Zwischen Schalom und Schekel

Auch als Video: https://e1.pcloud.link/publink/show?code=XZvIizZzbsFvQMlI0btlMeS1gW5KH0gcHD7

ACHTUNG!
Ich weise darauf hin, dass dieser Text für gläubige Menschen nicht unbedingt geeignet ist. Als Atheist kann ich inzwischen NICHTS mehr gutheißen, was im Namen der diversen Religionen mit uns Menschen angestellt wurde. Der Text ist meine eigene Meinung und darf nur unverändert und mit Quellenangabe zitiert werden.

VORWORT

Vielleicht hätte ich die Warnungen beachten sollen.
Vielleicht hätte ich den Dingen eine Chance geben sollen.
Vielleicht hätte ich mich vorher über den Inhalt der Reise informieren sollen.
Vielleicht spielt das aber auch gar keine Rolle, weil es eben so ist, wie es ist.

Zwischen Schalom und Schekel

In Bad Homburg, meiner alten und jetzt wieder neuen Heimatstadt, machte der April gerade was er will. Straßenglätte, Schneefälle und Temperaturen bis minus sieben Grad. Und das, nachdem der Frühling bereits mit nahezu sommerlichen Werten die Sonnenfreunde ins Freie trieb. Kurz nur war das Vergnügen, eine Kältewelle seltenen Ausmaßes drängte die Leute in ihre Buden zurück.
Und die sollten besser nicht beheizt werden, weil ein gewisser Autokrat namens Putin Europa den Gashahn abstellen wollte. Sollte er es nicht tun, würde Deutschland den Bezug russischen Gases weiter reduzieren, wenn nicht gar einstellen. Auslöser des Dilemmas war ein Angriffskrieg des Herrn Putin gegen seine angeblichen Brüder, die Ukrainer. Die wären gerne den Klauen des russischen Väterchens entkommen und wehrten sich tapfer. Darunter auch viele ukrainische Arbeiter, die infolge der Vaterlandsverteidigung nun nicht mehr unsere Lebensmittel fahren oder gar Spargel aus dem Feld stechen konnten. Das führte zu gewaltig steigenden Preisen im Land, vor allem im Lebensmittelhandel. Die Butter legte 30% zu, Fleisch sogar bis zu 50%, von den Benzinpreisen ganz zu schweigen. Als ob das nicht schon betrüblich genug wäre, kämpfte Deutschland nun bereits im dritten Jahr gegen ein Virus namens COVID 19, das partout keine Anstalten machte, vom Erdboden zu verschwinden. Im Gegenteil, die Zahl der täglichen Infektionen stieg von einigen hundert auf über 300.000 pro Tag, was logischerweise auch zu rund 300 frischen Toten pro Tag führte. Der Börse war das auch nicht recht. Die enormen Kursgewinne der letzten drei Jahre fielen in sich zusammen wie die Hochhäuser in Kiew.

Kurzum, es war genau der richtige Moment, diesem ganzen Wahnsinn zu entfliehen und endlich mal wieder Urlaub zu machen. Wobei meine Art, Urlaub zu machen, sich nicht mit der allgemein gültigen Definition deckt. Während der Norm-Urlauber seine Zeit gerne am Strand oder Pool verbringt, um sich bei gleichzeitiger Einnahme extremer Alkoholmengen die Haut zu verbrutzeln, suche ich bekanntlich doch mehr als das Meer. OK, dem Alkohol biete ich gerne meine Leber an, und auch die eine oder andere Sonnenbestrahlung hat bei mir vorübergehenden Schaden angerichtet, aber im großen Ganzen geht es mir doch eher ums große Ganze. Wie sind Land und Leute? Wie lebt sich’s im Land? Was gibt es an Sehenswürdigkeiten zu bestaunen?

Und als ich da im letzten Sommer voller Fernweh mit meinen beiden Schwestern, Anna-Karén und Angelika, kurz Anna und Gela, zusammensaß, tauchte plötzlich ISRAEL als Traumziel unserer Sehnsüchte auf. ISRAEL, der Schmelztiegel vieler Nationen und Religionen zwischen Afrika und Vorderasien, der uns gewiss neue Impulse bringen würde. Schnell war ein Reiseunternehmen gefunden, das uns für eine erkleckliche Anzahl von Talern eine hübsche Rundreise zusammenstellte, um das Land unserer Träume einmal näher kennen zu lernen.

Auf der Festung in Jaffa

VORBEREITUNG

GEBECO heißt das Unternehmen, das unsere Reise zusammengestellt hatte. Zehn Tage Rundreise plus zwei anschließende Erholungstage am Meer war der Plan. Meine Schwestern buchten Doppelzimmer; ich war Alleinreisender und zahlte daher fast für zwei.

Wenige Tage vor dem Abflug meldete sich das Auswärtige Amt mit der unmissverständlichen Empfehlung, das Land Israel bis auf Weiteres nicht zu besuchen. Grund war eine Reihe von Terroranschlägen mit vielen Toten. Zum nahenden RAMADAN erwartete das Land aufgrund geheimdienstlicher Informationen weitere Anschläge. Wir drei diskutierten die Reisewarnung und beschlossen, sie nicht zu beachten. Ein „paar Tote“ gibt es jederzeit irgendwo auf der Welt durch Gewalt Dritter. Rein mathematisch gesehen war die Wahrscheinlichkeit sehr gering, zum Opfer zu werden.

Das war die erste Warnung.

Für eine Reise nach Israel muss man viele Formulare ausfüllen und mitführen:

1. Eine Bestätigung der Krankenkasse, dass sie die Kosten einer eventuellen Rückführung im Falle eines Falles, z.B. Corona, übernehmen würde.
2. Ein Einreiseformular, das man online über mehrere Bildschirmseiten akkurat ausfüllen muss – beim kleinsten Fehler wird man nicht mitgenommen!
3. Einen sogenannten „Green Pass“, der im Wesentlichen aus einem QR-Code und einer Menge von hebräischem Text besteht – auch den gibt es im Internet.
4. Einige ausgedruckte Seiten mit „Vouchers“ für die diversen Hotels, die man aufsuchen wird, ohne sie jemals vorzeigen zu müssen.
5. Ein Vorab-Online-Check-In samt Sitzplatzreservierung.
6. Einen aktuellen negativen PCR-Test.
7. Und natürlich den Reisepass, mindestens noch sechs Monate gültig.

Das alles korrekt auszufüllen, hat uns drei für mehrere Stunden beschäftigt. Teilweise haben die Server der Lufthansa, teilweise die Rechner in Israel gepatzt, aber letztendlich haben wir das irgendwie hinbekommen.
Ganz ehrlich: So viel Stress hatte ich weder bei der Einreise nach China noch nach Russland.

Das war die zweite Warnung.

Jesus ist überall. Hier stimmt der Spruch tatsächlich.

Dann war da noch diese Sache mit Corona. Um überhaupt ins Flugzeug zu dürfen, brauchte man einen aktuellen PCR-Test, der nicht älter als 48 Stunden sein durfte. Das war schon mal gar nicht so einfach. Die meisten Testzentren hatten keine Kapazitäten frei. Über eine Freundin bekam ich dann einen Termin um 7.55 Uhr (!) Im Testzentrum am Bad Homburger Krankenhaus. Bei eisigem Wind stand ich zum Glück nur wenige Minuten im Freien, bis zwei junge Männer den Schreibkram und eine unfreundliche Schwester den Abstrich erledigt hatten.
Mein Ergebnis kam am selben Nachmittag gegen 16.00 Uhr. Ergebnis: POSITIV!
Ich traute meinen Augen nicht. Ich soll an Corona erkrankt sein? Mir geht’s doch bestens, und mein letzter Schnelltest vom Vortag war doch auch negativ. Ich war kurz davor, meine Schwestern anzurufen, um die Reise abzusagen, als leise Zweifel an dem Dokument aufkamen. Ich wurde bereits um 7.55 getestet und nicht um 9:46, wie im Befund stand. Außerdem stimmte mein Geburtsdatum nicht. Und bei genauerer Prüfung stellte ich fest, dass auch mein Name nicht korrekt angegeben war. Genauer gesagt hatte der Name mit mir nicht das Geringste zu tun. Mit anderen Worten: Die hatten das positive Zertifikat eines völlig anderen Menschen mit meinem Namen versehen und mir als PDF zugeschickt!
Es dauerte eine Weile, bis ich jemanden im Labor der Klinik an die Strippe bekam. Das Mädel am anderen Ende war sichtlich betroffen und suchte mir immerhin das richtige Ergebnis raus: MEIN TEST WAR NEGATIV! Leider reichte ihre Kompetenz nicht aus, mir das richtige Ergebnis auch zu mailen. Dazu musste sie ihre Chefin aufsuchen und sie zu einem Rückruf bewegen. Ich bat sie eindringlich, auf keinen Fall aufzulegen, weil die Chance, dass am Freitagnachmittag um 17.00 Uhr in einer Behörde noch mal jemand ans Telefon ging, nahezu unwahrscheinlich war. Also lief das Mädel so lange durchs Labor, bis sie ihre Chefin gefunden hatte. Die blökte erstmal das Mädel an, dass sie mir das Ergebnis einfach so am Telefon verraten hatte und bot mir dann an, gegen Versendung einer Mail mit dem Foto meines Reisepasses meinen richtigen PCR-Test herauszurücken. Der kam dann auch eine gute halbe Stunde später, gefolgt von einem weiteren Duplikat des Tests, versehen mit einer Entschuldigung des Praktikanten für die Verwechslung.

Das war bereits die dritte Warnung.

Schöne Ausblicke

Der Flug war für 10:30 Uhr angesetzt. Frankfurt – Tel Aviv, mit der Lufthansa. Wegen der umfangreichen Sicherheits-Maßnahmen wurde uns ein dreistündiger Vorlauf empfohlen. Also Einchecken um 7:30 Uhr. Bedeutet 7.00 Uhr zu Hause abfahren, bzw. 6.15 Uhr aufstehen. Wie üblich, startete ich den Wecker mit einem Sprachbefehl an Alexa: „Alexa, wecke mich um 6 Uhr 15.“ – „Wecker für 6:15 Uhr ist gestellt.“
Wahrscheinlich hat er auch fein gebimmelt, der Alexa-Wecker. Blöderweise hatte ich nicht bedacht, dass immer DER Wecker klingelt, mit dem man den Weckruf vereinbart hat. In diesem Fall Alexa in meinem Büro. Und das tat er auch. Gute 15 Minuten lang, bis ich am anderen Ende meiner Wohnung von selbst aufwachte und auf die Uhr schaute. So schnell war ich noch nie hellwach. Die Koffer waren ja gepackt, das Taxi stand pünktlich vor der Türe, meinem „Urlaub“ sollte nichts mehr im Weg stehen.
Nach rund 400 Metern Fahrstrecke fiel mir dann auf, was ich zu Hause liegen gelassen hatte: Meine Tasche mit dem MacBook, dem iPad, den Netzteilen, dem Ticket, allen mühsam erkämpften Formularen und vor allem dem Reisepass.
Also wieder nach Hause, die Tasche geschnappt und nun endgültig zum Flughafen.

