anderen.
Irgendwann fragt man Dagmar und mich, warum wir nicht ins Wasser wollen. Dagmar will nicht, weil sie vor den vielen Booten Angst hat und ich kann nicht, weil meine Badehose in Dagmars Rucksack steckt. Umziehen vor all den Leuten ist nicht drin – also bleibe ich an Bord und beobachte das Ganze aus sicherer Entfernung. Irgendwie habe ich da am Morgen falsch geschaltet. Eigentlich hätte ich in Badesachen losfahren sollen und mich erst am Ende wieder anziehen wollen. Aber morgens um halb sechs ist die Welt bei mir eben noch nicht in Ordnung…
Inzwischen ist es neun Uhr und wir fahren weiter. Diesmal stoppt das Schiff, um uns das Schnorcheln zu ermöglichen. Viele bunte Fische gibt es zu sehen und alle – außer mir – sind im Wasser, um sich das bunte Treiben anzusehen. Endlich kann ich mal meine Unterwasserkamera ausprobieren. Daggi filmt etwa 30 Sekunden unter Wasser, nimmt aber leider den Finger nicht von der Linse, so dass die cineastische Ausbeute eher gering ist. Immerhin ist die Kamera immer noch dicht. Auch hier wird es nach einer knappen Stunde langweilig und wir fahren daher an die Anlegestelle zurück. Hier wechseln wir das Boot, um nun als Nächstes eine unbewohnte Insel aufzusuchen. Unser neues Boot ist ein Schlauchboot, das ebenfalls mit zwei 75-PS-Außenbordern angetrieben wird. Die etwa zehnminütige Fahrt wird durch einen Stop an einem Korallenfelsen unterbrochen, auf dem ein Weihnachtsbaum geschmückt wurde. Warum nicht. Andere Länder, andere Sitten. Dann rast das Boot weiter, ohne die geringsten Rücksichten auf unsere Bandscheiben zu nehmen, die auch hier wieder fürchterlich leiden müssen.
Inzwischen ist es neun Uhr und wir fahren weiter. Diesmal stoppt das Schiff, um uns das Schnorcheln zu ermöglichen. Viele bunte Fische gibt es zu sehen und alle – außer mir – sind im Wasser, um sich das bunte Treiben anzusehen. Endlich kann ich mal meine Unterwasserkamera ausprobieren. Daggi filmt etwa 30 Sekunden unter Wasser, nimmt aber leider den Finger nicht von der Linse, so dass die cineastische Ausbeute eher gering ist. Immerhin ist die Kamera immer noch dicht. Auch hier wird es nach einer knappen Stunde langweilig und wir fahren daher an die Anlegestelle zurück. Hier wechseln wir das Boot, um nun als Nächstes eine unbewohnte Insel aufzusuchen. Unser neues Boot ist ein Schlauchboot, das ebenfalls mit zwei 75-PS-Außenbordern angetrieben wird. Die etwa zehnminütige Fahrt wird durch einen Stop an einem Korallenfelsen unterbrochen, auf dem ein Weihnachtsbaum geschmückt wurde. Warum nicht. Andere Länder, andere Sitten. Dann rast das Boot weiter, ohne die geringsten Rücksichten auf unsere Bandscheiben zu nehmen, die auch hier wieder fürchterlich leiden müssen.
Das Grillfest auf der Insel wird dann der Höhepunkt des Tages. Außer uns haben auch noch Dutzende andere Boote angelegt. Zu jeder Reisegruppe gehört ein eigener, überdachter Platz mit einem Tisch in der Mitte und Baumstämmen ringsherum als Sitzplätze. Kaum an Land, werden wir von den üblichen Strandverkäufern umringt. Daggi findet ein sehr schönes Tuch, das man sich sehr clever zusammenknoten kann, um es als Kleid oder Umhang zu benutzen. Die Verkäuferin führt das beeindruckend freundlich direkt auf Dagmars Körper vor. Das Tuch kostet nur 240 Rupien, das sind gerade mal sechs Euro. Da lohnt sich das Handeln nicht. Ich gebe 250 und bekomme sogar die zehn Rupien Wechselgeld zurück, die ich gar nicht haben will. Und danach lassen uns die Verkäufer auch völlig in Ruhe. Wer noch was kaufen will, muss sich selbst auf die Suche machen. Unsere Gruppe ist inzwischen neu zusammengewürfelt worden. Ein etwa 75-jähriger Italiener mit seiner kreolischen Frau indischer Abstammung, deren Sohn und Schwiegertochter sowie zwei Kindern um die sechs Jahre stellt die größte Personengruppe. Zwei französische Paare sowie eine weitere kreolische Familie komplettieren unseren Rastplatz. Es wird langsam unerträglich heiß und ich beschließe, nun endlich meine Badesachen anzuziehen. Es hängt vielleicht auch ursächlich damit zusammen, dass die Crew uns einige kühle Getränke, darunter auch BIER und WEIN auf den Tisch gestellt hat. Ihr glaubt nicht, wie toll so ein eiskaltes Bier morgens um elf schmeckt, wenn einem die Sonne auf den Schädel brummt. Das Umziehen wird dann sehr schmerzhaft, denn meine Schuhe sind noch in einem Korb auf dem Schiff und der Weg ins Unterholz ist steinig und dornig. Und heiß. Sehr heiß. Sehr, seeeehr heiß. Nach ein paar Metern ist es mir plötzlich egal, ob mir die halbe Insel auf den entblößten Allerwertesten glotzt.
Und jetzt kann ich endlich auch ins Wasser! Das Meer ist trotz der Motorboot-Armada sehr sauber – ich kann sogar meine Füße sehen! Kaum wieder an Land, beginnt die Grillparty erst richtig. Unsere Crew hat mittlerweile in zweiter Reihe einen Grill aufgebaut und ein paar Köstlichkeiten vorbereitet. Das Ganze ist wirklich perfekt organisiert. Je nach Geldbörse sind die Grillstände unterschiedlich luxuriös eingerichtet. Eine etwas größere Gruppe hat sogar richtige Stühle und Tische, eine Liveband und einen Grill, auf dem einige Hummer ihr Leben lassen. Bei uns gibt’s erstmal Grillspieße mit Krabben, Thunfisch, Champignons, Mais und Paprika. Einfach lecker. Bis zum Hauptgang dauert es noch eine Weile. Wir haben also Zeit, uns etwas näher zu kommen, was uns aufgrund der zunehmenden Alkoholwirkung auch recht schnell gelingt. Nach einem weiteren erfrischenden Bad kommt der Hauptgang: Krautsalat mit diversen Dressings, gegrilltes Hühnerfleisch und gegrillter Fisch sowie gegrillte Hot Dogs. Von Allem ist mehr als genug da und wir öffnen schon bald die dritte, kalte Flasche Weißwein. Unser alter Italiener ist voll in seinem Element. „Berlusconi ist tot“ ruft er laut (- auf italienisch natürlich -), als eine mit ihm wohl befreundete Italienerin aus einer anderen Gruppe vorbei läuft und sich halb tot lacht über seinen Witz. Die Stimmung ist prächtig.
