Kuba – Auf den Spuren von Che Guevara

Che Guevara – wäre die Paraderolle für meinen Freund Wojo van Brouwer 

Ich habe kein Internet!

Ich habe kein Internet!

Ich habe kein Internet!

Und egal, wie oft ich das jetzt noch hier hin schreibe – es wird sich nichts daran ändern. Die nächsten beiden Wochen bin ich definitiv von der Außenwelt abgeschnitten.

Schluss mit „Facebook“; weder „Skype“ noch „What´s upp“; keine Sonderangebote von Pearl, GroupOn oder Conrad electronic, nicht einmal die Frankfurter Rundschau gibt’s zum Frühstück. Und wer weiß, ob es die überhaupt noch gibt, wenn ich aus Kuba zurückkomme.

Wie konnte das passieren?

Es fing damit an, dass Dagmar und ich beschlossen, zum Jahreswechsel nach Kuba zu fliegen. Silvester mit dem Buena Vista Social Club, Cuba libre bis zum Abwinken, 30 Grad im Schatten und feinstes karibisches Essen.

Neckermann machte es möglich – und so flogen wir am 29.12.2012 mit Condor nonstop nach Varadero. Dort wollten wir aber gar nicht hin, aber nach Havanna gab es leider keinen Flieger mehr. Also haben wir uns nach 11,5 Stunden Flug noch weitere zweieinhalb Stunden in einen Minibus gezwängt, dessen Federn schon vor langer Zeit ausgebaut worden sein mussten. Gegen Mitternacht (Ortszeit, was ziemlich genau sechs Uhr morgens zuhause entspricht) erreichten wir unser Hotel „DEAUVILLE“. Ein 15 Stockwerke hoher Kasten direkt am Atlantik, der ob seiner blauen Farbe und der doch sehr schmalen Grundfläche von weitem zu sehen ist. Es war Samstag Nacht und die Bude brummte. Disco im Haus, Bar überfüllt, junge Mädels auf der Suche nach dem Mr. Right, Touristen auf der Suche nach der Miss Night. Und ich war müde! (Und ohnehin längst aus dem Rennen…)

Blick aus dem siebenten Stock auf den Atlantik

Das Hotel muss direkt nach der Eröffnung sehr schön gewesen sein. Seitdem sind allerdings ein paar Jahrzehnte vergangen und nicht nur der Lack ist abgeblättert. Unser Zimmer liegt im siebten Stock, aber der Fahrstuhl öffnet sich nur im sechsten oder achten Stock. Der siebte klemmt. Nun gut, damit kann man leben. Auch, dass unsere Badezimmertür aufgrund eines fehlenden Schlosses nicht zu schließen ist und infolge irgendwelcher Schwerkraftgesetze stattdessen immer wieder handbreit aufgeht, gehört zu den Unwägbarkeiten des Alltags in Kuba. Schwerer wiegt dann schon, dass man uns kein warmes Wasser gönnt, obwohl auf einem Schild vor heißen 50 Grad gewarnt wird. Definitiv kein Hotel für Warmduscher. Dafür wird man mit einem geilen Blick über die Küste belohnt. Ein wilder, peitschender Ozean tut sein bestes, die letzten noch stehenden Prachtbauten mit seinem Salzwasser zu zersetzen. Ungefähr jedes dritte Gebäude droht zusammenzufallen. Es wäre vermutlich schon lange kein einziger Bau mehr übrig, wenn die Regierung nicht mit vielen Hilfsgeldern aus der ganzen Welt (natürlich außer den USA) versuchen, würde, den Verfall aufzuhalten.

Da Dagmar und ich sich selbst sehr dem Verfall nähern, machen wir erstmal die Augen zu und pennen sieben Stunden am Stück.


 

DER ERSTE TAG

Somit stehen wir um sieben wieder auf. Draußen ist es recht bewölkt und sehr windig. Daran wird sich den ganzen Tag nichts ändern. Die 30 Grad, mit der meine Wetter-APP geprahlt hat, sind eine glatte Lüge. 18-20 Grad sind es höchstens, und das auch nur in der Sonne. Im Schatten pfeift der Wind so kalt, dass es einen fröstelt.