Könnte man durchaus als vierte Mahnung verstehen.

Sozialer Wohnungsbau vor 2000 Jahren

Aber, wie ich nun mal so bin – ich schlug alle Warnungen in den Wind und checkte ein. Meine Schwestern kamen ein paar Minuten später dazu. Wir hatten noch nichts gegessen und wollten eigentlich zusammen frühstücken. Leider gab es am Schalter C4 im Frankfurter Flughafen kein Restaurant oder wenigstens warmen Kaffee. Erst im Flieger bekamen wir so eine Art Wrap mit undefinierbaren Zutaten samt dem bekannt schalen Kaffee dazu.

Und dann sind wir gestartet. Vorbei der ganze Stress der Vorbereitung, unser Urlaubsziel lag nur noch viereinhalb Stunden entfernt vor uns. Das Flugzeug (A321 Neo) war nur zu etwa zwei Dritteln besetzt; der Flug war ruhig und angenehm.
Fast pünktlich landeten wir auf dem Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv. Ein Flughafen, der eigentlich viel zu groß für den relativ überschaubaren Flugverkehr ist. Mit der Landung war es nicht getan. Zunächst musste man seinen Pass fotografieren lassen und dabei dümmlich in eine Kamera grinsen. Dadurch wurde ein kleiner blauer Zettel erstellt, der ausgedruckt aus dem Apparat kam. Leider ersetzte diese praktische Passkontrolle nicht die kompletten Einreiseformalitäten. Wir mussten uns trotzdem noch in eine Schlange für die Passkontrolle anstellen. Dort wurden alle unsere mitgebrachten Ausweise, Zertifizierungen, Green Passes und Versicherungsbestätigungen überprüft, bevor wir als letztes EIN WEITERES MAL EINEN PCR-Test über uns ergehen lassen mussten. Natürlich wussten wir das schon vorher – und hatten den Test auch schon vor der Reise bezahlt – aber nach diesem Test war es uns untersagt, das Hotel zu verlassen, bis nicht innerhalb von maximal 24 Stunden ein negatives Ergebnis übermittelt würde.

Der erste Tag

Eine Mitarbeiterin von „GEBECO“ stand gleich am Anfang unseres langen Fußweges und sammelte ihre Schäfchen ein. Leider fehlten ganze fünf Schafe. Statt der erwarteten 14 waren wir nur zu neunt. Neun Touris, die sich gegenseitig beäugten. Schon in Frankfurt hatte ich bei so manchem Mitflieger befürchtet, Teil der Gruppe zu sein. Aber so ist es ja meistens. Bis man sich näher kennenlernt, muss man sich erst einmal beschnuppern. Und wer weiß, vielleicht entpuppten sich einige der mitreisenden Exemplare, denen man sonst nirgendwo begegnen möchte, doch als ganz interessante Zeitgenossen…

Auch längeres Warten brachte die vermissten Tour-Teilnehmer nicht zutage. Irgendwann verabschiedete sich die GEBECO-Einsammeltante und übergab uns an den Reiseleiter der Tour, an Radu Mendrea, einem ursprünglich aus Rumänien stammenden, etwa 55-jährigen Mann, der ein ausgesprochen gutes Deutsch sprach, was wohl auch daran lag, dass seine Großeltern Deutsche waren und ihm alle deutschen Bücher zu lesen gaben, als er noch klein war. Radu versuchte sein Glück nach der Jagd auf die verschollenen Reiseteilnehmer erneut, blieb aber ebenso erfolglos wie seine Kollegin eine Stunde vorher. Nach Rücksprache mit seinen Chefs stiegen wir dann in einen nagelneuen Bus mit eingebautem WLAN und fuhren in unser erstes Hotel.

Olivenmühle. Der mit dem Straßenplan ist übrigens Radu.

Das Hotel „ALLENBY 75“ in der Allenby Street Nummer 75 in Tel Aviv war ein ziemlicher Schock. Winzig kleine Zimmer, die fast komplett vom Bett ausgefüllt wurden. Und hier drin sollten wir ausharren, bis dieser dämliche PCR-Test übermittelt wäre? Ein Restaurant gab es auch nicht, aber man konnte kleine Snacks kaufen. Das war ohne israelisches Geld nicht möglich. Also fragten wir Radu, wo man denn jetzt noch Geld wechseln könne. Es war kurz vor sieben. Genaues wusste er auch nicht, aber er meinte, dass „da draußen irgendwo“ sicher noch Geldwechsler zu finden seien. Damit erlaubte er uns, das Hotel zu verlassen. So richtig sinnvoll schien er den erneuten PCR-Test nicht zu halten…
Und kaum dass wir draußen waren, bemerkten wir, dass kein Mensch mehr mit einem Mund/Nasenschutz rumlief. Um nicht unangenehm aufzufallen, kopierten wir diese neue Freiheit und wechselten etwas Geld. Damit das Geld auch unter die Leute kommen konnte, liefen wir dann ein bisschen durch die Straßen bis runter zum Meer und wieder zurück – immer auf der Suche nach einem netten Restaurant. Das fanden wir auch. Beim Studieren der Speisekarte fragten wir uns lange, was für eine Währung da bei den Preisen gemeint war. Es handelte sich tatsächlich um Schekel, also diese Dinger, die wir gerade eingetauscht hatten. Alles war rund zwei bis dreimal so teuer wie in Deutschland! Israel ist eins der teuersten Länder der Welt. Teurer als die Schweiz! Wahrlich geschockt leisteten wir uns lediglich je eine kleine Vorspeise und ein Glas Wein, der natürlich auch das Dreifache eines „normalen“ Weins kostete. Fast 50 Euro pro Person kostete der Snack, den wir in Deutschland – mit Wein! – für höchstens 15 Euro bekommen hätten. Ich werde wohl meine Preise demnächst erhöhen müssen…

Dank der Miniportion nur wenig gestärkt, liefen wir noch eine Weile hin und her, bis wir unser Spielzeughotel wiederfanden. Inzwischen war EINER der fünf Verschollenen aufgetaucht. Er war schon am Vortag angereist und war ziemlich verärgert, dass ihn niemand von GEBECO am Flughafen abgeholt hatte. Inzwischen waren aber auch Gäste mit anderen Flügen hinzugekommen. Insgesamt sollte die Gruppe 20 Personen stark sein. Dabei blieb es allerdings nicht, weil ein Paar direkt am Flughafen in Frankfurt wieder nach Hause geschickt wurde, wie wir später erfuhren. Sie hatten einen Fehler im Einreiseformular gemacht. Einen winzigen Schreibfehler…

Der zweite Tag

Irgendwann mitten in der Nacht trödelten die PCR-Ergebnisse per Mail ein. Fast alle Reisenden waren erwartungsgemäß NEGATIV getestet worden. Fast alle, denn das letzte Problem war eine Dame aus dem Nürnberger Raum, die bisher keine Nachricht über das Ergebnis ihres PCR-Tests erhalten hatte. Nach rund einstündiger Wartezeit, die wir mit dem Frühstück überbrückten, traf Radu – nach Rücksprache mit seinen Vorgesetzten – die Entscheidung, dass wir alle mit Ausnahme der noch Ungetesteten erst einmal eine Stadtrundfahrt durch die Altstadt machen würden. Wenn der Test bis 12 Uhr eingetroffen wäre, würden wir sie im Hotel abholen. Wenn nicht, würden wir weiterfahren und die Dame ihrem Schicksal überlassen. Das Schicksal war sehr ungnädig zu ihr: es kam und kam kein Test. Trotz Nachfragen beim Labor tauchte der Test nicht auf. Daher beschloss die Einreisebehörde, bei ihr den ursprünglichen PCR-Test aus Deutschland gelten zu lassen und die Dame als „negativ getestet“ zu klassifizieren. Abends um 22.00 Uhr durfte sie dann ein Taxi besteigen und sich die rund 210 km bis zu unserem ersten Hotel chauffieren lassen – bezahlt von GEBECO, nicht vom Staat Israel…

So weit, so schlecht. Nun aber mal endlich zu unseren Reiseerlebnissen. Der neue Bus war leider eine ganze Generation älter und schlechter als das schicke Gefährt am Flughafen. WLAN gab es nicht, die Sitze waren eng angebracht und die Kiste kam aus China, Marke „KING LONG“. Unser Fahrer für die Tour, Michelle, stammte aus Barcelona, hatte eine Tochter in Italien und lebte in Haifa. Netter Kerl, aber manchmal ein bisschen ruppig mit seinem King Long. Auch vor seinem Chef Radu und selbst vor den Reisegästen explodierte der Choleriker das eine oder andere Mal, um sich dann später immerhin zu entschuldigen. Wie üblich, war er auch für den Wasserverkauf an Bord verantwortlich. Ordentliche 3 Euro für zwei kleine Flaschen Billigwasser waren eine mutige Forderung, die er aber eiskalt durchsetzte. Immerhin war das Wasser gekühlt.
Am Morgen hatten wir die Altstadt von Jaffa besichtigt – der Schwesterstadt von Tel Aviv. Das war genau der Bereich, den wir am Vorabend schon per Fuß erkundet hatten. Diesmal natürlich unter wissenschaftlicher Leitung und Expertise unseres Reiseleiters Radu.
Und da muss ich leider etwas ausholen: Unser guter Radu ist ein sehr intelligenter, hoch belesener Mann, der die gesamte Geschichte der Menschheit bis auf die Uhrzeit jedes einzelnen Ereignisses im Traum aufsagen kann. Nun ist ja bekanntlich auf der Welt schon so einiges passiert. Der Versuch, die Erzählungen Radus in irgendeiner Form zeitlich oder örtlich einordnen zu können, war schlicht unmöglich – so schnell sprang er zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen und den verschiedenen Jahrhunderten mit den unzähligen, ebenfalls verschiedenen Kriegsherren, Kaisern, Königen, Priestern oder Staatenlenkern hin und her, dass einem bereits nach kurzem Zuhören schwindlig wurde. Die Geschichte des Landes Israels, das ja erst 1948 gegründet wurde, begann aber bereits in der Bronzezeit oder noch früher (fragt Radu!). Seitdem hat hier so ziemlich jeder, den wir in Geschichte durchgenommen haben, Kriege geführt, Land besetzt, Leute versklavt oder abgemurkst und mit Religionen heimgesucht, die immer wieder zu Feindschaften unter den verbleibenden armen Seelen führte. Zu nennen wären da Napoleon, die Kreuzritter, die Ägypter, die Syrer, die Jordanier, Türken, diverse Päpste oder eben Stellvertreter Allahs, die allesamt nur das Ziel hatten, dieses kleine Fleckchen Land, das gerade mal so groß ist wie Hessen, zu besetzen und sich die Bewohner untertan zu machen. Und das bei Temperaturen von bis zu 55 Grad im Sommer. Auszuhalten ist es eigentlich nur im März oder April, danach macht der schönste Krieg keinen Spaß mehr.
Wenn man nun – wie Radu – die Geschichte dieses Landes studiert hat, also ein paar Jahrzehnte seines Lebens damit verbracht hat, fällt es einem leicht, zwischen den verschiedenen Epochen hin- und her zu springen wie ein Rehlein im Walde, weil man voraussetzt, dass der Zuhörer selbstverständlich ebenfalls über den Ablauf der Geschichte informiert ist. Nun wenn jemand wie wir – und damit meine ich unsere gesamte Reisegruppe – keinen blassen Dunst von der „erweiterten“ Geschichte Israels hat, stehen wir dumm da wie Kleinkinder. Und wenn jemand so leichtsinnig ist und Radu eine Zwischenfrage stellt, wenden sich viele sofort mit einem Stöhnen ab. Zum einen, weil die Frage sowieso nicht beantwortet wird und zum anderen, weil Radu dadurch Gelegenheit bekommt, eine weitere Schublade seines unendlichen Wissens aufzuziehen und deren Inhalt über uns Unwissende auszugießen, das Plebejische der Situation durchaus genießend.

