Kuba – Auf den Spuren von Che Guevara

Che Guevara – wäre die Paraderolle für meinen Freund Wojo van Brouwer 

Ich habe kein Internet!

Ich habe kein Internet!

Ich habe kein Internet!

Und egal, wie oft ich das jetzt noch hier hin schreibe – es wird sich nichts daran ändern. Die nächsten beiden Wochen bin ich definitiv von der Außenwelt abgeschnitten.

Schluss mit „Facebook“; weder „Skype“ noch „What´s upp“; keine Sonderangebote von Pearl, GroupOn oder Conrad electronic, nicht einmal die Frankfurter Rundschau gibt’s zum Frühstück. Und wer weiß, ob es die überhaupt noch gibt, wenn ich aus Kuba zurückkomme.

Wie konnte das passieren?

Es fing damit an, dass Dagmar und ich beschlossen, zum Jahreswechsel nach Kuba zu fliegen. Silvester mit dem Buena Vista Social Club, Cuba libre bis zum Abwinken, 30 Grad im Schatten und feinstes karibisches Essen.

Neckermann machte es möglich – und so flogen wir am 29.12.2012 mit Condor nonstop nach Varadero. Dort wollten wir aber gar nicht hin, aber nach Havanna gab es leider keinen Flieger mehr. Also haben wir uns nach 11,5 Stunden Flug noch weitere zweieinhalb Stunden in einen Minibus gezwängt, dessen Federn schon vor langer Zeit ausgebaut worden sein mussten. Gegen Mitternacht (Ortszeit, was ziemlich genau sechs Uhr morgens zuhause entspricht) erreichten wir unser Hotel „DEAUVILLE“. Ein 15 Stockwerke hoher Kasten direkt am Atlantik, der ob seiner blauen Farbe und der doch sehr schmalen Grundfläche von weitem zu sehen ist. Es war Samstag Nacht und die Bude brummte. Disco im Haus, Bar überfüllt, junge Mädels auf der Suche nach dem Mr. Right, Touristen auf der Suche nach der Miss Night. Und ich war müde! (Und ohnehin längst aus dem Rennen…)

Blick aus dem siebenten Stock auf den Atlantik

Das Hotel muss direkt nach der Eröffnung sehr schön gewesen sein. Seitdem sind allerdings ein paar Jahrzehnte vergangen und nicht nur der Lack ist abgeblättert. Unser Zimmer liegt im siebten Stock, aber der Fahrstuhl öffnet sich nur im sechsten oder achten Stock. Der siebte klemmt. Nun gut, damit kann man leben. Auch, dass unsere Badezimmertür aufgrund eines fehlenden Schlosses nicht zu schließen ist und infolge irgendwelcher Schwerkraftgesetze stattdessen immer wieder handbreit aufgeht, gehört zu den Unwägbarkeiten des Alltags in Kuba. Schwerer wiegt dann schon, dass man uns kein warmes Wasser gönnt, obwohl auf einem Schild vor heißen 50 Grad gewarnt wird. Definitiv kein Hotel für Warmduscher. Dafür wird man mit einem geilen Blick über die Küste belohnt. Ein wilder, peitschender Ozean tut sein bestes, die letzten noch stehenden Prachtbauten mit seinem Salzwasser zu zersetzen. Ungefähr jedes dritte Gebäude droht zusammenzufallen. Es wäre vermutlich schon lange kein einziger Bau mehr übrig, wenn die Regierung nicht mit vielen Hilfsgeldern aus der ganzen Welt (natürlich außer den USA) versuchen, würde, den Verfall aufzuhalten.

Da Dagmar und ich sich selbst sehr dem Verfall nähern, machen wir erstmal die Augen zu und pennen sieben Stunden am Stück.


 

DER ERSTE TAG

Somit stehen wir um sieben wieder auf. Draußen ist es recht bewölkt und sehr windig. Daran wird sich den ganzen Tag nichts ändern. Die 30 Grad, mit der meine Wetter-APP geprahlt hat, sind eine glatte Lüge. 18-20 Grad sind es höchstens, und das auch nur in der Sonne. Im Schatten pfeift der Wind so kalt, dass es einen fröstelt.

Wir ziehen uns ein für kubanische Verhältnisse sehr umfangreiches Frühstück rein, trinken dazu einen schrecklichen Kaffee und machen uns dann auf die Suche nach einer Geldwechselstube. Es ist Sonntag, by the way. Brav folgen wir der Wegbeschreibung der Dame an der Rezeption, finden aber weit und breit keine Wechselstube. Auffällig ist, dass kaum Autos auf den Straßen unterwegs sind. Und wenn doch, sind rund ein Drittel davon bekanntlich schon 50-60 Jahre alt und kommen aus den USA. Ein weiteres Drittel sind russische Ladas aus allen Jahrzehnten. Das letzte Drittel – die etwas neueren Wagen sind meist Taxen oder Mietwagen und von Hyundai, Peugeot und VW. Vor unseren Augen platzt einem dieser Uralt-Karossen (so schön sie auch aussehen, so kaputt sind sie leider) ein Reifen. Auf der Felge rutscht die Karre rund 50 Meter weit, bis sie stehen bleibt. Die Fahrgäste steigen kreidebleich aus und suchen das Weite. Der Chauffeur wird ´ne Weile brauchen, ein Ersatzrad samt Reparatur der Hinterachse zu organisieren.

Alte Autos ohne Ende

Was außerdem sofort auffällt: Es gibt keine Werbeplakate! Keine Coca-Cola-Werbung, keine rauchenden Cowboys, keine Werbung für irgendwas. Keinerlei Leuchtreklame oder zuckende Neonschilder. Höchstens ab und zu ein paar kluge Worte von Che oder Fidel, aber auch die muss man mit der Lupe suchen.

Da ich ja schon mal in Kuba war, finde ich auf Anhieb die Altstadt wieder, also den Teil der kubanischen Hauptstadt, für den es vor allem sich lohnt, die Stadt zu besuchen. Im Zentrum, an der großen Kathedrale, tummeln sich schon die ersten Touristen sowie die fein rausgeputzten Darsteller kubanischer Großgrundbesitzer, die sich gerne gegen Kohle ablichten lassen. Alle haben dicke Zigarren im Mund, selbst die Frauen. Mich wundert allerdings, dass diese Zigarren gar keinen Rauch absondern, obwohl sie so aussehen, als wären sie angezündet. Wahrscheinlich sind sie aus Holz.

Wir haben Durst, aber kein Geld. Die angekündigte Wechselstube haben wir wohl übersehen und die Banken haben sonntags geschlossen. Also fragen wir in einem der vielen Hotels, die sich in der Altstadt befinden, ob man uns Geld wechseln könnte. Die Antwort ist ein glattes nein, aber genau gegenüber wäre doch eine Wechselstube. Und dann fällt es uns wie Schuppen aus den Haaren: Der Menschenauflauf gegenüber sind gar keine Touristen, sondern Wechselkunden, oder wie man das nennen soll…

Die Schlange vor dem offiziellen Wechselbüro ist gut 20 Meter lang, wird aber relativ schnell abgearbeitet. Zum Wechseln der Euroscheine muss man als Tourist einen Pass vorzeigen (eine Fotokopie wie in unserem Fall reicht allerdings auch). Dann wird sorgfältig notiert, wie viel Geld der wohlfeile Herr Ehrhardt und die ebenso wohlfeile Frau Glenk denn nun eingewechselt bekommen haben.

Das mit dem Geld ist in Kuba ein bisschen komplizierter als im Rest der Welt. Kuba ist eigentlich ein sehr armes Land. Und wenn man den Touristen das Leben genau so günstig anbieten würde wie es das Einkommen des gemeinen Kubaners zulassen würde, wäre Kuba von Schmarotzern längst aufgefressen worden. Also hat man eine zweite Währung eingeführt, die (eigentlich) nur für Touristen gilt. Sie heißt CUC, und ist genau 24 mal mehr wert als der einheimische kubanische Dollar (CUB). So rennt also jeder Kubaner alle paar Tage zur Bank und tauscht seine inzwischen „verdienten“ CUCs in CUBs. Im Gegensatz zum Touristen bekommt er seine Lebensmittel nur auf Schein, dafür aber eben sehr günstig. Angeblich muss kein Kubaner hungern. Steuern zahlt er auch keine und sein Haus oder seine Wohnung hat ihm der Staat geschenkt! Alle verdienen mehr oder weniger gleich viel (oder gleich wenig), was in der Realität zu einer großen Zufriedenheit der Mehrzahl der Bewohner geführt haben soll. Nun kann man ja denken, dass jeder Kubaner, der auf irgendeine Weise an die CUCs kommt, dafür 24 mal so viele CUBs bekommt und demnach förmlich im Geld schwimmen müsste. Tatsächlich bezahlt er aber dafür, irgendein kleines Geschäft führen zu dürfen, gründliche Lizenzgebühren an den Staat. Ein Zimmervermieter muss beispielsweise pro Zimmer 150.- CUCs Lizenz pro Monat zahlen – egal, ob jemand in seine Datsche einzieht oder nicht. Und der Kneipier zahlt nicht nur viel höhere Lizenzen, sondern auch den Einkauf der teuren Spirituosen, die ihm die Touris dann wegtrinken. Für CUBs bekommt er nichts Gescheites. Es ist also alles so ähnlich wie in der ehemaligen DDR. Nur gegen die entsprechende Währung bekommt man alles. Eine Menge ökonomischer Neuerungen, die Fidel Castros Bruder Raoul eingeführt hat, ermöglichen den Kubanern inzwischen also kleinere Geschäfte auf eigene Kasse. 225 Berufe dürfen die Kubaner inzwischen auf eigene Rechnung ausüben. Vom Friseur bis zum Taxifahrer. Bis Ende 2014 will die Regierung 200.000 Bürger „verselbstständigen“. Es geht aufwärts, heißt es. Mal sehen, ob wir das verifizieren können. Für die Kubaner stirbt die Hoffnung zuletzt.

Der Zahn der Zeit nagt langsam am Eingemachten

Durch Zufall haben wir die Hauptstraße der Altstadt gefunden und taumeln ziellos in und her. Im „CAFÉ PARIS“ dann endlich ein richtiger Kaffee. Ein leckerer Capuccino bringt uns wieder auf die Beine. Eine halbe Stunde später entdecken wir vor dem „CAPITOL“, das ist eine Kopie des amerikanischen Original-Capitols von Cubas früherem Menschenschinder „BATISTE“, einen offenen Doppeldeckerbus. Für gerade mal 5 CUCs dürfen wir damit den ganzen Tag durch die Gegend fahren und uns Havanna von allen Seiten ansehen. Das machen wir natürlich und klappern Viertel für Viertel die Stadt ab. An der Küstenstraße werden wir leider oft nass gespritzt, weil die Wellen inzwischen einen Gang zugelegt haben und bis in den ersten Stock unseres Busses spritzen. Wir sehen traumhafte Wohnviertel, größtenteils renoviert oder zumindest bewohnt, sehen aber auch viele zerbröselte Bauwerke, deren Wiederaufbau Unsummen verschlingen wird. Die Unesco mit Ihrem Weltkulturerbe arbeitet ja daran, Kuba wieder auf Vordermann zu bringen, was die Bausubstanz angeht. Kuba hat übrigens rund 11 Miliionen Einwohner, von denen rund 2,3 Millionen alleine in Havanna leben. Wir sehen den riesigen Friedhof mit seinen Tausenden von Mausoleen und Grabsteinen, wir bewundern das Delfinarium mit seinem Wasserpark, wir staunen über so eine Art „Platz der Republik“, der wohl für politische Kundgebungen gedacht ist und von politischen Bauten umzäunt ist, von dessen Hauswänden abstrakte Metallprofile der beiden Übermenschen Che Guevara und Fidel Castro prangen.

 
Fidel aus Metall

Aus lauter Bequemlichkeit steigen wir nie aus, obwohl es sich bei dem Bus um so eine Art „Hop On – Hop Off“ – Bus nach westlichem Vorbild handelt. Immer wenn wir in die Küstennähe kommen, wird es eisekalt und dere Wind zerzaust uns die Frisuren. Nur selten scheint uns die Sonne auf den Schädel. Zum Glück, muss man sagen, haben wir doch beide nach der Tour einen gehörigen Sonnenbrand im Gesicht. Irgendwo hört die Tour unvermittelt auf – wir sollen bitte einen anderen Bus besteigen. Da wir bisher noch nicht einmal ein Ticket bekommen haben, würde dies bedeuten, im neuen Bus erneut zahlen zu müssen. Das wollen wir nicht und laufen dann doch lieber noch mal durch die Hauptstraße der „Vieja“, der Altstadt. Durch das systematische Erkunden der Stadt mit dem offenen Doppeldecker haben wir jetzt auch einen ziemlich guten Plan der Metropole im Kopf. Nach weiteren gefühlten 20 Kilometern Fußmarsch (OK, es waren höchstens zwei Kilometer…) halten wir dann doch so eine amerikanische Kiste an, die uns schnell und einigermaßen komfortabel ins Hotel bringt. Auf die Frage nach den Fahrtkosten überlässt uns der Fahrer, den Preis selbst festzulegen. Ich biete ihm drei CUCs und er bedankt sich überschwänglich. Dass er uns damit eher verhöhnt hat, merken wir erst im Lauf der Tage, da die Fahrt mit dem Amischlitten in der Regel um die zehn CUCs kostet. Daggi ist ziemlich groggy und legt sich kurz aufs Ohr, während ich mich an den Pool setze, einen Cuba Libre schlürfe und die ersten Seiten dieses Blogs schreibe.

Später erkundige ich mich in einem kleinen Büro über der Rezeption unseres Hotels, was man denn so an Touren buchen könnte. Und schon überredet mich die Dame, heute Abend zunächst einmal zu einem Konzert vom „Bueno Vista Social Club“ zu gehen, für lausige 30 CUCs pro Person. Sogar der Enkel des Gruppenbosses wäre dabei sowie eine Menge anderer Superstars dieser einschlägigen Musikrichtung. Beginn 21.45 Uhr im Havanna Rum Museum irgendwo im Hafen.

 
Schöne Plätze findet man in der ganzen Stadt

Ich bin so aufgekratzt, dass ich Dagmar wieder aus dem Schlaf reiße und ihr die Neuigkeiten erzähle. Dem Mädel geht es gar nicht sonderlich gut. Obwohl wir den ganzen Tag Bus gefahren sind, hat sie Zug abgekriegt. Aber das verlockende Abendprogramm bringt sie dann doch dazu, wieder auf die Beine zu kommen. Also wieder mit dem Taxi in die Altstadt, ins „CAFÉ PARIS“ und dort fürstlich zu Abend gegessen. War zumindest der Plan. Leider war die Musik extrem laut und das Essen extrem schlecht. Wir hätten Nudeln oder Pizza bestellen sollen, die sahen ganz ordentlich aus, aber meine Fleischplatte mit undefinierbaren Fleischfetzen längst verstorbener Haustiere wäre dann doch eher für die Fütterung derselben als zu meiner leiblichen Erbauung geeignet gewesen.

Weil es so voll war, platzierte uns der Kellner ein Pärchen aus deutschen Landen, sogar aus Frankfurt an den Tisch. Frankfurt an der Oder allerdings, wie wir schnell am Dialekt gemerkt haben. Die beiden hatten über Weihnachten ihre Tochter besucht, die hier in Kuba wohl ein paar Monate zu leben gedachte. Die beiden waren recht sympathisch und wir hatten dann zwei Stunden lang eine nette Unterhaltung, wenn sie sich auch eher schreiend als sprechend vollzog. Die Band war wirklich sehr laut.

Kurz vor neun mussten wir uns dann verabschieden, um noch einen guten Platz im „Museum des Kubanischen Rums“ zu ergattern. Auch hier blieb uns nur eine Taxifahrt übrig. Je später der Abend, desto teurer wurde übrigens auch das Taxi.

Das Museum entpuppte sich als grandiose alte Villa im spanischen Stil mit einer tollen Einrichtung. Wir bekamen zwei recht ordentliche Plätze zugeteilt und durften zur Begrüßung jeder einen „Mojito“ verputzen. Pünktlich um 21.45 Uhr begann das Spektakel, das auch ganz wunderbar war mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass es sich leider nicht um den Original Buena Vista Social Club mit seinen vielen Hundertjährigen handelte, sondern „nur“ um den Enkel eines der ehemaligen Mitglieder, der ein paar Jungs und Mädels zur Unterstützung mitgebracht hatte. Der Stimmung tat das keinen Abbruch, diverse Mojitos brachten die Besucher zum Mitklatschen und Mittanzen. Sogar Zigarren wurden unentgeltlich verteilt. Ich Depp habe dankend abgelehnt, weil ich ja Nichtraucher bin. Dagmar, ebenfalls nicht (mehr) qualmabhängig, hat sich die Zigarre mitgenommen und wird demnächst irgendeinen Bekannten damit erfreuen. Knapp zwei Stunden lang wurden wir vortrefflichst beschallt, dann wurde es Zeit, nach Hause zu fahren. Das Taxi sollte plötzlich 10 CUCs kosten, obwohl das ganze Auto höchstens noch 9 CUCs wert war. Da sind wir doch lieber ein paar Meter gelaufen und sind dann mit einem anderen Taxi, das trotz seiner 30-jährigen Geschichte noch nie eine Werkstatt gesehen haben konnte, für nur 5 CUCs nach Hause gefahren.

Das Wasser war immer noch kalt, das Klopapier alle und die hauseigene Disco machte durch bis morgen früh. Egal, schön war´s doch.


DER ZWEITE TAG

Der zweite Tag in Havanna, aber schon der dritte Tag ohne Internet. Außerdem klappt das mit der SMS bei meinem Handy nicht. Ich kann zwar SMS empfangen, aber nicht versenden. Weiß der Geier, wo die Jungs bei Apple da wieder einen kleinen Schalter versteckt haben, dessen Funktion einem nicht einleuchtet. Ach ja, mein Plan, mit einem alten iPhone 4, das nicht mehr mit der Telekom „verheiratet“ ist und einer kostengünstigen SIM-Karte zu sozialistischen Brüderpreisen zu kommunizieren, ist leider auch geplatzt. In Kuba gibt es keine Mini-SIMS. Die SIMS, die es gibt, darf man nicht zerschneiden, weil man sie zurückgeben muss. Außerdem ist Telefonieren sauteuer. Pro Tag sechs CUCs plus die normalen Telefonkosten, die bei Transatlantikgesprächen schnell einen (kubanischen) Monatslohn ausmachen. Die Telekomiker verlangen „nur“ 2,88 Euro pro angefangener Minute für abgehende und 1,78 Euro für eingehende Ferngespräche. In meinem eMail-Fach müssten jetzt schätzungsweise 400 Mails liegen, davon 350 SPAMs und 50 Jahreswechselwünsche. Alle, die sich gewundert haben, warum ich ihre Wünsche so permanent unbeantwortet gelassen habe, wissen jetzt also, warum.

Um neun erscheinen wir im Frühstücksraum. Viele andere leider auch. Wir müssen warten, bis ein Tisch frei wird. Danach buchen wir eine erste Tour für den kommenden Mittwoch und laufen zu Fuß ins Stadtzentrum. Dagmar geht es zwar wieder etwas besser, dafür kann sie aber nicht mehr reden. Stimme weg. Böse Zungen werden jetzt behaupten, da solle man doch dankbar sein und mich um mein Glück beneiden, aber das wäre doch etwas kurz gedacht. Irgendwie fehlt mir ihr Geplapper. Sie kann jedenfalls so gut wie gar nicht mehr reden und muss ihre Stimme schonen. Das weckt natürlich den Beschützerinstinkt in mir.

Wir bummeln also stadteinwärts auf einer Straße, die Touristen üblicherweise nicht zu sehen bekommen. Hier sind die Preise nicht in CUCs, sondern in CUBs angegeben. Die Gebäude sind leider auch alle ziemlich baufällig, die Straßenbeläge und Bürgersteige brüchig und es ist sehr wenig Farbe im Spiel. Wenn man sich die Häuser genauer ansieht, kann man ahnen, welche Prachtbauten das früher waren, aber viel ist davon derzeit wenig zu sehen.

Wir wollen eigentlich das „CAPITOL“ besichtigen, aber da wird derzeit gebastelt, so dass wir enttäuscht wieder Richtung Altstadt laufen. Plötzlich werden wir von der Seite von einem jungen Pärchen angequatscht. Wie es uns geht, woher wir kämen, wie wir Havanna fänden – die ganze Litanei. Dagmar ist ein sehr höflicher Mensch und hat bereitwillig alle Fragen krächzend beantwortet. Ich bin noch sehr zurückhaltend – man liest ja immer wieder, wohin so was führt. Ausraubung, Folter, Vergewaltigung, Tod auf einer Müllhalde.

Nun, die beiden sind zugegebenermaßen sehr nett und sympathisch und überreden uns, irgendein Tanzlokal anzusehen, in dem Rumba oder Salsa oder beides getanzt würde (was mich übrigens nicht im geringsten interessiert). Das Lokal – rund 200 m entfernt, ist natürlich geschlossen, aber gaaanz zufällig ist eine gaaanz tolle Kneipe direkt nebenan, in die uns die beiden auf einen – alkoholfreien! – Mojito einladen. Wir kommen also ins Gespräch. Er ist Koch in einer Grundschule, sie ist Kindergärtnerin. Beide verdienen so etwa 350 CUBS im Monat. Etwa 15 CUCs sind das – oder elfeinhalb Euro. Im Monat! Das Essen ist umsonst und rationiert, die Wohnung wurde ihnen vom Staat geschenkt, das Wort Steuern kennen sie nicht. Aber 350 CUBs reichen natürlich vorne und hinten nicht. Das Mädel bittet Dagmar, mit ihr zusammen Milchpulver für ihren kleinen Jungen zu kaufen, weil die Zuteilungsmenge dem Kind einfach nicht ausreicht. Das Pulver gibt es aber nur gegen CUCs, die sie nicht hat. Daggi hilft ihr natürlich und ist im Nu 24 CUCs los. Dafür hat das Kind jetzt wochenlang zu trinken. Ihr Freund oder Mann bittet mich zum Glück nicht, ihm ein iPhone oder ein Auto zu schenken. Aus Dankbarkeit, so günstig weggekommen zu sein, zahle ich natürlich die Gesamtrechnung. 44 CUCs haben die beiden alkoholfreien Runden Mojito gekostet, da cucste!

 
Ein nettes Paar

Ich will nicht diskutieren und zahle den Wucher. Wahrscheinlich macht der junge Mann mit dem Wirt halbe halbe. Egal, war ein nettes und informatives Gespräch über die Schattenseiten des Sozialismus. Und die Gefahr, dass uns die beiden in Deutschland besuchen kommen, jetzt, da Raoul Castro die Reisefreiheit angekündigt hat, ist auch nicht besonders groß. Allein für das Flugticket müssten die beiden rund 10 Jahre sparen, ohne auch nur einen einzigen CUB ihres Gehaltes auszugeben. Fairerweise muss gesagt werden, dass uns die beiden offensichtlich in ihr Herz geschlossen haben, denn wir beide werden innig umarmt, als wir uns dann vor der Kneipe von ihnen verabschiedeten. Und wer weiß, vielleicht sehen wir sie ja wieder: Das Mädel hat Dagmar eine Liste besonders schöner Kneipen, Restaurants und Sehenswürdigkeiten aufgeschrieben, die wir wahrscheinlich auch noch abklappern werden.