Wir ziehen uns ein für kubanische Verhältnisse sehr umfangreiches Frühstück rein, trinken dazu einen schrecklichen Kaffee und machen uns dann auf die Suche nach einer Geldwechselstube. Es ist Sonntag, by the way. Brav folgen wir der Wegbeschreibung der Dame an der Rezeption, finden aber weit und breit keine Wechselstube. Auffällig ist, dass kaum Autos auf den Straßen unterwegs sind. Und wenn doch, sind rund ein Drittel davon bekanntlich schon 50-60 Jahre alt und kommen aus den USA. Ein weiteres Drittel sind russische Ladas aus allen Jahrzehnten. Das letzte Drittel – die etwas neueren Wagen sind meist Taxen oder Mietwagen und von Hyundai, Peugeot und VW. Vor unseren Augen platzt einem dieser Uralt-Karossen (so schön sie auch aussehen, so kaputt sind sie leider) ein Reifen. Auf der Felge rutscht die Karre rund 50 Meter weit, bis sie stehen bleibt. Die Fahrgäste steigen kreidebleich aus und suchen das Weite. Der Chauffeur wird ´ne Weile brauchen, ein Ersatzrad samt Reparatur der Hinterachse zu organisieren.

Alte Autos ohne Ende

Was außerdem sofort auffällt: Es gibt keine Werbeplakate! Keine Coca-Cola-Werbung, keine rauchenden Cowboys, keine Werbung für irgendwas. Keinerlei Leuchtreklame oder zuckende Neonschilder. Höchstens ab und zu ein paar kluge Worte von Che oder Fidel, aber auch die muss man mit der Lupe suchen.

Da ich ja schon mal in Kuba war, finde ich auf Anhieb die Altstadt wieder, also den Teil der kubanischen Hauptstadt, für den es vor allem sich lohnt, die Stadt zu besuchen. Im Zentrum, an der großen Kathedrale, tummeln sich schon die ersten Touristen sowie die fein rausgeputzten Darsteller kubanischer Großgrundbesitzer, die sich gerne gegen Kohle ablichten lassen. Alle haben dicke Zigarren im Mund, selbst die Frauen. Mich wundert allerdings, dass diese Zigarren gar keinen Rauch absondern, obwohl sie so aussehen, als wären sie angezündet. Wahrscheinlich sind sie aus Holz.

Wir haben Durst, aber kein Geld. Die angekündigte Wechselstube haben wir wohl übersehen und die Banken haben sonntags geschlossen. Also fragen wir in einem der vielen Hotels, die sich in der Altstadt befinden, ob man uns Geld wechseln könnte. Die Antwort ist ein glattes nein, aber genau gegenüber wäre doch eine Wechselstube. Und dann fällt es uns wie Schuppen aus den Haaren: Der Menschenauflauf gegenüber sind gar keine Touristen, sondern Wechselkunden, oder wie man das nennen soll…

Die Schlange vor dem offiziellen Wechselbüro ist gut 20 Meter lang, wird aber relativ schnell abgearbeitet. Zum Wechseln der Euroscheine muss man als Tourist einen Pass vorzeigen (eine Fotokopie wie in unserem Fall reicht allerdings auch). Dann wird sorgfältig notiert, wie viel Geld der wohlfeile Herr Ehrhardt und die ebenso wohlfeile Frau Glenk denn nun eingewechselt bekommen haben.