So gegen 14.00 Uhr geht es wieder zurück. Auf dem Rückweg passieren wir mal wieder eine Bootsgruppe. Es dürften Hunderte von Booten sein. Es ist die größte Bootsparty des Kontinents, wie uns erklärt wird. Findet jeden Samstag hier statt. Also warum weiterfahren? Feiern wir doch einfach ein bisschen mit. Das Schiff kettet sich an eine etwas größere Jacht, auf der eine Menge junger Leute trinken und tanzen. Die Musik kommt unmittelbar neben uns von einem Schiff mit echtem DJ, der Technomusik vom Feinsten über das Meer bläst. Auch wenn das nur Wenige verstehen, bin ich ja ein echter Fan gut gemachter Technomusik – und die hier ist einfach hervorragend. Klingt so, als wäre sie in Frankfurt produziert worden. Dagmar springt ins Wasser und fürchtet sich plötzlich kein bisschen mehr vor den vielen anderen Booten. Ich will hinterher, aber da kommt schon der Befehl unseres „Captains“, dass wir jetzt wieder zurück müssen.
Viel zu früh verlassen wir also die Party (auf der wir ohnehin nichts zu Trinken bekommen haben) und donnern mit 150 PS zurück in den Hafen. Hier wartet schon unser Fahrer auf uns, derselbe vom Morgen. Seine Sorgen sind noch größer geworden, sein Redeschwall will nicht abebben, obwohl Dagmar und ich wirklich hundemüde sind. Wir erfahren, dass sein Sohn nicht bereit ist, nach der Schule auf den Feldern zu arbeiten – wie fast alle in seinem Alter. Also wird man Hilfsarbeiter aus Madagaskar oder Indien einführen müssen. Das passt ihm alles gar nicht. Schon zu viele Firmen würden ausschließlich mit eigenem, importiertem Personal arbeiten, was zu höherer Arbeitslosigkeit führen würde. Und nicht stimmt, denn es gibt viel zu tun. Mauritius will die Zahl von derzeit einer Million Touristen pro Jahr recht bald verdoppeln. Dafür werden eine Unmenge neuer Hotels gebaut. Die angeblich so unfähige Regierung baut Dutzende von neuen, schnellen Straßen. Es sickert immer wieder durch, dass Korruption hier wohl ein ernst zu nehmendes Thema ist. Die hohen Benzinkosten machen ihm das Leben schwer; ein neues Taxi kostet mehr als ein eigenes Haus, sagt er.
Ich verstehe seine Wut nicht wirklich, denn offensichtlich verstehen sich die über 50 verschiedenen Nationen, die hier miteinander arbeiten, trotz der 5-6 Hauptreligionen doch bestens. Weder sehen wir am Abend randalierende Jugendliche noch fürchten wir uns vor den überall rumsitzenden Männern, die man eher zur Unterschicht zählen muss. Im Gegenteil, alle haben ein freundliches „Bon Soir“ auf den Lippen, wenn man vorbeigeht. Wenn jemand neidisch auf mein Airbook schaut, dann ist das bestimmt kein Einheimischer, sondern ein Tourist. IT-Technik wird auf Madagaskar stark gefördert und der Handel mit chinesischer Hi-Tech-Ware macht einen großen Umfang des Bruttosozialproduktes aus. Die Zuckerrohrernte bringt zwar immer noch das meiste Geld, führt aber auch dazu, dass ein Viertel aller Inselbewohner mittlerweile an einer damit zusammenhängenden Diabetes leiden. Wie heißt es so schön in einem Schlager von Roy Black aus den fünfziger Jahren? „Du kannst nicht alles haben, das Glück, den Sonnenschein…“
Hier hat man schon nahezu alles.
Nach eineinhalb Stunden schwatzhafter Fahrt sind wir wieder im Hotel. Ich muss noch schnell was aufnehmen, während Daggi am Pool ein bisschen vor sich hin döst. Kurz vor sechs laufen wir dann – am Meer entlang – wieder nach Grand Baie. In „unserem“ Club ist noch Happy Hour. Ein Liter Bier für 120 Rupien = 3 Euro. Wir checken unsere Mails, ich schicke die Sprachaufnahme nach Hause und ruckzuck ist es Zeit für´s Abendessen. Nach dem Bier schaukelt die Umgebung ein wenig. War vielleicht doch zu viel Sonne auf dem Schiff…
Auch heute werden wir in dem Restaurant, in dem wir unser Hummeressen hatten, nicht enttäuscht. Ein grandioser Meeresfrüchtesalat macht den Anfang, gefolgt von Fisch-Curry für Dagmar und einem Filetsteak für mich. Letzteres war zwar nicht zäh, gehört aber offensichtlich nicht zu den Spezialitäten von Mauritius. Um einundzwanzig Uhr tritt dann auch noch eine grandiose Trommeltruppe mit vier Tänzerinnen in exotischen Kostümen auf. Die ethnischen Hintergründe sind uns unklar, aber es hat was mit Bauchtanz zu tun.
Aber wir sind müde und wollen den versäumten Schlaf nachholen. Blöderweise müssen wir dazu wieder an unserem WLAN-Lokal vorbei. Da treten auch zwei Live-Musiker auf. „Ne halbe Stunde haben wir doch noch, oder?“ fragt Daggi und steuert auf die Theke zu. Eine Flasche Rosé später wanken wir weiter. Auch in der Disco etwa 100 Meter weiter hören wir Live-Musik. Die Reinkarnation von Bob Marley steht auf der Bühne. Ein junger Rasta-Bursche mit einer unglaublich guten Stimme und perfektem Gitarrenspiel, begleitet von einem zweiten Gitarristen, zwingt uns leider zu einem weiteren Stopp.
Gegen Mitternacht beenden wir unseren 19-stündigen Partytag. Es ist ein perfekter Tag gewesen.
Heute, am Sonntag morgen, geht es uns zwar gut, aber das schwüle Wetter macht meinem Kreislauf schwer zu schaffen. Ich kann keine drei Zeilen lesen, ohne einzuschlafen. Also lege ich mich nach dem Frühstück gleich wieder in die klimatisierte Bude und penne, bis mich das Hausmädchen aufweckt. Dagmar ist wie immer sehr sportlich und dreht ein paar Runden im Pool. Nach dem Büffet-Mittagessen im Hotel verziehen sich die Wolken und die 33 Grad lassen sich einigermaßen aushalten. Daggi schwimmt und liest abwechselnd und ich schreibe hier im Schatten bei ständigem Wind an diesem Blog weiter.
Weitere Pläne haben wir bisher für heute nicht. Morgen ist ja auch wieder eine Tour angesagt. Dann geht’s in den Osten – zur Robinson Crusoe-Insel.
Montag, der 10. Januar 2011
Die Robinson-Insel
Unser Abend plätschert so dahin. So wie er begonnen hat, wird er wohl enden. Wir sind viel zu träge, um nochmal in die Stadt zu laufen. Also essen wir im Hotel zu Abend und setzen uns noch eine Weile an die Bar. Wir spielen mal wieder „Georific“ und obwohl Dagmar eigentlich mehr weiß als ich, liege ich mit meinen geografischen Schätzungen oft näher dran als sie. Vier Spiele, alle gewonnen.