Die vielen ungeplanten Ausgaben haben unseren CUC-Bestand schneller schmelzen lassen als wir das vorhatten. Also bleibt uns nichts anderes übrig als uns wieder in die Schlange vorm Geldwechselinstitut einzureihen. Leider ist die diesmal bedeutend länger. Eine Stunde und vierzig Minuten brauchen wir, um unsere paar Euros in die konvertible Landeswährung umzutauschen! Um viertel vor drei bekommen wir dann endlich unser Mittagessen, aus unerfindlichen Gründen sind wir wieder im „CAFÉ PARIS“ gelandet. Ich will Spaghetti, aber die sind alle. Daggi will eine bestimmte Pizza, aber die gibt es auch nicht mehr. Außerdem spielt eine neue Band am laufenden Band kubanische Guantanameras. Ein Taxi bringt uns ins Hotel, wo wir einen großen Batzen des Geldes gleich wieder für eine weitere Tour am Donnerstag und Freitag ausgeben. Im Moment ruht die Dame des Hauses und ich sitze bei einem Bier am Pool und tippe diese Zeilen.

Heute ist Sylvester und wir wollen ja noch was erleben! Wir haben nichts fest gebucht. Der Plan lautet: Rumziehen, zugucken, zuhören, trinken, lachen und das neue Jahr begrüßen. Wie´s wirklich war, schreibe ich dann morgen…


SILVESTER

So gegen 19 Uhr ziehen wir los. Erstaunlicherweise steht kein Taxi vor der Tür, nur ein sogenanntes „Coco“, eine von diesen Plastik-Minikisten mit Nähmaschinen-Motörchen, die beim leisesten Windstoß umfallen. Unser Reiseführer „Marco Polo“ hat uns die Nutzung dieser Organspenderkutschen nicht empfohlen – also nehmen wir mal wieder den Fußweg in die Altstadt. Wir gehen durch eine für uns neue Straße, die offensichtlich für die einheimische Bevölkerung gedacht ist. Günstige Kleidergeschäfte, kleine Cafes und selbst komplette Kaufhäuser säumen die Straßenränder. Dafür nagt leider überall der Zahn der Zeit. Auch hier sieht alles aus, als würde es jeden Moment vor unseren Augen zerbröseln. Ich mache ein paar Fotos von der Elektroinstallation in den Häusern, bei deren Anblick jeder gelernte Elektriker augenblicklich in Ohnmacht fallen dürfte, so wild wird hier kreuz und quer – ohne jede Isolierung oder Abdeckung – frei verkabelt. Die meisten Steckdosen haben 110 Volt, nur neuere Bauten bieten schon 220 Volt an. Für unsere Handy-Netzteile ist dies von untergeordneter Bedeutung, da deren Schaltnetzteile immer automatisch die richtige Spannung und Stromstärke zur Verfügung stellen, die zum Laden der Geräte benötigt werden. Nur mit dem Fön haut es leider nicht hin. Der lässt sich nicht auf 110 Volt umstellen und pustet daher nur mit halber Kraft durch mein schütteres Haar. Na ja, dann passt es ja wieder.

 
Die sehen schöner aus als sie fahren

Kurz vorm „CAPITOL“ versucht ein Pärchen mal wieder, den Trick des Vormittags bei uns anzuwenden. Aber wir sind ja nun gewarnt und können uns der „Empfehlungen“ der Touristenjäger erwehren und die beiden schnell abschütteln. Da es noch etwas zu früh für das Abendessen ist, versuchen wir, im Cafe „FLORIDATA“ einen Drink zu bekommen. Das ist das wohl berühmteste Cafe der Altstadt, weil sich dort ein gewisser Ernest Hemmingway regelmäßig die Kanne gegeben hat. Aber leider kommen wir nicht rein, da das Lokal heute nur für Essensgäste geöffnet ist. Also weiter. In der uns nun schon sehr vertrauten Hauptstraße des Viertels finden wir auch bald ein sehr schönes Lokal, das für 20 CUCs ein umfangreiches Silvestermenü anbietet. Es gibt einen Willkommenscocktail, ein Süppchen, Fleisch – oder Fischbatzen, Nachtisch und Cafe. Wir trinken Mojitos und Bier. Schnell füllt sich das Lokal und genauso schnell steigt die Lautstärke um uns herum an. Wenn es in Havanna eine Regel für erfolgreiche Gastronomie gibt, dann lautet sie: je lauter, desto besser. Wenn um einen herum nicht mindestens die Lautstärke eines startenden Jumbojets herrscht, fühlt sich der Kubaner nicht wohl. So auch hier. War schon die Musik aus den quäkenden Lautsprecherboxen eine Zumutung, wird es mit dem Aufspielen der obligatorischen Band zur Qual. Leider haben die Jungs auch einen Querflötenspieler dabei, dessen Gefiepse jeden Tinnitus in den Schatten stellt. An Unterhaltung ist nicht mehr zu denken. OK, Dagmar kann ja sowieso nicht mehr reden. Jeder Versuch einer Äußerung wird mit starken Halsschmerzen bestraft.

Wenigstens gibt´s was für´s Auge: eine 1:1-Kopie der unsterblichen Romy Schneider taucht zusammen mit ein paar Freunden auf, um ebenfalls hier zu feiern. Das hübsche Wesen flirtet mit den Musikern, dass es schon fast peinlich ist. Sie tanzt mit der Band, in der Band, vor der Band und reißt ihre ganzen Kumpels und viele andere Touristen mit. Ein kurzes Video von ihr stelle ich demnächst mal ins Internet. Inzwischen ist es zehn und wir wechseln das Lokal. Auch hier ist es so laut, dass wir nicht lange bleiben. Im dritten Lokal (bei weiteren Mojitos) halten wir es auch nur eine halbe Stunde aus. Das Touristenviertel ist am Überquellen. Vor der Kathedrale soll ein großes Spektakel stattfinden. Da der Eintritt (samt Silvestermenü)130.- CUCs betragen hätte, haben wir davon Abstand genommen. Aber jetzt, so kurz vor Mitternacht, wollen wir versuchen, einen Blick auf die Tänzerinnen und Tänzer zu werfen. Leider ist es nicht möglich, da die Veranstalter den Platz ringsum hermetisch abgeriegelt haben. Durch einen Schlitz kann man wenigstens von der Seite ein paar Sekunden lang zusehen, was da auf der Bühne gezeigt wird. Es ist definitiv keine 130.- CUCs wert. Also ab in die „LE BODEGUITA DEL MEDIO“ – den anderen Ort in Havanna, den Ernest Hemingway mit seinem regelmäßigen Besuch veredelt hat. Aber auch hier drin ist es so laut und überfüllt, dass wir nach wenigen Minuten das Weite suchen. Plötzlich entdecken wir ein Restaurant, das wir bisher noch nicht gesehen haben. An der Bar sind noch Plätze frei, die Musik ist erträglich und der Mojito schmeckt vorzüglich. Auch hier tritt nach ganz kurzer Zeit wieder eine Band auf. Diese drei Herren haben aber einiges mehr drauf als die meisten Bands, die wir bisher anhören mussten. Fairerweise lassen sie „Guantamera“ weg und bekommen dafür auch ein dickes Trinkgeld.

Getanzt wird immer, überall.

Mitternacht naht. Die Wirtin bereitet bereits Drinks für alle Essensgäste vor, zu denen wir ja nicht gehören. Also bestelle ich nochmals zwei Mojito und gehe mit Dagmar vor die Tür, um den Jahreswechsel abzuwarten (In Deutschland ist es übrigens bereits sechs Uhr morgens). Um Punkt zwölf hören wir 12 Kanonenschüsse im Abstand von etwa zwei Sekunden. Weintrauben werden nicht gereicht – diesen Brauch scheint es nur in Spanien zu geben. Wir stoßen miteinander an, sonst mit niemandem. Wir sind allein in der Fremde. Im Lokal läuft eine Art Neujahresvideoclip mit Fidel persönlich. Er hält keine Rede, sondern ist nur in vereinzelten Filmausschnitten zu sehen, die alle schon sehr alt sein müssen. Der Sprecher beschwört dazu den Sozialismus, lobt die Revolution und dankt Fidel. Che und Raoul Castro für ihre Unterstützung. Die Umstehenden klatschen in die Hände und weinen hemmungslos. Ich habe auch Tränen in den Augen. Die Macht der Medien ist immer wieder eindrucksvoll.

Was nun?

Da wir niemanden kennen, Dagmar nur noch krächzt und wir beide keine Lust auf weitere fünf Stunden Krach mit Mojito haben, beschließen wir, den Abend zu beenden. Gleich das erste Taxi, das wir sehen, ist frei und fährt uns ins Hotel zurück. Es ist ein Chevrolet, der im selben Jahr gebaut wurde, in dem Dagmar zur Welt kam. Man muss fairerweise sagen, dass Dagmar bedeutend besser in Schuss ist als der Chevrolet, ihr Fahrgestell niemals klappert und bei ihr auch nirgendwo der Lack abplatzt. Außerdem verbraucht Dagmar bedeutend weniger Sprit. Obwohl – da bin ich mir jetzt nicht ganz so sicher…

Jedenfalls trinkt Dagmar an der Bar noch ein Bier; ich schaffe kein Getränk mehr. Nicht aus Gründen übermäßigen Alkoholgenusses, sondern weil die viele Säure der Mojitos meinen Magen einfach überreizt hat.

Das war Silvester, brav wie selten.


NEUJAHR

Wir hatten uns vorgenommen, den Tag mal so richtig ruhig anzugehen. Also spät aufstehen, schön frühstücken und dann einfach ein bisschen rumzubummeln. Dagmar legte sich nach dem Frühstück noch einmal hin und schlief bis Mittag durch. Ich nutzte die Zeit, um doch noch einmal eine Internetverbindung zu bekommen. Im Hotel gab es zwar vier Rechner, mit denen man theoretisch ins Internet kommen könnte, aber entweder waren die besetzt, defekt oder es gab keinen Zugang. Heute am ersten Januar war es anders. Die Rechner waren frei, es gab eine Codekarte für 6 CUCs für eine Stunde Verbindungszeit. Die Hälfte davon verbrauchte ich, um überhaupt auf mein Mailkonto zu kommen. Dort waren inzwischen ca. 180 Mails eingetroffen, also deutlich weniger als befürchtet. Das Anzeigen einer Mail dauerte ca. 30 Sekunden, Antworten abschicken doppelt solange. Manchmal blieb das Ding aber auch einfach stehen und es passierte nichts mehr. Das Löschen mehrerer Mails auf einmal führte ständig zu Fehlermeldungen. Außerdem war die Maus kaputt. Nach einer Stunde hatte ich gerade mal fünf Mails gelesen und beantwortet. Raoul, ich schreibe es hier noch einmal deutlich: da besteht Handlungsbedarf! So schön Kuba ist, ohne Internet fühlt man sich hier wie im letzten Jahrhundert.

 

Ich ging frustriert ins Hotelzimmer, wo Dagmar sich gerade ausgehfein gemacht hatte, wir wollten ja noch ein bisschen rumbummeln.

Es wurde dann doch wieder ein Fußmarathon. Wir liefen die Küstenstraße, die sogenannte „MALECON“, westwärts so weit wir konnten. Dann links ab in Richtung Zentrum. In einem großen Hotel, das ich noch von meinem letzten Kuba-Aufenthalt kannte, speisten wir zu Mittag. Dann weiter zu Fuß durch die Stadt. War irgendwie nicht sonderlich prickelnd, da heute nicht nur Neujahr war, sondern auch ein nationaler Feiertag. Das bedeutete, dass nahezu alle Geschäfte geschlossen und alle Einheimischen zuhause waren oder auf der Straße rumstanden. Also doch wieder ins Touristenviertel in der Altstadt! Da der Weg dorthin zu Fuß nun doch ziemlich lang war, nahmen wir ein menschliches Taxi, also ein Fahrrad mit Fahrer, der uns bis zum „CAPITOL“ strampelte.

 
Taxi mit 1 MS (=Menschenstärke)

Der Mann kam ganz schön ins Schwitzen, was ihm aber nicht geschadet hat, denn wie so viele Kubaner hatte er eine Menge Speck zuviel am Körper. Ich weiß, wer im Schlachthaus sitzt, sollte nicht mit Schweinen werfen, aber es muss doch mal gesagt werden: Vor allem Havannas Damen scheinen sich ausschließlich von Zucker und Fett zu ernähren. Je dunkler die Hautfarbe, desto schwerer der Körper. Damit man das Gewicht auch schön sehen kann, schmücken sich die dicken Damen mit hautengen knallbunten Klamotten, die aber auch jede Speckfalte schön zur Geltung bringen. Vor allem Netztstrümpfe mit rausquellenden Fettpolstern scheinen kubanische Männer glücklich zu machen. Und die Rocklängen verkürzen sich analog zum Umfang der Trägerin. Je fetter, desto kürzer. Ich hoffe, dass wir in Deutschland vor dieser Mode verschont werden.

Klar, es gibt auch sehr viele sehr schlanke Mädchen. Vor allem die ganz jungen, so bis 18, 19 Jahren haben noch ihre Traummaße. Das sind auch die, die in unserem Hotel jeden Abend die Discothek aufsuchen, um sich dort bei ein paar Longdrinks in Exstase zu tanzen. Dabei tragen sie Schuhe, die eigentlich dem Kriegswaffengesetz unterstehen müssten. Stilettos mit meterlangen Absätzen und Klumpschuhe, auf denen beim besten Willen kein Mensch jemals grazil laufen kann. Die Musik unterscheidet sich übrigens kaum von der üblichen Musikmatsche, die wir auch bei uns im Radio derzeit angeboten bekommen, nur eben auf spanisch. Vielleicht kommt noch ein Abend, an dem ich angetrunken genug bin, mich in unsere Discothek mal selbst reinzutrauen…

 
Der Strom liegt über der Straße

Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, wir waren wieder in der Altstadt. Heute hat man uns ins „FLORIDATA“ eingelassen. Das Lokal Hemmingways, wie schon erwähnt. Der Meister persönlich saß an der Theke. Nein, das geht ja nicht – der hier war aus Messing, sah aber absolut lebensecht aus. Viele Touristen ließen sich mit ihm fotografieren. Wir schlürften zwei Daikiri – der übrigens hier erfunden wurde – und ertrugen wie üblich die Band, den CD-Verkauf und „Guantamera“.

Weiter im Programm:

Zum xsten Male bummelten wir durch „unsere“ Straße, immer wieder was Neues entdeckend. Die Wechselstube war selbst heute geöffnet und die Schlange davor nur wenige Meter lang. Am „PLACE DE LAS ARMAS“ war wieder der kleine Flohmarkt aufgebaut und wir hatten Zeit und Muße, uns diesen etwas genauer anzuschauen. Unter anderem sah ich einen Stand mit alten Uhren. Richtige, teure, goldene Uhren aus den 1930er bis 1960er Jahren. Lauter bekannte französische Namen und alle intakt. Nun gut, die Vergoldung war nicht immer perfekt, die Ziffernblätter vergilbt und die Armbänder fehlten komplett, aber ich war sicher, dass hier wahre Schätze zu finden waren. Eine „Baume & Mercier“ hatte es mir besonders angetan. 200 CUCs oder 160.- Euro sollte das gute Stück kosten. Ich habe allerdings keine Ahnung, was eine Restaurierung des Antiquariats kosten würde. Daggi fand einen Comic über die Revolution mit lauter Sammelbildchen drin für 10.- CUCs als Faksimile oder 80 CUCs im Original, natürlich vollständig. Unser Freund Micky Waue, ein passionierter Sammler von Plakaten, Comics und Blechschildern, würde sich keinen Meter von diesem Flohmarkt entfernen, bevor er ihn nicht restlos leergekauft hätte.

 
Mal sehen, wie lange das Stück aus den 40er Jahren noch läuft…

Wir aber vertagten einen eventuellen Kauf und zogen weiter. Am Hafen tranken wir noch einen Kaffee und auf dem Platz der Kathedrale noch einen lieblos gemixten Drink. Dann war es schon wieder Zeit für das Abendessen. Eigentlich wollten wir ja am Hafen in ein schönes, sehr günstiges Fischrestaurant gehen, aber auf dem Weg dorthin entdeckten wir einen Italiener, der trotz dezenter musikalischer Live-Unterhaltung sehr einladend aussah. Bis auf den Cesar´s Salad, der eine einzige Matsche war, waren sowohl Essen als auch der Wein vom Feinsten. Satt und zufrieden fuhren wir mit dem Taxi ins Hotel. Morgen sollte unser erste Tour beginnen.


DER VIERTE TAG – VIÑALES

Das iPhone weckte uns um sechs Uhr dreißig. Wenigstens EINE Funktion, die das Gerät hier noch ausüben konnte. Internet gibts ja nicht. Die eiskalte Dusche vertrieb mir schnell die letzte Müdigkeit. Sieben Uhr Frühstück, sieben Uhr dreißig Abholung vor dem Hotel. So war zumindest der Plan. Tatsächlich kam unsere Reiseleitung erst kurz vor acht und es dauerte noch eine weitere Stunde, bis wir endlich den Bus mit Touristen vollgepackt hatten. Insgesamt musste der Chauffeur 15 Hotels anfahren, um die Leute zusammenzuklauben. Viñales liegt ganz im Westen Kubas und bietet vor allem eins: Natur pur. Aber es gab noch mehr zu sehen. Zunächst fuhren wir durch die westlichen Randbezirke Havannas mit seinen wunderbaren Wohnbezirken. Zum einen die „Marina“-Gegend. Schöne, intakte kleine Villen mit viel Grün – das Wohngebiet der Besserverdienenden. Noch besser dann das sich anschließende Diplomatenviertel. Die Villen schon ein ganzes Stück größer und die Grundstücke geradezu verschwenderisch groß. Kuba unterhält diplomatische Beziehungen zu rund 100 Staaten. Da ist man gerne Diplomat.

 
Die Geschichte der Menschheit auf Stein

Auf dem Weg zum Ziel besuchten wir auch noch eine kleine Rumfabrik. Mit Verköstigung. So früh hatte aber kaum einer Lust auf Alkohol. Also weiter. Wir besuchten das Naturdenkmal „Loz Jamines“, an dem ein berühmter Maler in den sechziger Jahren die Geschichte der Menschheit auf eine große Felsfläche gemalt hat. Für Details verweise ich wie immer auf die einschlägige Literatur, die den Umfang dieses Blogs sprengen würde.

Dann kamen wir nach Viñales. Ein hübscher Ort mit noch mehr Natur sowie freilaufenden Rindern und Pferden. Und schon waren wir wieder raus aus dem Ort. Das nächste Ziel war ein Farmer, der uns erklärte, wie man Zigarren dreht. Tabak ist ja so ziemlich der bekannteste Exportartikel Kubas und daher war es schon recht interessant, wie so eine „Havanna“ entsteht. Zunächst wird der Samen in einem kleinen Feld eingesäht. Das passiert im November. Etwa im März sind die Pflanzen ca. 30 Zentimeter hoch und werden in ein größeres Feld umgesetzt, wo sie im Abstand von 50cm bis zu ihrer vollen Größe, ca. 1,30m., aufwachsen. Dann werden sie gepflückt und ewig lange getrocknet. Dafür haben die Farmer spezielle Hütten, die mit Palmblättern bedeckt sind. Und in einer solchen Hütte standen wir nun rum und sahen zu, wie der Farmer ein getrocknetes Tabakblatt zu einer Zigarre drehte und diese dann sogar anzündete und reihum gehen ließ. Schon aus hygienischen Gründen haben wir da nicht mitgemacht. Anschließend führte uns der Farmer in sein angebliches Wohnzimmer, wo wir ein Käffchen aufs Haus trinken durften und Daggi eine Zehnerpackung Zigarren erwarb – für wen auch immer. Draußen gackerten die Hühner, drinnen roch es etwas streng nach Tabak, und alles in allem könnte ich mich auch nach dieser idyllischen Demonstration heimeligen Landlebens nicht für ein solches begeistern.

 
Hübsche Hütte

Dann ging es weiter zur Höhle „Cueva del Indio“, wo die Ureinwohner Kubas sich vor Columbus versteckt hatten. Dass das nichts genützt hat, ist ja inzwischen bekannt. Innerhalb der Höhle musste man durch einen ganz engen Spalt kriechen, was ich im ersten Anlauf nicht geschafft habe. Erst nachdem sich auch ein wesentlich dickerer Mann erfolgreich durchgezwängt hatte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und quälte mich durch den Felsen, dabei im Geiste den deutschen TÜV lobend, der sowas nie zugelassen hätte.

Am Ende der Höhle stiegen wir dann in ein Motorboot um, das uns noch eine Weile durch die Tropfsteinhöhle kutschierte. Endlich wieder draußen, gab es lecker Mittagessen. Ein nettes Pärchen, das auch bei uns im Hotel wohnte, saß mit uns am Tisch. Vielleicht Australier, vielleicht Schotten oder Iren – die ham so genuschelt…

Die obligatorische Band raspelte ihre drei Songs runter, verkaufte ihre CD oder kassierte Trinkgelder, während wir das durchaus gelungene Einheitsessen einnahmen. Anschließend durften wir noch eine halbe Stunde frei rumlaufen, bevor wir wieder in den Bus mussten und uns von der Reiseleiterin in brüchigem Englisch weitere Details über Land und Leute einbläuen ließen.

So gegen 19.00 Uhr waren wir – nach der Freilassung der anderen Touristen – wieder im Hotel. Auf der Suche nach einem Speiselokal entdeckten wir keine zweihundert Meter entfernt an der Küstenstraße, am „MALECÓN“, das Restaurant „CASTROPOL“, das in einer wunderschönen Prachtvilla untergebracht ist und zu unschlagbaren Preisen unheimlich große Portionen Essen anbot. Es war knallvoll, aber wir hatten Glück und erwischten einen Platz im vorderen überdachten Innenbereich. Es gibt auch noch einen offenen Innenbereich und einen zweiten Stock samt Balkon, der ebenfalls voll besetzt war. Da das Lokal hauptsächlich von Kubanern besucht war, konnten wir uns eigentlich auf die gute Küche verlassen – und wurden auch nicht enttäuscht. Das Essen kam zwar ein bisschen schnell, aber viel reden konnte Dagmar ja sowieso nicht, obwohl es langsam mit ihrer Stimme wieder bergauf ging.

Nach dem tollen Essen waren wir mal wieder ziemlich groggy. Das frühe Aufstehen und die Strapazen der Tour steckte uns in den Knochen. Und morgen früh sollte ja schon die nächste Tour starten – wieder um halb sieben..