Sorry, das klingt ein bisschen böse. Radu ist wirklich sehr nachsichtig und erklärt jedem einzelnen jeden einzelnen Tag der Geschichte in unendlicher Geduld immer wieder. Das verzögert den Programmablauf nicht unwesentlich. Er bat uns zwar einige Male darum, ihm zu sagen, wenn seine Erklärungen zu ausschweifend würden, aber wer traut sich schon, ihn in seinem Redefluss zu unterbrechen und zu sagen: „Hey Radu, halt die Klappe! Es reicht!“.
Erst dachte ich ja, dass es nur mir so ging, aber nach und nach kumulierten sich dann doch die Eindrücke aller Tour-Teilnehmer zu obiger Beurteilung – die keine Bewertung darstellen soll. Die passenden Zuhörer könnten sicher ihr Leben lang von den Ausführungen des Meisters zehren. Mir bleibt nur der Blick in Wikipedia, um den 15-minütigen Vortrag über die Form irgendwelcher Kirchenfenster in einem Satz zusammenzufassen. Erschwerend kommt hinzu, dass Radus wunderbare Stimme leider auch einen gewissen Hang zu Monotonie aufweist, was vor allem bei den Schulstunden während der Busfahrt leicht zu Erschöpfungszuständen mit anschließendem Tiefschlaf führen konnte.

Ich glaube, Radu quält sich selbst, um seinem Anspruch an Perfektion gerecht zu werden. Aus Angst, irgendetwas Wichtiges zu vergessen, erzählt er die ganzen unwichtigen Kleinigkeiten gleich mit. Immerhin liegen zwei Jahre Corona-Pause hinter ihm und dem ganzen Unternehmen GEBECO – da will man keinen Fehler machen.

Da wir keine andere Wahl hatten, haben wir diese gründlichen Geschichtsstunden dann aber doch irgendwann akzeptiert. Im Lauf der Tage hat er auch ein Gespür dafür entwickelt, wann seine Zuhörer sich von ihm innerlich abwandten und eigenen Gedanken nachgingen. Dann kam er meist schnell zum Ende oder wenigstens zum Kernpunkt der Geschichten.

Deshalb bitte ich um Nachsicht, wenn ich in diesem Blog die ganzen geschichtlichen Zusammenhänge auf das Wesentliche komprimiere. Was in diesem Land alles passiert ist, füllt nicht ohne Grund ganze Bibliotheken.

Und dass wir uns die blödeste überhaupt denkbare Reisezeit ausgesucht hatten, stellte sich leider auch erst vor Ort raus. Denn ab Freitag traten hier in Israel gleich drei Zustände gleichzeitig auf:

1. Die Palästinenser feierten ihren Ramadan
2. Die Juden feierten das Pessach-Fest
3. Die Christen feierten Ostern.

Die Muslime dürfen während des Ramadans tagsüber nichts trinken oder essen, was sie ganz besonders aggressiv macht. Bei den Juden ist das immer von Freitagabend bis Samstagabend der Fall. Und weil sich das schmale Land seine diversen Moscheen und Kirchen gleich mit mehreren Religionen teilen muss, ist Trouble quasi vorprogrammiert. Wir waren sehr gespannt, wer von uns das Desaster überleben würde.

Aber soweit waren wir ja noch lange nicht.

Überall Bauruinen.

Das erste Ziel an diesem Tag waren die alten Hafenanlagen von Jaffa, der Altstadt von Tel Aviv.

Der Hafen von Jaffa liegt am südlichen Ende der Strandpromenade Tel Avivs und ist einer der ältesten Häfen der Welt. Seit über 3000 Jahren dient der Hafen dem Heiligen Land als Fischereihafen und hat während dieser Zeit Händler, Pilgernde, Reisende, Eroberer und Immigranten begrüßt. Der Hafen von Jaffa wurde komplett erhalten und restauriert und ist heute ein malerischer, historischer Ort mit antiken Steinstraßen, die hinunter zum Wasser führen. Der Hafen beherbergt unter anderem Restaurants, Cafés, Kunstgalerien und Läden, welche sich in den restaurierten Lagerhallen und Hafengebäuden befinden. 

Jaffa wird in antiken Schriften, auch im Alten Testament, erwähnt. Demnach wurde Jaffa während der kananitischen Zeit (18. Jahrhundert v. Chr.) auf dem Kalksteinriff, das ins Mittelmeer hinausragt, gegründet. Vom 15. bis 1. Jahrhundert v. Chr. wurde Jaffa von verschiedenen Mächten regiert, unter anderen von den Ägyptern, den Philistern, den Israeliten, den Assyrern, von Alexander dem Großen und Syrien. Der Hafen in Jaffa wurde dazu benutzt, Materialien für den Bau des Tempels von König Salomon in Jerusalem zu liefern. Und Jona floh vor der Anweisung Gottes, indem er ein Schiff von Joppa (Jaffa) nach Tarshish nahm. Im 1. Jahrhundert v. Chr. landete der Hl. Petrus in Jaffa.

In den darauffolgenden Jahren kamen und gingen die Eroberer. 636 v. Chr. eroberte Caliph Omar Jaffa und im Jahr 1099 nahmen die Kreuzfahrer die Stadt ein. 1799 eroberte Napoleon die Stadt von den Ottomanen, wobei er selbst nicht lange im Land blieb. Von 1800 an wurden Orangen aus Jaffa in die ganze Welt verschifft. Die Briten übernahmen Jaffa 1917 und bauten ein Zollhäuschen sowie einen größeren Hafen im Süden. Die Briten blieben in Jaffa, bis 1948 der Staat Israel gegründet wurde. 2007 wurde der Hafen komplett restauriert. 

Soweit alles verstanden? Da ist schon eine Menge Weltgeschichte drin, die uns da in zwei Stunden detailliert aufgetischt wurde. Dazu war es schön warm (25 Grad), so dass die kalten Wasserflaschen Im Bus weggingen wie warme Semmeln.

Weiter ging es durch die Innenstadt von Tel Aviv, die einen zwiespältigen Eindruck hinterließ. Einerseits waren viele Häuser renoviert worden, andererseits störten eine Menge von Schrottbauten das Gesamtbild. Die Neustadt mit ihren Wolkenkratzern stellt Frankfurts Skyline in den Schatten. Israel hat bisher keine U-Bahnen, nur wenige Züge und gerade mal eine Autobahn. Dafür aber eine Unmenge an Fahrzeugen, die wegen behördlicher Abgaben doppelt so viel kosten wie in Deutschland, die Straßen aber genauso verstopfen wie in jeder Großstadt. Hässliche Graffitis findet man an fast jeder Ecke, und mit dem Aufräumen oder Säubern ihrer Stadt nehmen es die Bewohner nicht sonderlich genau. Dazwischen findet man immer wieder edle Wohngebäude im beliebten Bauhaus-Stil der dreißiger Jahre, die sogar zum UNESCO-Welterbe erklärt wurden. Die Prachtvillen dürften aber nur einer kleinen Elite vorbehalten sein. Denn obwohl die Preise für Essen und Wohnen durch die Decke schießen, ist der Verdienst der Israelis diesen Kosten nicht angepasst. So verlangt man für israelische Landwirtschaftsprodukte beispielsweise in Deutschland weniger als im Ursprungsland, was mittlerweile auf lauten Protest stößt.
Da wir drei ja im Anschluss an die Studienreise noch drei zusätzliche Tage in Tel Aviv gebucht hatten, stellten wir uns schon jetzt auf ein größeres Loch in der Reisekasse ein.

Wir verließen Tel Aviv und fuhren Richtung Norden, Richtung Haifa. An der archäologischen Ausgrabungsstätte „Cäsaren Maritime“ aus dem 1. Jahrhundert nach Christus machten wir Halt. Das Theater ließ Herodes der Große errichten. In diesem Theater wurde tatsächlich Theater gespielt – die blutigen Gladiatorenkämpfe fanden woanders statt.

Eigentlich wollten wir auch noch die berühmten „Hängenden Gärten von Bahai“ betrachten – die waren aber wegen der ganzen drohenden Unruhen, auf die ich später noch zu sprechen komme, geschlossen. Auch der Programmpunkt „Unterirdisches Gewölbe der Kreuzritterzeit“ musste leider ausfallen. Dafür besichtigten wir eine „Künstlerstadt“ hoch oben am Hang eines Berges. Der Name ist mir leider entfallen, aber die vielen Galerien mit durchaus sehenswerten Kunstwerken blieben mir sehr wohl in Erinnerung. Nach einer und einstündigen Wanderung durch die Gassen des malerischen Dorfes nahm der Bus Kurs auf das „Galiläische Meer“, wo unser zweites Hotel etwas außerhalb an einem steilen Hang auf uns wartete.

Der ungepflegte Kasten gehörte zur selben Kette wie unser Auffanglager in Tel Aviv. „PRIMA-Hotels“ sollten es sein, waren aber weit davon entfernt. So funktionierte die magnetische Schlüsselkarte fast nie, so dass man sie schon fast grundsätzlich vor dem Besuch seines Zimmers neu programmieren lassen musste.