Inzwischen quält uns mal wieder ein DJ. Er hat, wie das heute so üblich ist, einen Laptop dabei und fährt die Titel so gruselig ineinander, dass man es kaum ertragen kann. Die Gäste im Hotel sind clever, die haben sich alle sofort verzogen. Als der Bub dann auch noch diese Ska-ähnliche Musik spielt, die hier wohl gerade modern ist, verlassen selbst die beiden deutschen Neuankömmlinge, die mit uns die einzigen Gäste stellen, die Bar. Um elf darf er aufhören und wir dürfen ins Bett.
Montag morgen, sieben Uhr. Aufstehen zur Katamaranfahrt zur Robinson-Insel. Angeblich soll hier Robinson Crusoe gestrandet sein und ein halbes Leben lang mit seinem Freund (?) Freitag verbracht haben. Der Bus ist überpünktlich und ich bin eine Minute zu spät, weil ich das Ticket im Zimmer vergessen habe. Ein paar Kilometer später steigt ein Schweizer Pärchen ein, dass sich sofort mit uns unterhält und einen sehr netten Eindruck macht. Der nächste Zugang ist ein Ehepaar aus München – wie sich später herausstellt, auch vom Allernettesten. Schließlich steigt noch ein recht mürrisches französisches Ehepaar zu, zu dem aber keiner sonst irgendwelche Kontakte knüpft. Kein Wunder, dass die so mürrisch sind – wurden sie doch versehentlich einer deutschen Gruppe zugeteilt. Wir fahren eine halbe Ewigkeit quer durch den Norden runter in den Osten, wo uns ein Motorboot zu einem imposanten Katamaran fährt. Mit nur 45 PS betrieben, schleicht sich der Riese aus dem Hafen, während uns Dutzende von Schnellbooten auf beiden Seiten überholen, voll mit grölenden Touristen. Wir sind nur zu acht – plus der Crew. Das heißt, wir haben eine Menge Platz. Und die Crew hat verhältnismäßig wenig Arbeit mit uns. Irgendwann wird der Motor abgeschaltet und die Segel verrichten ihren Auftrag. Still gleiten wir durch so manche Bucht. Der Schweizer entpuppt sich als Gastronom mit jahrelanger DJ-Erfahrung. Außerdem veranstaltet er Konzerte in der Schweiz. Er und seine nette blonde Freundin haben vier Lokale in Appenzell. In drei Monaten wird geheiratet. Der Münchner hat einen wasserdichten Fotoapparat dabei. Also ein Gerät, das noch mit richtigen Filmen funktioniert. Immer wieder erstaunlich, was es früher alles mal gegeben hat. Gegen halb elf wird schon wieder das obligatorische Bier angeboten. Unser Schweizer zieht ein Rum-Cola-Getränk vor. Er hat so in etwa meine Figur (also ein klein wenig überproportioniert) und erzählt mit von seinen schlechten Erfahrungen mit diversen Popstars. Je länger jemand erfolglos ist, desto schlimmer sind die Verträge und das Benehmen der Stars. Barcley James Harvest beispielsweise muss es extrem dolle getrieben haben. Der Vertrag war 30 Seiten lang. In deutsch. Und dann nochmal weitere 30 Seiten in Englisch. Erst wollten sie im besten Hotel am Platz nicht essen, taten es dann mangels brauchbarer Alternative dann doch, verzehrten aber gerade mal für ca. 5 Franken pro Person, wovon man auch im Appenzeller Land nicht satt wird. Kurz vorm Auftritt hatten sie dann plötzlich Hunger. Die Mutter unseres neuen Bekannten soll sie dann mit Bratwurst und Brötchen gefüttert haben. Vergebene Liebesmüh, denn Les Holroyd, der Sänger von Barclay James Harvest, wollte nicht auftreten, weil ihm die Windgeräusche der Open-Air-Veranstaltung zu laut waren. Eigentlich hätte sich unser Schweizer gar nicht direkt mit ihm unterhalten dürfen, aber da ist dem Guten dann doch die Hutschnur geplatzt. Ein paar deutliche Worte und die Band ist aufgetreten. Es war ein Scheiß-Konzert.
Ich kenne die drei ja ganz anders. Als Barclay James Harvest vor zig Jahren im Tonstudio von Frank Farian eine neue Platte aufnahmen (Keine CD, eine Platte!!!), war ich ja noch bei Frankieboy als Studiomanager und Toningenieur angestellt. Die Band samt Management war sehr diszipliniert, alles klappte bestens. Selbst unser ständig bekiffter Servicetechniker (sowas war bei einem NEVE-Mischpult und den damals erstmals eingesetzten Digitalmehrspurmaschinen absolut nötig – also nicht das Kiffen, sondern der Techniker) wurde von den Jungs von der Insel akzeptiert. Les Holroyd hatte sich sogar in Bad Homburg irgendwo auf der Promenade eingemietet und die drei oder vier Monate verliefen in völliger Harmonie. Ich war damals so dreist, als Moderator bei hr3 den Fans anzubieten, ihnen ein Autogramm von Barclay James Harvest zu besorgen. Dass sich darauf einige Hundert gemeldet hatten, wird mir mein Briefträger nie verziehen haben. Ohne mit der Wimper zu zucken, unterschrieben die drei – eigentlich eher stillen – Musiker die Karten und kehrten zur Tagesordnung zurück. Aber wie schon eingangs erwähnt. Erfolg verdirbt. Und wenn der Erfolg dann plötzlich ausbleibt, wird alles nur noch peinlich…
Zurück auf den Katamaran. Peinlich wird es hier auch, weil wir jetzt alle schnorcheln sollen. Natürlich habe ich meine Badehose diesmal unter die normale Hose gezogen, so dass ich mit wenigen Griffen wasserbereit bin. Dass der Katamaran genügend Räume hat, um sich ungestört umzuziehen, erwähne ich nur am Rande. Das Wasser ist zwar sehr sauber, aber auch mit Korallen und Seeigeln gefüllt. Wir müssen also Flossen anziehen. Ich hasse Flossen, weil ich dann nicht mehr Herr meiner Füße bin (die ich übrigens im Wasser klar sehen kann).
Aber ich habe brav mitgespielt. Daggi kann mit diesen Flossen supertoll durch die Wellen pflügen. Ich kann das nicht und sehe aus wie ein Clown mit Flossen. Also tappse ich wieder an Bord, schmeiße die Flossen von mir und habe für den Rest des Ausflugs `ne nasse Badehose an.