Also nur noch mal schnell an der Bar geschaut, ob irgendwelche bekannten Gesichter zu finden waren. Und genau so war es: Zunächst begrüßte uns das englische/australische/schottische Paar, das tatsächlich aus London kam und im Werbemarketing arbeitete. Er, Don, war außerdem Musiker und fest entschlossen, die spezielle Gitarrentechnik kubanischer Musiker zu erlernen, die sich sehr von der üblichen Art unterscheidet, Gitarre zu spielen. Sie hieß Emma, war recht hübsch und ziemlich aufgedreht. Und schließlich war da noch John, ein dicker Ire, den ich schon an den Computern kennengelernt hatte. Er war daran gescheitert, seine Bordkarte auszudrucken, ohne die ihn RYANAIR nicht an Bord lassen würde. Leider waren die Computer im Hotel tatsächlich in keinster Weise mit dem einzigen Drucker verbunden, den das Haus aufzuweisen hatte. Von USB-Sticks hatte hier auch noch nie jemand etwas gehört. Ich empfahl ihm, das Dokument per Fax an das Hotel zu schicken, was zunächst wie eine grandiose Idee klang. Leider hat unser Hotel kein Fax. Man könnte die Boardkarte abfotografieren und das Foto am Schalter vorzeigen. Mit ein bisschen Glück würde der Scanner den Code lesen können. Leider hatte John keinen Fotoapparat. Angesichts dieser Umstände wäre es ja nicht unbedingt unklug gewesen, die Bordkarte bereits vor dem Start in den Urlaub auszudrucken, aber das erlaubt RYANAIR leider nicht. So befindet sich John derzeit in einer schwierigen Situation. Mal sehen, ob RYANAIR ihn wieder mitnimmt. Selbst schuld, mit dieser Fluggesellschaft zu reisen…

 
Noch so ein Prachtbau

Jedenfalls kamen wir mit den dreien sehr schön ins Gespräch. Angesicht unserer bevorstehenden Tour und dem damit verbundenen unmenschlich frühen Aufstehen wollten wir aber so langsam zu Bette. Ich sagte John nur noch wahrheitsgemäß, dass er mich in seiner Art und Gestik, seiner Stimme und Ausdrucksweise sehr an einen Freund aus Deutschland erinnere, der ein sehr bekannter Rundfunkmoderator sei: Werner Reinke. John dachte einen Augenblick, ich wollte ihn auf den Arm nehmen: Er war nämlich selbst AUCH Rundfunkmoderator mit einem eigenen Sender in Irland: „playfm.com“ – einem der vielen Internetradios, die es inzwischen gibt. Na ja, so haben wir dann doch noch unsere Lebensgeschichten miteinander ausgetauscht, was immer wieder zu großen Überraschungen führte, denn ich war ja selbst auch lange Radiomoderator und DJ. Dagmar und die Londoner tauschten sich über Musik und englische Interpreten aus und hatten natürlich denselben Geschmack. John war mehr ein Fan deutscher Schlagermusik, die ich ja selbst in meinen Anfangszeiten mit produziert hatte. Surprise, surprise.

Na ja, es half alles nix, wir mussten ins Bett. Eine herzliche Umarmung mit den beiden Londonern und eine Einladung für die beiden, uns zu besuchen, beendeten den Abend. John wollte am Freitag wieder hier sein – wir haben ihn aber nicht mehr gesehen. RYANAIR scheint ihn mitgenommen zu haben.


DER FÜNFTE UND SECHSTE TAG – TRINIDAD und Umgebung

Diesmal waren wir schon lange vor dem Weckruf wach. So etwa ab vier Uhr. Draußen vorm Hotel hatte sich die ganze Nacht eine Gruppe junger Leute zum Feiern verabredet. Da wird dann auch gerne mal gesungen. Erst gegen halb sieben verebbte der Lärm – aber da war es zu spät, nochmal die Augen zu schließen. Unser Bus war pünktlich. Es war wieder ein chinesischer Bus der Marke YUTONG, von dem man hier in Kuba Tausende sieht – sicher ein Tauschgeschäft der Regierung gegen Öl oder Ärzte. Unser heutiger Reiseleiter hob sich vor allem durch seinen gesegneten Appetit hervor. Nicht nur auf Lebensmittel. Unterwegs stieg eine dralle Kubanerin ein, die ihm fortan umschwänzelte und auch die Nacht mit ihm verbrachte. Klar, dass er da bei Kräften sein musste. Vielleicht aß er aber auch nur auf Vorrat, denn außerhalb der Touren dürfte bei ihm zuhause Schmalhans Küchenmeister sein. Sein Englisch und damit auch sein Vortrag war bedeutend besser als am Tag zuvor. Der Fahrer war ein sehr großer, hagerer Mann mit einem Hautpigmentproblem. Er war teilweise schwarz, aber dann auch wieder weiß. Außerdem trank er literweise Espresso und rauchte Kette.

 
Auf dem Weg nach Trinidad

Unser Reiseziel sollte TRINIDAD sein. Die ersten Stunden fuhren wir nur Autobahn und es gab herzlich wenig zu sehen. Die ideale Gelegenheit also, den verlorenen Schlaf nachzuholen. An irgendeiner Autobahnraststätte konnten wir dann langsam wieder zu uns kommen. Die erste Stadt, die wir auf unserer Reise besuchten, heißt CIENFUEGO („Hundertfeuer“, nicht verwandt mit Herrn Hundertwasser). Wir stoppten zunächst an einem großen Platz im Zentrum der Stadt, der von Theater, Kirche und Regierungsgebäuden umgeben war – eine Aufteilung, die man immer wieder in kubanischen Städten findet. Wir nutzen die Gelegenheit, um mal wieder ein paar Euros umzutauschen und hatten noch Zeit für einen Capucini. Dann fuhren wir weiter. Auf der Dachterrasse eines ehemals sehr exclusiven Clubs gab es noch vor dem Mittagessen einen Longdrink – Cuba Libre für alle, Kinder und Schwächlinge ausgenommen. Ganz in der Nähe war ein ebenso exclusiver Tennis- und Yachtclub, in dem wir dann – bei gewohnt lauter kubanischer Musik – zu Mittag aßen. Die nächste Station war schon TRINIDAD. Eine sehr geschichtsträchtige Stadt, die mich schon bei meinem ersten Besuch Kubas vor sechs Jahren sehr beeindruckt hatte. Leider war es inzwischen nach 17.00 Uhr und alle Museen hatten schon geschlossen. Als kleinen Ausgleich durften wir in die Töpferwerkstatt eines bekannten Töpfers schauen. Uuunglaublich interessant, gähn. Auch hier dann irgendwo in einer ziemlich schmuddeligen Kneipe ein Drink aufs Haus, diesmal Rum mit Honig. Außerdem trat natürlich die obligatorische Band mit ihrer neuen CD auf. Die Toilette war unbenutzbar. Überhaupt war der ganze Ort ziemlich runtergekommen, verglichen mit allen anderen Städten, die wir bisher gesehen hatten. Hübsch, sehr karibisch, aber dreckig. Über die geschichtlichen Hintergründe des Ortes erfuhren wir genau NADA, also nichts. Um 18.00 Uhr dann Weiterfahrt nach SANTA SPIRITUS, einen sehr schönen Ort mit 72.000 Einwohnern. Hier sollten wir auch übernachten. Und plötzlich wechselte der bisher doch recht gemischte Eindruck dieses Ausflugs zum Guten. Wir kamen in ein wunderbares Hotel direkt in der Stadtmitte, einem großen Park. Das familiäre Hotel war im spanischen Stil sehr geschmackvoll eingerichtet. Die Zimmer waren ein Traum! Es gab sogar einen Safe, 220 Volt und WARMES Wasser! Wir machten uns frisch und gingen dann runter zum gemeinsamen Abendessen. Wir alle saßen an einer langen Tafel im Restaurant des Hotels, dass auf angenehme 4 Grad runtergekühlt war (Scherz!). Schon im Vorfeld hatten wir uns für Rind entschieden, was sich als eine sehr gute Wahl herausstellte. Die Band des Abends bestand aus drei singenden Gitarristen, die auch als die drei Tenöre hätten durchgehen können – ganz große Kunst! Dass bei der Lautstärke keine Gläser zersprungen sind, spricht für ihr Können. Sie bekamen jedenfalls ein verdientes Trinkgeld. Anschließend saßen wir noch eine Weile draußen auf der Veranda und kamen mit einigen anderen Touristen ins Gespräch, so auch mit Stefan, einem SAP-Berater aus Köln. Er war alleine in Havannah, weil seine Mama nicht mehr so gut zu Fuß war…

Der Platz vorm Hotel füllte sich langsam mit Jugendlichen und wir fürchteten schon eine weitere Nacht ohne Schlaf, aber es blieb dann doch bis etwa 6 Uhr am Morgen vergleichsweise ruhig.

 
Hier wohnt ein Chef

Nach dem Frühstück Weiterfahrt nach SANTA CLARA, der letzten Stadt unserer Rundreise. Hier in Santa Clara hatten sich Fidel und Che Guevara mit ihren Jungs in einem Hotel verschanzt. Es war wohl ziemlich knapp für die Rebellen damals. Am Hotel sieht man noch sehr schön die ganzen Einschusslöcher der Regierungstruppen. Die 280.000 Einwohner zählende Stadt war auch Schauplatz eines der letzten großen Angriffe von Diktator Batiste auf die Rebellen. Batiste hatte einen Güterzug mit 1200 Soldaten vollgestopft und wollte diesen Zug mitten in die Stadt fahren lassen, um da mal gründlich aufzuräumen, also so eine Art Trojanisches Pferd.. Che war schlauer und riss mit einem Bulldozer rechtzeitig die Schienen aus dem Gleisbett, so dass der Zug entgleiste und die Angreifer sehr bald aufgaben. Als Batiste davon hörte, soll er ins Exil geflohen sein und die Revolution war komplett. Wir haben uns die Waggons angesehen – das muss eine gruselige Zeit gewesen sein.

 
Heute sind da keine Soldaten mehr drin.

Und damit war unser Programm beendet. Die 169 CUCs (= 130.- Euro) beinhalteten drei Mahlzeiten, ein Frühstück, eine Übernachtung, alle Eintrittsgelder sowie die kompletten Fahrtkosten. Da kann man nicht meckern. Höchstens über den Fahrer. Der war wohl genauso nachtaktiv wie unser Reiseleiter statt sich auszuruhen. Er ist auf der Heimfahrt mehrmals quer über die leere Autobahn geschliddert und machte trotz seines unglaublichen Kaffeekonsums nicht den Eindruck, tatsächlich wach zu sein. Mehrfach blieb er irgendwo stehen, rannte dreimal um den Bus, trat gegen die Reifen und fuhr wieder ein paar Kilometer weiter.

Irgendwie haben wir es aber doch noch geschafft und sind sicher im Hotel angekommen.

Dort war inzwischen Dagmars Freundin und Arbeitskollegin SABINE eingetroffen. Trotz des zwölfstündigen Fluges war sie fit und für jede Schandtat bereit. Also gingen wir noch ins „CASTROPOL“, speisten dort auf der Terasse im zweiten Stock Köstlichkeiten aus der kubanischen Küche und beendeten den Abend mit einem Absacker an der Bar. Es war Freitag, 23.00 Uhr und die Schönen der Nacht standen in langer Reihe vor dem Eingang zur Disco. Das war mal wieder besser als jedes Fernsehprogramm.


DER SIEBTE TAG

Dagmar und Sabine wollten verständlicherweise mal alleine losziehen und ich brauchte auch dringend Zeit, die ganzen letzten Tage nachzutragen. Also setzte ich mich an die Bar, trank zwei, drei Cappucino und war entsetzt, wie viele Einzelheiten ich bereits vergessen oder verdrängt hatte. Außerdem versuchte ich mal wieder, an meine eMails heranzukommen, was heute sogar nahezu problemlos möglich war, denn endlich gab es die ersehnten Internetpässe mit Zugangs- und Passwort für 6.- CUCs pro Stunde. Gegen Mittag bin ich in die Altstadt gelaufen, habe im „FLORIDITA“ zu Mittag gegessen und mir dann auf dem Flohmarkt doch noch eine alte Uhr gekauft. Die „Baume & Mercier“ hatte mir inzwischen jemand weggeschnappt und ähnliche Uhren waren noch teurer. Ich blieb bei einer Uhr aus den 1940er Jahren hängen, einer unbekannten Schweizer Marke, die ich für umgerechnet 35.- Euro außer Landes schaffen werde. Handaufzug, recht klein, vergoldet, mit Sekundenzeiger und Leuchtpunkten, die aber nicht mehr leuchten. Das Ziffernblatt sollte gereinigt werden, sonst ist alles picobello.

So gegen 17.00 Uhr kamen die Damen mit einer Menge an Bildern und Eindrücken zurück. Sie hatten unterwegs sogar STEFAN wiedergetroffen, unseren SAP-Spezi aus Köln. Am Abend waren wir drei dann wieder zusammen essen, beklatschten die Musikanten und fuhren gegen 23.00 Uhr im Taxi nach Hause, wo die Schlange vor der Disco nun schon gut einhundert Meter lang war. Da beide Mädels kaum noch die Augen aufhielten, ging es früh in die Zimmer. Ich habe noch bis 2 Uhr gelesen.


DER ACHTE TAG

Der achte Tag war ein Sonntag und wir beschlossen, zur Abwechslung mal ans Meer zu fahren. Östlich von Havanna gibt es nämlich hervorragende Strände mit feinst gemahlenem Sand. Ein Touri-Bus brachte uns für 5 CUCs hin und zurück. Früher musste das alles mal eine Prachtanlage gewesen sein, die aber nun so langsam in sich zusammenfällt, seit es in Varadero und anderswo neue, modernere Hotels im Dutzend billiger gibt. Der Atlantik war mit 26 Grad Wassertemperatur nicht wirklich erfrischend, sorgte aber immerhin für etwas Abwechslung beim Sonnenbraten. Ich hatte es mir natürlich überdacht im Strandcafe bequem gemacht und las in meinem ARNO DAHL-Krimi weiter. Gegen 14.30 Uhr sind wir dann in ein kleines Strandrestaurant umgezogen und haben frische Fischfilets mit Salat und Reis verzehrt. Dann hatten wir genug vom Strand. Der Bus kam zwar 15 Minuten zu spät, aber das ist in Kuba noch innerhalb der Toleranz. Vom Place Central aus liefen wir wie gewohnt nach Hause, ca. 1,5 km durch dichtbebautes Gebiet. Kurz vorm Ziel dann zum ersten Mal Alarm im Magen-Darm-Trakt! Ich habe es gerade noch ins Zimmer geschafft. Da es außer mir niemanden erwischt hat, können wir bisher keinen Schuldigen an der Darmverstimmung benennen. Die Mädels haben sich dann in die Maske verabschiedet und ich habe es mir mal wieder an der Bar gemütlich gemacht. Eine alte englische Schachtel fragte mich, ob ich Schriftsteller sei, weil ich ja dauernd auf meinem Notebook rumtippen würde. Ich verneinte die Anfrage und war eigentlich eher erstaunt, warum sich fremde Leute in meine Angelegenheiten mischen.

 
Noch mehr Meer gibt´s rings um die Insel.

Den Abend verbrachten wir wieder bei vorzüglichem Essen bei „CASTROPOL“ und einem anschließenden Besuch des Hotels „RAQUEL“, dessen Dachterrasse unserem Reiseführer eine besondere Erwähnung wert war. Um dorthin zu kommen, brauchten wir ein Taxi. Das einzige Gefährt, das vor unserem Restaurant wartete, war ein uralter LADA, der an allen Ecken und Enden völlig verrostet war, dessen rechte hintere Türe nicht mehr aufging und dessen Beifahrertür halb in den Angeln hing. Ein Taxischild fehlte auch, aber der Türsteher sagte, dass es ein Taxi sei. Da die Mädels unbedingt mal LADA fahren wollten, stiegen wir ein. Innen dasselbe Bild: Völlig zerschlissen, halb demoliert, Löcher im Boden, aber ein lautes CD-Radio. Der junge Fahrer, anders als andere Kubaner sehr unsauber mit löchrigen Klamotten bekleidet, hatte keine Ahnung, wo sich das RAQUEL-Hotel befindet. Er kannte auch die Straßen nicht, die Sabine ihm aus dem Reiseführer vorlies. Er fuhr einfach drauf los. Bei einem Bremsmanöver bergab hatte ich den Eindruck, dass die Kiste nun jede Sekunde komplett auseinanderfallen müsste, aber wie durch ein Wunder fanden die Räder wieder Kontakt zur Fahrbahn und brachten uns in die tiefe, dunkle Altstadt. In Straßen, die wir noch nie gesehen hatten. Alle paar Meter hielt der Fahrer an, um sich bei den Einheimischen nach dem Weg zu erkunden. Sabine erkannte als erste den gesuchten Straßennamen und bat, zu stoppen. Ich wollte auch keine Sekunde länger in dem durch Abgase verseuchten Innenraum ausharren und öffnete die Beifahrertür. In derselben Millisekunde überholte uns rechts ein Fahrradtaxi und knallte mit Schmackes gegen die Autotür. Das Fahrradtaxi kam augenblicklich zum Stehen und drei Menschen wirbelten durch die Gegend. Der Fahrer hielt sich die Stirn, wo ich sekündlich einen Blutschwall erwartete, eine Mutter mit Teenagertochter schrie laut, das Kind hielt sich schmerzverzerrt die Hand und ich konnte nur noch „Perdon!!!“ stammeln.

Ich war am Boden zerstört. Es war mir klar, dass ich in diesem Moment das Leben dreier Personen nachhaltig zerstört hatte. Der Fahrer würde den Rest seines Lebens nur noch schwer entstellt meistern können, das junge Mädel würde ihren Arm verlieren und die Mutter an gebrochenem Herzen vorzeitig ableben.

Da sagte Dagmar plötzlich: „Die haben doch gar nichts. Das ist alles Show!“ Und richtig, der erwartete Blutschwall blieb aus, man sah nicht den geringsten Kratzer an der Stirn des Fahrers, das Handgelenk des Mädchens war genauso fett wie vorher und ließ sich problemlos bewegen und die Mutter nutze mit ihrer schrillen Keiferei die Gunst der Stunde, uns ein wenig abzuzocken. Was die Bande nicht wusste: Sabine ist des Spanischen durchaus mächtig und verstand so ziemlich genau, was da ablief. Ich hatte inzwischen dem Fahrer die vereinbarten 5 CUCs gegeben, um wenigstens hier keinen Fehler zu machen. Der mahnte dann auch die anderen, in ihren Äußerungen etwas vorsichtiger zu sein, da wir ihre Sprache sprächen. Plötzlich wechselten sie die Taktik. „Das Kind muss ins Krankenhaus zum Röntgen!“ war die neue Forderung. Wir sollten gefälligst die Fahrt- und Krankenhauskosten bezahlen. Nun ist die medizinische Versorgung in Kuba zwar kostenlos, aber wenn ein Tourist schuld an einer Verletzung eines Kubaners ist, bleibt er solange im Land, bis alle Kosten beglichen sind. Da ich jetzt so gar nicht mehr wusste, wie man sich in einer solchen Situation, die ja durchaus mit Gefängnisaufenthalt enden kann, verhalten soll, schlug ich vor, die Polizei zu rufen. „Policia?“ Das Geschnatter der Schwerverletzten wurde augenblicklich ruhiger. Der Taxifahrer hatte offensichtlich keine Taxilizenz und das Auto gehörte eindeutig in die Schrottpresse. Der Fahrer des Fahrradtaxis hatte uns in zentimeterkurzem Abstand rechts überholt, obwohl er sehen konnte, dass gerade Fahrgäste ausstiegen. Und die resolute Mutter hatte plötzlich nur noch Angst, dass das Kind die Schule versäumen würde, wenn man sie jetzt nicht unverzüglich ins Krankenhaus bringen würde. Dann sagte ich zu Dagmar, dass ich den Fahrer ja schon bezahlt hatte und Daggi sagte, dass Sabine den Fahrer auch schon bezahlt hätte. Sieh da, da hat der kleine Gauner, ohne ein Wort zu sagen, gleich zweimal kassiert. Damit konfrontiert, schlug er vor, mit den zweiten 5 Pesos das Kind ins Krankenhaus zu fahren und die Sache wäre damit für uns erledigt. Wohl abwägend, welche Konsequenzen der eine oder andere Ausgang des Dramas haben würde, entschieden wir uns, dem Fahrer die zweiten 5 CUCs zu schenken und gingen zu Fuß die paar Meter zum Hotel „RAQUEL“ weiter. Die Bande hatte also rund 120 kubanische Pesos gut gemacht. Bei einem Gehalt von durchschnittlich 350 Pesos kein schlechtes Geschäft.

Es hätte auch anders ausgehen können. Unabhängig davon, ob überhaupt jemand verletzt war, ist der Unfallverursacher erst mal in jedem Fall schuld. Wäre ich nicht nach Kuba gereist, hätte der Unfall ja auch nicht passieren können. Diese stringente Logik zu durchbrechen, bedarf dann anwaltlicher Hilfe. Und bevor ich wochenlang ohne Wasser und Wein in irgendeinem Kerker vor mich hinsiechen würde, war es doch besser, klein beizugeben…

Das Hotel „RAQUEL“ in der Nähe der Kreuzfahrtschiff-Docks ist übrigens tatsächlich ein weltberühmtes jüdisches Gebäude von geradezu einmaliger Schönheit. Hoch oben auf der Dachterrasse schlürften wir dort Bier und Mojitos und schworen uns, nie wieder in einen LADA ohne Taxischild zu steigen. Ein gutes Stündchen später erkundeten wir noch ein paar Seitenstraßen rund um das Hotel. Ein Prachtbau neben dem anderen, tolle Museen, Restaurants, Hotels, wohin man nur schaute. Havanna ist für mich architektonisch inzwischen die schönste Stadt der Welt, auch wenn mindestens zwei Drittel der Prachtgebäude dringend renoviert werden müssen. Cuba soll ja mal die reichste Stadt der USA gewesen sein.

Für die Heimreise waren wir in der Taxiwahl diesmal sehr sorgfältig und lehnten alle alten Kisten, also die ganzen illegalen Schrottbüchsen einfach ab und fuhren mit einem offiziellen Taxi (das sogar einen Taxameter hatte, der natürlich nicht lief) nach Hause. Das übliche Discopublikum stand schon wieder am Eingang…


DER NEUNTE TAG

Ein Tag wie jeder andere. Bummeln durch die Stadt, diesmal aber getrennt. Zum vierten Mal den Flohmarkt am „PLACA DE LAS ARMAS“ durchpflügt. Ein paar Telefongespräche nach Hause geführt, später irgendwo in der Altstadt zu Mittag gegessen und Dagmar und Sabine später im „Hop On – Hop Off“-Bus wieder getroffen. Stadtrundfahrt die Zweite. Abends Internet, danach Essen im „CASTROPOL“. Anschließend noch auf ein paar Wein in einem anderen Club namens „CAFÈ NERUDA“ im Freien. Spät zu Bette, dicker Kopf. Und um sechs klingelte der Wecker.