Das mit dem Geld ist in Kuba ein bisschen komplizierter als im Rest der Welt. Kuba ist eigentlich ein sehr armes Land. Und wenn man den Touristen das Leben genau so günstig anbieten würde wie es das Einkommen des gemeinen Kubaners zulassen würde, wäre Kuba von Schmarotzern längst aufgefressen worden. Also hat man eine zweite Währung eingeführt, die (eigentlich) nur für Touristen gilt. Sie heißt CUC, und ist genau 24 mal mehr wert als der einheimische kubanische Dollar (CUB). So rennt also jeder Kubaner alle paar Tage zur Bank und tauscht seine inzwischen „verdienten“ CUCs in CUBs. Im Gegensatz zum Touristen bekommt er seine Lebensmittel nur auf Schein, dafür aber eben sehr günstig. Angeblich muss kein Kubaner hungern. Steuern zahlt er auch keine und sein Haus oder seine Wohnung hat ihm der Staat geschenkt! Alle verdienen mehr oder weniger gleich viel (oder gleich wenig), was in der Realität zu einer großen Zufriedenheit der Mehrzahl der Bewohner geführt haben soll. Nun kann man ja denken, dass jeder Kubaner, der auf irgendeine Weise an die CUCs kommt, dafür 24 mal so viele CUBs bekommt und demnach förmlich im Geld schwimmen müsste. Tatsächlich bezahlt er aber dafür, irgendein kleines Geschäft führen zu dürfen, gründliche Lizenzgebühren an den Staat. Ein Zimmervermieter muss beispielsweise pro Zimmer 150.- CUCs Lizenz pro Monat zahlen – egal, ob jemand in seine Datsche einzieht oder nicht. Und der Kneipier zahlt nicht nur viel höhere Lizenzen, sondern auch den Einkauf der teuren Spirituosen, die ihm die Touris dann wegtrinken. Für CUBs bekommt er nichts Gescheites. Es ist also alles so ähnlich wie in der ehemaligen DDR. Nur gegen die entsprechende Währung bekommt man alles. Eine Menge ökonomischer Neuerungen, die Fidel Castros Bruder Raoul eingeführt hat, ermöglichen den Kubanern inzwischen also kleinere Geschäfte auf eigene Kasse. 225 Berufe dürfen die Kubaner inzwischen auf eigene Rechnung ausüben. Vom Friseur bis zum Taxifahrer. Bis Ende 2014 will die Regierung 200.000 Bürger „verselbstständigen“. Es geht aufwärts, heißt es. Mal sehen, ob wir das verifizieren können. Für die Kubaner stirbt die Hoffnung zuletzt.

Der Zahn der Zeit nagt langsam am Eingemachten

Durch Zufall haben wir die Hauptstraße der Altstadt gefunden und taumeln ziellos in und her. Im „CAFÉ PARIS“ dann endlich ein richtiger Kaffee. Ein leckerer Capuccino bringt uns wieder auf die Beine. Eine halbe Stunde später entdecken wir vor dem „CAPITOL“, das ist eine Kopie des amerikanischen Original-Capitols von Cubas früherem Menschenschinder „BATISTE“, einen offenen Doppeldeckerbus. Für gerade mal 5 CUCs dürfen wir damit den ganzen Tag durch die Gegend fahren und uns Havanna von allen Seiten ansehen. Das machen wir natürlich und klappern Viertel für Viertel die Stadt ab. An der Küstenstraße werden wir leider oft nass gespritzt, weil die Wellen inzwischen einen Gang zugelegt haben und bis in den ersten Stock unseres Busses spritzen. Wir sehen traumhafte Wohnviertel, größtenteils renoviert oder zumindest bewohnt, sehen aber auch viele zerbröselte Bauwerke, deren Wiederaufbau Unsummen verschlingen wird. Die Unesco mit Ihrem Weltkulturerbe arbeitet ja daran, Kuba wieder auf Vordermann zu bringen, was die Bausubstanz angeht. Kuba hat übrigens rund 11 Miliionen Einwohner, von denen rund 2,3 Millionen alleine in Havanna leben. Wir sehen den riesigen Friedhof mit seinen Tausenden von Mausoleen und Grabsteinen, wir bewundern das Delfinarium mit seinem Wasserpark, wir staunen über so eine Art „Platz der Republik“, der wohl für politische Kundgebungen gedacht ist und von politischen Bauten umzäunt ist, von dessen Hauswänden abstrakte Metallprofile der beiden Übermenschen Che Guevara und Fidel Castro prangen.