Das Büfett am Abend sah zwar sehr einladend aus, schmeckte aber fast nach nichts. Die vielen, durchaus einladend aussehenden Salate wurden leider nicht täglich neu angerichtet, sondern einfach umgerührt und weiterverwendet. Daher schmeckten sie unangenehm säuerlich.
Wie überall auf unserer Reise, war als Getränk zum Essen Wasser vorgesehen. Leitungswasser. Mein Messgerät zeigte im Hotel in Tel Aviv einen Messwert von 420 ppm an, was noch als Trinkwasser durchgeht. Hier waren es über 680 Schmutzpartikel pro Milliliter (=ppm), was nun nicht unbedingt für Trinkwasserqualität spricht. Dennoch hatte während der Reise niemand Probleme mit dem Magen aufgrund von verdorbenen Speisen oder Getränken.
Wenn man nun aber auf die tollkühne Idee kam, statt Leitungswasser lieber ein Glas Wein zu trinken, wurde man in diesem Hotel schon sehr überrascht. Am ersten Abend war es noch kein Problem: Für umgerechnet 8.- Euro bekam man ca. 0,1 l. Weißwein einfachster Art. Selbst für das anschließende gesellige Beisammensein auf der Terrasse war noch je ein Glas pro Teilnehmer vorhanden. Dann war der Weißwein alle. Und auch am nächsten Abend gab es keinen Wein mehr. Es wurde einfach gar nichts nachgekauft. Notgedrungen machten sich einige Teilnehmer auf, um im entfernt gelegenen Supermarkt am Fuße des Hangs ein gut angewärmtes Fläschchen aufzutun. Die Kühlung desselben scheiterte an dem Nicht-Vorhandensein von Eiswürfeln im Hotel. So mussten wir die Flasche lauwarm konsumieren, was einen schönen Kontrast zur kühlen Außentemperatur ergab. Außer uns war bis auf den Nachtportier anscheinend überhaupt niemand mehr im Hotel anwesend. Die Türen zu den Terrassen standen die ganze Nacht offen. Wer wollte, hätte sich die ganze Bar hinter die Binde kippen können. Hier gab es eine Menge Spirituosen, aber leider nichts zum Verdünnen. Natürlich weder Wein noch Bier oder wenigstens Eiswürfel. Am zweiten Abend entdeckten wir sogar eine Matratze nebst Kissen auf der Terrasse, die wohl irgendjemandem als Schlafstätte diente.

Egal, wir wollten ja Land und Leute kennenlernen. Und so kommen wir nun zu den Sehenswürdigkeiten der Tage drei bis fünf.

Der dritte Tag

Durch ständige Programmwechsel und Umstellungen stimmte das gedruckte Programm sehr bald nicht mehr mit unseren tatsächlichen Erlebnissen überein, weshalb ich das Geschehen nur anhand der Videos und Fotos rekonstruieren kann. An historischen Orten besuchten wir jedenfalls die biblischen Orte Kapernaum, wo Jesus gelebt und gelehrt haben soll, den Berg der Seligpreisungen sowie Tabgha – den Ort der wundersamen Brotvermehrung, Für mich als anerkannten Atheisten schon ein hartes Brot…

Diese ganzen „heiligen“ Gelände in Israel sind wohl im Laufe der Jahrtausende durch Erdbeben und Kriege zigmal zerstört und neu aufgebaut worden. Wobei die Regel gilt: Einmal heilig – immer heilig. Da wurden also Kirchen aller Religionen immer wieder am selben Platz übereinandergestapelt, je nachdem, wer gerade an der Macht war. Echt ein Wunder, dass die Archäologen da noch durchblicken. Ansonsten waren die Jahrtausende vor allem für die Bauarbeiter eine ziemliche Qual. Dauernd mussten sie zentnerschwere Quader durch die Landschaft hieven, um die Wünsche der jeweiligen Herrscher zu erfüllen. Zwar immer noch besser, als für deren Eroberungsfantasien auf dem „Feld der Ehre“ zu sterben. Und gestorben wurde häufig. Das Durchschnittsalter soll noch zu Jesu´ Lebzeiten gerade mal knapp 30 Jahre betragen haben.

Jesus selbst muss eine verdammt gute PR-Abteilung gehabt haben. Wir haben so ziemlich jeden Atemzug des Wanderpredigers – mehr ist er übrigens für die Juden nach wie vor nicht – miterlebt. Eine sogenannte „Wunderheilung“ hier, eine Predigt da, eine angebliche Brotvermehrung infolge Teilung in immer kleinere Stücke, ein physikalisch unmöglicher Spaziergang auf dem Wasser – der Junge hatte es drauf. Muss er von seiner Mutter Maria geerbt haben, also das Flunkern. Denn die hatte ja bekanntlich allen Ernstes behauptet, ein gewisser „Heiliger Geist“ hätte sie im Schlaf geschwängert. Der doofe Josef hat es jedenfalls geglaubt, und das war ja der Sinn der Sache. Außerdem wäre sie gesteinigt worden, wenn sie die Wahrheit zugegeben hätte. Schwangere unverheiratete Frauen wurden damals einfach so entfernt. Also so ähnlich wie das bei einigen arabischen Völkern noch heute der Brauch ist.

Anna und ich in Jaffa.

Wie der geneigte Leser sicher merkt, halte ich nicht viel von Religionen. Das betrifft sowohl die katholische wie evangelische Kirche, den Buddhismus, den muslimischen Glauben und alles andere, was sich dazwischen tummelt. Überall werden Menschen instrumentalisiert, um an eine „höhere Macht“ zu glauben, die alle Pein des Hierseins schon irgendwie richten wird, spätestens im Jenseits. Bullshit! Die Führer dieser ganzen religiösen Verbrecherbanden sind schuld an nahezu allen Kriegen der Menschheit. Religionen, bzw. die fanatischen Umsetzer der einzelnen Glaubensrichtungen, haben Abermillionen Menschen das Leben gekostet. Gäbe es wirklich so etwas wie einen „Gott“ (und ihr könnt mir glauben, es gibt keinen!), würde er es ganz sicher nicht zulassen, dass man seinen Namen dermaßen missbraucht.

Menschen sind unsicher. Ihnen fehlt oft der Halt. Sie wissen nicht, wie es für sie im Leben weiter gehen soll. Und statt nach Lösungen und Hilfe in ihrem Umfeld zu suchen, beten sie irgendeine Fantasiegestalt an und opfern sogar Tiere oder Babys (!), in der Hoffnung, dass dieser „Gott“ sich für die Spenden dankbar zeigt und das eigene Dilemma schon richten wird. (Dass sie dabei „Gottes“ eigene Schöpfung vernichten und dieser daher eher einen Grund zum Erzürnen hätte, scheint damals nicht im Gehirn angekommen zu sein…)

Nichts gegen die zehn Gebote! (Auch wenn sie im Detail auch schon wieder renovierungsbedürftig sind). Damals war der Mensch eher ein Tier als vernunftbegabt. Da kamen ein paar Lebensregeln ganz recht. „Du sollst nicht töten, nicht stehlen, nicht ehebrechen“ etc. Durchaus vernünftige Regeln für ein friedvolles Miteinander. Wir sind eben ein zufällig durch Zellteilung entstandenes Lebewesen, dessen geistige Fähigkeiten offenbar nicht ganz so mithalten konnten wie das Wachstum der Muskeln.

Die Evolution hat zum „Survival of the fittest“ geführt, dem Überleben des Stärkeren. Das war in der Steinzeit so – und ist heute kein bisschen anders.
Nur geht es heute nicht mehr um die physische, sondern um die politische Kraft. Ein Putin muss keine körperlichen Kräfte mehr besitzen, um die Welt in Angst zu versetzen. Ihm reicht die Position, die er innehat. Die Macht, die von der Position ausgeht. Die Macht der Diktatur. Die ist inzwischen fast genauso zerstörerisch wie die Macht der Religionen.
Ja, Demokratie ist sehr langwierig und nicht immer zufriedenstellend. Aber sie stellt wenigstens einen Kompromiss aller denkbaren Möglichkeiten dar. Besser als nichts. Und vor allem besser als alle Macht in einer Hand.

Warum nur fallen Menschen immer wieder auf diese machtgeilen Selbstdarsteller rein?

Ok, ich merke gerade, dass ich mich ein wenig von der Reise entfernt habe. Das Thema lässt mir zwar keine Ruhe, muss aber nicht in diesem Blog zu Ende diskutiert werden.

Typischer Baustil in Israel

Wir haben nämlich an diesem dritten Tag noch einiges mehr erlebt:

Zum Beispiel eine Seefahrt auf dem See Genezareth in einem Nachbau des angeblichen Originalboots von Jesus – wem sonst…
Der Wasserspiegel des Sees muss durch einige technische Maßnahmen auf immer etwa demselben Niveau gehalten werden, damit keine Kunstschätze überschwemmt werden oder absinkender Wasserpegel Fauna und Flora bedroht.
Die Fahrt war ganz unspektakulär. Das runtergekommene Boot, das ich durchaus sogar für das Original gehalten hätte (das renovierte „Echte“ haben wir dann später sehen können) hatte eine große freie Fläche in der Mitte mit Sitzgelegenheiten links und rechts. Große Disco-Lautsprecher zeugten von Einsätzen ganz anderer Art. Bei uns blieb aber alles ganz zivilisiert. So schaukelten wir etwa 30 Minuten über den See. Am Ende konnte man den Matrosen was spenden oder ein T-Shirt kaufen. Habe ich beides vermieden, weil die ganze Fahrt komplett überflüssig war.

Viel moderne Kunst!

Schöner – und auch eins der Highlights der gesamten Reise – war dann der Besuch in einem Kibbuz.

Was ist ein Kibbuz? Nun, als Israel 1948 gegründet wurde, fand man hier außer viel Feind wenig Lebenswertes. Kaum Landwirtschaft, keine Industrie etc. Das Land musste ja bei Null anfangen. Das ging nur mit freiwilligen Leistungen. Und daher kam man auf die Idee des „Kibbuz“. Es handelt sich um eine spezielle Art des Sozialismus. Alle Mitglieder eines Kibbuz arbeiten freiwillig in ihren Berufen. Sie betreiben Landwirtschaft, bauen Wohnhäuser, entwickeln Industrien etc. Für ihre Tätigkeiten bekommen sie aber kein Gehalt, sondern nur ein Taschengeld. Egal, ob Generaldirektor oder Viehjunge – jeder erhält dasselbe. Das klingt erst einmal ziemlich bekloppt, denn da würde ja wohl keiner mitmachen. Doch, in diesem Fall schon. Denn außer dem Taschengeld erhält jeder freie Unterkunft, freies Essen, eine faire Altersrente inklusive lebenslangem Wohnrecht und JEDE medizinische Versorgung. Das Taschengeld gibt es pro Person, sodass größere Familien durchaus ansehnliche Beträge einsammeln konnten.
Dieser aktuelle Kibbuz lebt auch davon, dass z.B. eine Fabrik für Bewässerungsschläuche für die Landwirtschaft gebaut wurde. Erzählt wurde uns das Konstrukt von einer der ältesten Bewohnerin der Anlage, die ein hervorragendes Deutsch sprach, obwohl sie die Sprache nur in ihrer Kindheit gesprochen und vor allem gelesen hatte. Spontan wollten sich einige der Tour-Teilnehmer als Bewohner eintragen lassen – aber so leicht ist es nun doch nicht. Die Altersobergrenze für neue Mitglieder beträgt derzeit 40 Jahre. Wer älter ist, kann zwar auch dort wohnen, lebt aber ganz normal als Mieter zu allerdings günstigen Preisen. (Wie Radu, unser Reiseleiter…)
Gesucht werden junge Leute, die auch mit anpacken können und die notwendige Arbeit erledigen können. Leider lässt die sich derzeit mit eigenen Mitteln nicht mehr bewerkstelligen. Also müssen fremde Kräfte her – oft aus Vietnam oder anderen Billiglohnländern.
Auch wollen viele langjährige Kibbuz-Bewohner auf die vermeintliche Sonnenseite des Lebens wechseln und die angesparten Anteile – so eine Art „später Wiedergutmachung“ – in Anspruch nehmen. So gibt es jede Woche lange Diskussionen über die Zukunft dieser Lebensform. Solange Israel im Aufbau begriffen war, ging es nicht ohne, aber inzwischen werden sie überflüssig. Von den ehemals rund 15000 Kibbuz-Siedlungen sind derzeit nur noch etwa 1500 lebensfähig – und die Zahl sinkt stetig. Wie sagte die Dame aus dem Kibbuz so richtig? „Wenn Sozialismus funktionieren soll, muss man sehr reich sein“.