DER ZEHNTE TAG – „VARADERO“

Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich schon mal auf Kuba war, und zwar zum Jahreswechsel 2006/2007. Die 186 Fotos von damals habe ich sogar auf dem iPhone dabei. Sie sehen eigentlich genauso aus wie die Fotos 2012/2013…

Heute wollten wir uns also auf die Spuren meines damaligen Urlaubs begeben, denn damals war ich ja nicht in Havanna (außer auf Ausflügen), sondern auf der Touristenhalbinsel „VARADERO“. Damals durften da keine Kubaner rein, sofern sie dort nicht arbeiteten. Touristen waren auch auf ihr eigenes Hotel beschränkt, da sie durch das Armbändchen für den „All-Inclusive-Service“ fest an ihr Hotel gebunden waren. Zusätzliche Restaurants gab es kaum, auch nur wenige Bars oder touristische Märkte. War ganz schön langweilig damals. Heute ist das anders. Aber der Reihe nach.

Schon fünf Minuten vor halb sieben, unserer Abholzeit, wurde an unsere Türe geklopft. Der Bus sei schon da. Es war ein Kleinbus mit insgesamt sechs Touristen, einer Reiseleiterin und natürlich dem Fahrer. Die Reiseleiterin begrüßte uns mit einem hübschen Kalenderspruch: „Yesterday is history, tomorrow is mistery and today is a gift!“ Sie ähnelte ein wenig der Schauspielerin Christine Ursprung, die als kleinwüchsige Assistentin des Tatort-Gerichtsmediziners Börne bekannt geworden ist. Die Fahrt ging non-stop nach Varadero und die sehr gut englisch sprechende Dame erzählte uns dies und das über die Dinge, die man sehen konnte, wenn man die Augen offen hatte – was bei mir aufgrund der kargen Nachtruhe nur selten der Fall war. So verpasste ich das Olympiastadion mit dem olympischen Dorf, die Rumfabrik und so manchen geilen Ausblick auf schöne Täler und Berge. Na ja, ich kannte das ja sowieso schon. In Varadero selbst fuhren wir direkt in eines der vielen Touristenghettos. Die Anlage heißt „LAS BRISAS DEL CARIBA“ und hat Platz für rund 400 Brutzelopfer. Sie ist sehr schön angelegt, liegt natürlich direkt am Strand und ist nur eins von über 50 Luxushotels an dieser Küste. Wir zählten 4 Sterne. Demnach hätte unser Stadthotel nur einen Stern haben dürfen (es hat aber 3 Sterne!). Die inzwischen auf vier Personen geschrumpfte Reisegruppe – zwei alte Engländerinnen und Dagmar und ich bekamen sogar ein Zimmer, um sich umziehen zu können. Paarweise, nacheinander, versteht sich. Vorher mussten wir uns aber zunächst ein blaues Plastikarmband ans Handgelenk montieren, damit wir als Tagesgäste identifiziert werden konnten.

 
Das blaue Band der Sympathie

Und dann ging´s zum Frühstück. Es gab zwar eine Menge Sachen, aber sonderlich lecker sah da nichts aus. Vor allem gab es weder Butter noch Margarine. Der Kaffee war kein Deut besser als in unserem Hotel. Also ab ans Meer. Dort wurden uns von einem sehr netten Kubaner Strandliegen aufgebaut – all inclusive! Na ja, ganz so inclusive war da doch nichts. Natürlich hat er dafür ein Trinkgeld erwartet. Genau wie alle anderen Bediensteten. Ob das nun der Eierkoch war, der für jedes Omelett einen Obulus erwartete oder die Bedienungen – alle waren auf Kohle aus. Ganz frech wird es, wenn man mit Euro bezahlen will oder muss. Hier wird der Kurs 1:1 abgerechnet – Mehrkosten also von 30%! Nun gut, damit hatten wir ja nichts am Hut. Wir saßen eine Weile am Strand rum, Dagmar ging bis zu den Knien ins kalte Atlantikwasser und ich las in meinem Krimi weiter. Das hätten wir auch in Havanna am Pool machen können. Also entschlossen wir uns, doch mal ins Zentrum von Varadero zu fahren, den kleinen Ort, den ich von meinem Urlaub kannte, in dem man nicht ganz so isoliert war wie in dieser riesigen Anlage mit seinen dauernden Animationen, seiner qualvollen Dauerbeschallung an allen Ecken und Enden und der Anwesenheit hunderter typischer Unterschicht-Urlauber.

 
Poollandschaft im Touristenparadies

Zum Glück gibt es auch hier einen „BEACH-BUS“, mit dem man für 5 CUCs (oder Euro) den ganzen Strand entlang fahren kann. Und das taten wir dann auch. Der Buss war knallvoll und die Sonne hatte 30 Grad deutlich überschritten. Solange der Bus fuhr, war es durch den Wind sehr angenehm, aber wenn er stillstand, spürte man förmlich, wie die Haut um Hilfe schrie. Ich zeigte Dagmar die ganzen Plätze, die ich damals besucht hatte. Auch mein damaliges Hotel „CLUB TROPICAL“ stand noch da, wo es damals war, aber ansonsten war der Ort gewaltig gewachsen. Ein Cafe neben dem anderen, sehr viele neue Restaurants und auch viele kleine Bazare mit dem üblichen Touristenquatsch. An der Endstation mussten wir ein paar Minuten bei einem CRISTAL-Bier warten – dann ging es denselben Weg wieder zurück.

 
Auch hier: Strand bis zum Abwinken

Im Hotel kamen wir noch rechtzeitig zum Mittagessen. Doch hätten wir gewusst, was da eine Pampe auf uns wartete, wären wir im Ort geblieben. Wenn der Wein so kalt gewesen wäre wie Suppe und das Fleisch so warm wie der Ober, hätte man ja noch was drauß machen können. Tatsächlich war das Essen aber für unsere feinen Geschmacksnerven unzumutbar. Selbst das Eis zum Nachtisch war viel zu süß, um noch gut zu schmecken. Resigniert legten wir uns auf zwei Liegestühle am Pool und lasen noch ein wenig in unseren Büchern. Um drei gaben wir die geliehenen Handtücher ab, zogen wir uns wieder um und warteten auf den Abtransport, der für 16.00 Uhr avisiert war. Da die Rezeption völlig überfüllt war, dauerte es noch bis 16.15 Uhr, bis wir alle unsere Pässe zurückhatten, vom Makel des blauen Bändchen befreit waren und wieder im Bus Richtung Havannah saßen. Unterwegs gab es noch einen kurzen Stop an einem hochgelegenen Aussichtspunkt, der mit einer Piña Colada versüßt wurde (die wir aber selbst bezahlen mussten).

Wenig später sahen wir einen grässlichen Autounfall. Ein amerikanischer Oldtimer hatte sich wohl mehrfach überschlagen und dabei ein bisschen zusammengefaltet. So wie das Blech aussah, war da kein Platz mehr für lebende Menschen. Das Tempolimit von 100 km/h sollte von solchen Wagen nicht ausgenutzt werden, dafür sind die schon damals nicht gebaut worden. Und jetzt, ein paar Millionen Kilometer später, entspricht die Straßenlage der meisten Kisten eher einem schwimmenden Brett im Sturm denn der eines modernen PKW. Unser Bus hatte übrigens 587000 km drauf. Das neueste Taxi, das ich hier fuhr, immerhin 277000. In allen „modernen“ Autos (also hauptsächlich Peugeots) leuchten grundsätzlich sämtliche Warnlampen inklusive der Aufforderung „STOP“ auf, weil das Fahrzeug nicht fahrbereit ist, bzw. gar nicht mehr fahren dürfte. Die weitverbreiteten LADAS, die ja ursprünglich auf dem FIAT 124 basieren, sind alle, aber wirklich alle, absoluter Schrott. Kein TÜV der Welt würde auch nur einem einzigen LADA auf Kuba eine Plakette geben, Regierungsfahrzeuge vielleicht ausgenommen. Also auch auf diesem Gebiet besteht noch großer Handelsbedarf. Raoul Castro hat sich mit seinen Reformen viel vorgenommen. Am einfachsten wäre es, wenn die USA ihr einseitiges Embargo abstellen würden. Ein Embargo, das von der ganzen Welt abgelehnt wird. Aber eher habe ich wahrscheinlich sechs Richtige im Lotto als dass die Amerikaner den Kubanern die Revolution verzeihen würden, die übrigens im nächsten Jahr ihren 55. Geburtstag feiert.

Um viertel vor sieben waren wir wieder im Hotel. Für den Abend hatten wir uns etwas Besonderes vorgenommen: Essen in einem der berühmtesten Lokale der Altstadt. Im „LA GUERIDA“ wurden Teile des Films „Erdbeer und Schokolade“ gedreht, außerdem sind hier in den frühen 1920er bis 1940er Jahren so ziemlich alle bekannten Filmstars dieser Welt ein- und ausgegangen. Als das Taxi anhielt, dachten wir allerdings, dass wir im falschen Film seien. Das Haus aus dem Jahr 1913 war völlig zerstört. Alte Marmortreppen führten jedoch in den dritten Stock, der noch intakt war und in dem sich – wie in einer 4-5 Zimmer-Wohnung – das Lokal befand. Bildhübsche Bedienungen mit einwandfreiem Englisch kümmerten sich sehr freundlich um uns. An den Wändern überall Bilder der großen und berühmten Menschen aus besseren Zeiten – wir wurden leider nicht fotografiert. Es war gar nicht so leicht, hier überhaupt einen Termin zu bekommen – drei Tage Vorlaufzeit muss man schon rechnen.

Doch dann kam das Essen – und das war ziemlich enttäuschend. Die Gemüsebeilagen waren viel zu kalt, meine Schweinefilets knochentrocken, die Kartoffelchips mit Champignons und Zwiebeln zermatscht und ebenfalls kalt. Nur der Cesars Salat war diesmal wirklich gut! Alles in allem war das Essen um Klassen schlechter als in unserem Lieblingslokal „Castropol“. Dafür aber dreimal so teuer.

Um eine wichtige Erfahrung reicher, liefen wir zu Fuß zurück ins Hotel, nicht ohne noch mal Station im „Café Neruda“ am „MALECÓN“ zu machen. Sabine hatte dort am Nachmittag bereits den nächsten Mann ihres Lebens kennengelernt. Es war der Kellner dieser Bar und er hatte ihr angeboten, sein ganzes Leben lang für sie zu putzen. Wem’s Spaß macht…

Sicherheitshalber nahmen wir sie dann aber doch wieder mit ins Hotel.


DER ELFTE TAG

Sabine hat´s erwischt. Nein, nicht der Kellner. Eine Allergie hat sie erwischt. Sonnenallergie oder vielleicht auch eine Lebensmittelunverträglichkeit. Rote Punkte am ganzen Körper. Der Arzt im Hotel empfiehlt ihr Histamine und gibt ihr eine Cortison-Spritze. Für den Rest der Reise muss sie eine strenge Diät einhalten. Hühnchen Si, Fische No. Während sie auf die Medikamente wartet, sitzt Dagmar am Pool und ich versuche, Ordnung in meine E-Mails zu bekommen. Es sind inzwischen über 680 Mails. Da es im Hotel seit gestern keine Internet-Karten mehr gibt, fahre ich ins Hotel Nacional und buche dort eine Stunde. Hier ist die Geschwindigkeit fast dreimal so schnell, so dass ich auch tatsächlich nach einer Stunde wieder auf dem Laufenden bin und eine Menge Mails beantwortet habe. Inzwischen warten mehr als ein Dutzend Aufträge darauf, nach meiner Rückreise erledigt zu werden. Ich bin froh, dass meine Kunden die Geduld haben, noch so lange zu warten. Ich hatte zwar mein gesamtes Aufnahmeequipment mitgenommen, aber das Hotel liegt an einer Hauptstraße und ist auch sonst so hellhörig, dass an saubere Sprachaufnahmen überhaupt nicht zu denken wäre. Und selbst wenn: eine WAV-Aufnahme über dieses lahme Internet zu verschicken würde viel wertvolle Urlaubszeit vergeuden, von den Kosten mal ganz abgesehen.

 
Unser Hotelpool im sechsten Stock wurde exakt mit 87 dB beschallt.

Sabine sieht inzwischen ziemlich schrecklich aus. Die roten Punkte fangen zu allem Überfluss auch noch an zu jucken. Sie hat sich während der Behandlung ausführlich mit der Ärztin unterhalten. Auch sie bekommt nur einen Hungerlohn – die Kosten der ärztlichen Bemühungen erhält der Staat. Die Ärztin ist gezwungen, eine Menge Listen zu führen. Weitergehende Kontrollen wie z.B. die Spionage in der ehemaligen DDR soll es hier nicht geben. Uns fällt auch schon seit Tagen auf, dass man kaum Polizei und so gut wie kein Militär auf den Straßen sieht. In einer Fernsehdokumentation auf „arte“ habe ich aber inzwischen gesehen, dass es in jeder Straße einen oder mehrere regierungstreue „Mitarbeiter“ gibt, die ihre Mitbewohner bewerten müssen und über Belohnungen, Gehaltserhöhungen oder auch Strafen entscheiden. Um über die Runden zu kommen, hat Sabines Ärztin – wie die meisten hier – noch zwei weitere Jobs. Außerdem verkauft sie an Sabine drei paar russische Nylon-Netzstrümpfe. Wo sie die anziehen will, will ich mir besser nicht vorstellen. In Kuba ist es jedenfalls im Moment sehr chic, so rumzulaufen.

Cortison, Penicillin und Histamine scheinen sich gut zu verstehen. Sabine ist bereit, mal wieder einen Stadtbummel zu unternehmen. Der Taxifahrer soll uns in ein Automuseum bringen, das ich noch von damals kenne. Er kennt es leider nicht, denn er fährt uns einfach vors „Floridata“. Aber durch kluges Nachfragen bei diversen Einheimischen gelingt es uns doch noch, den magischen Ort der alten Karrossen aufzufinden. Für 1,50 CUC (statt einem CUC, wie es im Marko-Polo-Führer steht) können wir dann in Ruhe die rund 30 Exemplare aus den 1920er bis 1950er Jahren bewundern. Fotografieren hätte nochmals 5 CUC gekostet (Marko Polo sagt 1.- CUC!), so dass wir darauf verzichten, zumal die Autos nicht sonderlich gepflegt sind. Das Automuseum in Sinsheim ist da von ganz anderem Kaliber…

Wir bummeln noch ein wenig weiter und setzen uns dann in einen der vielen kleinen Parks der Stadt, die die Steinwüsten auflockern. Ein sehr guter Guitarist singt sich die Seele aus dem Leib. Wir trinken Bier und Mojito. Sabine natürlich nicht, die darf ja nicht. Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung.

Für das Abendessen haben wir zum fünften Mal das CASTROPOL auf dem Schirm, weil es hier tatsächlich bisher am besten geschmeckt hat und vor allem ein unschlagbares Preis/Leistungsverhältnis vorliegt.

 
TÜV leider abgelaufen

Da wir auch dieses Mal wieder unglaublich schnell bedient wurden und daher mit dem Essen schon kurz nach neun durch waren, suchten wir uns noch eine Open-Air-Bar am MALACÓN aus. Den Namen habe ich vergessen und möchte ihn auch nie mehr hören. Es war zwar sehr nett in und vor dem Lokal, aber der Besuch der sanitären Anlagen hat diesen Eindruck schlagartig zerstört. Vollgepinkelte Brille, kein Papier, kein Wasser – nicht einmal zum Händewaschen. Außerdem war es eine Toilette für Mann und Frau gleichermaßen. Eine Toilette, die ständig von allen Gästen frequentiert wurde. Mir war sooo schlecht…

Dass im Nachbarhaus ein lautstarker Streit über Spielschulden beim Domino-Spiel eskalierte, passte dann wie die Faust aufs Auge. Unser Hotel liegt übrigens im ehemaligen Schwarzenviertel, das auch heute noch fast ausschließlich von den dunkelhäutigen Kubanern bewohnt wird. Der Streit war aber glücklicherweise nur laut, nicht handgreiflich.

 

Später in der Nacht haben wir erstmals einen Blick in „unsere“ Disco geworfen. Recht gut eingerichteter Schuppen mit Extremlautstärke, Extremklimaanlage und extrem doofem Publikum. Also ab ins Bett.


DER ZWÖLFTE TAG

Immer noch keine Internet-Tickets an der Rezeption. Also fuhr ich wieder ins Hotel Nacional, um dort meiner Arbeit nachzugehen. Aus den über 700 Mails sind inzwischen 160 übrig geblieben, die geschäftsrelevant sind. Die anderen Mails warenWerbung, Spam oder überflüssiges Geplänkel.

Anschließend setzte ich mich in den wunderbaren Garten des Hotels, um da meinen Krimi fertig zu lesen – und gleich noch einen weiteren anzufangen. Im iPad Mini ist ja genug Platz für tausende von Büchern.

 
Derzeit noch nicht wieder bezugsfähig

Um 14.00 Uhr trafen die beiden Mädels dazu. Sie hatten mal wieder einen Stadtbummel gemacht, wären beinahe von einem Motorrad überfahren und von herabfallendem Schutt erschlagen worden. Außerdem hatten beide Bilder gekauft. Schöne Ölbilder auf Leinen. Kofferfertig eingewickelt.

Nach einem kleinen Snack im Hotel Nacional fuhren wir drei dann mit einem wunderschönen roten Cadillac Baujahr 1952 wieder ins „DEAUVILLE“, um uns am Pool noch ein bisschen die Zeit zu vertreiben.

Der geneigte Leser wird vielleicht schon bemerkt haben, dass spätestens an diesem Punkt unserer Reise so ziemlich alles erzählt wurde. Es gebricht an Sensationen oder neuen Eindrücken, da wir so langsam alles Wichtige gesehen haben. Natürlich könnten wir noch die ganzen Museen der Stadt abklappern, aber da wir da völlig unterschiedliche Interessen haben, müssten alle alleine los ziehen, was ja auch wenig Spaß macht. Immerhin beschließen wir, uns am Abend im „HOTEL NACIONAL“ noch einmal eine Show des „BUENA VISTA SOCIAL CLUB“ anzusehen. Mit Essen.

Vorher müssen wir allerdings noch einen Herrn Schröder aus Hannover ertragen. Dieser Herr Schröder ist 63 Jahre alt und nicht identisch mit dem ehemaligen Kanzler der Bundesrepublik, der ja bekanntlich auch aus Hannover stammt. Unser Herr Schröder war Gast im „DEAUVILLE“ und überfiel uns während einer Fahrstuhlfahrt in dem Moment, als er erkannte, dass wir aus Deutschland kamen. „Endlich mal jemand, mit dem man quasseln kann!“ eröffnete er die Konversation, die sich natürlich an der Bar fortsetzte, wo wir auf Sabine warten mussten. Unser Herr Schröder kippte sich in Sekundenschnelle ein ganzes Glas Rum hinter die Binde, um sofort ein Zweites zu bestellen. Er war so was von knallevoll, wie man das selten sieht. Dagmar in ihrer berühmt offenen Art hatte das vielleicht nicht gleich bemerkt; jedenfalls fing sie sofort ein Gespräch mit ihm an. Was man sich halt so von Tourist zu Tourist erzählt. Nach nur fünf Minuten hatte Schröder schon wieder vergessen, dass wir aus Frankfurt kommen. Dafür erzählte er uns, was er alles auf der Welt schon gesehen hat. „Thailand, Indien, die ganze Scheiße, den ganzen Dreck!“ Dagmar hätte mit ihren weltweiten Erfahrungen – vor allem ihren Aufenthalten in Australien – gut dagegen halten können, aber wie das bei Betrunkenen so ist, geht es denen im Wesentlichen darum, selbst zu reden. „In Australien war ich schon mal mit Familie, aber die Frau ist weg, Scheidung, die ganze Scheiße, verstehste?“ Drink Nummer zwei war alle, der dritte bestellt. „Ich hab´ die ganze Scheiße gesehen, den ganzen Dreck, verdammt. Ich hab der Frau vorhin Geld gegeben, damit ihr Kind Milch zu trinken bekommt. Tschulligung, wenn ich ´n bisschen lalle, aba ich trink halt gern. Das darf man doch. Bin ja auch allein. Meine kubanische Freundin ist heut nich da. Meine thailändische Freundin auch nicht. Is noch nich so weit.“ Es wurde immer schwerer, ihm zu folgen. Mein Einwurf, dass in Thailand inzwischen schon ein gewisser Wohlstand entstanden ist, wurde nahezu niedergebrüllt. „So ´n Quatsch! Haste mal an der Grenze zu Laos gesehen, wie die da hausen? Das is so ´ne Scheiße, so ´n Dreck, das kannste dir ganich vorstelln.“ Es war sinnlos, darauf irgendwas zu antworten. „Vier Sterne hat das Hotel? Bin ich auch schon rausgeflogen.“ Das konnte ich mir gut vorstellen. Herr Schröder zahlte seine Zeche und eine Runde für uns mit. Dann war sein kubanisches Geld alle. Ich spendierte ihm noch ein viertes Wasserglas mit kubanischem Rum, dann kam endlich Sabine und wir suchten das Weite.

Das Weite lag gar nicht fern. Heute also Kulturabend mit kubanischer Musik im HOTEL NACIONAL. Der Ballsaal des Hotels, der Saal „1930“ wurde wohl in demselben Jahr erbaut, dessen Namen er trägt. Alle Gäste wurden speziellen Tischen zugewiesen. Wir saßen in der zweiten Reihe, etwas links vor der Bühne und leider ziemlich dicht vor den Boxen, mit denen man die Frankfurter Festhalle hätte beschallen können. Das Essen war nicht übel, bestand aus drei Gängen und einem Gratisdrink. Pünktlich um um halb zehn sprang der jugendliche Moderator auf die Bühne und heizte das Publikum an, während sich in seinem Rücken dreizehn Musiker an ihre Instrumente begaben. Von links nach rechts waren das: Ein Pianist an einem Korg Stagepiano, ein Elektrogitarist, ein Elektro-Bassist, ein Bongo-Spieler an zwei großen Bongos, ein weiterer Percussionist, ein Trommler mit fünf lauten Trommeln, zwei Geiger und davor eine Sängerin und drei Sänger, die allesamt auch tanzten und diverse Percussion-Instrumente bedienten. Nr. 13 stand ganz links und bediente die Querflöte – ein Instrument, das man aus vollem Herzen als Folterinstrument bezeichnen darf. Meine Hoffnung, dass die Veranstaltung in Zimmerlautstärke ablaufen würde, hatte sich nach wenigen Sekunden erledigt. So laut war Musik in Havanna noch nie. Sabine stopfte sich auch sofort selbstgedrehte Papierstöpsel in die Ohren, um den Krach etwas erträglicher zu machen. Dagmar fands schön.