Wir fahren nun zu einem Wasserfall. Mal wieder. Der Katamaran würde dort nicht wenden können, also steigen wir wieder in unser Begleitboot um. Für mauritianische Verhältnisse ist der Wasserfall ganz ordentlich. Nach fünf Minuten sind wir wieder im Katamaran und steuern den nächsten Programmpunkt an, der da heißt: Essen fassen! Die Jungs haben inzwischen Speis und Trank zubereitet, der in etwa dem entspricht, was wir vor zwei Tagen auf der Insel bekommen haben. Dazu Bier, Wein und Rum. Versehentlich stößt Dagmar meinen Weinbecher um, den ich unvorsichtigerweise in die Nähe ihres Ellbogens platziert hatte. Das gute Stück plumpst ins Wasser. Ich denke mir nichts dabei; es wird ja wohl noch einen Ersatzbecher geben. Aber von wegen. Es dauert gut fünf Minuten, bis die Crew des Katamarans den Becher wieder aus dem Meer gefischt hat. Umweltschutz eben. Wie viel Dreck die Motoren bei dieser Aktion verschleudert haben, ist ja unwichtig.
Die nächste Station ist nun endlich die Robinson-Insel. Falls die vor ein paar Jahrhunderten wirklich mal unbewohnt gewesen sein soll, hat sich dies mittlerweile extrem verändert. Es gibt ein Restaurant, Geschäfte, eine Bar und sogar Toiletten mit Dusch- und Umziehräumen, falls man seine salzigen Badesachen ausziehen will. Unsere Gruppe wird schlagartig auseinander gerissen und findet sich für die nächsten zweieinhalb Stunden nicht wieder, weil einfach viel zu viele Touristen auf der Insel sind. Wir landen auf der Terrasse der Bar, bei der gerade ein Medley alter Boney M,-Hits läuft. Farian zum Zweiten an diesem Tag. Etwas leichtsinnig bestelle ich eine Karaffe Rosé, nach deren Vertilgung ich dringend Urlaub brauche.
Unser Beiboot holt uns pünktlich für die Rückfahrt ab. Auch jetzt müssen wir wieder Getränke vernichten. Ich werfe meinen Becher ein weiteres Mal um, ohne ihn aber diesmal an das Meer zu verlieren. Schade nur um den Inhalt. Aber immerhin ein Grund, sich endlich wieder umzuziehen.
Wir drei deutschen Paare sind inzwischen prima ins Gespräch gekommen. Wir fragen die Schweizer, ob sie heute Abend noch mit in unser Lokal in Grand Baie kommen wollen. Aber die beiden sind schon ziemlich fertig. Um acht ist bei denen Schicht. So wie im ganzen Hotel.
Die beiden Münchner werden auch nicht mehr wegkommen. Morgen früh um fünf klingelt bei denen der Wecker, weil es zurück nach Hause geht. Schade eigentlich.
Und so zuckeln wir mit dem Bus dann schließlich wieder zurück in unsere Hotels. Während ich dies schreibe, sitzen wir frisch geduscht an der Bar und warten darauf, das Abendessen einnehmen zu können.
Ob wir danach noch rüberlaufen, um der Einöde zu entgehen, weiß ich noch nicht. Daggi hat Halsschmerzen und ich wurde gerade schon wieder von einer Mücke gestochen. Siechtum überall.
Und Hunger.
(Irgendwie passen die Sätze nicht mehr zusammen, also ende ich diesmal mittendri
Dienstag, der 11. Januar 2011
Kaufrausch
Wir tun´s schon wieder. Statt in das pralle Leben zu wandern, bleiben wir nach dem Abendessen an der Hotelbar hängen. Die Musik zieht uns die Schuhe aus, aber der Rosé schmeckt lecker. Wie schon gestern hat sich das gesamte Publikum weit vor uns auf seine Zimmer begeben, um der Abendanimation zu entkommen. Wir halten auch nur solange durch, bis Dagmar langsam die Dötzchen zufallen. Halb zehn Heia. Neuer Rekord. Das war wohl ´ne Sauerstoffvergiftung.
Dienstag, der 11. Januar, 8.00 Uhr. Daggi ist wach und giert nach sportlicher Bestätigung, die aber dann schnell nach dem Frühstück mit der Lektüre eines guten Buches endet. Morgen vielleicht??
Stattdessen sind wir dann wieder nach Grand Baie gelaufen und haben diverse Boutiquen unsicher gemacht. Güldener Schmuck und heiße Gewänder wurden erworben, um das Weibchen noch schöner zu gestalten. Damit nicht genug, fiel uns ein, dass es hier auch einen Markt gibt, den man besuchen kann. Trotz mittlerweile gefühlten 40 Grad bei 400% Luftfeuchtigkeit haben wir den Weg dorthin eingeschlagen und das Ziel erreicht. Man kann es kaum glauben, aber dieser Bazar befindet sich komplett unter einem Dach. Das erinnert uns an Istanbul, aber im Kleinen. Es ist sauheiß und die Verkäuferinnen sind – im Gegensatz zu Istanbul – sehr distanziert und freundlich. Daggi kauft für ihre Freundinnen mehrere Geschäfte leer. Ich habe immer noch kein einziges Elektronikgeschäft gefunden, was diese Reise für mich zur Günstigsten aller Zeiten machen dürfte. Wir nutzen eine Kaufpause, um die ersten Biere des Tages zu testen (Also jeder eins, damit das nicht falsch verstanden wird!). Sie schmecken wie immer supererfrischend, haben aber aus irgendwelchen Gründen einen erhöhten Alkoholanteil. Oder warum halten wir danach die Theke fest, damit sie nicht umfällt?
In unserem Cocoloko-Stammlokal steuern wir deshalb schnell mit Cesar-Salaten dagegen und trinken für den Rest des Tages nur noch Wasser. (Der Tag endet hier gegen 18.00 Uhr!)
Danach laufen wir wieder durch die Hitze ins große Kaufhaus. Dort finden wir noch ein Kleidchen für meine Süße und ein paar Flaschen Rosé zum baldigen Verzehr auf unserer Terrasse. (Nachtrag: Das Zeugs ist so süß, das wir die Flaschen zurücklassen müssen…) Außerdem kaufen wir Zahnpasta, die ist nämlich alle. Blendax. Gibt´s auch hier. Der Weg vom Kaufhaus ins Hotel ist uns zu lang. Zufällig steht ein Taxi unseres Hotels vor der Tür und nimmt uns klimatisiert in unser Domizil zurück.
Am Pool ist es so heiß, dass ich es im Gegensatz zu Dagmar nur wenige Minuten dort aushalte. Im Apartment sind es 19 Grad; die Klimaanlage ist leise und erfrischend und mein Buch fesselt mich ganze drei Minuten. Schlaf bis 16.00 Uhr. Dann am Pool weitergelesen. Inzwischen bin ich bei Herrn Schätzing und seinem Roman „Lautlos“ hängengeblieben. Schon wieder ein Thriller. Ich weiß, mit wirklicher Literatur hat meine Ferienauswahl nicht wirklich was zu tun, aber es beruhigt ungemein. Daggi hat Mankells „Chinese“ in der Mache (kein Wallander!) und bringt die rund 600 Seiten an diesem Nachmittag zu Ende.