Der vierte Tag

Höhle mit Wasser.

Unser Prima-Hotel begann, sich zu füllen. Eine weitere Reisegruppe war eingetroffen, ebenfalls aus Deutschland. Wir durften lange schlafen und starteten den Ausflugstag erst um neun Uhr. SAFED war das Ziel, das „Zentrum jüdischer Kabbala-Mystik“, wie unser Programmheft behauptete. Sagte mir natürlich gar nichts. Tatsächlich handelte es sich um eine leergefegte Altstadt mit malerischen Gassen, durch die dringend mal jemand mit ´nem Kärcher durchgehen sollte. Leergefegt deswegen, weil die Fastenzeit, der Ramadan, angebrochen war und die armen Menschen den ganzen Tag nichts trinken oder essen durften. Da blieben sie gleich ganz zu Hause, statt ihre Geschäfte für Touristen zu öffnen. Eine Synagoge haben wir der Gelegenheit auch noch besichtigt.
Anschließend gelangten wir nach BANYAS, einer der Jordanquellen, wo wir einen Spaziergang unternahmen. Solche „Spaziergänge“ standen ständig auf dem Programm. Im Durchschnitt sind wir jeweils 9 km am Tag gelaufen, wie mir meine treue Apfel-Uhr verriet. Wobei nicht einmal die Streckenlänge ins Gewicht fiel, sondern die ständigen Höhenunterschiede für die Muskeln besonders anstrengend waren. So ein bergiges Land wie Israel gibt es sicher nicht noch einmal…
Damit war der Tag natürlich noch lange nicht ausgefüllt. Als nächstes warteten die geschichtsträchtigen „GOLAN“-Höhen auf uns. Hier hat sich Israel gegen Syrien und den Libanon behauptet. Wir besuchten einen inzwischen aufgegebenen Stützpunkt der israelischen Armee hoch oben auf den Golan-Höhen mit einem wunderbaren Blick ins Nachbarland. Soldatenattrappen aus Metall lauerten in den Schützengräben und zogen vor allem die vielen Kinder der internationalen Besucher an. Die Militäreinheiten müssen viel Freizeit gehabt haben, denn die Auffahrt zum Camp wurde von Dutzenden Metall-Skulpturen gesäumt, die von den Soldaten angefertigt wurden. Eine durchaus ansehnliche Kunstsammlung!
Blieb nur noch ein letzter Programmpunkt: Die Weinprobe. Eine Weinprobe um 15.30 Uhr am Nachmittag. Nicht weit von den Golan-Höhen entfernt befindet sich tatsächlich eine international renommierte Weinkellerei, die nahezu 90% ihrer Erträge aus dem Export bezieht. Wir konnten uns die Abfüllanlage genau anschauen, bevor wir selbst zu Abfüllung gebeten wurden. Lausige drei Weine bot man uns an. Gleich der erste Weißwein war allerdings sehr lecker. Kein Wunder, war ja auch eine deutsche Traube: Gewürztraminer. Habe uns am Ende der Tour gleich zwei Flaschen davon gekauft. 150 Schekel waren dafür gerade noch angemessen (42,85 Euro). Der zweite Wein war ein labbriger Rotwein, und der letzte Wein war ein Dessertwein, mit dem man Zuckerkranke ganz schnell loswird.
Dann verließen wir den GOLAN-Bereich wieder Richtung Hotel, wo es ja bekanntlich KEINEN Wein gab. Jedenfalls bis zu dem Moment, wo wir nach dem Abendessen die beiden inzwischen gekühlten Flaschen vom Nachmittag niederknüppelten. Wir hätten mindestens vier Flaschen kaufen sollen, da sich die Mitglieder unserer exklusiven Reisetruppe ein bisschen nähergekommen waren.

Mal sehen, ob ich alle zusammen bekomme. (Namen lasse ich aus Datenschutzgründen natürlich weg).

Da war zum Beispiel das Paar, das irgendwie so gar nicht zusammenpasste. Und auch gar nicht zusammengehörte, wie sich herausstellte. ER, Therapeut im Strafvollzug – war mit IHR, Lehrerin, privat „gut befreundet“. Die Freundschaft muss so ungefährlich gewesen sein, dass der Ehemann von IHR nichts gegen die Reise einzuwenden hatte. Beide sind hochintelligente Menschen, mit denen wir viel und gerne diskutiert haben.

Oder die leicht durchgeknallte Witwe aus dem Fränkischen, die nach dem Ableben ihres Sparkassendirektor-Ehemanns sogar Poona heimsuchte, um zu sich selbst zu finden. Da sich ihre Sehnsüchte dort wohl nicht verwirklichen ließen, verpasste sie sich eine knallrote Kurzhaarfrisur und erklärte sich kurzerhand zum „Enfant terible“ der Kleinstadt, in der sie wohnte. Sie reiste allein um die halbe Welt, da sie wohl nicht nur viele Immobilien, sondern auch viel Geld geerbt hatte. Mit ihrer burschikosen, direkten Art kam sie bei manchen Mitreisenden sehr gut an, bei mir allerdings weniger.

Dann war da noch der Münchner, ebenfalls allein reisend. Außer der aussprachlich bedingten Unverständlichkeit seiner Äußerungen bleibt er uns vor allem wegen seiner andauernden Beschwerden in Erinnerung. Ständig kritisierte er Radu und brachte ihn mit Zwischenfragen aus dem Konzept, bis dieser den Trick fand, ihn ruhig zu stellen. Er ging einfach auf ihn ein und lullte ihn mit irgendwelchen ausufernden Erklärungen ein.

Ein weiterer Mann, Manager im Handy-Markt, reiste allein. Etwas der Norm-Maße entwachsen, fiel er durch sein sehr freundliches Wesen auf. Er fotografierte so ziemlich alles, was ihm vor die Linse kam. Er suchte gerne die Nähe meiner Schwester Anna-Karén und hatte sogar mit ihr zusammen die (warme) Flasche Wein eingekauft, damit wir nicht verdursten mussten.

Zur Abwechslung mal wieder ein Ehepaar. ER arbeitete früher als Wirtschaftsjournalist für die Frankfurter Rundschau, und SIE hat wohl vor ihrer Rente auch als Lehrerin gearbeitet. Beide wohnen jetzt irgendwo im Süden Deutschlands. Er fiel mir vor allem durch seine klugen Beobachtungen auf, die er mit leiser, wohlklingender Stimme an die Umstehenden abgab. Seine Frau – nicht minder intelligent – behandelte ihn zwar manchmal wie ein Kind, überzeugte in Diskussionen dennoch mit einer fundierten Meinung.

Das älteste Ehepaar zeigte sich während der Reise sehr zurückgezogen. Immerhin kam raus, dass sie eine Reihe von Ferienhäusern bei Krefeld ihr eigen nennen, über dessen Mieter sie jetzt ein Buch schreiben wollen. Da bin ich ja mal gespannt.

Kommen wir zu einem weiteren allein reisenden Mann. Er kam aus Kiel und entpuppte sich erst gegen Ende der Reise als Spion. Er war nämlich im Auftrag von Gebeco unterwegs, um diese nagelneue Reise zu testen. Ich weiß gar nicht, ob Radu von Anfang an über seine Funktion informiert war. Eigentlich war er aber ganz nett. Er war auch mit Abstand der Jüngste unserer Truppe.

Und die Liste der allein reisenden Männer reißt nicht ab: Aus irgendeinem süddeutschen Gebiet kommend, war da noch der Herr, den man nicht vom Flughafen abgeholt hatte. Im früheren Leben war er wohl ein sehr erfolgreicher Architekt, jetzt ist er leider – vermutlich durch einen Schlaganfall – kaum zu verstehen und damit auch schwer zu ertragen.

Das dritte Ehepaar in dieser Liste sah sehr ungleich aus, passte aber dennoch sehr gut zusammen. SIE ist Onkologin, ER arbeitet als IT-Experte.
Beide sehr freundliche Menschen, oft sehr zurückhaltend und dennoch nicht wegzudenken.

Weiterhin gab es da noch ein älteres Ehepaar, das vor allem durch die ständig hustende, nein, röchelnde Ehefrau auffiel. Da hatten wir alle ein bisschen Angst vor Corona, aber sie litt „nur“ an Asthma.

Bleiben nur noch wir drei: Anna, Gela und Rainer. Meine Schwester Anna-Karén ist Ärztin, meine Schwester Angelika Professorin für Erziehungswissenschaften und ich war die Stimme von PERSIL. (Das ist inzwischen das Einzige, was den Menschen im Gedächtnis bleibt, wenn sie von mir erzählen…)

Zusammen mit dem Fahrer Michelle und dem Reiseleiter RADU waren wir also 20 top-motivierte Teilnehmer dieser ersten ISRAEL-Rundreise nach über zwei Jahren Zwangspause.

Sechs allein reisende Männer! Vier allein reisende Frauen! Da muss doch was funken, oder? Nein, muss nicht. Soo leicht passen Menschen nicht zusammen.

Der fünfte Tag

Von Tiberias führte uns die Reise nun so nach und nach nach Jerusalem. Ja, die Planer von Gebeco haben es spannend gemacht.
Zunächst besuchten wir Nazareth, wo das liebe Jesuskind ja bekanntlich getauft wurde; heute steht hier gleich eine ganze „Verkündungs“-Basilika, die auf dem ehemaligen Wohnhaus der Maria gebaut wurde. Danach sahen wir eine „antike Synagoge aus byzantinischer Zeit mit einem schönen Mosaikboden“. Sorry, so steht es im Programmtext – ich kann mich leider nicht erinnern, was ich da gesehen haben soll. Zu viele Kirchen, zu viele Ausgrabungen, zu viele Herrscher, zu viele Details. Das Hirn macht zu. Auch wenn hier steht, dass dieser Mosaikboden „ein gutes Beispiel für das jüdische Leben im Land Jahrhunderte nach der Tempelzerstörung durch die Römer“ ist. Ich verstehe nur Bahnhof.

Von dort ging es „durch das fruchtbare Jordantal nach Nasr El Yahud, der Taufstelle Jesu und Schauplatz historischer Ereignisse des Alten Testaments.“ Das war in der Tat sehr beeindruckend, weil der Jordan hier nur wenige Meter breit ist und sich Jordanien und Israel hier direkt  gegenüberstehen. Natürlich gab es Leute (nicht aus unserer Gruppe!), die die Gelegenheit nutzten, sich mit dem schlammigen Wasser neu taufen zu lassen.