 
13 Leute und 94 dB Lautstärke

Zusätzlich zu den 13 Krachmachern kamen dann noch eine schwarzhaarige junge Tänzerin, eine uralte Buena Vista-Vorzeigedame aus den dreißiger Jahren und ein angeblich berühmter Saxofonist, der insgesamt drei Titel spielte. Anscheinend wird Musik nicht von allen gleich empfunden. Die beiden russisch besetzten Nachbartische hatten jedenfalls prachtvolle Stimmung, tanzten ständig mit und nahmen die meisten Szenen auf Video auf, indem sie ihre iPads in die Luft hielten und auf die Tänzer hielten, was ziemlich doof aussah. An jedem Tisch habe ich mindestens drei iPads und eine vollständige Ausstattung mit iPhones 5 gezählt.

Nach exakt zwei Stunden hatten die Damen und Herren der Musikergewerkschaft ausgespielt und wir zogen mit schmerzenden Ohren zurück ins Hotel. Herr Schröder war weg. Schade eigentlich.


DER DREIZEHNTE TAG

Den Morgen musste ich wieder im „HOTEL NACIONAL“ verbringen, weil es bei uns anscheinend in dieser Saison keine Internetkarten mehr geben wird. Dagmar und Sabine klapperten erneut ihre Lieblingsgalerien ab und nahmen noch einen Capucino im „HOTEL de INGLESE“, wo ich die beiden dann wenig später traf. Später im „CAFE PARIS“ mal ein paar Messungen durchgeführt. In meinem iPhone habe ich eine APP, die den Lautstärkepegel misst. Während drinnen die Band spielte und draußen eine andere Band entfernt zu hören war, betrug der Lautstärkepegel 93 Decibel, abgekürzt dB. Ab achtzig dB ist es stark gesundheitsschädlich. Die waren mit 76 db ohne Musik gerade so erreicht. Im Hotelzimmer (bei geschlossenem Fenster) 61 db – auf Dauer ebenfalls noch schädlich. Am Pool waren es ungesunde 84 dB (nachdem ich heimlich die Lautstärke zurückgedreht hatte).

Sabine hatte heute ihren letzten Tag. Sieben Tage haben ihr völlig ausgereicht und damit hatte sie auch recht. 14 Tage Havanna am Stück sind zu viel. Nun gut, wir haben auch fünf Tage mit zusätzlichen Ausflügen verbracht, aber dann bleiben immer noch 9 Tage. Neun Tage sind zuviel für eine Stadt wie Havanna, wenn man sich nicht Tag für Tag durch irgendwelche Museen quälen will. Und das wollen wir ja nicht.

Unsere Empfehlung: Vier Tage Havanna, dann mit dem Bus oder vielleicht sogar mir einem Mietwagen selbst durchs Land fahren, überall das beste Hotel suchen und auf eigene Faust das Land erkunden. Am Ende kann man ja noch drei Tage Varadero im Luxus dranhängen, wenn man das will. Die Menschen hier in Kuba sind sehr kontaktfreudig, es gibt so gut wie keine Gewalt oder Gefahr (vom Verkehr mal abgesehen, aber der ist auf dem Lande kaum zu spüren) und die Gründe und Folgen der kubanischen Revolution können nur durch die eigene Er-“Fahrung“ verinnerlicht werden. Die Kubaner sind zwar arm, aber stolz, gebildet und zufrieden. Dieser Satz, der uns sehr oft begegnet ist, scheint zu stimmen. Keine Ahnung, was passiert, wenn sich der Kapitalismus auf dieser Insel breit macht, wenn die nun erlaubte Selbstständigkeit zu Konkurrenzdenken und Konkurrenzdruck umschlägt. Wer werden die Sieger sein, wer die Verlierer? Wird der allgemeine Zugang zum Internet neue Begehrlichkeiten wecken oder neue Handelswege ermöglichen? Wird die Jugend mit einem „gemäßigten Kommunismus“ der Partei treu bleiben oder selbst irgendwann eine neue Rebellion starten? Lauter Fragen, die ich nicht beantworten kann, weil es für die Weiterentwicklung des Landes keine Vorlagen gibt. Alles ist möglich, alles ist offen.

 
Ein Bier geht immer

Sabine wurde um 14.30 Uhr von einem Taxi abgeholt und zum Flughafen gefahren. Wir mogelten uns dann noch ein bisschen durch den Tag und gingen abends ein letztes Mal ins „CASTROPOL“, wo man uns inzwischen schon fast als Familienangehörige betrachtete. Anschließend trafen wir an der Bar erneut Herrn Schröder. Rolf heißt er übrigens. Diesmal hatte er seine blutjunge kubanische Freundin dabei. Da Prostitution in Kuba unter Strafe steht, war es für ihn nicht einfach, das Mädel ins Hotel zu schleusen. Worüber die beiden sich unterhalten, konnten wir nicht nachvollziehen, da er weder spanisch noch englisch spricht und sie auch nur spanisch kann. Nun gut, für gewisse Dinge braucht man ja auch keine Worte. Rolf trank heute nur Bier, dafür aber sehr viel. Wir erfuhren, dass er bereits seine dritte Scheidung hinter sich hat, dass er jeden Tag 20km bis zum Strand mit dem Fahrrad fährt (die Figur war für einen 63-jährigen durchaus passabel!) und im Strandrestaurant bereits den Fisch für morgen bestellt hat. Die Kleine zeigte uns Bilder ihres 3-jährigen Sohnes, was uns dann schon ein wenig schockte. Das Mädel wollte so gerne in die hauseigene Disco, aber Rolf wollte lieber noch das eine oder andere Bier trinken. Spät und auch ein wenig angeschickert gingen wir zu Bett.


DER LETZTE TAG

Ein Tag des Abschieds. Aufstehen, eiskalt duschen, Frühstücken, Koffer packen, Pool, auf Taxi warten, zum Flughafen fahren, abfliegen…

…und um 16.40 Uhr deutscher Zeit (nach 10 Stunden Flug) endlich wieder daheim!


FAZIT:

Kuba ist eine Reise wert! Wenn es mit den Reformen jetzt zügig weitergeht, wird sich die Armut schnell verringern. Die Menschen sind überaus freundlich, Kriminalität ist nahezu unbekannt (was auch an den Repressalien der Regierung liegt, aber das ist eine andere Geschichte). Alles wird anders werden, wenn der CASTRO-Clan verstorben ist. Vielleicht wird Castro´s lesbische Tochter neue Präsidentin – die Umfragen sprechen derzeit dafür.

In etwa 6 Jahren werde ich eine dritte Reise ins Land unternehmen, um den Fortschritt oder den Zusammenbruch selbst mitzuerleben.

 

Wir werden sehen.

 

Carribean Harmonists – mit „Mein Schiff“ durch die Karibik

Das Schiff im Hafen von Dominica

4.1.2010
Die Bar heißt „Tapas y Mas“. Sie ist im elften Stock und nahezu menschenleer. Elegante Korbsessel mit schick designten  Kissen laden zum Rumflezen ein. Über die dezenten Lautsprecher säuselt landestypische Musik. Es ist kurz vor 13.00 Uhr und ein großer 42-Zöller von Panasonic zeigt an, wo wir uns gerade befinden: Im Hafen von DOMINICA, genauer gesagt, auf einem riesengroßen Schiff im Hafen von Dominica, in ROSEAU, um ganz genau zu sein. Das Schiff hat den dämlichen Namen „Mein Schiff“ und ist so eine Art AIDA für Normalsterbliche. Dahinter steht der Tourismusriese „TUI“, also das letzte Filetstück des ARCANDOR-Konzerns. Rund zweitausendsiebenhundert Leute haben hier Platz – zumindest in den Rettungsbooten. Habe ich durchgezählt. Tatsächlich sind nur etwa 1100 Touristen an Bord. Das Personal ist also fast in der Mehrheit (961 Leutchen), lässt uns das aber nicht spüren. Im Gegenteil, alle sind von einer ausgesuchten Freundlichkeit und Höflichkeit, das man unwillkürlich seine eigenen Fähigkeiten zur freundlichen Kommunikation wieder entdeckt. Je nach Wichtigkeit und Größe der Aufgaben kommen die jungen Crewmitglieder entweder aus Deutschland oder aus über fünfzig anderen Nationen. Erstaunlicherweise sprechen die alle auch einige Brocken deutsch. Englisch sowieso.

Doch mal langsam. Was mache ich hier, wie komme ich hierher, mit wem bin ich hier und wie lange werde ich hier bleiben?

Kurz vor der Landung in Romana
Oktober 2009

Im „Spiegel“ flattert mir eine Reisebeilage aus dem Heft. 8 Tage Karibikrundreise für 1650.- Euro. Zwei Wochen für zwei Mille. Ich war zwar schon zweimal in dieser Gegend: Vor 27 Jahren in Jamaica und vor zwei Jahren in Kuba. Die ganzen anderen weltberühmten Inseln kenne ich dagegen nicht. Das Schiff mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“ soll jedenfalls alle diese wunderbaren Inseln Tag für Tag abklappern. Morgens wird angelegt und abends geht´s weiter zur nächsten Destination. Klingt doch klasse, denke ich und frage meine Liebste, was sie denn davon hält. Sie hält eine Menge davon, plündert ihr Aktiendepot und ist mit im Boot, um im Bild zu bleiben. Die Buchung klappt telefonisch, wenn auch nicht ganz fehlerfrei. So haben sie aus meiner lieben Daggi einen Mister gemacht. Für neue Reiseunterlagen ist es zu spät – ab sofort sind wir in den Eingeweiden der Buchungscomputer zwei Jungs, die zusammen reisen.

31.12.2009
Die Koffer haben wir bereits eingecheckt, und auf uns wartet nur noch eine wunderbare Sylvesterparty bei ganz lieben Freunden oben in Dillingen, einem Ortsteil von Friedrichsdorf im Taunus, wo wir wohnen. Man hat da so einen wunderbaren Blick auf die Sklyline Frankfurts (ja, und bei wunderschönem Wetter kann man auch den Atommeiler Biblis sehen, aber das ist jetzt nicht wichtig). Ein Taxi holt uns ab und bringt uns bei leichten Minusgraden hoch nach Dillingen. Ich versuche, den Taxifahrer zu bestechen, uns um eins wieder abzuholen. Zwanzig Euro bar Tatze verspreche ich ihm, aber er bleibt vage.
Die Party ist ein toller Erfolg, wir tanzen und ergötzen uns insgeheim am Neid der Anderen, die wohl den Rest des Winters in dieser Nasskälte ausharren müssen, während uns nur noch wenige Stunden von Sonne, Sand und Meer trennen. Vielleicht haben sie aber auch nur Mitleid mit uns, weil wir die Party so früh verlassen müssen, während die Fete bis in die frühen Morgenstunden toben wird.


1.1.2010
Das Feuerwerk dauert ein gute halbe Stunde. Durchgefroren tanzen wir uns nochmal warm, bis wir dann ins Freie tappsen und auf unseren bestochenen Taxifahrer warten. Der kommt natürlich nicht. Also bleibt uns nichts Anderes übrig, als zu Fuß die ca. 4 Kilometer nach Hause zu laufen. Es ist regnerisch und eiskalt, die Wege sind rutschig und Daggi frieren langsam die Ohren ab. Egal, das halten wir jetzt auch noch durch. Auf halber Strecke kommt uns der Taxifahrer entgegen, sieht uns aber leider nicht und braust an uns vorbei. Tja, Pech gehabt.
Um halb zwei fallen wir ins Bett. Vier Stunden Turboschlaf trennen uns noch  von unserer großen Reise.
Dagmar steht immer eine halbe Stunde früher auf als ich. Die Zeit braucht sie, um die Zeitung zu lesen, den ersten Liter Kaffee einzunehmen und ein paar Lungentorpedos zu inhalieren. Leider kommt um 1.1. keine Zeitung und der Brötchenbringer hat wohl auch zu lange gefeiert. Wenigstens funktionieren der Kaffee und die Kippen. Um sechs werde ich auch aus dem Bett geschmissen. Wir haben vor, mit der S-Bahn zum Flughafen zu fahren, weil ein Taxi gut und gerne 60 Euro kostet. Obwohl ich nur eine dünne Lederjacke anhabe und auch Dagmar nur das Allernotwendigste gegen einen sofortigen Tod durch Erfrieren trägt, halten wir die arktische Kälte gut aus. Nach ein paar Schritten vermisst Daggi aber dann doch ihren Schal. Ich gebe ihr den Hausschlüssel, sie sprintet zurück und ist zwei Minuten später wieder da. „Der Hausschlüssel passt nicht“, sagt sie enttäuscht. Und damit hat sie recht. Ich habe versehentlich einen falschen Schlüssel von meinem Schlüsselbund mitgenommen. Aber uns läuft die Zeit davon. So eine S-Bahn fährt nämlich genau nach Plan. (Jedenfalls dann, wenn man es eilig hat. Manchmal kommen auch gar keine Züge, aber das ist eine andere Geschichte.)
Wir also hurtig weiter. Mein Chronometer zeigt noch zwei Minuten bis zur Abfahrtszeit, als wir am Bahnhof ankommen. Ich hätte wohl vorher mal einen sogenannten „Uhrenvergleich“ durchführen sollen. Die zwei Minuten sind längst um – und im selben Moment, als wir die Stufen des Bahnsteigs hinauf rennen, setzt sich der Eisenkoloss in Bewegung. Ohne uns. Daggi keucht nur noch „Taxi!“ und wir rennen beide die Stufen wieder runter, die Unterführung durch und dann die Stufen zum Taxistand wieder hoch. Die Wahrscheinlichkeit, am Neujahrsmorgen um sieben Uhr ein Taxi zu finden, dürfte der eines Sechsers im Lotto sehr ähnlich sein. Aber wir haben das Glück. Fast. Denn die nette, aber vom langen Dienst gezeichnete Fahrerin spricht gerade in ihr Handy. „Ja, dann bin ich so in etwa 5 Minuten bei Ihnen!“ Ich reiße die Tür auf und rufe nur „Flughafen!“, um die Frau aus pekuniären Gründen zu einer Änderung ihres Vorhabens zu bewegen. Und das klappt sogar. „Eben ist ein Fahrgast eingestiegen. Und direkt einsteigende Fahrgäste haben bei uns immer Vorrang. Ich bin in einer guten Stunde zurück, dann kann ich Sie gerne abholen!“ säuselt sie ihrem Gesprächspartner ins Ohr. Was der dann so zusammenbrüllt, ist nicht Gegenstand dieses Reports.
Wir kommen dann auch ein bisschen ins Gespräch. Ich erzähle ihr, dass wir schon am Vorabend mit einem anderen Taxi dieser Firma auf die Party gefahren wären. Es stellt sich heraus, dass der Fahrer unseres Taxis ihr Mann ist, genau der Typ, der uns nachts sitzen gelassen hat. Nun kommt das Geld (und noch viel mehr) doch noch in die Familienkasse. Von dem Bestechungsgeld hat er ihr übrigens nichts erzählt. Männer sind wohl so.

So sieht unsere Hütte aus. Die Wintersachen haben wir dann doch nicht gebraucht.
4.1.1010

Wir sitzen immer noch im elften Stock unseres Schiffes mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“. Im Freien, ganz hinten im Heck. Wir haben gerade zu Mittag gegessen, den kostenlosen Tischwein, bzw. einen Pott Kaffee mitgenommen und dösen so vor uns hin. Dagmar liest in ihrem Wälzer „Die Verdammnis“ von Stieg Larsson weiter und ich teste die Akkukapazität meines Netbooks. Immer noch 71%. Etwa so wie die Luftfeuchtigkeit.

Das war heute morgen viel schlimmer. Da waren wir nämlich auf der Insel Dominica, nicht zu verwechseln mit einer gewissen Dame aus Hamburg, die sich „Domenica“ nennt. Beide haben was mit Verkehr mit Fremden zu tun, aber auf „Dominica“ ist der Fremdenverkehr neben Bananenexport ein durchaus ehrbares Geschäft. Wir beschließen, den heutigen Landgang mal alleine zu organisieren. Die organisierten TUI-Touren unterscheiden sich nämlich oft nur im Preis von den direkt angebotenen touristischen Aktivitäten. Dominica ist seit 1976 selbstständig und gilt als „Grüne Insel“. So ziemlich das ganze Land ist von Regenwald bedeckt; diverse Wasserfälle ziehen die Touristen-Miniknipsen geradezu magisch an. Nach Sichtung aller verfügbaren Reiseunterlagen entscheiden wir uns aber doch für den Klassiker „Faulenzen am Strand“. Dagmar packt ihren Rucksack voll: Badezeug, Bücher, Handtücher, Sonnencreme, Obst, Wasser.
Wir nehmen einen der insgesamt 10 Fahrstühle (in drei Treppenhäusern) und landen im dritten Stock, der sich „Einschiffung“ nennt, aber durchaus auch der Ausschiffung dient. Jeder „PAX“, also Passagier, wie es früher hieß, hat beim ersten Betreten des Schiffes eine vorbereitete, scheckkartengroße ID-Karte ausgehändigt bekommen. Und damit keiner diese Karte missbrauchen kann, sind wir auch noch fotografiert worden. Wenn also jemand das Schiff verlässt, dann wird diese Karte eingescannt. Der Sicherheitstyp schaut außerdem auf seinen Laptop, ob das Gesicht mit dem tatsächlichen Menschen übereinstimmt. Aus Spaß an der Freud versucht er sich dann noch im Aussprechen der ihm völlig unbekannten Namen. Das ist immer sehr lustig.

Und schon sind wir an Land. Große Schilder warnen uns davor, zu spät zurückzukommen. Die Crew muss sogar eine halbe Stunde eher zurück sein, woraus sich immerhin schließen lässt, dass die Mitarbeiter selbst auch an Land dürfen. Und das in einem Gebiet, in dem Sklaverei bis vor ein paar Jahrzehnten durchaus üblich war…

Und wie überall auf der Welt stürzen sich sofort alle möglichen Verkäufer auf uns. Die TUI-Organisierten werden grüppchenweise in moderne Reisebüsschen gezwängt, während wir uns mit dem verbleibenden freien Markt arrangieren müssen. Ähnlich wie in italienischen Touristenfütterungslokalen „Essen nach Bildern“ lange der letzte Schrei war, werden hier die Inseltouren durch gewagte Grafikkollagen angepriesen. Von Strandurlaub sehen wir leider nichts, deswegen folgen wir einfach mal einem gut aussehenden Eingeborenen, der uns eine 2 1/2-stündige Inselrundfahrt im Jeep für sechzig Dollar anbietet. Während ich noch fieberhaft überlege, welche Dollars er eigentlich meint ( – weil es hier einen „Eastern Caribbean Dollar“ mit einem hübschen Bild von Queen Elisabeth gibt -), geht er schon auf 50 Dollar runter. Ich schlage ein und frage ihn, ob er auch Kreditkarten nimmt. Selten so gelacht. Immerhin werde ich dann an einen hochmodernen Bankautomaten geführt, der mir auch brav 50 Eastern Carribean Dollars ausspuckt, etwa 12 Euro. Das war schon wieder falsch. Es waren doch US-Dollar gemeint. Also nochmal an den Automaten. Der gut aussehende Tourismussachverständige führt uns dann zum Auto, einem Suzuki mit Vierradantrieb aus den guten Jahren des Konzerns. Leider steigt er nicht mit ein, sondern stellt uns „Ashram“ vor, den Fahrer. Wie wir im Laufe der Fahrt mitbekommen, ist er 44 und schon dreifacher Großvater. Verheiratet ist er allerdings nicht, dafür hat er vier „Ladies“, die in unterschiedlichen Stadtteilen wohnen und nichts voneinander wissen. Er kann diese moderne Art der Vielehe durchaus rechtfertigen: „When a girl is out with me, she´s the Lady for me– and I´m the King for her! And whatever I do in between hasn´t to be noticed“. Erinnert mich alles ein bisschen an Jamaica. Ashram sieht älter aus als 44, was wohl auch an seinen komplett desolaten Zähnen und diversen üblen Augenkrankheiten liegt, die ihn gründlich entstellen. Er ist Torwart im örtlichen Fußballclub und hat seinen Körper bis auf die Hände durch den Sport ruiniert, wie er sagt. Aber es ist echt gut drauf. Er lacht ständig, quatscht pausenlos irgendwelche Freunde auf den Straßen an und riskiert auch gern die große Lippe, wie wir schnell merken. Der Suzuki mit den geöffneten Fenstern (- was viel besser als eine Klimaanlage ist -) hat auf den brüchigen Straßen Dominicas wohl schon harte Zeiten hinter sich. Ich gehöre eher zu den Leuten, die von einer Rückentherapie zur nächsten eilen und bin daher hier etwas fehl am Platz. Würde ich natürlich nie zugeben und so stecke ich die vielen harten Schläge auf meine Bandscheiben lächelnd weg. Dass Linksverkehr herrscht, macht es für mich nicht leichter. „If you feel good, I feel good“. Sagt Ashram und liegt damit gar nicht so falsch. Denn was wir mit unserem privaten Reiseleiter erleben, ist so ganz anders und viel zauberhafter als der TUI-Kommerzausflug vom Vortag, auf den ich später noch gründlich eingehen werde.

Irgendeiner der vielen Häfen
Wir fahren zunächst zu einer kleinen Kneipe irgendwo mitten im Urwald und trinken ein Bier. 10.30 Uhr. Ein Bier. OK – in Deutschland ist es jetzt schon fünf Stunden später, aber auch da käme ich nicht im Traum drauf, Alkohol zu konsumieren. Macht nix, hier geht das. Ist ja auch nach deutschem Reinheitsgebot gebraut.

Wir fahren die Serpentinen weiter hinauf und werden dann zu einem 10-minütigen Fußmarsch durch den Urwald animiert. Am Ziel des durchaus ambitionierten Fußwegs sehen wir gleich zwei richtig tolle Wasserfälle. Man verzeihe mir die etwas fantasielose Beschreibung dieses Naturphänomens, aber da läuft es einem doch trotz der Hitze kalt den Rücken runter. Es ist schon erstaunlich, was so ein bisschen Natur ganz alleine zustande bringt. Papayabäume wachsen um uns rum, räkeln sich an Steilhängen gen Himmel. Blumen in grellen roten und gelben Farbtönen umschmeicheln das Auge. Krabben krabbeln durch die Füße und aus den anfänglich 71% Luftfeuchtigkeit sind längst knapp 100 Prozent geworden.
Inzwischen sind auch die organisierten Touristen (mit Walking-Stöcken!) eingetroffen und knipsen die Akkus ihrer Kameras leer.