Wir diskutieren ein wenig über die Inhalte der Bücher und die Wirklichkeit. Zum Beispiel die soziale Lage in Mauritius. Wer nicht arbeitet, kriegt nichts. Es gibt keine Arbeitslosenversicherung. Rente gibt es je nach Beruf ab 62 Jahre. Und zwar 50% des normalen Durchschnittsgehalts, also 75 Euro. Nicht pro Tag, sondern pro Monat! Sollte man älter als 75 Jahre alt werden, steigert sich die Rente auf 200 Euro. Hundertjährige und drüber bekommen noch mehr. Und die sind sind gar nicht so selten, sind aber in unserer Gegend kaum anzutreffen. Behinderte ab 60% Behinderung müssen ebenfalls mit der Hälfte des Durchschnittseinkommens auskommen, dürfen aber hinzuverdienen. Schwerbehinderte bekommen etwas mehr – genauso viel wie deren Pflegekräfte. Das bedeutet, dass Behinderte von ihren Angehörigen auch gut versorgt werden. Um Missbrauch zu vermeiden, wird das alles sehr genau kontrolliert.
Wir diskutieren ein wenig über die Inhalte der Bücher und die Wirklichkeit. Zum Beispiel die soziale Lage in Mauritius. Wer nicht arbeitet, kriegt nichts. Es gibt keine Arbeitslosenversicherung. Rente gibt es je nach Beruf ab 62 Jahre. Und zwar 50% des normalen Durchschnittsgehalts, also 75 Euro. Nicht pro Tag, sondern pro Monat! Sollte man älter als 75 Jahre alt werden, steigert sich die Rente auf 200 Euro. Hundertjährige und drüber bekommen noch mehr. Und die sind sind gar nicht so selten, sind aber in unserer Gegend kaum anzutreffen. Behinderte ab 60% Behinderung müssen ebenfalls mit der Hälfte des Durchschnittseinkommens auskommen, dürfen aber hinzuverdienen. Schwerbehinderte bekommen etwas mehr – genauso viel wie deren Pflegekräfte. Das bedeutet, dass Behinderte von ihren Angehörigen auch gut versorgt werden. Um Missbrauch zu vermeiden, wird das alles sehr genau kontrolliert.
Aber das Leben hier hat auch andere Vorteile: Die Kleinen haben zum Beispiel gerade zwei Monate Ferien hinter sich – und müssen vermutlich in diesen Tagen komplett neu angelernt werden. Militär gibt es hier nicht. Im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung würde die indische Armee (!) hier einlaufen und das Land verteidigen. Das hat uns ziemlich verwundert.
Nachdem wir uns eine Weile über die sozialen Verhältnisse dieses Landes unterhalten haben, wird es Zeit, die Klamotten den Abendessenssitten anzupassen (Keine Badekleidung!). Das hausinterne Menü ist heute mal wieder durchgewachsen, aber sättigend. Eigentlich ist ziemlich egal, was man isst. Satt wird man immer wieder. Und durstig auch.
Wir sitzen jetzt seit zwei Stunden im WLAN-Zentrum Cocoloko und schreiben so nach und nach diese Zeilen für heute. Morgen wollen wir es ein zweites Mal in Port Louis versuchen, um uns diese verdammte Briefmarke anzuschauen. Der Express-Bus soll sehr viel schneller sein…
Ob das stimmt und was uns jetzt uns wieder Schlimmes* passiert, könnt Ihr (vielleicht) morgen lesen.
* Schlimmes = es ist zu heiß oder zu kalt oder zu nass oder zu trocken
Mittwoch, der 12. Januar 2011
Kälteeinbruch
Mittwoch, der 12. Januar 2011, so gegen halb neun. Im Zimmer ist es schön kühl. Die Klimaanlage haben wir inzwischen auf 21 Grad hochgedreht und den Ventilator abgeschaltet. So kann man gut pennen. Wiedermal hat es über Nacht geregnet, und das nicht zu knapp. Das Gras der Grünanlagen ist immer noch nass. Der Regen hat einen Temperatursturz mitgebracht. Es sind höchstens noch 27 Grad. Bibbernd laufen wir zum Frühstück. Aber die Kälte hat auch Ihr Gutes. Man könnte doch endlich mal mit dem Schnellbus nach Port Louis fahren, um sich diese weltberühmte blaue Briefmarke anzuschauen, um die alle so ein Gedöns machen.
Nach einem kurzen eMail-Check (…wenn wir schon mal da sind) steigen wir in den ziemlich schmuddeligen Express-Bus ein. Statt 32 Rupien kostet die Fahrt ganze 35 Rupien. Dafür gibt es eine Klimaanlage und eine schnellere Tour in die Hauptstadt. Der Bus ist im Nu bis unters Dach gefüllt. Unterwegs steigt kaum noch jemand zu, weil einfach kein Platz mehr ist. Nach nur 25 Minuten ist der Koloss auf dem Riesenbusplatz in Port Louis angekommen. Von dort zur blauen Mauritius sind es etwa 600 Meter. 600 Meter allerdings, die so manchen Stop bedingen. Zum einen müssen wir durch einen nicht enden wollenden Straßenbazar durch. Auch hier gibt es immer wieder dasselbe: Tücher, Touristenkitsch und Obst.
Doch weiter in Port Louis. Die Einkaufszentren an der Waterfront hatte ich ja schon beschrieben – diesmal waren sie sogar geöffnet. Wir haben eine Menge Läden betreten und wieder verlassen. Daggi sucht eine aktuelle Sonnenbrille und eine neue Uhr. Die Brillen passen meist nicht oder sind offensichtlich Imitationen und die Uhren, die ihr gefallen, liegen weit über unserem Budget. Das hat sich also nicht geändert. 🙂
Dann endlich das „Penny-Museum“. Ganz hinten liegt es. Für das Eintrittsgeld erhält man einen Audioguide (dessen Batterie schon nach der ersten Station alle war) und sehr viele Originaldokumente. Das Ganze ist hübsch gemacht und bestimmt auch höchst interessant, leider fast ausschließlich in Französisch. Bei den Briefmarken unterstützt uns dann wieder der (ausgewechselte) Audioguide. Die „Blaue Mauritius“ ist also so wertvoll, weil der Herr Graveur statt „Postal Office“ nur „Post Office“ graviert hat. Nachdem man den Fehler bemerkt hat, waren schon einige der ersten Drucke dieser Gravurplatte im Umlauf. Jetzt soll es gerade noch drei dieser Marken geben. Einer davon sehen wir uns unvermittelt gegenüber.
Die „Blaue Mauritius“ zusammen mit einer „roten Mauritius“, die wohl etwas billiger ist. Mauritius hat mit Hilfe vieler Sponsoren das Geld zusammengetrieben, um diese Marke wieder in den Besitz zu bekommen. Trotzdem ist der „Wow-Effekt“ ziemlich mau. Disney hätte da mehr draus gemacht. Ohne die Unterstützung des Audioguides würden wir glatt dran vorbei laufen, weil es noch ein paar Dutzend fast gleich aussehender Marken in den Vitrinen gibt. Trotz Foto-Verbots fotografiere ich den Schatz. Mal sehen, was mein Farbdrucker draus macht…
Danach Mittagsessen in einem Luxushotel unmittelbar neben dem Museum. Alles sehr fein und auch nicht sonderlich teuer. Zurück zum Busbahnhof. In den Straßen mit den fliegenden Händlern ebenfalls nach Markenuhren gesucht. Aber leider nicht mal ´ne Rolex gefunden.