 
Fidel aus Metall

Aus lauter Bequemlichkeit steigen wir nie aus, obwohl es sich bei dem Bus um so eine Art „Hop On – Hop Off“ – Bus nach westlichem Vorbild handelt. Immer wenn wir in die Küstennähe kommen, wird es eisekalt und dere Wind zerzaust uns die Frisuren. Nur selten scheint uns die Sonne auf den Schädel. Zum Glück, muss man sagen, haben wir doch beide nach der Tour einen gehörigen Sonnenbrand im Gesicht. Irgendwo hört die Tour unvermittelt auf – wir sollen bitte einen anderen Bus besteigen. Da wir bisher noch nicht einmal ein Ticket bekommen haben, würde dies bedeuten, im neuen Bus erneut zahlen zu müssen. Das wollen wir nicht und laufen dann doch lieber noch mal durch die Hauptstraße der „Vieja“, der Altstadt. Durch das systematische Erkunden der Stadt mit dem offenen Doppeldecker haben wir jetzt auch einen ziemlich guten Plan der Metropole im Kopf. Nach weiteren gefühlten 20 Kilometern Fußmarsch (OK, es waren höchstens zwei Kilometer…) halten wir dann doch so eine amerikanische Kiste an, die uns schnell und einigermaßen komfortabel ins Hotel bringt. Auf die Frage nach den Fahrtkosten überlässt uns der Fahrer, den Preis selbst festzulegen. Ich biete ihm drei CUCs und er bedankt sich überschwänglich. Dass er uns damit eher verhöhnt hat, merken wir erst im Lauf der Tage, da die Fahrt mit dem Amischlitten in der Regel um die zehn CUCs kostet. Daggi ist ziemlich groggy und legt sich kurz aufs Ohr, während ich mich an den Pool setze, einen Cuba Libre schlürfe und die ersten Seiten dieses Blogs schreibe.

Später erkundige ich mich in einem kleinen Büro über der Rezeption unseres Hotels, was man denn so an Touren buchen könnte. Und schon überredet mich die Dame, heute Abend zunächst einmal zu einem Konzert vom „Bueno Vista Social Club“ zu gehen, für lausige 30 CUCs pro Person. Sogar der Enkel des Gruppenbosses wäre dabei sowie eine Menge anderer Superstars dieser einschlägigen Musikrichtung. Beginn 21.45 Uhr im Havanna Rum Museum irgendwo im Hafen.

 
Schöne Plätze findet man in der ganzen Stadt

Ich bin so aufgekratzt, dass ich Dagmar wieder aus dem Schlaf reiße und ihr die Neuigkeiten erzähle. Dem Mädel geht es gar nicht sonderlich gut. Obwohl wir den ganzen Tag Bus gefahren sind, hat sie Zug abgekriegt. Aber das verlockende Abendprogramm bringt sie dann doch dazu, wieder auf die Beine zu kommen. Also wieder mit dem Taxi in die Altstadt, ins „CAFÉ PARIS“ und dort fürstlich zu Abend gegessen. War zumindest der Plan. Leider war die Musik extrem laut und das Essen extrem schlecht. Wir hätten Nudeln oder Pizza bestellen sollen, die sahen ganz ordentlich aus, aber meine Fleischplatte mit undefinierbaren Fleischfetzen längst verstorbener Haustiere wäre dann doch eher für die Fütterung derselben als zu meiner leiblichen Erbauung geeignet gewesen.

Weil es so voll war, platzierte uns der Kellner ein Pärchen aus deutschen Landen, sogar aus Frankfurt an den Tisch. Frankfurt an der Oder allerdings, wie wir schnell am Dialekt gemerkt haben. Die beiden hatten über Weihnachten ihre Tochter besucht, die hier in Kuba wohl ein paar Monate zu leben gedachte. Die beiden waren recht sympathisch und wir hatten dann zwei Stunden lang eine nette Unterhaltung, wenn sie sich auch eher schreiend als sprechend vollzog. Die Band war wirklich sehr laut.

Kurz vor neun mussten wir uns dann verabschieden, um noch einen guten Platz im „Museum des Kubanischen Rums“ zu ergattern. Auch hier blieb uns nur eine Taxifahrt übrig. Je später der Abend, desto teurer wurde übrigens auch das Taxi.