Danach Abfahrt zu unserem dritten PRIMA-Hotel in Jerusalem, das diesmal wirklich (fast) prima war. So fand ich in meinem Zimmer freundlicherweise eine Flasche Wasser auf Kosten des Hauses mit Komplimenten der Hotelleitung. Blöd nur, dass der Verschluss der Plastikflasche bereits geöffnet war und ich nicht riskieren wollte, irgendeine mir nicht genehme Substanz runterzuschlucken.
Ansonsten war das Hotel das bisher Beste. Der riesengroße Ballsaal mit moderner Licht- und Audiotechnik diente auch als Speisesaal. Das Büffet war riesig, vielfältig und sehr lecker. Es gab sogar Wein. Nur die magnetischen Zimmerschlüssel funktionierten hier genauso unzuverlässig wie im Hotel zuvor. Drei Nächte waren in diesem Hotel geplant. Ein kleiner Teil der Gruppe inklusive meiner Schwestern versuchte sich noch mit einem Abendspaziergang und kam immerhin bis zur Klagemauer und zurück. Ich blieb lieber im Hotel, da man derzeit überall mit Unruhen rechnen musste.

Der sechste Tag

Jerusalem ist übrigens die größte Stadt Israels, nicht Tel Aviv, wie man annehmen könnte. Heute – am Sabbat, also die Zeit von Freitag- bis Samstagabend – war die Stadt wie ausgestorben. Es fuhren keine Busse oder Bahnen, und die Bürgersteige waren wie leergefegt. Die meisten Geschäfte hatten geschlossen, und selbst Autofahren war für gläubige Juden tabu. Wir begannen mit einer Besichtigung des Ölbergs, einer Erhebung nordöstlich und östlich des Tempelberges und der Jerusalemer Altstadt. Der Berg hat eine Menge historischer Bedeutungen:

Nach jüdischem Glauben wird der Messias über den Ölberg nach Jerusalem einziehen und dort das „Jüngste Gericht“ halten. Deshalb wurde am Hang des Berges ein ausgedehnter jüdischer Friedhof angelegt mit Gräbern zum Teil noch aus biblischer Zeit.

In der christlichen Tradition wird der Ölberg insbesondere mit verschiedenen Neutestamentlichen Berichten in Verbindung gebracht. So zog Jesus vom Ölberg aus in Jerusalem ein, weinte hier über Jerusalem und wurde dort am Abend des Gründonnerstags vor seiner Kreuzigung im Garten „Getsemani“ gefangen genommen. Nach der Auferstehung fuhr er angeblich vom Ölberg in den Himmel auf. An Christi Himmelfahrt darf die Katholische Kirche daher in der Himmelfahrtskapelle einen Gottesdienst abhalten.

Die Muslime glauben hingegen, dass das Kidrontal am Fuße des Ölbergs der Ort des endzeitlichen Gerichts ist. Demnach wird in der Endzeit ein Seil vom Tempelberg zum Ölberg gespannt, über das die Gerechten hinübergehen würden; entsprechend finden sich im Tal – auf der Seite des Tempelbergs – auch muslimische Gräber.

Aufgrund der vielen unterschiedlichen Glaubensrichtungen gibt es entsprechend viele Kirchen, Kapellen und Klöster an jeder Ecke, die wir zum Glück nur von außen betrachten mussten. Viel schöner war sowieso der Ausblick von der Spitze des Ölbergs auf die Jerusalemer Altstadt, insbesondere auf die Al-Aksa-Moschee mit ihrer goldenen Kuppe, die wir eigentlich heute besuchen wollten. Aber Radu musste uns überreden, den Besuch auf einen anderen Tag zu verschieben. Es war einfach zu gefährlich. Warum?

Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam, gleichzeitig aber auch den Juden heilig, weil da früher zwei jüdische Tempel standen. Eine der Bräuche ist dabei eine Wallfahrt nach Jerusalem. Der Tempelberg ist zudem nur wenige Gehminuten von der Grabeskirche entfernt, wo die Christen am Sonntagmorgen die Ostermesse zelebrieren. Die Kirche steht aber unter muslimischer Verwaltung, während Israel für die Sicherheit zuständig ist. Laut einer Vereinbarung mit den muslimischen Behörden dürfen Juden die Anlage betreten, dort aber nicht beten.
Ein Riesenkuddelmuddel also. Und in den letzten Jahren besuchten immer wieder größere Gruppen religiöser Juden in Begleitung der Polizei die heilige Stätte, was bei den Palästinensern als Provokation empfunden wurde. Man befürchtete, dass Israel die Übernahme des Geländes der Al-Aksa-Moschee oder zumindest eine Teilung des Geländes plante. Zusätzlich rief eine radikale jüdische Gruppe kurz vor den Feiertagen dazu auf, Tiere auf das Gelände der Moschee zu bringen, um sie zu Pessach zu opfern. In den sozialen Medien wurden daraufhin alle Palästinenser dazu aufgefordert, dies auf alle Fälle zu verhindern. Und schon kam es zu reichlich Ärger auf allen Seiten. Die Polizei schießt dann jedes Mal wild um sich, was die Anzahl der Getöteten allen bis Ostersonntag auf rund 20 ansteigen ließ, von Hunderten von Verletzten einmal abgesehen.

Also blieben wir sicherheitshalber erstmal weg.

Stattdessen besuchten wir das ISRAEL-Museum, wo man sich die ganzen alten Schriftrollen des Alten Testaments anschauen konnte. Es waren natürlich nicht die Originale – die würden sich bei der Luftfeuchtigkeit und Hitze in Kürze in Brei auflösen – sondern gut gemachte Kopien der alten Papyrus- oder Pergamentbahnen. Im jüdischen Gottesdienst hat sich die Tradition der handgeschriebenen Schriftrolle bis heute in der „TORA“-Rolle und anderen biblischen Büchern für den gottesdienstlichen Gebrauch erhalten. Es gab auch Abschriften in der sogenannten „Kodex“-Form, die der Buchform gleicht.

Weiter ging es in die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, für die wir zwei Stunden eingeplant hatten. Radu durfte uns nicht begleiten, sonst hätten leicht 12 Stunden daraus werden können. Filmen und Fotografieren war ebenfalls untersagt. Das Museum, das von außen wie eine Toblerone-Schokolade aussieht, zeigt beeindruckende Interviews, Dokumente, Filme und Fotos des „Holocaust“, also der Judenvernichtung aus der Nazizeit. Sechs Millionen Menschen waren in den diversen „Konzentrationslagern“ in Deutschland und vor allem in Polen von den Deutschen und ihren Anhängern ermordet worden, nur weil sie Juden waren. Nicht wenige Besucher hatten mit Tränen zu kämpfen.
Dieser Völkermord war ja auch der Grund dafür, warum die Überlebenden im Jahr 1948 den Staat Israel gründeten. In ihrer Heimat wurden sie ermordet, in anderen Ländern waren sie unerwünscht. Das war allerdings auch in Israel so. Das Problem ist bis heute nicht geklärt, wie die ständig aufkommenden Kämpfe an den Grenzen zu Palästina immer wieder zeigen. Israel befindet sich quasi in ständigem Kriegszustand. Eine sehr starke Armee gibt den Menschen jedoch eine gewisse Sicherheit. Der Armeedienst dauert für Männer drei Jahre, für Frauen zwei Jahre. Im Urlaub ist bei allen Armeeangehörigen das Mitnehmen der Waffe verpflichtend. Mich verwirrte es hingegen sehr, dass z.B. bei einem Familientreffen im Speisesaal unseres „Prima“-Hotels allein drei der 30 Gäste mit einem halbautomatischen Gewehr herumsaßen.

Nach dem Besuch des Museums wurden wir noch für eine Stunde in den „YEHUDA“-Markt entlassen, wo wir in einem kleinen Restaurant „Kebab“ bestellten, um endlich wieder zu Kräften zu kommen. Es war der sechste Tag unserer Reise – ein Freitag! Ramadan UND Sabbath! Essen und Trinken nur für Touristen gestattet! Die Luft kochte. Wir waren froh, als wir wieder im Hotel waren. Kurz durchgezählt: Alle noch da. Merkwürdigerweise waren einige der Zimmer nicht gereinigt worden. Kein Personal.

Der siebte Tag

Heute nun sollten wir nachholen, was am Vortag wegen der angespannten Situation nicht opportun war: Besuch der Stadt Bethlehem im Westjordanland. Die Stadt ist mit einer dicken Mauer umgeben, um das Eindringen der Israelis abzuwehren. Dennoch arbeiten viele Palästinenser in Jerusalem, weil es dort genug Arbeit gibt, was man von Bethlehem nicht sagen kann. Corona hat auch hier eine breite Schneise hinterlassen. Um sich als Tourist in Bethlehem frei bewegen zu können, musste Radu einen „Beschützervertrag“ mit einem Andenkenladen eingehen. Das bedeutete, dass wir nach dem Grenzübergang besagten Andenkenladen aufsuchen mussten, dort „freiwillig“ etwas kauften, bevor wir mit dem Segen des Paten die Stadt besichtigen durften. Sollten wir in Schwierigkeiten geraten, würde er uns raushelfen. Unser Bus hielt in einer Tiefgarage, und wir bummelten zu Fuß durch die ganze, recht verarmte Stadt mit ihren knapp 30.000 Einwohnern.
Als Jesus hier vor 2022 Jahren geboren wurde, war die Stadt noch ein winziges Kaff. Der Stall, in dem Jesus zur Welt gekommen sein soll, ist natürlich nicht mehr da. Stattdessen steht jetzt hier die „Geburtskirche“, die mittlerweile zum UNESCO Weltkulturerbe zählt. In dieser Kirche gibt es unter dem Altar einen kleinen Raum, in dem sich ursprünglich der „Stall“ befunden haben soll. Alle Besucher (außer mir natürlich) quälten sich nun in diese Höhle rein, um Jesu´ Geburtsort persönlich gesehen zu haben. Manche warteten bis zu zwei Stunden in dichtem Gedränge auf diesen Moment. Inzwischen ist übrigens umstritten, dass dies wirklich der Geburtsort vom Jesulein war. Interessanter war für mich, dass meine CORONA-Warnapp ein paar Tage später anzeigte, dass ich an diesem Tag in gefährlicher Nähe zu infizierten Menschen gestanden haben muss. Das konnte ja nur ebenfalls ein Deutscher sein, der da seine Ansteckung gemeldet hatte. Als Vierfach-Geimpfter machte ich mir ohnehin keine Sorgen.
Bethlehem gab es übrigens schon in der Kupfersteinzeit, wie archäologische Ausgrabungen ergeben haben.