Am Busbahnhof selbst macht sich langsam Verzweiflung breit. Aberhunderte von Bussen fahren hier ohne jede erkennbare Regel kreuz und quer über den Platz. Manchmal steigen Schüler ein oder aus (erkennbar an der Schulkleidung, eine vernünftige Erfindung aus England), manchmal erkennen wir das Vorhandensein einer Haltestelle. Aber für wen, für welchen Bus, in welche Richtung – das alles will nicht in unsere Köpfe, die in der Mittagshitze zu glühen beginnen. Wir haben beide keinen Hut mitgenommen, weil es ja in Grand Baie so kalt war. Inzwischen hat die Sonne allerdings ein paar Kohlen nachgelegt, so dass es jetzt wieder locker 33 Grad im Schatten sind. Wir sind allerdings in der Sonne. Als Retter in der Not erweist sich ein Einheimischer, der wohl unsere Verzweiflung richtig gedeutet hat. Daggi sagt ihm, wo wir hin wollen und er führt uns quer über den Riesenplatz irgendwo ziemlich an den Rand, wo die Busnummer (215) auf den Asphalt gemalt wurde. Der Junge ist wohl selbst schon mal unter einen Bus geraten. Ihm fehlen einige Finger und sein Körper ist merkwürdig schief geformt. Das Trinkgeld hat er sich redlich verdient. Allerdings haben wir außer der auf den Asphalt gemalten Nummer nichts weiter außer viel Sonne – vor allem keinen Bus. Der kommt erst eine Viertelstunde später, als wir uns eigentlich schon aufgegeben haben. Dank der Klimaanlage waren wir in den 25 Minuten Fahrtzeit wieder voll erholt und konnten uns im Cocoloko von der Strapaze erholen.
Ein bisschen härter hat es wohl unser Körper empfunden. Um neun liegen wir im Bett. Daggi schläft sofort ein, ich quäle mich noch durch ein paar Seiten, von denen ich die letzten drei am nächsten Tag wiederholen muss.
Für morgen planen wir etwas ganz Spektakuläres: Drachenfliegen und Fallschirmspringen! Stay tuned!
Donnerstag, der 13. Januar 2011
Das Außergewöhnliche wagen
Habe ich da gestern geschrieben, dass wir heute Fallschirmspringen oder Drachenfliegen wollen? Ist natürlich völliger Blödsinn. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Das war nur ein Aufreißer, um das geneigte Publikum bei der Stange zu halten. Aber wenn ich wahrheitsgemäß geschrieben hätte, dass wir heute morgen eine Rundfahrt mit dem Glasbottom-Boot machen, wärt Ihr doch längst gelangweilt auf www.bild.de umgeschwenkt.
Wobei man eine solche Fahrt auch durchaus spannend erzählen kann…
Prolog:
„Hey Ehrhardt“ sagt mein Chef, „für die Donnerstagsausgabe brauche ich noch drei Spalten über den Wassersport in Mauritius.“ – „Aber Chef“, wende ich ein, „dass ist doch stinklangweilig. Da gibt’s doch nur Wasserski, Drachenfliegen und Angeln. Höchstens noch Glasbootchen fahren“. – „Dann schreiben Sie halt was über die Glas-Dinger. Hauptsache spannend. Was mit sozialem Touch. Das wollen die Leute. Ein guter Journalist kann so was!“ – „OK, Chef, ich werd´ mir Mühe geben.“
. . .
. . .
Robinson verfluchte den Tag, an dem er den Job in diesem Hotel angenommen hatte. Er – angeblich ein direkter Nachfahre des berühmten Robinson Crusoe – hatte nichts Besseres mehr zu tun, als alte eingefettete Ladys und klapprige Touristenopas sorgsam in das hoteleigene, überdachte Glassbottomboat zu geleiten. „Schuhe ausziehen!“ befahl er (auf französisch) und zeigte auf eine Plastikkiste, in der die Sandalen der Touristen gesammelt wurden. Diesmal waren auch noch ein paar dicke Kinder dabei. Die ärgerten ihn am meisten, weil die immer so laut quietschten oder rumschrien, wenn mal ein kleiner Fisch zufällig unter dem Boot durchschwamm. Das ihm anvertraute Boot fasste etwa zwanzig Personen. Heute waren es 12 Erwachsene und sechs Kinder. Alle sprachen französisch oder kreolisch bis auf zwei Deutsche, die ihn wenigstens in Ruhe ließen. Als endlich alle an Bord waren, ließ er den rechten Außenborder an. Das Boot hatte zwei Maschinen, falls mal einer ausfallen sollte. Nur einer der beiden Yamaha-Motoren war mit dem Benzintank verbunden, der vor jeder Fahrt ausgetauscht wurde. Die Maschinen waren sehr zuverlässig. Niemals war eine ausgefallen, seit er vor ein paar Monaten diesen langweiligen Job angenommen hatte. Aber was sollte er machen? Seine Frau hatte ihn mehr oder weniger dazu gezwungen. Das Geld, das sie als Obstverkäuferin auf dem Markt verdiente, reichte einfach nicht, um die vier Kinder und sich selbst zu versorgen.
Er löste die Leinen und balancierte den Kasten durch die Untiefen, die man in Küstennähe umfahren musste. Eine Tour wie jede andere. Ein Tag wie jeder andere. Dachte er.
ES war gewaltig. Gewaltig groß, schwabbelig und von undefinierbarem Braun-Schwarz-Grau. Falls es Augen hatte, konnte man sie nicht sehen. Normalerweise lag ES in permanentem Halbschlaf in etwa fünf Meter Tiefe inmitten eines Korallenriffs. ES ernährte sich von unvorsichtigen Fischen, die im Riff nach Nahrung suchten und dadurch selbst zu Nahrung wurden. Ein ideales Leben für ein Biest wie ES. Es lebte da unten schon an die vierzig Jahre. Ganz am Anfang seines Lebens konnte ES noch schwimmen, aber das hatte sich als überflüssiger Energieverbrauch erwiesen und wurde daher irgendwann eingestellt. Ihm reichten die zwanzig bis dreißig Kilo Frischfisch pro Tag, die schon fast automatisch von seinem Schlund aufgesaugt wurden. Seit es in der Bucht immer mehr Angler gab, ging die Ausbeute gleichermaßen zurück. Heute hatte ES Hunger.
Robinson lenkte das Boot an der Küste entlang. Wunderbarer Blick auf die teuren Hotelanlagen. Mit Zimmern, die er nie von innen gesehen hatte. Die Fahrt bis zum Korallenriff dauerte in der Regel zwanzig Minuten. Er konnte die Stelle nicht verfehlen, weil eine weithin sichtbare Boje die Stelle markierte. Wie immer waren die Kinder an Bord zu laut. Etwa drei- bis 5-jährig, waren sie noch nicht schulpflichtig und konnten mit ihren reichen Eltern Ferien im Paradies machen. Ein Paradies, das er immer nur durch den Hintereingang betreten durfte.