Ashram erzählt uns, dass heute, am Montag, Nationalfeiertag sei, weil die Regierung im Stadion das neue Parlament bekannt geben würde. Und während ich hier oben im elften Stock in dem wunderschönen Cafe „Tapas Y Mas“ am Heck eines Kolosses mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“ sitze, schaue ich immer mal rüber ins Stadion, ob die Party schon läuft.
Für das wohlverdiente Trinkgeld von Ashram habe ich den Geldautomaten übrigens ein drittes Mal aufsuchen müssen…

Daggi hat sich inzwischen in irgendeine Hängematte am Pool gelegt. Sowohl Hängematten als auch Pools sind reichlich vorhanden. Selbst FKK-Anhänger haben einen eigenen Bereich irgendwo ganz oben kurz unterm Himmel. Die wollen gerne unter sich bleiben, wie man verstehen kann, aber ansonsten gibt es hier (fast) keine Mehr-Klassen-Gesellschaft. Anders als ich das noch aus dem Titanic-Film in Erinnerung habe, darf hier jeder fast überall hin. OK, die Kids dürfen nicht ins Spielcasino und für die Generation Silberlocke ist der Basketballbereich auch nicht unbedingt der Bringer. Und obwohl ich es darf, würden mich keine zehn Pferde zum Yogakurs zwingen können. Daggi ist da anders. Sie schwankt noch zwischen einem Haut-Peeling und diversen SPA-Paketen, bei denen man allerdings nicht SPAren kann, sondern ordentlich zuzahlt. Die Muggibude ist leider immer so stark frequentiert, dass ich eine bequeme Ausrede habe, dort „gerade mal keinen Platz“ gefunden zu haben. Der Mini-Golfplatz ist auch nicht so mein Ding und im „WII-Corner“ nehmen mir die Kinder immer die Controller ab. Ich könnte für 35 Euro einen Grundkurs in der Bildbearbeitung absolvieren, aber leider wird nicht „Photoshop“, sondern „Photo-Impact“ gelehrt. Da könnte ich den Kurs auch gleich selbst leiten und die 35 Euro selbst einsacken.
Erzähle ich doch lieber Mal, wie die Anreise weiterging…

Das linke Schiff gehört zum WALT DISNEY-Konzern, ist aber kleiner, ätsch.
1.1.2010

Nachdem der Neujahrsmorgen für die Friedrichsdorfer Taxifahrerin dann doch so eine positive Wendung genommen hat, sitzen wir am Frankfurter Flughafen und harren der Dinge, die da kommen sollen. Wie immer habe ich mit der Security-Kontrolle mein Problem. Ich habe nämlich einen kleinen schwarzen Metallkoffer dabei, in dem die lebenswichtigen Dinge aufbewahrt werden, also Kameras, Ladegeräte, Handy, Laptop, Playstation und auch ein Mikrophon. Und letzteres scheint den Kontrollören sehr suspekt zu sein. Jedesmal muss ich das Ding anschließen und dessen Funktion vorführen. Diesmal genügt meine eidesstattliche Erklärung, dass es sich bei diesem Mikrophon nicht um eine Bombe oder ein anderes, derzeit verbotenes Utensil handelt. Ruckzuck sind wir am Gate und stellen fest, dass wir uns das Taxi hätten schenken können, da noch so unendlich viel Zeit bis zum Abflug bleibt. Ich schließe die Augen und penne erst mal eine Runde.

Lange nach dem Start werde ich wieder wach. Ich muss wohl zwischendurch auch irgendwie irgendwas gemacht haben, aber ich kann mich nicht daran erinnern. An Bord der Condor-Maschine sitzen wir zu zweit in Reihe zwanzig direkt neben der Toilette, was zu netten Beobachtungen führt, die ich hier besser nicht ausführen möchte. Der Flug ist unglaublich ruhig – nur eine einzige ganz kurze Turbolenz lässt meinen Blutdruck hochjagen. Anders als früher, als Kopfhörer in Flugzeugen noch über Luftröhren gespeist wurden, damit die Paxe die Dinger nicht mitnehmen, schenkt uns TUI heute großzügig ein Paar recht brauchbarer Ohrkapseln, mit denen man das sogenannte „Inflight-Entertainment“ genießen soll. Die Dinger zu putzen und den Gästen neu anzudrehen, ist wohl teurer. Akustisch sind  bei unserem Flug die üblichen Hit-Compilations aller Musikrichtungen angesagt sowie ein „Comedy-Kanal“, bei dem unter Anderen Mario Barth und Loriot einen nicht ganz harmonischen Mix darstellen. Spätestens bei Paul Panzer schalte ich ab. Die beiden Filme und das Rahmenprogramm wollen wir auch nicht sehen, obwohl ICE AGE 3 gezeigt wird. Aber in diesen reduzierten, an den Rändern auf das 4:3-Format reduzierten Spezial- Flugfassungen macht das Zuschauen einfach keinen Spaß. Also hole ich das iPhone aus der Tasche und wir spielen eine Portion „GEORIFIC“. Kennt keiner? Das ist so eine Art Geographiequiz. Man muss beispielsweise folgende Frage beantworten: „Wo fanden 2004 die Olympischen Winterspiele statt?“. Klingt sehr einfach, aber man muss zur Beantwortung auf einer Landkarte den richtigen Ort markieren. Und da zeigen sich üble Lücken!!! Außer bei Daggi. Die ist ja einige Jahre als Stewardess um die Welt geflogen und hat – anders als andere Blondinen – durchaus aufgepasst, wo sie sich befindet. Je nach Entfernung zum korrekten Ziel werden Strafpunkte vergeben. Wer zuerst 8000 km daneben liegt, hat verloren. Kurzum: Ein Spiel, bei dem ich nicht gewinnen kann, das ich aber um so lieber spiele, weil ich dabei sehr viel lernen kann.

Ich schweife ab. Nach neun Stunden, 14 Minuten und einer butterweichen Landung kommen wir in „LA ROMANA“ an, einer großen Hafenstadt in der Domenikanischen Republik. Es ist viertel nach zwei Ortszeit und wir sind wieder putzmunter. Genau fünf Stunden haben wir die Uhr zurückgedreht. Nach dem Aussteigen werden wir sofort in klimatisierte Busse geleitet und zu einem Ungetüm von Kreuzfahrschiff gekarrt, das den dämlichen Namen „Mein Schiff“ trägt, falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte. Es ist blau angestrichen und überall mit Worten wie „Sonnenaufgang“ oder „fliegende Fische“ verziert. Wir sind etwas verwirrt, weil im Flieger höchstens 250 Gäste saßen, das Schiff aber über 2000 Passagiere fassen soll. Wie wir später erfahren, sind wir einfach mal wieder zu spät. In der Vorwoche war das Schiff ausgebucht; wir dürfen uns in der kommenden Woche den schwankenden Boden gerade mal mit 1100 Passagieren teilen. Und die verlaufen sich ganz schön!

Unsere Koffer haben wir schon seit dem Sylvesterabend nicht mehr gesehen. Um so erstaunlicher, dass sie tatsächlich nach dem Einchecken in unserer Kabine stehen. Und diese Kabine ist nicht von schlechten Eltern, obwohl wir natürlich das günstigste Modell gewählt haben, nämlich eine Innenkabine. Wir sehen nicht ein, warum wir für die Tatsache, während der Nacht durch ein Bullauge ins Freie schauen zu können, rund 30% mehr zahlen sollten. Mit eigenem Balkon oder gar einer Suite müssten wir schon eine Lebensversicherung flüssig machen.

Unsere kleine, aber feine Kabine hat 16 Quadratmeter, zwei zusammengeschobene Betten, zwei Nachttische, einen Schminktisch mit vielen Schubladen, eine Minibar, einen LCD-Fernseher mit bordeigenem TV-Programm, eine Menge geräumiger Schränke und ein durchaus akzeptables Bad mit Dusche, WC und Waschtisch, die vielen zusätzlichen Ablagemöglichkeiten nicht zu vergessen. Alles in modernen Holztönen gehalten – sehr geschmackvoll. Wir testen mal kurz die Betten und sind sehr zufrieden. Strom gibt es auch in mehreren Dosen; selbst eine Kaffeemaschine steht bereit, für die eine Kapsel des modernen Livestyle-Produkts pro Tag und Person gratis ist. Das Zimmer wird gleich zweimal am Tag aufgeräumt, ohne dass man von arbeitswütigen Putzmäusen aus dem Schlaf gerissen wird. Abends gibt´s Leckerlis aufs Kissen. Außerdem liegt jeden Abend die druckfrische Ausgabe des kommenden Tagesprogramms auf dem Bett. So auch am Ankunftstag.

Am Pool ist´s echt cool.

Wir machen uns frisch, ziehen uns um und beginnen, den Kahn mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“ zu erforschen. Jeder von uns hat ein kleines Mäppchen bei sich, damit er sich nicht verläuft. (Und dieses Mäppchen ist auch heute noch – nach drei Tagen, unersetzlich. Ich habe gerade einen Kartenspielraum entdeckt.)
Wir wandern also durch die Stockwerke und bestaunen die wirklich einmalig geschmackssichere Einrichtung des Dampfers. Da gibt es Bars, die über mehrere Stockwerke hinweg gehen. Es gibt Restaurants an jeder Ecke, Bars bis zum Abwinken und Erholungsnischen noch und noch. Dazu das Pooldeck mit zwei unterschiedlich tiefen Schwimmbecken und drei Whirlpools, Showbühnen ohne Ende und immer wieder überraschende Räume, in die man oft fast nur durch Zufall gerät. Im Spielcasino spielen sie Black Jack und Roulette. Rauchen darf man in diversen Spezialbars sowie im Freien – außer am Pool.

Dann scheppert es plötzlich ganz fürchterlich und der Kapitän hält seine Begrüßungsrede über die bordeigene Lautsprecheranlage, bei der die Firma BOSE ganz sicher nicht den Zuschlag erhalten hat. Zwei bunt gekleidete Sängerinnen grölen die Bordhymne „Oceans of Love“ und die Jungs vom Theater tanzen dazu. Zusätzlich wird Unmengen Sekt verschenkt. Also ein ganz passabler Anfang. So gegen 18.00 Uhr tritt dann an dem einen Ende des Poolbereichs die Band „Sol Tropical“ auf, die sich dadurch auszeichnet, dass die beiden Bandmitglieder sich bei so gut wie keinem Titel über die Akkorde einig sind. Dafür dauert jeder Titel aber  mindestens zehn Minuten. Bevor wir Ohrenkrebs kriegen, gehen wir erst mal was essen. Das zweitgrößte Restaurant auf dem „Mein Schiff“ (merkt Ihr, wie dämlich das klingt?) heißt Anckermannsplatz und bietet etwa 450 Plätze, die sich auf beide Schiffsseiten verteilen. In der Mitte findet man ca. 80 laufende Meter Speisen aller Art. Es gibt wirklich nichts, was es hier nicht gibt. Selbst Pferdefleisch. Das Buffet ist im Reisepreis enthalten, kostet also keinen Cent extra. Bier, Wein und Softdrinks sind ebenfalls umsonst.
Und wie wir im Laufe der Tage erfahren, gilt dies auch für weitere Restaurants an Bord. Im zweistöckigen „ATLANTIC“ (Über 900 Plätze!) gibt es beispielsweise täglich verschiedene Menüs, die man sich an den Tisch bringen lassen kann. Am Pool schuften zwei der 141 Köche (!) rund um die Uhr, um mal schnell was Kurzgebratenes, Hinkel oder Baked Potatoes aufzutischen. Und ein paar Meter weiter werkelt eine Dependace der Fischkette „GOSCH“ aus Sylt, also so eine Art NORDSEE für Besserverdiener. Hier fallen allerdings Extrakosten an, die bei 5-6 Euro pro totem Fisch liegen – also sehr schonend für die Reisekasse. Ach ja, irgendwo bekommt man (natürlich gratis) auch noch alle möglichen Pastas nach Wunsch hergestellt und bei „Tapas Y Mas“ gibts, na? Richtig, Tapas rund um die Uhr. Irgendwo haben sich noch ein aufpreispflichtiges Steakhaus und ein Edelrestaurant versteckt. Und falls man aus irgendwelchen Gründen keins der Futterstellen findet, wird ständig irgendwo ein Zusatzbuffet aufgebaut. Da gibt´s dann mal Kuchen mit Kaffee, Eis mit Früchten, Champagner mit Kaviar oder Austern mit Gemüse. Etwas stillos, aber sehr vernünftig: Alle Getränke werden im Außenbereich aus Plastikgläsern getrunken; Glas gibt´s nur innen.

Wir hauen uns also den Bauch voll und können danach kaum noch „Piep“ sagen. Um 19:30 Uhr beginnt am Pool die Willkommensparty, bei der eine durchaus hervorragende Popband aus Tschechien mit einer dümmlich grinsenden Blondine das fehlende Publikum einzuheizen versucht. Aber wir sind einfach zu schlapp. Außerdem müssen wir unsere Kräfte schonen, denn um 21:30 Uhr beginnt im Theater eine große Show mit den besten Musicalmelodien aller Zeiten. Theater? Ja, Ihr habt richtig gelesen: als wäre das alles noch nicht genug, trumpft „MEIN SCHIFF“ (Hey! Jetzt passt es ja mal!) auch noch mit einem richtigen Theater auf. Mit „richtig“ meine ich nicht so ein Tourneebühnchen wie das Kurtheater in Bad Homburg. Der Laden ist zwei Stockwerke hoch, hat über 900 Sitzplätze mit Abstelltischen für Getränke, eine technisch unglaublich tolle Drehbühne mit zwei unabhängigen Drehelementen, hunderte von fernbedienbaren Scheinwerfern und und und. Also der neueste Theater-Schnickschnack, den man sich so denken kann. Eine 4 mal 9 Meter breite LCD-Leinwand, die sich in der Mitte teilen lässt, ein megaheller Beamer, ein Soundsystem, bei dem BOSE ganz sicher Pate gestanden haben muss und circa fünfzehn Künstler, die ihr Bestes geben, runden das Theatererlebnis ab. Das Einzige, was die Bühne aus Platzgründen nicht bieten kann, ist ein Kulissenboden, weil nach oben einfach der Platz fehlt. Die Jungs und Mädels der Künstlercrew wurden in langwierigen Castings zusammengestellt und haben ihr täglich wechselndes Showprogramm in Berlin einstudiert. Fantastische Kostüme, perfekte Choreografie und vor allem eine Gesangsqualität, die man nur ganz selten geboten bekommt. Ich bin ja nun wirklich kein Freund von Musicals oder gar Operetten, aber was diese Truppe da auf die Bühne bringt, ist schon alleine die Reise wert. Schade, dass nur etwa 300 Leute zuschauen.
Danach fallen uns die Dötzchens zu.

Hier wurde mal RUM hergestellt.
2.1.2010

Der erste Reisetag ist ein sogenannter „Schiffstag“. Das heißt, wir hängen den ganzen Tag und die ganze Nacht auf dem (Mein) Schiff rum, das uns unterdessen von Romana nach Martinique schippert. Dass dies nicht ganz so schlimm ist, kann man sich nach der langen Vorrede sicher ausmalen. Um die Mittagszeit wird ein Sektbuffet aufgebaut, bei dem sich der geneigte Gast an die zweihundert Flaschen vom Feinsten hinter die Binde kippt. Ansonsten knüpfen wir den einen oder anderen Kontakt. Zum Beispiel mit dem alleinreisenden Rentner aus Osnabrück, der schon die dritte Woche hier ist und abends gerne die Damenwelt angräbt. Oder mit einem jungen Pärchen aus der Stuttgarter Gegend, das sich allerdings als ziemlich langweilig entpuppt. Früher hat man Kreuzfahrten immer als Tummelplatz für steinreiche Senioren belächelt – heute ist das Durchschnittsalter deutlich drunter. Die Hälfte der Gäste ist höchstens 35 Jahre alt. Auch bringen viele Kinder Leben in die Bude, ohne dass sie stören. Wir erfahren, dass die Reise im TUI-Katalog fast 5000 Euro kosten sollte, aber die hat wohl niemand bezahlt. Im Gegenteil, wir wundern uns immer wieder, wie es junge Paare heutzutage schaffen, sich diesen Luxus zu gönnen. Der Anteil der Berufsgruppen „Automechaniker“, „Fußballspieler“, „Muggibudenbesitzer“ und „Friseurinnen“ ist dabei überdurchschnittlich hoch – leider. Wirklich interessante Gespräche gelingen daher zunächst nicht – aber wir sind ja erst am zweiten Tag!

Ich führe jetzt nicht mehr aus, was wir wo und wann gegessen und getrunken haben. Der Kapitän, ein Finne, der uns heute irgendwann seine Crew vorgestellt hat, sagte nicht ohne Grund: „Unseren Küchenchef werden Sie lieben, solange Sie an Bord sind. Aber wenn Sie nach Hause kommen und sich auf die Waage stellen, werden Sie ihn hassen!“ Ich befürchte, damit wird er Recht behalten. Daggi ist natürlich strebermäßig sofort ins Sportprogramm eingestiegen und schwimmt jetzt jeden Morgen 40 Bahnen. Im Pool gibts sogar Wellen – das liegt bestimmt daran, dass der mit Meerwasser gefüllt ist. Ich schone meine Kräfte noch für wirklich wichtigere Aufgaben. Nur noch ´ne kleine Käseplatte…


3.1.2010
Martinique. Um sieben Uhr morgens sind wir „gelandet“. Am Vorabend haben wir uns im Theater schon eine Präsentation der Insel angesehen und spontan den teuersten Ausflug gebucht. Eine Tagesrundfahrt für 89 Euro pro Nase. Inklusive kreolischem Mittagessen nebst folkloristischer Musikbegleitung durch Eingeborene. Klingt doch prima – und so sitzen wir pünktlich um 9:30 Uhr im klimatisierten Reisebus. Entgegen der Vorankündigung spricht der Tourguide nicht englisch, sondern deutsch. Und das ist schon er erste Fehler. Eigentlich spricht er französisch mit einigen wenigen deutschen Brocken drin. Bei jedem Satz versagt er irgendwo in der Mitte, weil er nicht weiß, wie man Sätze beendet. Er versucht dann gerne, den Inhalt mit einer anderen gewagten Satzkonstruktion an den Mann zu bringen. Weil er damit sein grundlegendes Problem nicht beseitigt, stammelt er stattdessen irgendwelche Grunzlaute, um zumindest eine Art Satzmelodie zusammen zu bringen. Wir Reisenden starren uns verstohlen an. So langsam sind wir uns einig, dass wir keinen an der Waffel haben, sondern dass unser Tourguide wirklich nur Unsinn verzapft. Schade eigentlich. Oder auch nicht, denn was er uns zeigt, lernt man heutzutage auch schon im Kindergarten (allerdings nur bei Montessory). Wir halten am Straßenrand und schauen uns Bananenstauden an. Wir halten im Halteverbot vor einer Haarnadelkurve und ziehen durch ein privates Ananasfeld, dessen Betreten verboten ist. Dafür sind die Ananas auch alle schon geerntet worden. Wir schauen uns ein Museum an, in dem ein paar Exponate an den letzten Vulkanausbruch 1902 erinnern. Die interessante Geschichte dahinter bekommen wir leider nicht mit, da unser Guide unbedingt den hervorragenen (französischen) Vortrag der Museumsmitarbeiterin übersetzen will. Außerdem bummeln wir noch durch eine Rum-Destille mit Verkostung. Hier legt sich der Guide sogar mit der offiziellen Führerin des Rum-Museums an, da er offenbar eine ganz andere Art der Rumherstellung gelernt hat. Kurzum: Schön ist nur das kreolische Mittagessen mit Musikbegleitung. Alle sind gut drauf, das Essen ist hervorragend, es gibt Wein und Rum und die Wirtsleut schenken uns beim Weggehen noch einen warmen Apfelkuchen. Im Bus und beim Essen lernen wir auch zwei nette Mitreisende kennen: Jürgen und Maria. Pensionierter, aber noch aktiver Mathelehrer und seine deutlich jüngere Freundin aus dem Finanzdienstleistungsbereich. Mit den Beiden werden wir noch unseren Spaß haben…

Ein schöner Tag? Ja, natürlich, aber dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack. Fast 180 Euro für einen stammelnden Tourguide, der der deutschen Sprache völlig ohnmächtig gegenüber steht? Ich habe mich dann im Schiff auch über dieses Manko beschwert. Bis heute leider keine Reaktion. (Und heute, da ich dies schreibe, ist schon der 6.1.2010!) (Und heute, da ich diesen Text mal wieder redigiere, ist schon der 9.1.!) (Dito am 12.1. – ich gebe es auf.)

Abends haben wir Jürgen und Maria nochmal getroffen und in der „Blaue Welt-Bar“ einen Cocktail eingenommen, der für Teilnehmer eines Ausflugs um 50% reduziert war. Doch davon später mehr. Jetzt muss ich erst mal in die Kajüte und ein paar Werbespots für „Medipharma Cosmetics“ sprechen, die drüben in Deutschland dringend gebraucht werden. Gut, dass ich mein Mikrophon und dieses Netbook dabei habe…
Also, bis morgen dann!


7.1.2010

Ein schwarzer Tag für Dagmar. Hat sie doch bei „Georific“ 10:0 verloren. Jawoll, ich habe das erste Mal gewonnen und dann auch noch so hoch…
Auch ein schwarzer Tag für meine Kreditkarte: 460.- Euro an Extras haben wir in den ersten sechs Tagen an Bord verbraten. Mit Internet, Ausflugskosten, diversen kleinen Einkäufen ist das ganz OK. Die Kosten außerhalb des Schiffes kommen aber auch noch hinzu. Das dürften bisher etwa 160.- Euro gewesen sein. Ich schreibe das nicht, damit Ihr Mitleid bekommt, sondern weil ich denke, dass das ganz braucbare Informationen sind, falls Ihr selbst mal so eine Reise plant.
Heute sind wir wiedermal den ganzen Tag auf dem Schiff mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“. Die Reise von Guadeloupe nach La Romana dauert knapp 36 Stunden.  Es ist zwar warm, aber meistens bewölkt. Die Crew gibt sich redlich und erfolgreich Mühe, die Gäste bei Laune zu halten. Alle paar Minuten gibt es irgendwo was zu Trinken oder zu Essen und die üblichen Kapellen dudeln ihre Musik runter. Im „Konferenzraum“ wird heute Abend eine DVD vorgeführt, auf der die bisherige Reise von einem Profiteam festgehalten wurde. 67.- Euro kostet das Unikat und ich überlege mir ernsthaft, das Werk zu kaufen. Aber natürlich erst am Ende der nächsten Woche.

Vier von 15 Showtalenten bei der Arbeit.
So, dann arbeiten wir mal die weiteren bisher getätigten Ausflüge ab.