Wieder raus aus Bethlehem und zurück nach Jerusalem. Hier konnten wir nun auch endlich die ca. einen Quadratkilometer große Altstadt besichtigen. Sie ist ebenfalls von einer Stadtmauer umschlossen, gebaut im 16. Jahrhundert. Eigentlich befand sich das „originale“ Jerusalem etwas weiter südlich. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich aber alles ein wenig verschoben, was wohl auch auf die Zerstörung im Jahre 70 n. Chr. zurückzuführen war. Im 19. Jahrhundert führten folgende Faktoren zu einem Wachstum der Stadt:

1. Einwanderung von Juden aus der Diaspora
2. Erwerb größerer Flächen durch christliche Organisationen
3. Bevölkerungswachstum der einheimischen Palästinenser

Die Großmächte des 19. Jahrhunderts richteten in der Altstadt Jerusalems eine sichtbare Präsenz ein. Den Anfang machten die Briten mit dem Bau der Christuskirche (1843). 1917 wurde die Stadt kampflos an die Briten übergeben, umsäumt von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Juden uns Muslimen.
Als 1948 der israelische Unabhängigkeitskrieg ausbrach, war die Altstadt heftig umkämpft. Sie wurde in der Folge von Jordanien besetzt und 1950 annektiert. Für die nächsten 19 Jahre gehörte die Altstadt zum jordanisch kontrollierten Ostjerusalem. Während dieser Zeit war die Altstadt nach Westen hin abgeriegelt; die Altstadttore wurden vermauert. Insbesondere das jüdische Viertel verfiel zusehends.
1967 während des 6-Tages-Kriegs eroberten israelische Truppen die Altstadt, und die Jerusalemer Stadtverwaltung wurde auf Ostjerusalem mit der darin liegenden Altstadt ausgeweitet. Seitdem wurden viele Gebäude saniert oder neu aufgebaut. Dennoch gibt es noch viele Neubauten ohne Baugenehmigung, die die Optik der Stadt empfindlich stören.
Im „Jerusalemgesetz“ von 1980 wurde die gesamte Stadt als Einheit und „unteilbare Hauptstadt Israels“ definiert.
Die Wohngebiete der Stadt sind heute wie folgt aufgeteilt:

1. Jüdisches Stadtviertel (mit einem besonderen Wohngebiet der „Peruschim“)
2. Muslimisches Stadtviertel, aufgeteilt in Wohngebiete der Türken, Araber und Maghrebiner
3. Christliches Stadtviertel, aufgeteilt in Quartiere für Armenier, Lateiner und Griechen.

Als Grenzen zwischen den Wohnvierteln dienen die Märkte. Und entsprechend der religiösen Vielfalt gibt es ebenso viele zugehörige Kirchen, Klöster und Gedenkstätten.
In einem dieser alten Gebäude befindet sich auch ein österreichisches Café. Dort durften wir kurz pausieren und etwas essen und trinken. Anna und Gela verabschiedeten sich dann von der Gruppe, weil sie die Nase von den ganzen alten Kirchen und Gebäuden gestrichen voll hatten und den Rest des Tages lieber allein verbringen wollten. Ich harrte brav aus und schaute mir mit den anderen noch etwa 300 weitere Kirchen und Synagogen an, bis ich nicht mehr konnte und die restlichen zwei Stunden des Ausflugs irgendwo rumsaß. Ich wäre auch lieber mit meinen Schwestern auf eigene Faust rumgezogen, aber ich wollte doch unbedingt die berühmte Klagemauer bewundern, die meine Schwestern ja bereits vorgestern gesehen hatten.

Auf dem Weg dorthin mussten wir die 14 Leidensstationen Jesu auf dem Weg zu seiner Kreuzigung ertragen. Radu ließ keine einzige aus. Zum Glück waren die Straßen leer – drei Tage später hat es hier gewaltige Kämpfe zwischen den unterschiedlichen Religionsanhängern gegeben.
Und so kamen wir dann schließlich doch noch bei der Klagemauer an. Frauen und Männer haben getrennte Eingänge und „Klagebereiche“. Da man mir aber vorschreiben wollte, eine Kopfbedeckung aufzuziehen, um klagen zu dürfen, habe ich natürlich darauf verzichtet. Fotografieren oder Filmen war ebenfalls verboten.
Als ich dann endlich im Hotel war, war ich wirklich rechtschaffen müde. Die Flasche Wein, die ich für uns drei bestellt hatte (45,71€), sorgte für die nötige Bettschwere.

Der achte Tag

Das Frühstück am nächsten Morgen durften wir nicht im Speisesaal einnehmen. Stattdessen hatte man einen Stock tiefer einen Raum vorbereitet, in dem alle „Frühstückszutaten“ vorhanden waren:
Besteck nur aus Plastik, Kaffee nur im Plastikbecher als Mischung aus Nescafepulver und heißem Wasser und Butter, Käse etc. alles schön ordentlich in Plastik verpackt. Grund war mal wieder die Religion. Juden durften aus Glaubensgründen heute z.B. keine elektrischen Geräte bedienen oder gar Auto fahren. Selbst der Fahrstuhl im Hotel fuhr selbstständig immer rauf und runter, damit ihn keiner einschalten musste. Natürlich hielt er in jedem Stockwerk, sonst wäre das ja eine blöde Regelung gewesen. Und weil man echtes Geschirr ja anschließend mit warmem Wasser hätte reinigen müssen, kam man auf die blödsinnige Idee, nur noch Wegwerf-Plastik zu verwenden.

Bei der Gelegenheit: Mit der Energiepolitik ist es in Israel nicht sonderlich weit gekommen. Die Regierung hat zwar angeregt, Solarelemente auf den Dächern zu installieren, um die Stromkosten zu senken, aber dieser so einfache Vorschlag wird in der Masse leider noch nicht angenommen. In diesem Land, in dem es mindestens sechs Monate im Jahr nicht regnet, gibt es soviel Sonne, dass man halb Europa damit verstromen könnte. Statt LED-Leuchten findet man umweltschädliche „Sparlampen“, die in Deutschland längst verboten sind. Das Benzin kostet in etwa genauso viel wie bei uns. Da es keine Straßenbahnen oder U-Bahnen gibt, wird der gesamte Verkehr auf Busse und Benzin- oder Dieselautos verteilt. Die einzigen Elektrofahrzeuge, die man sieht, sind die „Skooter“, also die elektrischen Roller, für die es auf den Straßen sogar eine eigene Spur gibt. Na gut, Fahrräder sollen da auch drauf fahren, aber die sind ja inzwischen höchstens noch als E-Bike en vogue.

Wir verließen unser „Prima-Hotel“ mit dem Plastik-Geschirr um acht Uhr morgens. Vom hoch gelegenen Jerusalem ging es rund 1200 Meter abwärts in die Judäische Wüste, wo wir die Felsenfestung „MASADA“ von König Herodes besuchten. Herodes war wohl ein ziemlicher bösartiger Typ, der nicht ohne Grund glaubte, dass ihm jemand an den Kragen wollte. Er soll auch derjenige gewesen sein, der alle neu geborenen Knaben ermorden ließ, um einer Prophezeiung aus dem Weg zu gehen, dass „ein Heiland geboren wurde“ etc. blah blah.

Um die Festung auf dem Hochplateau zu erreichen, konnte man einige Stunden die Felsen hochklettern. Schneller ging es mit der Seilbahn, die in ca. 1,5 Minuten auf dem Gipfel ankam. Von hier aus hatten wir einen sehr schönen Blick auf das Tote Meer. Die Besichtigung begann mit einer monumentalen Videosequenz der Gattung „500 Jahre Geschichte in drei Minuten“. Bis auf die amerikanische Stimme des israelischen Schauspielers hat alles sehr schön zusammengepasst. Die Palastfestung war am Vorbild römischer Villen orientiert und wurde ca. 15 v.Chr. erbaut. Als besondere Attraktion gab es sogar eine Themenanlage und ein richtiges Schwimmbecken. Rund 70 Jahre später, während des „Jüdischen Krieges“, nutzten viele Menschen Masada als Fluchtfelsen. Viele Jahre lebten sie friedlich vor sich hin, bis ein gewisser Flavius Silva, Kommandeur des Römischen Reiches, eine Außenmauer um Masada erbauen ließ, die es den Menschen unmöglich machte, Nahrung zu besorgen oder zu fliehen. In aussichtsloser Lage soll der damalige Befehlshaber von Masada seine Rebellen davon überzeugt haben, mit ihren Frauen und Kindern Selbstmord zu begehen, um nicht den Römern in die Hände zu fallen. Diese Story wird inzwischen stark angezweifelt, weil man bisher keinerlei Leichen fand. Ein alternatives Ende der Belagerung kann man aber auch nicht vorweisen. So bleibt vieles im Bereich der Fabel. 1966 wurde der Tafelberg zum israelischen Nationalpark, 2001 zum UNESCO-Welterbe erklärt.

Wir fuhren wieder mit der Seilbahn runter und nahmen Kurs aus Tote Meer. Warum es so tot ist, wie der Name sagt, liegt am Salzgehalt des Wassers. Der ist nämlich rund zehnmal so hoch wie im normalen Meer. Irgendwie hängt das mit Verdunstung und nachlassendem Wasserzulauf zusammen. Radu hat das wissenschaftlich sehr schön erklärt – allein ich habe es nicht behalten…
Das Tote Meer ist selbst dem Tode nahe: Jedes Jahr sinkt der Wasserspiegel um ca. einen Meter. Irgendwann liegt da nur noch eine große Salzwüste rum.
Wir stoppten an einem öffentlichen Strand mit (gebührenpflichtigen) Stühlen und stürzten uns in die Salzbrühe. Also, ich natürlich nicht. Es hat mir völlig gereicht, den anderen dabei zuzusehen, wie sie nicht untergingen. Nach dem Bade waren die Körper ziemlich ölig und völlig versalzen. Nach der zwingenden Dusche war die Haut dann allerdings sehr trocken…

Weiter ging es mit einem Besuch eines Beduinen-Wüstencamps. Das war etwas bizarr. Die relativ große Wohnanlage mit vielen Wohnzelten, Kamelen, einem Zirkuszelt (das zum Speisen geputzt wurde) und weiteren zeltartigen Bauten war alles andere als gepflegt. Wir kamen früher als angekündigt an, mussten also mit dem Abendessen bereits um 16.00 Uhr beginnen. Das Essen war lecker – nur dem Wasser bzw. den selbst gemachten Fruchtsäften konnte ich nichts abgewinnen. Mein Messgerät war leider im Koffer. Das Zelt fasste gut 10-15 Reisegesellschaften, aber wir waren nach Corona wohl eine der ersten. Nach dem Essen nahmen wir in einem anderen Tipi auf dem Boden Platz, wo uns die Chefin der Beduinen von ihrem ach so bemitleidenswertem Leben erzählte. Wir lernten, dass jeder Mann zwar mehrere Frauen haben kann, Frauen sich aber nie von einem Mann trennen können. Die Chefin hatte es gut getroffen und sogar ein Hotel in einer nahen Stadt geerbt oder gar gebaut. Sie beschwerte sich, dass die jungen Leute keine Lust mehr hätten, im Zelt zu wohnen und lieber studieren gehen wollten. Das konnte ich gut verstehen. Wir nippten am angebotenen Kaffee oder Tee und waren froh, dass die Vorstellung bald vorbei war und wir ein weiteres Hotel aufsuchen durften. Das ursprünglich geplante Hotel war allerdings inzwischen an geflüchtete Ukrainer vergeben worden, sodass wir in einem sehr kleinen Kaff am Rande der Negev-Wüste übernachteten. Ein Teil der Gäste nächtigte in einem runtergekommenen 50er-Jahre-Bau, während u.a. ich das Glück hatte, in einem neuen Trakt des Hotels unterzukommen. Abendessen bekamen wir keins mehr, aber für einen Nachtisch reichte das karge Buffett gerade noch. Anschließend saßen wir noch zu fünft eine Weile im Foyer des Hotels, um die Weinvorräte zu dezimieren.
In der Nacht wachte ich in meinem Zimmer mit starkem Kopfweh und einem leichten Kratzen im Hals auf. Ich stellte die Klimaanlage aus und hoffte, dass das Problem damit gelöst war. War es aber nicht. Zwei Stunden später war es so heiß, dass ich die Klimaanlage wieder einschalten musste. Immerhin waren Kopf- und Halsschmerzen wieder verschwunden.