Plötzlich verlor das Boot an Fahrt. Der Motor stockte, fing sich wieder, um dann plötzlich ganz stehen zu bleiben. Einfach so. Die Kinder sahen die Erwachsenen an, die Erwachsenen starrten Robinson an. Der zuckte die Schultern. Routinemäßig überprüfte er die Treibstoffleitung und den Tank. Dann war klar, warum es nicht weiterging: Er hatte vergessen, den leeren Tank gegen einen vollen auszuwechseln. Menschliche Nachlässigkeit. Kann passieren. Da half auch der Ersatzmotor nichts. „Wird mich wohl meinen Job kosten, wenn es rauskommt“, dachte Robinson. Bis zur Küste waren es nicht mehr als fünfhundert Meter. Bis zur Koralleninsel mit der Boje noch ein Stück weiter.
Was tun? Die trägen Touristen hatten offenbar den Ernst der Situation noch nicht ganz verstanden. Das deutsche Paar kam als Erstes darauf: „Mauritius, wir haben ein Problem“, scherzte der junge, schlanke Mann zu seiner bildhübschen Begleitung. „Wie meinst Du das?“ fragte sie. „Das Benzin ist alle. Und wir sind ziemlich weit draußen ohne jeden Kontakt zu irgendwelchen anderen Schiffen“. – „Und jetzt?“ – „Jetzt rufen wir um Hilfe. Falls unser Handy hier überhaupt funktioniert“. Ein Blick auf´s iPhone schloss diese Möglichkeit aus. Kein Empfang.
Robinson hatte den anderen Schiffsinsaßen die missliche Lage inzwischen auf Französisch erklärt. Man nahm es mit Humor. „Die werden uns schon vermissen und dann eben später abholen!“, sagte eine junge Kreolin. „Solange können wir doch ein bisschen Baden oder Schnorcheln!?“
Robinson sparte es sich, die Reisenden darauf hinzuweisen, dass hier überall Seeigel oder Korallen an der Tagesordnung waren, an denen man sich ohne Taucherflossen leicht die Füße zerschneiden konnte. Waren doch bloß Touristen. Seinen Job war er ohnehin los. Malcolm, ebenfalls ein Kreole, wagte sich als Erster ins Wasser. „Macht nochmal ein Foto vor mir! Falls ich nicht wiederkomme!“ scherzte er und ließ sich rückwärts von der Seitenwand ins Wasser fallen. Das Boot trieb schnell von ihm weg. Geistesgegenwärtig warf ihm Robinson den Rettungsring zu, aber Malcolm hatte gar nicht hingesehen. Er hatte seine Taucherbrille aufgesetzt und starrte mit großem Interesse in die Tiefe.
ES war ungehalten. Wer wagte es, seinen hypnoseähnlichen Tiefschlaf zu stören? Was waren das für widerliche Geräusche? Sonst wachte er nur auf, wenn ein Zyklon die Insel besuchte und infolge der starken Strömung sein Korallenhaus manchmal ein wenig vom Meeresboden losgerissen wurde. Zwei fast symmetrische Stellen seines matschigen Körpers öffneten sich, aus denen die vermatschten Augen quollen. Im Nu hatten sie sich auf das Licht eingestellt, das hier – nur etwa einen Meter unter der Meeresoberfläche – fast genauso hell war wie über dem Wasser. Das Zucken der Beine Malcolms hieß für seinen einfachen Verstand nur eins: Mahlzeit.
Inzwischen war das Boot weiter abgetrieben. Malcolm hörte die Rufe nicht. Robinson schrie sich die Seele aus dem Leib. Selbst die Kinder schrien um die Wette, um den Schnorchler zur Rückkehr zu bewegen. `Das auch noch´, dachte Robinson. Er hatte auch keinen Anker an Bord. Wozu auch? Für die paar Meter raus ins Meer?
. . .
Epilog:
„Na Ehrhardt, wie weit sind Sie?“. Der Chef war reingekommen. „Na ja, ich bin noch mittendrin. Aber ich befürchte, mit einem Dreispalter kommen wir nicht hin.“ – „Dann zeigen Sie mal, was Sie schon haben.“ Er starrte auf Ehrhardts Laptop, scrollte an den Anfang und begann zu lesen.
Nach zehn Minuten brach er ab. Der Chef war zunächst sprachlos, aber dann polterte es aus ihm heraus: „Sagen Sie mal, hammse Ihnen ins Hirn geschissen? Sie sollten einen kleinen Aufsatz über eine harmlose Glasboottour schreiben – und dann kommen Sie mir mit dieser Ausgeburt kranker Phantasie an? Ham Se zuviel Frank Schätzing gelesen? In 10 Minuten habe ich einen ordentlichen Artikel, sonst sind sie gefeuert!!!“
P.S.: Die Fahrt war so harmlos wie nichts Anderes auf dieser Insel, aber irgendwas muss ich ja schreiben.
Der Glassbottom-Tag endet mit Hüpfen. Getreu dem Motto des alten Radio-Kollegen Fred Metzler „…und wenn Sie Freizeit haben, dann hüpfen Sie“ begeben wir uns nach dem Abendessen an die Bar. Unser Haus-DJ hat das mit den Übergängen noch nicht so raus, deswegen bricht jede Platte im Fade out ab – und nach einer Sekunde Stille setzt die nächste ein. Inzwischen hat das Publikum im Hotel gründlich gewechselt, wie man an den vielen bleichen Gesichtern sehen kann. Und die sind auch ganz gut drauf und fangen gleich an zu tanzen. An der Bar sitzt auch ein französischer Seemann. Nun ja, er sagt, er war bei der Marine. Muss im ersten Weltkrieg gewesen sein. Er sieht aus wie Popeye und bewegt sich auf der Tanzfläche wie ein tapernder Zirkusbär (wobei Zirkusbären immerhin den Takt halten können). Seine Frau sitzt auch an der Bar. Aber die darf anscheinend weder was trinken noch tanzen. Also fragt er Daggi – und die geht auch brav mit ihm auf die Tanzfläche, die sich dann nach und nach auch füllt. Irgendwann kann ich mich auch nicht länger am Glas festhalten und hüpfe mit. Um 11 muss der DJ Schluss machen, aber das Publikum zwingt ihn zu 15 Minuten Zugabe. So einen Tag hat der schon lange nicht mehr erlebt. Hoffentlich verpfeift ihn keiner an die Hotelgewerkschaft…
Freitag, den 14. Januar 2011
Die mit dem Popeye tanzt.
Die mit dem Popeye tanzt.