5.1.2010
St. Maarten heißt die Insel, die uns heute erwartet. Die eine Hälfte gehört den Holländern, die andere Hälfte wird von den Franzosen regiert. Die Grenze verläuft problemlos mitten durch die Insel und alle verstehen sich prächtig, solange sie französisch reden. Direkt am Hafen steht ein riesiges Duty-Free-Einkaufsparadies. Bezahlt wird in US-Dollar, obwohl wir eigentlich in Europa sind. OK, der Euro wird zwar akzeptiert, aber 1:1 abgerechnet, was beim derzeitigen Eurokurs ein feines Geschäft für diese modernen Pirates of the Caribbean ist. Da sich die Elektronikpreise auch nicht wesentlich von denen im Mediamarkt und Co. unterscheiden, schließen wir uns einem Sammeltaxi an und fahren für je 6 US-Dollar pro geröteter Nase an einen Strand, der an der Atlantikseite im französischen Teil gelegen ist. Die rund zwei Kilometer lange Sandküste wird von Abertausenden von Liegestühlen und Sonnenschirmen samt eingeschmierten amerikanischen Touristen verunstaltet, die wohl noch vor uns in St. Maarten mit einem Dampfer der Firma Walt Disney angereist sind. 18 Euro = Dollar (wir haben leider nichts gewechselt) werden uns für die beiden Liegen abgeknöpft, und nun können wir endlich das lange ersehnte Strandleben genießen. Dagmar geht zweimal ins Wasser und ich einmal. Neuer Rekord. In Thailand gehe ich nie ins Meer, weil mir da Korallen ständig meinen schmalen Leib aufschlitzen. Dann schauen wir noch eine Weile zu, wie diese ganzen Supersportler mit ihren gemieteten Jet-Skies durch die Badenden preschen oder sich – von Motorbooten gezogen – durch die Luft wirbeln lassen. Weitere Abwechslung erhalten wir durch die im Minutentakt vorbeiziehenden Händler, die das übliche Gedöns anbieten. Erstaunlicherweise befinden sich da auch zwei recht gut aussehende europäische Frauen um die 40 darunter, die versuchen, handgefertigte Blüten loszuwerden. Ich meine jetzt kein Falschgeld, sondern richtige Blüten, die irgendwie umgebastelt wurden, damit man sie sich ins Haar oder sonstwo hinstecken kann. Was machen die hier? Wir spekulieren, dass die beiden wohl vor ein paar Jahren mal mit ihren Männern hier eine neue Existenz aufbauen wollten. Die Männer sind ganz schnell wieder abgehauen und seitdem versuchen die beiden, durch den Verkauf dieses Schnickschnacks das Geld für den Heimflug zusammenzusparen. Und jedesmal, wenn sie das Geld fast zusammen haben, passiert etwas Unvorhergesehenes. Einmal werden sie von Einbrechern überrascht, die das mühsam Ersparte mitnehmen; ein andermal versaufen sie alles auf einer Riesenparty; dann werden sie mit einem Joint erwischt und müssen das Ersparte als Strafe an die Behörden abgeben. Keine Ahnung, ob´s stimmt, aber es könnte doch sein, oder?

Dagmar nascht Süßes. Sie darf das.
Leider zieht sich die Zeit langsam wie Kaugummi und wir beschließen, doch wieder auf´s „Mein Schiff“ zu fahren. Da gibt es immerhin kostenloses Essen. Das Taxi zurück kostet jetzt schon 7 Dollar pro noch geröteteter Nase, aber wir kommen noch rechtzeitig ans Buffet. Den Nachmittag verbringe ich mit Lesen, Internetblogschreiben und ein paar kleinen Sprachaufnahmen, damit ich es nicht verlerne.

Abends schauen wir uns zunächst die Präsentation über „Guadeloupe“ an. Die wie üblich überteuerten Ausflüge lassen wir links liegen, merken uns aber die besten Stellen und beschließen, die morgen auf eigene Faust zu erkunden.

Um halb zehn gibt es wieder einen tollen Showauftritt der Berliner Unterhaltungscrew. Habe leider vergessen, worum es ging, weil sich die Auftritte – so spektakulär sie auch sein mögen – doch in ihrer Art sehr ähneln. Daggi schläft inzwischen regelmäßig dabei ein. Das liegt aber nicht an den Showdarbietungen, sondern am Erschöpfungszustand meiner Süßen nach so einem anstrengen Tag. Ich stecke das ja locker weg…

Der Dampfer von seiner schönsten Seite.
Nach dem Theaterbesuch setzen wir uns noch zum einem Absacker in die Heckbar „Tapas Y Mas“ und treffen dort auch wieder Jürgen und Maria, mit denen wir unsere Leben im Schnelldurchlauf abgleichen und einige Gemeinsakeiten entdecken.

Daggi hat wohl doch ein bisschen zu viel Sonne abbekommen und verträgt den Wein nicht mehr so richtig. Ich bringe sie in die Koje, putze mir die Zähne und lege mich dazu. Sie schläft schon tief und fest.

Schönes Flugzeug. Schön schnell.
6.1.2010

Ich hätte mich besser nicht dazugelegt. Am nächsten Morgen stehe ich im Bad vorm Spiegel und merke plötzlich, wie mir etwas den Rücken runterkrabbelt und dann zu Boden fällt. Panik pur! Das „Etwas“ entpuppt sich als eine in Stanniolpapier eingewickelte Nougatpraline, die zwecks Erbauung der Passagiere vor dem Schlafengehen auf den Betten verteilt werden. Habe ich Dunkeln natürlich nicht gesehen und daher die ganze Nacht darauf gelegen. Ein Blick auf das Bettlaken zeigt mir, wie unruhig mein Schlaf gewesen sein muss. Der arme Zimmerbub muss einen gehörigen Schreck bekommen haben, sah das Betttuch doch aus wie nach einer blutigen Messerstecherei.

Nach dem Frühstück dann die nächste Landtour. Inzwischen sind wir ja in Guadeloupe angekommen.Wie wir alle wissen, gehört auch diese Insel den Franzosen, auch wenn die Briten sie zwischenzeitlich mehrmals erobert hatten. Die Währung ist hier tatsächlich mal der Euro, was uns wenig bringt, da wir die Taschen inzwischen voller Dollars haben – der EC-Karte sei Dank.
Wir beschließen, zunächst per Fuß die Hafenstadt „Point-á-Pitre“ zu erobern. Freundlicherweise hat man den sinnvollsten Spazierweg auf den Bürgersteigen markiert und so sehen wir eine Menge netter Häuser und Monumente, deren Sinn und zweck jeder selbst im ADAC-Führer nachlesen möge.

Leider ist es brüllend heiß bei annähernd 100% Luftfeuchtigkeit und wir haben sehr bald keine Lust mehr, uns durch alte Immobilien und neue Billigramschläden durchzukämpfen. Schnell finden wir einen Taxifahrer, der uns für 80 Euro drei Stunden lang durch die Gegend fahren möchte. Kaum im Taxi, vergisst er leider seine englischen Sprachkenntnisse und spricht fortan nur noch Französisch, was zumindest für Daggi kein Problem darstellt. Sie hat einen interessanten Mangrovenwald herausgefunden, in dem man mit einem Motorboot Faun und Flora besonders nahe kommt. Leider kennt der Fahrer dieses Reservat nicht, fährt uns aber innerhalb einer halben Stunde circa 200 Meter weiter zum Tourismusbüro, wo man tatsächlich weiß, worum es uns geht. Eine Telefonnummer für die Buchung des Bootes haben wir auch erhalten. Weitere 30 Minuten, also 200 Meter später, sind wir dem Innenstadtgewühl entfleucht und fahren erstmal zu einer Tankstelle, weil das Taxi wohl nicht aufgetankt ist. Erstaunlicherweise tankt der Fahrer gerade mal fünf Liter. Das sollte uns zu denken geben, tut es aber nicht. Bevor wir weiterfahren, ruft er die angegebene Nummer an. Die Bestellung eines Bootes ist angeblich nicht möglich, weil alle Bootchen bereits in Betrieb sind. Also gut, Plan B. Der Fahrer fährt einfach seine Standard-Strecke. Die Fahrt führt durch eine sehr schön bewachsene Insel mit recht hübschen Häusern und Anwesen. Einmal dürfen wir aussteigen und einen Panoramablick genießen, bei dem man natürlich auch wieder „Mein Schiff“ sieht.

Das war in…? Mist, vergessen.
Der nächste Stopp ist am Eingang eines Naturparks, wo wir nach zweiminütiger Wanderung einem kleinen Wasserfall gegenüberstehen, in dem man baden darf. Aber nicht alles, was man darf, muss man wollen – deswegen latschen wir wieder zurück. Unser Fahrer flirtet inzwischen mit einer Andenkenverkäuferin, die auch selbstgepressten Saft verscherbelt. Daggi trinkt einen Guavesaft, von dessen Existenz ich erst hier und jetzt erfahre. Aber ich kann ja nicht alles wissen. Als letztes Ziel bietet uns der Fahrer wahlweise einen botanischen Garten oder eine Rumdestillerie an. Demokratisch entscheide ich mich für den Rum und freue mich schon auf die übliche Gratisverkostung des Nationalgetränks. Auf dem Weg dorthin muss unser Fahrer schon wieder tanken, was nun doch etwas suspekt ist, zumal er für die Bezahlung von weiteren 5 Litern sein letztes Kleingeld zusammengekratzt hat. Na ja, was geht´s uns an. Irgendwann erreichen wir die Rum-Destillerie. Leider ist kein Mensch zu Hause, jedenfalls sehen wir niemanden. Ein kleines Restaurant direkt am Eingang, das von zwei sehr befreundeten Jungs geführt wird, lädt uns zu einem alternativen Glas Wein ein, während wir auf die Rum-ler warten. Die sind nämlich gerade auf einer Betriebsversammlung. Ja, in europäischen Verwaltungen muss alles korrekt sein. Nun endlich geht es weiter. Die Tür zur Destillerie wird geöffnet, bunt gekleidete Schönheiten drücken uns Rumgläschen in die Hand, die wir jetzt aber noch ablehnen. Wir wollen erst eine Tour mit einer kleinen Bimmelbahn machen, die uns die Rumproduktion verdeutlichen soll. Kostet 18.- Euro für uns beide. Start in 15 Minuten. Nun wird unser Fahrer plötzlich garstig. Sooo lange könne er nicht auf uns warten, da müssten wir was drauflegen. Ich biete ihm gerne und ohne irgendwelche Tarifverhandlungen 100 statt 80 Euro an und freue mich in Gedanken schon auf das dankbare Gesicht des guadeloupischen Einwohners. Das allerdings unterbleibt. Stattdessen hätte er nun gerne 120.- Euro. Wenige Sekunden lang bin ich sprachlos – und das kommt wirklich selten vor. Ähnlich wie sich unsere Regierung nicht von Terroristen erpressen lässt, lasse ich mich nicht von Taxifahrern erpressen. Ich gebe die beiden Tickets für die Bimmelbahn zurück und befehle – durchaus autoritär – die sofortige Rückreise zum Schiff. 50% Aufpreis für eine knappe Stunde Wartezeit, in der sein Auto noch nicht einmal bewegt würde, sind unverschämt. Wenn man die Tankpausen und seine fehlenden Geografiekenntnisse der eigenen Insel hinzuzählt, haben wir gerade mal eineinhalb Stunden seiner Zeit in Anspruch genommen. Er schimpft noch irgendwas auf Französisch, bevor er uns dann wortlos, aber mit deutlich aggressivem Fahrstil innerhalb von nur zwanzig Minuten zum Schiff zurückbringt. Das Wechselgeld rückt er nur widerwillig heraus, weil die ganz in der Nähe stehende Hafenpolizei ein Einbehalten des Geldes nicht sehr ratsam erscheinen liesse…

Das Abendessen ist heute richtig fein. Wir sitzen zusammen mit Maria und Jürgen im Restaurant „Atlantik“ (wie schon erwähnt hat das ca. 900 Sitzplätze, die über zwei Stockwerke verteilt sind) und genießen ein sechsgängiges Menu vom Feinsten, allerfeinsten Tischwein inklusive. Die Zeit vergeht wie im Fluge und ruckzuck ist es Zeit für die Abendunterhaltung.

So voll wie hier war es nur bei Poolpartys.
Im Theater läuft um halb zehn mal wieder eine Art Musical („Baby´s Best“), geschrieben von einem ehemaligen KLIMBIM-Autor. Die Qualität ist heute erstmals deutlich unter den bisher gebotenen Leistungen; ein Beatles-Medley am Ende klingt sogar richtig peinlich. Also wecke ich Daggi und wir nehmen noch ein paar Getränke in unserer „Stammbar“ ein. Bett um halb eins. So langsam habe ich den Jetlag überwunden.
In die Rettungsboote passen 2700 Personen.

9.1.2010
Heute ist mal wieder ein Seetag. Wir gondeln von La Romana in der Dominikanischen Republik nach Grenada. Und das ist nun mal ein Stück weit weg.

Ein Tag, an dem man schön faulenzen kann, wenn man das könnte. Ich habe heute morgen einen kleinen Auftrag für einen Lernkurs über das Europäische Wettbewerbsrecht gesprochen und in die USA geschickt, wo es – mit hübschen Powerpoint-Folien versehen – für unsere Heimat konfektioniert wird. Außerdem habe ich endlich mal ein Dutzend Bilder ausgesucht, in ein internetfreundliches Format umgewandelt und für den Einbau in diesen Blog gespeichert. Kann also nicht mehr lange dauern, bis man auch SEHEN kann, wo wir uns befinden. Die Eingabe der Inselnamen in „Google Earth“ ist übrigens auch eine gute Hilfe.
Da ansonsten außer der üblichen Völlerei nichts passiert, erzähle ich besser mal von GESTERN:

8.1.2010

Heute ist ja die erste Woche zu Ende. Einschifftag = Ausschifftag. Rund 600 Gäste verlassen mein Schiff (wie schnell sich das doch in die Umgangssprache einschmeichelt!) und machen Platz für mindestens 900 Neue. Ja, es wird langsam eng an Bord. Gleichzeitig ist das Durchschnittsalter dramatisch gestiegen. Die Generation der Rentenempfänger hat das Kommando übernommen. Gut, dass wenigstens das Personal sowie Daggi und ich den Durchschnitt noch dramatisch drücken. Na gut, Spaß muss sein.

Das sind übrigens Maria und Jürgen
Wir haben inzwischen in LA ROMANA angelegt, wo die Reise begonnen hat. Die zweite Hälfte führt uns zu den noch fehlenden Inseln Grenada, St. Lucia, Barbados und Antigua. Für heute haben wir beschlossen, zumsammen mit Maria und Jürgen eine Stadtbesichtigung der Hauptstadt der Dominikanischen Republik, SANTO DOMINGO, zu unternehmen. Die Stadt liegt nun nicht gerade um die Ecke, sondern muss erst mal nach einer knapp zweistündigen Taxifahrt erreicht werden. „Toni King“ heißt unser Fahrer, was ihn als direkten Nachfahren einer Sklavengeneration auszeichnet. Die Straßen sind recht gut in Schuss, nur die eine oder andere Bodenwelle versetzt mein geplagtes Kreuz in üble Schmerzzustände. Wenn ich ein Pferd wäre, hätte man mich jetzt erschossen, um mir weitere Qualen zu ersparen. Egal. In der Stadt werden wir zunächst in ein BERNSTEIN-Museum geführt. Auch hier werden wir semi-professionell betreut. Der Guide spricht zunächst Englisch und schaltet dann, als er unsere Nationalität erkennt, auf Deutsch um. Leider spricht er beide Sprachen nur rudimentär, sodass wir besser die englischen Beschreibungen unter den Exponaten lesen. Bernstein gibt es also nicht nur an der Ostsee, sondern auch hier. Das Zeugs muss unheimlich wertvoll sein, denn für einen Ring ruft man im Verkaufsraum, wo die Tour verständlicherweise endet, stolze 450 US-Dollar auf. Das übersteigt unsere Möglichkeiten und wir fahren deshalb mit Toni King weiter in die „koloniale Altstadt“. Weil gerade Mittagszeit ist, fährt er uns in ein sehr angesagtes Restaurant, in dem wir uns am Buffet mal wieder die Kiste vollschlagen. Danach lernen wir unseren dritten Guide des Tages kennen. Er will uns im Schnelldurchlauf die Geschichte der Stadt näherbringen und uns trotzdem noch genug Zeit lassen, ein paar Einkäufe zu tätigen. Das mit der Geschichte schaffen wir in etwa 30 Minuten. Ein gutes Dutzend alter Kästen samt ihrer spannenden Historie graben sich in unsere Hirnwindungen ein. Näheres siehe ADAC-Reiseführer. Wir sehen sogar das Haus des Megatyrannen Trujillo, der erst 1967 ermordet wurde. Hier hat er den einen oder anderen Regimefeind vom Leben persönlich zum Tode befördert. Das Haus steht übrigens seit über 10 Jahren zum Verkauf (100.000 Dollar, recht gut in Schuss), aber keiner will es haben. Ich würde ein Gruselmuseum daraus machen, aber mir fehlen die 100.000 Dollar.
Der „Wasserfall“ am Ende eines dreiminütigen Wanderwegs. Man soll ja auch nichts übertreiben bei der Hitze…

Dann geht es in den landestypischen Supermarkt – ein vier Meter breites und zwei Meter fünfig hohes Reihenhaus, das bis in die kleinste Ecke mit Tinneff gefüllt ist. Natürlich auch mit Bernstein-Schmuck, der hier erstaunlicherweise weniger als ein Zehntel des Museumspreises kostet. Ob er echt ist, wissen wir nicht, aber die Finger unserer Liebsten zieren jetzt sogenannte Wende-Ringe. Man kann sie drehen und wenden, wie man will, sie zeigen mal einen Bernstein, mal einen anderen, blauen Stein namens „LARIMAR“, der hier auch massenhaft gefördert wird. Zum Schluss gibt es noch eine Kathedrale zu sehen, in der die wichtigsten Personen der „neuen“ DOM REP aufgebahrt sind. Unser genialer Führer, der übrigens ein wunderbares Englisch spricht, zeigt uns alle wichtigen Motive und macht auch selbst ein paar Bilder mit und für uns.
Schließlich landen wir noch in einer Depardence einer berühmten amerikanischen Kette, die keine Hamburger herstellt. Wo wir da waren und was wir da gekauft haben, bleibt aber bis zur Rückkehr ein Geheimnis. Ätsch.

Nach weiteren zwei Stunden im Taxi sind wir wieder auf dem Schiff. Die meisten Gäste sind inzwischen an Bord und fallen durch zwei Dinge auf: Zu dick angezogen und käsebleich. Außerdem sind sie eben viel älter.

Die rüstigen Reiseprofis sind aber in Vielem fitter als wir. Kaum, dass die Band zur Willkommensparty aufspielt, ist die Tanzfläche schon voll. Von „Gammelfleisch“ kann man da wohl kaum reden.
Deswegen fliehen wir auch gleich wieder ins Restaurant „Atlantic“, um uns aus den rund 14 angebotenen Delikatessen ein leckeres Menu zusammenzustellen.

Anschließend – in der dreistöckigen „Blaue Welt Bar“ – traue ich mich sogar mal paar Minuten an den Flügel, weil der diensthabende Pianist durch Abwesenheit glänzt. Hat Spaß gemacht, obwohl mir langsam wirklich die Übung fehlt. Wir vier trinken einen Cocktail und Daggi raucht mal wieder sehnsuchtsvoll eine Kippe.

Weiter geht´s in die „Aussicht Bar“. Ja, wenn man die Namen auf diesem Schiff so hört, muss man Humor haben. Es gibt nämlich auch noch eine „Überschau Bar“, eine „Abtanz Bar“, eine „Unverzicht Bar“, eine „Netz Bar“, eine „Nasch Bar“ und eine „Versteck Bar“. Ich kann mir gut vorstellen, wie die Verantwortlichen  für die Namensgebung sich in einem dreitägigen Brainstorming die wunderlichsten Dinge aus dem Schädel gesaugt haben, ohne zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. Erst, als der Chef „Haschisch für Alle“ freigibt, sprudeln die Einfälle wie verrückt. Leider ist der Chef selbst wohl auch völlig zugedröhnt, als er den Unsinn abzeichnet.
Egal, man gewöhnt sich an Alles.

Rot = braun
Nach einem Drink in besagter „Aussicht Bar“ im Heck des sechsten Stocks gehen wir direkt in das unmittelbar anschließende „Casino“, das hier natürlich „Spielplatz“ heißt. Wir müssen Bares in Chips wechseln, um mitspielen zu können. Daggi und ich wechseln 50 Euro in 2-Euro-Chips und begeben uns zum Roulettetisch. Irgendwie müssen wir beiden (Quasi)-Homburger die Gene der „Mutter von Monte Carlo“ im Blut haben, denn nach einer halben Stunde verlassen wir den Laden mit immerhin 27 Euro im Haben. Jürgen hat auch sehr viel gewonnen. Leider hat Maria das immer wieder gleich verzockt.

Noch ein letztes Glas im Freien im „Tapa Y Mas“ und das Bett schreit nach uns…

10.01.10
Highlight des Tages ist eine Tour durch Grenada. Auch diesmal haben wir uns dazu entschlossen, das überteuerte Angebot von TUI (89.- Euro pro Person) zu ignorieren und stattdessen auf eigene Faust die Insel zu erobern. Haben die Engländer, Russen, Amerikaner etc. ja auch nicht anders gemacht. Um an Land zu kommen, müssen wir diesmal aber „tendern“, wie der Fachmann sagt. Unser Schaluppe ist nämlich zu groß, um ganz vorne im Hafen anlegen zu können. Achteinhalb Meter Tiefgang hat der Kahn, einen halben Meter zu viel für den letzten noch freien Ankerplatz im Hafen. Die anderen Kolosse waren nämlich schneller – drei weitere Kreuzfahrtschiffe spucken bereits in großem Bogen Passagiere aus ihren Bäuchen. Die Übersetzung an Land, also das besagte „Tendern“ wird mit ein paar der vielen Rettungsboote, die unser Schiff hat, bewerkstelligt. So lernen wir unsere Lebensretter in einem etwaigen Notfall auch mal von innen kennen. Sehr ordentliche Boote, die sogar Ruder an Bord haben, falls der Motor schlapp macht. Die Überfahrt dauert zwanzig Minuten und bringt uns in den Hafen von Grenada, Georgetown. Schnell finden sich 15 Leute zusammen, die für 20.- US-Dollar pro Person von unserem eingeborenen Tourguide GLENN die spannenden News der Insel aufsaugen. Das größte Drama von Grenada war ein verheerender Hurrikane im Jahr 2004, der 90% aller Häuser der Insel dem Erdbeben gleich machte. Auf unserer Tour haben wir einige Ruinen gesehen, bei denen nur noch das Bad und die Toilette übrig geblieben waren, weil dies die beiden einzigen Räume aus Beton waren. Alles, was aus Holz war, ist weg geflogen. Erstaunlicherweise wurde die Insel – mit viel Geld der internationalen Staatengemeinschaft – wieder fast vollständig aufgebaut. Unser Fahrer erinnerte auch an den Krieg, bei dem die USA (war es 1984?) das Land von den Russen befreit hat. 2000 Jungs sind da an einem Tag gestorben. Ein paar hundert Jahre vorher, als die Engländer mit Kanonen auf Macheten zielten, waren das noch ein paar mehr. Um der Sklaverei zu entgehen, stürzten sich die Überlebenden wie die Lemminge von einem hohen Felsen in die Tiefe. Inzwischen ist Grenada unabhängig und selbstständig, was man sofort an der befreienden, lockeren Lebensweise der Bewohner merkt. Hier fließt fast ausschließlich karibisches Blut in den Adern – und das hat es in sich. Die Wirtschaft brummt, vor allem durch den Verkauf von Gewürzen und Rum. Und so ist die Vorstellung der inseltypischen Gewürze auch Teil des Ausflugsprogramms. Wir kaufen dann gleich mal einen Jahresvorrat ein. Weiter geht es zu einem Wasserfall, an dem sich mutige junge Männer – gegen Dollars – vom Felsen ins Wasser stürzen. Wir sehen Männer mit Äffchen auf der Schulter, Gürteltieren im Arm oder Riesengeckos am Armband. Frauen tanzen und singen, obwohl sie einen Riesenhut voller Bananen und anderen Früchten auf dem Schädel balancieren. Die Gewürzhändler verfolgen uns an jeder Station, an der wir halt machen. Alle wollen unser Bestes – den Dollar. Und weil alle gut drauf sind, verdienen die eigentlich bemitleidenswerten Folkloredarsteller reichlich viel davon. Was langfristig dazu führt, dass irgendwann gar niemand mehr arbeitet. Die Geschäfte sind jedenfalls alle zu, was aber wohl eher mit dem heutigen Wochentag, dem Sonntag zusammenhängt.