Der neunte Tag

Nach dem Frühstück ging es in die Wüste Negev. In „EIN YORKEAM“, einem weißen Felsencanyon, wanderten wir bis zur Wasserzisterne und wieder zurück. Der sportlichere Teil unserer Truppe kletterte sogar bis zum Gipfel des Canyons, um den körperlich nicht ganz so Aktiven zuzuwinken. Ich blieb unten, wie Sie sicher schon vermutet hatten.
Auf dem Weg zu unserer zweiten Tageswanderung besichtigten wir das sehr bescheidene Grab des Staatsgründers, also Ben Gurion. Die zweite Wanderung fand in „EIN ADVAT“ statt. Auch hier ließ ich den erweiterten Kletterteil bis hin zu einem Wasserfall aus. Irgendwann machen die Knochen halt nicht mehr mit.
Nach dem Tagesprogramm – so gegen 14.00 Uhr – bot uns Radu an, in einem Schnellimbiss irgendwelche israelischen Fastfood-Spezialitäten einzunehmen. Eigentlich wollten die meisten das gar nicht, aber unser Fahrer Michelle hatte mal wieder einen cholerischen Anfall und vor allem Hunger. Am Ende haben dann doch fast alle was gegessen.
Tja, und dann ging es wieder zum Ausgangspunkt nach Tel Aviv zurück. Auch dort hatte man uns inzwischen ein anderes Hotel – das beste von allen! – zugeteilt. Ein letztes gemeinsames Abendessen auf Kosten der GEBECO fand nicht statt – wir mussten uns also selbst versorgen. Eine gute Gelegenheit für alle Mitreisenden, die noch übrig gebliebenen Schekel unters Volk zu bringen.

Der zehnte Tag

Nach einem umfangreichen Frühstück überreichte Gela unserem Fahrer und dem Reiseleiter je einen Umschlag mit dem zuvor eingesammelten Trinkgeld für ihre Tätigkeiten. Ganz ehrlich: Viel war da nicht drin, obwohl ich z.B. mehr gegeben hatte als es im Reiseführer vorgeschlagen wurde. Aber es lief ja auch nicht alles so rund, wie man es sonst bei solchen Touren gewöhnt ist.
Um zwölf wurden die Reisenden abgeholt. Ursprünglich wollte ich mit meinen Schwestern noch drei weitere Tage in Tel Aviv bleiben, aber inzwischen hatte ich die Lust verloren. Tel Aviv ist auch nur eine Großstadt wie jede andere. Die Preise sind überirdisch, und die weiten Entfernungen zwischen interessanten Touri-Attraktionen bedeuteten wieder viele Fußwege oder teure Taxifahrten.
Das Wetter war auch gar nicht mehr angenehm: Gerade mal 16-17 Grad bei starkem Wind. In der Sonne wäre man damit verbrannt und im Schatten fror man sich die Glieder steif. Ein relaxter Strandaufenthalt kam demnach auch nicht in Frage.
Ich versuchte also, mein Ticket umzubuchen und mit den anderen nach Hause zu fliegen. Da wir aber ein Gruppenticket hatten, war eine Umbuchung oder gar Stornierung nicht möglich. Eine Neubuchung hätte knapp 600.- Euro gekostet, die ich zähneknirschend in Kauf nahm. Also Koffer rein in den Bus, den Mädels Tschüss gesagt und zum Flughafen gefahren. Dort habe ich mich dann von der Gruppe abgesetzt und den Lufthansa-Schalter gesucht. Leider gab es den dort gar nicht. Tickets für die Lufthansa (und nahezu alle anderen Fluggesellschaften) kann man in Tel Aviv mittlerweile nur noch online buchen!
Da in unserem Flieger immer noch 5 Plätze frei waren, buchte ich über mein Handy einen Platz für mittlerweile 800.- Euro. Die Preise stiegen von Minute zu Minute. Zum Flugpreis kamen noch irgendwelche „verpflichtende Zusatzangebote“ hinzu, sodass es dann schon 834,50 Euro waren, die diese modernen Raubritter von mir haben wollten. Leider klappte die Buchung nicht, weil ich zum Bezahlen mit PayPal blöderweise eine sogenannte 2-Faktor-Autorisierung nutze. Das bedeutet, dass PayPal mir eine SMS mit einem Zahlencode zusendet, den ich zur Autorisierung der Zahlung ins Handy eingeben muss. Doch meine „normale“ SIM-Karte steckte ja gar nicht im Handy, weil sie hier in Israel nicht funktionierte. Ich hatte mir am ersten Abend eine 100 Megabyte-Datenkarte gekauft, mit der ich auch über die üblichen Interprogramme telefonieren konnte. Eine SMS konnte ich damit aber auch nicht empfangen. Damit war die 2-Faktor-Autorisierung ausgeschlossen.
Ich versuchte es noch bei einem anderen Verkaufsportal, aber hier kostete der Flug inzwischen über 1000 Euro. Das war mir dann doch zu viel. „Also gut, fahre ich eben wieder zurück nach Tel Aviv!“
Das Taxi riss erneut ein Loch in mein Portemonnaie, aber das war mir inzwischen ziemlich egal. Außerdem machte mir mein Schnupfen zunehmend Ärger. Scheiß Klimaanlage!

Im Hotel – ebenfalls fast direkt am Strand gelegen – legte ich mich erst einmal am helllichten Tag ins Bett und döste vor mich hin. Abends kamen dann Anna und Gela wieder, die bis nach Jaffa und wieder zurück gelaufen waren, rund 12 Kilometer Strecke.
Zusammen gingen wir nach längerer, erfolgloser Suche in ein Restaurant am Strand, wohl wissend, dass es hier ein wenig teurer sein würde. Zum Glück hatte ich meine Apfel-Uhr mit APPLE-PAY dabei, was überall in Israel problemlos funktionierte. An Zahlungsmitteln sollte es nicht mangeln.

Die restlichen Tage

Die verbleibenden zwei Tage sowie den Rückflug muss ich nicht weiter beschreiben, da wir eigentlich nichts Aufregendes unternommen haben. Frühstücken, Rumlaufen, Mittagessen, Rumlaufen, Abendessen, Schlafen.
Am Karfreitag-Abend um 20:45 Uhr sind wir in Frankfurt gelandet. Mein Schnupfen hatte sich während des Fluges (mit Maske natürlich!) verschlimmert, sodass ich noch am Abend sicherheitshalber einen Corona-Test machte. Ergebnis: POSITIV!
Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte mir CORONA eingefangen!

Seitdem saß ich brav neun weitere Tage in meiner Wohnung und verließ sie nur für kurze Aufenthalte im Garten. VIERMAL geimpft bedeutet also nicht, dass man es nicht doch bekommen kann. Es bedeutet aber auch, dass die Symptome so lächerlich gering sind, dass man im Leben nicht damit rechnet, sich infiziert zu haben. Außerdem kann man bereits mit drei Impfungen davon ausgehen, andere kaum noch anzustecken. Gela, die noch kein Corona hatte und ja immer in meiner Nähe war, hat es jedenfalls ohne Ansteckung überstanden. Ich hoffe das auch für alle anderen aus unserer Reisegruppe.

Irgendjemanden muss es allerdings gegeben haben, der wusste, dass er infiziert war. Die CORONA-App teilte mir nämlich – wie schon erwähnt – mit, dass ich am 8.4. längere Zeit mit einem Infizierten in engerem Kontakt gestanden haben muss, also in Israel! Eine weitere Nachricht betraf Karfreitag, also den Tag des Rückflugs. Beide Male muss sich ein Deutscher in meiner Nähe befunden haben, der das Virus in sich trug und dies inzwischen der CORONA-App gemeldet hatte.

Das Fazit:
Tja, ISRAEL ist leider nicht mein Ding. Nicht nur wegen der politischen Probleme, die hier an der Tagesordnung sind und gerne mal mit Raketenbeschuss enden. Der Versuch, Menschen aus so vielen Ländern, Kulturen und Glaubensrichtungen miteinander leben zu lassen, ist in meinen Augen nicht gelungen. Da gibt es so viel Hass zwischen den Palästinensern, Juden, Orthodoxen, Christen, Arabern, Afrikanern und Dutzenden von anderen Gruppierungen, dass es schlicht unmöglich scheint, hier einen Kompromiss zu finden, der alle befriedigt. In den wenigen Tagen unserer Rundreise sind einige Raketen geflogen, von denen eine sogar in Israel eingeschlagen ist. Eine andere konnte abgefangen werden. Insgesamt über 20 Tote und mehr als 200 Verletzte wurden in den Tagen bis nach Ostern gemeldet.
Das Land selbst ist eigentlich nur eine Wüste mit ein paar Städten, in denen zehn Monate im Jahr eine solche Hitze herrscht, dass dort keiner freiwillig wohnen will. Und denen, die es trotzdem tun (müssen), knöpft man für Essen und Trinken, für das Wohnen oder Autofahren dermaßen viel Geld ab, dass kaum noch etwas zum Leben übrigbleibt.
Klar, wenn man an Ausgrabungen aus allen Jahrtausenden interessiert ist oder das Wirken Jesu´ nachvollziehen will, dann ist Israel natürlich erste Wahl. Da mich beides ganz und gar nicht interessiert, wäre ich besser daheim geblieben. Oder, wie schon am Anfang geschrieben: Ich hätte mich wohl besser erst mal gründlich über den Inhalt dieser Studienreise informieren sollen. Aber nach über zwei Jahren Corona-Reiseverbot war mein Hirn wohl etwas eingerostet.
Immerhin war ich in sehr netter Gesellschaft – und das hat man ja auch nicht immer.

Bad Homburg, den 21.4.2022
Alle Fotos: Angelika Ehrhardt

2 Gedanken zu „Zwischen Schalom und Schekel“

  1. Schön, wieder einen Reisebericht von Dir zu lesen:-) Habe ich vermisst. Herzliche Grüße von Sabine (Freundin von Dagmar – vor vielen Jahren waren wir mal zusammen in Havanna)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.