Wieder ziemlich bewölkt und schwül draußen. Daggi macht es sich am Pool gemütlich. Ich habe noch ein paar Sachen zu sprechen und an meine Kunden zu schicken. Inzwischen muss ich das wieder vom Hotel aus machen, weil die mir im Cololoko die IP-Adresse gesperrt haben. Alle anderen Rechner können sich einloggen, nur mein Notebook nicht. Die haben sich wahrscheinlich gedacht, dass irgendein Nachbar heimlich in deren Netzwerk rumturnt und haben die Adresse meines Computers – also die sogenannte IP-Adresse – gesperrt. Schade, aber für die verbleibenden zwei Tage unerheblich.
Mittags essen wir im Hotel á la carte. Zwar nur Spaghetti, aber das klingt ja viel zu profan. Der Nachmittag zieht sich – wie immer, wenn wir am Pool oder am Strand rumhängen. Ist halt nicht meine Welt.
Abends dann nochmal ein schönes Essen in dem Fischlokal, in dem wir auch den Hummer gegessen haben. Die Touristen entschwinden langsam; es ist fast leer. Zum Abschluss besuchen wir noch zwei weitere Lokale auf der Hauptstraße. Das eine ist eher eine Bar unter freiem Himmel mit netter Musik. Da aber der Himmel mal wieder seine Pforten öffnet, fliehen wir ins „Life“, der Discothek, in der Bob Marley II. letzte Woche aufgetreten ist. Heute ist da eine Sängerin, gut 120 Kilo schwer, mit einer fantastischen Stimme. Ihr Gitarrist hat ein feines Gerät zu seinen Füßen. Während er die Dame begleitet, nimmt er sein Gezupfe per Fußdruck auf den internen Speicher des Gerätes auf. Sobald die Dame genug gesungen hat und es Zeit ist für ein Solo innerhalb des Liedes, drückt er im richtigen Moment die Wiedergabe-Taste und wiederholt somit die aufgenommene Passage. Gleichzeitig spielt er dann sein Solo life darüber. Das ist sehr effektvoll und spart einen kompletten Musiker.
Um 23.00 Uhr haben die beiden Feierabend und das Lokal füllt sich ziemlich schnell bis zum letzten Platz. Wir sitzen direkt am Eingang auf Barhockern und ertränken uns an Mochijtos.
An den Wänden des Lokals hängen Flachfernseher. Und zu unserer völligen Verblüffung wird dort das Bundesligaspiel Leverkusen-Dortmund live übertragen, dass die Dortmunder verdient mit 3:1 gewinnen. Dagmar will mir gar nicht glauben, dass freitags Bundesliga gespielt wird und dieses Spiel dann auch noch in Mauritius übertragen wird, aber es ist nun mal tatsächlich so. Irgend so ein Sportsender, der sich die Highlights des Sports rauspickt und live sendet, ist dafür verantwortlich. Deutscher Fußball ist anscheinend so ein Highlight. Die Gäste schauen weniger auf den Fernseher. Die haben genug mit ihrer Musik zu tun. Und der DJ, der ganz unscheinbar am Rand der Tanzfläche vor seinem Laptop kauert, macht seinen Job verdammt gut. So perfekte Übergänge habe ich schon ewig nicht mehr gehört. Die Musik ist auch hervorragend und animiert zum Tanzen. Leider können wir unsere Sachen nicht alleine am Stehtisch zurücklassen. Das Risiko ist uns dann doch zu groß. Also schauen wir einfach nur zu und erfreuen uns an dem sehr gemischten Publikum. Und das Schöne ist: Hier verträgt sich wirklich jeder mit jedem. Egal, welche Religion, welche Hautfarbe, welches Alter, welches Geschlecht. Es ist so harmonisch, dass es schon fast wieder verdächtig ist.
Sauer ist nur einer, und der bin ich. Der Taxifahrer verlangt für die 500 Meter zu unserem Hotel glatte 400 Rupien, also 10 Euro. Und das ist echter Wucher.
Sonntag, 16. Januar 2011
Nachdurst
So lecker diese Mochjitos ja sind, so sehr sorgen sie doch am nächsten Morgen für Nachdurst. Durst nach Wasser.
Wir sind den letzten Tag hier. Daggi faulenzt wieder am Pool rum; ich schicke noch eine kleine Aufnahme nach Deutschland und widme mich dann dem SPIEGEL, den ich mir über das Internet auf das iPad geladen habe.
Mittags wieder Essen im Hotel, danach so langsam Aufbruchstimmung. Wir müssen morgen früh um 5.15 Uhr geschniegelt und gebiegelt am Empfang stehen, da uns der Bus bereits vier Stunden vor dem Abflug abholt.
Am Nachmittag laufen wir noch einmal rüber nach Grand Baie.
Im Cocoloko trinken wir erst einen Café und dann das 1-Liter-Paket Bier für kleines Geld. Auf der Suche nach einem schönen Restaurant finden wir zum Abschied noch einen Italiener direkt im Hinterhof des „Live“. Feinste italienische Speisen, serviert von lustigen Einheimischen, die sich auch gerne ihren Spaß mit uns machen. Der letzte Heimweg fällt schon ein bisschen schwer, aber im Hotel werden wir nochmal wach. Hier tanzt gerade eine einheimische Tanzgruppe folkloristische Tänze mit den üblichen Paarungs-Zeremonien. Dagmar muss mittanzen, obwohl sie jetzt eigentlich lieber ins Bett möchte. Noch fünfeinhalb Stunden bis zum Wecken.
Und damit gehen wir ins Bett, schließen den Blog ab und stellen uns innerlich darauf ein, morgen unausgeschlafen 11 Stunden Fliegerei über uns ergehen zu lassen. Aber das gehört halt dazu, wenn man fremde Länder erkunden will. War´s schön? Es war sehr schön!!!!
Das Fazit: Eine wunderschöne Insel. Ideal für Sonnenanbeter und Wassersportfreunde – und somit für mich nicht wirklich relevant. Die Menschen hier sind einfach wunderbar, freundlich, ehrlich und liebenswert. Dennoch möchte ich nicht hier leben wollen. Alles ist doch ein ganzes bisschen langsamer als bei uns daheim – und damit meine ich nicht nur die schleichenden Internetverbindungen. Alles ist hier noch ein bisschen altmodisch, angefangen bei den Ladenöffnungszeiten, den Wartezeiten im Restaurant und den doch sehr eingeschränkten Vergnügungen im Hotel. Wir haben das Glück, nahe der „Riviera von Mauritius“ gebucht zu haben. Grand Baie ist der einzige Ort auf dieser Insel, in dem abends was los ist. Wer ein Hotel irgendwo in der Prärie gebucht hat, ist völlig abgeschnitten von jeglichem Kontakt zum Leben. Da kostet eine Flasche Wasser dann auch 150 Rupien, fast vier Euro. Verständlich, dass dann viele schon um acht ins Bett gehen…
Aber: Wir haben die „Blaue Mauritius“ gesehen, wir haben die hochinteressante Geschichte des Landes in uns aufgesogen und gut gegessen, geschlafen und getrunken. Wir sind braun gebrannt; keiner hat sich verletzt oder war ernsthaft krank. Und das kann man ja nicht von jedem Urlaub behaupten.