Im Naturkunde-Freilichtmuseum
Wir fahren weiter, ganz hoch zu einem Waldsee, wo wir schon von weiteren One-Dollar-Darstellern erwartet werden. Aber auch die machen ihre Sache so nett, dass wir bereitwillig unseren Obulus entrichten.

Und so geht das munter weiter. Als letzte Station vor der Rückfahrt werden wir noch für ein paar Minuten an einen wunderschönen Strand entlassen. Jürgen hat seine Badehose mitgenommen und nutzt die wenigen Minuten für einen Quickie im Meer. Also ohne Maria, aber mit Wasser. Danach geht´s zurück in den Hafen, wo vor unseren Augen gerade ein Tenderboot ablegt. Das nächste ist aber schon da. Weil wir denken, das dauert jetzt ´ne Ewigkeit, bis da genügend Leute für die Rückfahrt eintrudeln, bummeln wir noch ein bisschen durch die Touri-Läden im Hafen. Schwupps fährt auch dieses Boot vor unseren Augen halbleer weg. Das Dritte haben wir dann gekriegt und es gelingen spektakulär schöne Aufnahmen von unserem Schiff:

Das ist eigentlich eine Filmaufnahme aus dem Beiboot. Kann man aber hier nicht sehen.
Der Nachmittag verläuft wie gewohnt. Rumsitzen, rumlesen, rumquatschen, Rum trinken. Gegen halb vier gibt es ein wunderbares Eisbüffet mit allerfeinstem Speiseeis, natürlich aus Europa importiert.

Und so leise regt sich unser Öko-Gewissen. Kann es in Ordnung sein, dass ein paartausend Wohlbetuchte abertausend Kilometer durch die Welt fliegen, um mit einem Megadampfer, der nicht gerade als Spritsparer verschrien ist, sinnlos in der Karibik hin- und herzufahren sowie Jeeptouren durch uns unbekannte Eiländer zu unternehmen, die dazu führen, dass die Bewohner der Inseln sich lieber zum Kasper machen als einer anständigen Arbeit nachzugehen? Ist es nicht geradezu perfid, dass das an Bord gereichte Sprudelwasser aus Gerolstein in Deutschland kommt und nicht aus den sicher nicht schlechteren Brunnen der besuchten Inseln? Ist es wirklich nötig, dermaßen viel CO2 in die Luft zu blasen, nur damit wir unseren Bauch auch im Winter, wenn es schneit, in der Sonne brutzeln lassen können? Hat die Evolution wirklich vorgesehen, dass wir mit Höchsteinsätzen Schiffe bauen, die nur dem Zweck dienen, uns das Leben so bequem wie möglich zu machen? Müssen wir wirklich jeden Ort der Welt persönlich gesehen haben? Eine Folge „Wunderbare Welt“ im ZDF bringt doch da sehr viel mehr (- vor allem, wenn ich sie gesprochen habe -) und kostet am Ende sehr viel weniger (vor allem, wenn ich sie gesprochen habe, leider).

Die Antwort ist natürlich: „JA!“

Im Moment sind es minus 15 Grad in Deutschland und Europa versinkt im Schnee. Anscheinend klappt das mit der Klimakatastrophe im Moment nicht so dolle wie versprochen, denn es sollten ja eigentlich Plusgrade herrschen, bedingt durch die schonungslose Luftverpestung durch CO2-Gase. Und warum wird es nicht wärmer? Weil immer noch viel zu wenig Leute in die Karibik fliegen und sinnlos Umweltgase erzeugen. Das funktioniert erst bei einer bedeutend höheren Fallzahl. Wäre das Schiff ausgebucht, wären sicher schon -10 Grad…

*** Ende des Satirebeitrags***

Übrigens, mal so am Rand: Die Umweltabgabe, die wir in Deutschland brav an den Staat abführen, wird nur zu 5 % für die Weiterentwicklung alternativer Energien verwendet – 90% dienen dazu, die Rentenbeiträge künstlich tiefer zu halten, um damit den „Produktionsstandort Deutschland“ für Unternehmer attraktiver zu machen.

Diese Kolosse sehen wir hier jeden Tag.

Um halb sieben treffen wir uns wieder mit Maria und Jürgen zum Abendessen. Vorher kaufe ich mir in einer der ca. 20 Boutiquen an Bord noch eine Hose, die aber leider nicht passt, wie sich später herausstellt. Ich beginne bereits, den Chefkoch zu hassen, bestelle aber erst mal die Karte hoch und runter. Meine Süße nimmt immer noch nicht zu, obwohl sie genauso viel isst wie ich. Das ist ziemlich ungerecht.
Nach dem Essen spielen wir BINGO. Maria gewinnt das erste Spiel, einen Trostpreis und Daggi fehlt beim Hauptspiel (Full House) nur noch eine Zahl. Ich bin chancenlos. Die zehn Euro Einsatz müssen wir leider abschreiben. Das Nachtprogramm beginnt sich zu wiederholen – heute ist wieder die Travestieshow dran, die allerdings auch ganz hervorragend ist. Ich erfahre, dass das Showteam Anfang nächster Woche ausgewechselt wird. Hoffentlich sind die Neuen genauso gut. An Bord sind sie bereits und schauen sich jeden Tag die Arbeit ihrer Kollegen an.

Neu ist auch die Band im „Tapaz Y Mas“. Das Jazztrio „Voodoolulu“ besteht aus einem Gitaristen, der aus Mozambique kommt, einem Bassisten aus New York mit einem richtigen Standbass und dem Drummer und Sänger aus Berlin. Und genau dort haben sich die drei auch getroffen und ihre sehr schöne Jazz/Raggae-Musik kultiviert. Wir bleiben bis Mitternacht.

Kokosnussbaum, auch als Korkenzieher zu verwenden
11.01.10

Spätes Frühstück. Daggi hat heute morgen „nur“ zwanzig Runden geschafft. Ich habe dafür eine Runde länger geschlafen. Es muss sich halt alles ausgleichen.
Inzwischen sind wir in BARBADOS angekommen. Maria und Jürgen wollen an den Strand, wir ziehen eine weitere Inselbesichtigung vor. Diesmal wird es nicht so einfach, Mitreisende zu finden, da die Meisten schon an Land sind. Schließlich müssen wir zu viert mit einem alten, klapprigen Toyota-Taxi mit durchgesessenen Sitzen vorlieb nehmen. PETER, unser Fahrer und Guide, erklärt uns die Insel in dem typischen Pidgin-Englisch, das sich hier breitgemacht hat. Zunächst fahren wir in die noblen Vorstraßen der Hafenstadt, wo ein kleines Grundstück am Meer schon eine Million Dollar kostet. Wir fahren über Golfplätze, die das Ausmaß eines kleinen Bundeslandes haben und sehen Villen, in denen unter anderem Paul McCartney, Cliff Richard und Celine Dion ihr klägliches Dasein fristen müssen. Irgendwelche, mir unbekannte englische Sportler haben ganze Villendörfer hochgezogen, um betuchte Promis an Land zu ziehen. Kurzum, eine Gegend, in der ich auf keinen Fall wohnen will. Wir stoppen an der ältesten Kirche der Insel aus dem Jahre 16hundertweißnichtmehr, in der schon die Kennedys, die Reagens, Kofi Annan und auch Cliff Richard gesessen haben. Ich teste mal spaßeshalber den Sitz, auf dem Reagan saß, es ist aber bisher kein böser Virus auf mich übergesprungen. Einen weiteren Stopp machen wir auf dem höchsten Punkt der Insel, so ca. 300 Meter über Null. Ja, das ist ein schöner Ausblick. Braucht man aber nicht unbedingt. Während auf der einen Seite der Hafenstadt, die Seite mit den Luxuswohnungen, keinerlei Nachtleben erlaubt ist, übertrifft man sich dafür auf der anderen Seite. Die Kneipen, Restaurants, Nachtbars und Discotheken schließen erst morgens um sechs. Da sind wir doch längst wieder an Bord!
Eigentlich wollen wir nach der drei-Stunden-Tour noch einmal durch die Hafenstadt Bridgetown bummeln, aber ein plötzlich einbrechender Platzregen macht uns einen Strich durch die Rechnung. Ich wechsele noch schnell ein paar „Barbados-Dollar“ ein, um den Fahrer zahlen zu können, und wir beenden den Rundgang mit einem weiteren lokalen Bier, das meine Süße mit Kennerblick bestellt. Ich höre meinen Anrufbeantworter ab, führe ein paar Gespräche und lese verwundert, dass meine Auslandstelefonate bereits mehr als 120.- Euro gekostet haben. Gut, dass es das Internet gibt, sonst wäre ich verloren…

Hier wohnt Cliff Richard.
Abends das übliche Programm: Essen, Trinken, Theater, Trinken, Heia.

12.01.10
Heute legen wir in St. Lucia an. Zusammen mit Maria und Jürgen wollen wir mal wieder auf eigene Faust das Landesinnere erkunden. Nach langen, zähen Verhandlungen steigen wir bei „POPO“ in den Bus. Der heißt wirklich so und ist – wie alle Touristenführer auf diesen Inseln – sehr freundlich zu uns. Der 16-Sitzer bleibt ansonsten leer, da er keine weiteren Fahrgäste findet. Die Fahrt ist sehr angenehm, da Popo auch ein sehr gepflegtes Englisch spricht und uns viel über die Insel erzählen kann. St. Lucia (sprich „Saint Luuschia) ist seit 1979 selbstständig, gehört aber noch dem britischen Commonwealth an. Entsprechend streng sind hier die Gesetze. So darf man erst mit 35 Jahren Taxifahrer werden. Regelmäßige Prüfungen und eine doppelte KFZ-Versicherung sollen sicherstellen, dass es den Gästen an nichts mangelt. Popo klappert zunächst die üblichen Aussichtsplattformen ab und fährt uns dann direkt in einen Regenwald, in dem wir eine Art Freilicht-Naturkundemuseum besuchen. Alle Mitarbeiter, sogar Popo und der Tourverkäufer im Hafen, sind mit der Besitzerin des Museums irgendwie verwandt. In 45 Minuten lernen wir alle Pflanzen kennen, die hier auf der Insel wachsen. Wir kosten eine Unmenge an Früchten und dürfen sogar das Brot probieren, dass uns die Chefin extra gebacken hat. Wir erfahren, wie die Ureinwohner früher in ihren Hütten gewohnt haben und erhalten am Ende der zu Fuß durchlaufenen Tour auch noch was zu trinken. Es war einfach beeindruckend und die 25 Dollar Gesamtkosten pro Nase allemal wert. Der nächste Stop führt uns in ein runtergekommenes Strandrestaurant mit der Möglichkeit, hier baden zu gehen. Dazu hat aber niemand der Teilnehmer Lust. Maria möchte gerne wieder an Bord, während Daggi und ich noch zu Fuß die Hafenstadt durchkämmen. Wir kämpfen uns durch Dutzende von Souvenirläden, ohne irgendwas zu finden, das uns oder unsere Freunde erfreuen würde. Die Stadt selbst ist auch ganz winzig – trotz immerhin 17.000 Einwohnern. Parlament, Gerichtsgebäude, ein kleiner Park, ein Kaufhaus, das war´s mehr oder weniger. Netbooks kosten hier stolze 899 US-Dollar, also mehr als das Doppelte wie zuhause. Als wir merken, dass wir immer wieder an denselben Stellen aus der relativ jungen Stadt ( Anfang der 1920iger-Jahre wiederaufgebaut) herauskommen, laufen wir den langen Weg zum Schiff in praller Sonne mit einigen Wolken-Unterbrechnungen. Diese Lauferei gehört nicht zu meinen Lieblingsbewegungen. Durch Hitze, Reibung und weitere Einflüsse, auf die ich keinen Einfluss habe, wird´s ein bisschen feucht in der Hose, wenn Ihr wisst, was ich meine. Charlotte Roche hat in ihrem Buch „Feuchtgebiete“ wohl schon genug darüber geschrieben, sodass ich das jetzt nicht weiter ausführen muss. Eine Dusche später ist das aber schon wieder Vergangenheit.
Spätes Mittagessen am Pool. (Hatte ich erwähnt, dass es auf dem Schiff 24 Stunden was zu Essen gibt?). Danach rumgefaulenzt und viel gelesen. Ja, ich habe endlich mal Zeit, ein Buch zu lesen. Das zweite sogar schon. („Die verblödete Republik – wie uns Medien und Politiker für dumm verkaufen“). Deswegen auch so lange schon keine Fortsetzung des Blogs. Diese Zeilen schreibe ich am 14.1.2010.
Abends das übliche Programm – allerdings ohne Theater. Die Damen und Herren haben ihren freien Abend. Stattdessen Poolparty mit den „Shipping Wizzards“ aus Tschechien. Wir verziehen uns ins „Tapa Y Mas“ und hören 30-minütigen Improvisationen von „Sunny“ zu. Gegen Mitternacht ab in die Koje.


13.10.2010
Mit Entsetzen hören wir von dem Erdbeben in Haiti, das eine Menge Menschenleben gekostet haben soll. Wir sind rund 900 km vom Zentrum des Bebens entfernt. Eine Tsunami-Warnung verunsichert uns dennoch. Aber der Kapitän beruhigt die Gäste über die Hausanlage. Das Schiff ist Tsunami-sicher. Es kann uns nicht das Geringste passieren. Wir bleiben den ganzen Morgen an Bord, weil wir für die letzte Insel unserer Rundreise, ANTIGUA, eine Katamarantour mit Schnorcheln gebucht haben. Um 13.15 Uhr, nach einem leichten Mittagessen, klettern 45 Teilnehmer auf das weiße Segelschiff, das aber heute mit Motorkraft fährt. Gleich nach dem Ablegen werden die Schwimmflossen zugeteilt, passend zur jeweiligen Schuhgröße. Bis auf Maria und mich sowie drei Crewmitglieder machen auch alle mit. Ich habe ja, wie schon berichtet, einen Heidenrespekt vor irgendwelchen Korallenriffen. Und tatsächlich haben sich auch einige der Touristen irgendwo verletzt und bluten ein bisschen. Daggi ist die Erste im Wasser und genießt das Tauchen ungemein, auch wenn nicht sonderlich viel zu sehen ist. Ein besonders kurzfüßiger Mann beschwert sich später auch noch lautstark, dass dies ein völlig unbrauchbarer Ausflug sei. Alle anderen haben allerdings viele Fische und Korallen gesehen und sind sehr zufrieden. Mann kann´s halt nicht allen recht machen. Wieder an Bord, gibt es erstmal Rum mit Cola (70:30) und ein paar Häppchen zu essen. Wir schippern weiter an eine der 365 Sandstränden der Insel. Ein Teil der Gäste schwimmt an Land, so auch Daggi. Ich habe auf den Rucksack aufzupassen sowie die Kameras in der Hand und muss daher mal wieder „tendern“. Das Schlauchboot fährt zweimal, um alle Gäste sicher an Land bringen zu können. Nach einem ausgiebigen Bad geht´s dann nach insgesamt drei Stunden wieder zurück zum Schiff. Die Crew dreht noch mal gewaltig auf, tanzt Limbo und singt zur lauten Reggae-Musik, die an Bord ertönt. Ein einfach wunderbarer Ausflug. Hier wollen wir gerne nochmal einen Urlaub verbringen, auch wenn wir von der Insel sonst eigentlich gar nichts gesehen haben.

20:30 Uhr Bingo. Diesmal gewinnt Jürgen die vier Ecken und Maria den Hauptpreis. Mir fehlt nur noch eine Zahl. Mist.
21:30 Uhr Theater. „AQUA“ heißt die heutige Show, die wiedermal ganz besonders gut gelungen ist. Perfekte Choreografie, supertolle Kostüme und absolut stimmiger Gesang. Eine handsignierte CD mit der extra hierfür komponierten Musik kann man im Anschluss erwerben. Auch die Schiffshymne „Oceans of Love“ ist darunter. Man gewöhnt sich selbst daran.

Maria und Jürgen sind müde und verabschieden sich; wir gehen wie üblich nochmal ins „Tapaz Y Mas“, wo gerade eine kostenlose Tapas-Verköstigung stattfindet. Nach dem zweiten Teller(chen) winken wir übersättigt ab. Wir hatten ja schon ein 6-Gänge-Menü.
Um die Kalorien wieder abzubauen, schauen wir mal in der „Abtanz Bar“ vorbei. Es ist zwar recht gut besucht, aber er DJ muss noch viel lernen. So eine krude Musikmischung habe ich schon lange nicht mehr ertragen müssen. Daher also baldige Bettruhe.


14.01.2010
Schiffstag. Letzter kompletter Ferientag. Morgen Nachmittag fliegen wir zurück. Schade.
Wir stehen spät auf, bekommen aber noch ein Frühstück im Anckermannsplatz. Daggi hat heute wieder nur 20 Runden geschafft und ich habe einen dicken Kopf. Vermutlich vom Rum auf dem Katamaran. Nach dem Lesen und Beantworten der aktuellen eMails springen wir in den Pool. Ich bereits zum dritten Mal!
Danke übrigens allen, die sich Sorgen um uns gemacht haben, aber die Angst war, wie schon geschrieben, unbegründet. Heute Abend findet die Verlosung einer von den Offizieren unterschriebenen Schiffskarte statt, deren Erlös nicht wie sonst an eine spezielle Einrichtung für das Personal geht, sondern diesmal einer Hilfsorganisation in Haiti gespendet wird. TUI Cruises verdoppelt den eingegangenen Betrag und legt außerdem nochmal 3000.- Euro obendrauf. Daraufhin haben wir uns natürlich auch gleich Lose gekauft.
Zum Mittagessen waren wir diesmal auch im Restaurant ATLANTIK und waren erstaunt, dass da gerade mal ein Dutzend Gäste zu finden waren. Das drei bis viergängige Menü war leicht und sehr bekömmlich. Daggi hat sich einen „Locker“ gemietet, in dem wir morgen bis zum Flughafentransfer unser Handgepäck verstauen können. Sehr praktisch.

Unser Los hat natürlich nicht gewonnen. Macht auch nichts, war ja für einen guten Zweck. Der Gewinner der Seekarte hat den Preis übrigens gleich wieder gestiftet, damit noch mehr Geld zusammenkommt. Auch bei der zweiten Ziehung – abends im Theater nach der supertollen Schlussshow – gehörten wir nicht zu den Gewinnern. Die Hilfsorganisation „CARE“ schon – fast 10.000 Euro sind es letztendlich geworden.
Wir gehen nach der Ziehung in unsere Kajüte und packen unsere Koffer. Ist alles von Daggi schon perfekt vorbereitet worden, sodass wir nur 20 Minuten brauchen. Um 23.00 Uhr treffen wir nochmal Maria und Jürgen auf einen Absacker. Wir müssen heute früh zu Bette, denn der Wecker klingelt schon um halb acht.


15.01.10

Punkt halb acht schmeißt uns Herr König, seines Zeichens „Cruise Director“ mit seiner schrecklichen Stimme aus dem Tiefschlaf. Wir tanzen bei der an Bord residierenden Behörde an und lassen unsere Pässe abstempeln. Danach Frühstück – erstmals auch im ATLANTIK. Warum wir da nicht schon früher hingegangen sind, ist uns ein Rätsel, aber jetzt ist es zu spät. Bis 14.00 Uhr hängen wir noch auf dem Schiff mit dem gräßlichen Namen „Mein Schiff“ rum, bis uns ein alter klappriger Bus zum Flughafen bringt. Auch hier dauert es noch ewig, bis wir unser Gepäck identifiziert haben und einschecken können. Danach Warten auf den Start. So gegen 17.00 Uhr sind wir dann auch endlich abgeflogen. 8 Stunden und 40 Minuten dauert der Flug zurück – Rückenwind sei Dank. Beim Aussteigen rede ich noch kurz mit einem der Darsteller des Theaters, die ja an diesem Tag ausgetauscht werden. Mein Lob freut ihn sichtlich. Ich weiß ja, wie sehr wir Schauspieler die Bestätigung brauchen. Diese Truppe hat es verdient. Inzwischen habe ich auch erfahren, dass alle Mitwirkenden aus allen möglichen TV-Auftritten, Opern, Musicals, Operetten, Tanzdarbietungen etc. bekannt sind.
Der Flug verläuft wieder wunderbar ruhig und wir beiden können einige Stunden „vorschlafen“. In Frankfurt schnappen wir uns die S-Bahn und fahren bis Friedrichsdorf. Es steht tatsächlich sogar ein Taxi am Bahnhof. Man muss auch mal Glück haben…

FAZIT:
Abgesehen von dem tragischen Erdbeben in Haiti, dessen Ausmaß erst jetzt so langsam bekannt wird, war es ein wundervoller Urlaub. „CARRIBEAN HARMONISTS“ habe ich den Blog getauft – und tatsächlich gab es weder Streit noch schlechte Launen. Und das ist doch schon mal sehr positiv für den ersten gemeinsamen Urlaub. Die Karibik ist wunderschön; zwei oder drei Inseln wollen wir noch einmal für einen ganzen Urlaub besuchen: ANTIGUA und DOMINICA haben es uns sehr angetan. Aber wohnen oder gar unseren Lebensabend dort verbringen wollen wir nicht. Da fehlt doch noch gewaltig viel Infrastruktur. Und die ständige Angst vor Erdbeben oder Vulkanausbrüchen macht selbst Kurzurlaube zum Abenteuer.
Über „Mein Schiff“ kann man nur das Beste sagen. Große Klasse! Das begeisterte, freundliche Personal, die tollen Shows, das unglaubliche Essen (Meine Süße und ich haben beide je 3,1 kg zugenommen…), die günstigen Preise für zusätzliche Getränke oder Cocktails verdienen jeweils nur Bestnoten. 261 Meter Länge, 32 Meter Breite und 77.000 Bruttoregistertonnen lassen viel Platz für persönlichen Freiraum.

Und damit will ich diesen Blog beenden. Die Kommentarfunktion ist jetzt endlich funktionsfähig. Natürlich werde ich den Text hier und da noch mal ergänzen, verbessern oder ändern. Es wird weitere Bilder geben. Es schadet also nichts, den ganzen Text demnächst nochmal von vorne zu lesen. Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie übrigens gerne behalten.

Danke fürs Mitlesen und Eure Kommentare. Und zum Schluss will ich endlich auch noch die am häufigsten gestellte Frage beantworten: Nein, man wird nicht seekrank. Selbst bei rauher See liegt der Kahn seelenruhig im Wasser.