Das Museum entpuppte sich als grandiose alte Villa im spanischen Stil mit einer tollen Einrichtung. Wir bekamen zwei recht ordentliche Plätze zugeteilt und durften zur Begrüßung jeder einen „Mojito“ verputzen. Pünktlich um 21.45 Uhr begann das Spektakel, das auch ganz wunderbar war mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass es sich leider nicht um den Original Buena Vista Social Club mit seinen vielen Hundertjährigen handelte, sondern „nur“ um den Enkel eines der ehemaligen Mitglieder, der ein paar Jungs und Mädels zur Unterstützung mitgebracht hatte. Der Stimmung tat das keinen Abbruch, diverse Mojitos brachten die Besucher zum Mitklatschen und Mittanzen. Sogar Zigarren wurden unentgeltlich verteilt. Ich Depp habe dankend abgelehnt, weil ich ja Nichtraucher bin. Dagmar, ebenfalls nicht (mehr) qualmabhängig, hat sich die Zigarre mitgenommen und wird demnächst irgendeinen Bekannten damit erfreuen. Knapp zwei Stunden lang wurden wir vortrefflichst beschallt, dann wurde es Zeit, nach Hause zu fahren. Das Taxi sollte plötzlich 10 CUCs kosten, obwohl das ganze Auto höchstens noch 9 CUCs wert war. Da sind wir doch lieber ein paar Meter gelaufen und sind dann mit einem anderen Taxi, das trotz seiner 30-jährigen Geschichte noch nie eine Werkstatt gesehen haben konnte, für nur 5 CUCs nach Hause gefahren.

Das Wasser war immer noch kalt, das Klopapier alle und die hauseigene Disco machte durch bis morgen früh. Egal, schön war´s doch.


DER ZWEITE TAG

Der zweite Tag in Havanna, aber schon der dritte Tag ohne Internet. Außerdem klappt das mit der SMS bei meinem Handy nicht. Ich kann zwar SMS empfangen, aber nicht versenden. Weiß der Geier, wo die Jungs bei Apple da wieder einen kleinen Schalter versteckt haben, dessen Funktion einem nicht einleuchtet. Ach ja, mein Plan, mit einem alten iPhone 4, das nicht mehr mit der Telekom „verheiratet“ ist und einer kostengünstigen SIM-Karte zu sozialistischen Brüderpreisen zu kommunizieren, ist leider auch geplatzt. In Kuba gibt es keine Mini-SIMS. Die SIMS, die es gibt, darf man nicht zerschneiden, weil man sie zurückgeben muss. Außerdem ist Telefonieren sauteuer. Pro Tag sechs CUCs plus die normalen Telefonkosten, die bei Transatlantikgesprächen schnell einen (kubanischen) Monatslohn ausmachen. Die Telekomiker verlangen „nur“ 2,88 Euro pro angefangener Minute für abgehende und 1,78 Euro für eingehende Ferngespräche. In meinem eMail-Fach müssten jetzt schätzungsweise 400 Mails liegen, davon 350 SPAMs und 50 Jahreswechselwünsche. Alle, die sich gewundert haben, warum ich ihre Wünsche so permanent unbeantwortet gelassen habe, wissen jetzt also, warum.

Um neun erscheinen wir im Frühstücksraum. Viele andere leider auch. Wir müssen warten, bis ein Tisch frei wird. Danach buchen wir eine erste Tour für den kommenden Mittwoch und laufen zu Fuß ins Stadtzentrum. Dagmar geht es zwar wieder etwas besser, dafür kann sie aber nicht mehr reden. Stimme weg. Böse Zungen werden jetzt behaupten, da solle man doch dankbar sein und mich um mein Glück beneiden, aber das wäre doch etwas kurz gedacht. Irgendwie fehlt mir ihr Geplapper. Sie kann jedenfalls so gut wie gar nicht mehr reden und muss ihre Stimme schonen. Das weckt natürlich den Beschützerinstinkt in mir.

Wir bummeln also stadteinwärts auf einer Straße, die Touristen üblicherweise nicht zu sehen bekommen. Hier sind die Preise nicht in CUCs, sondern in CUBs angegeben. Die Gebäude sind leider auch alle ziemlich baufällig, die Straßenbeläge und Bürgersteige brüchig und es ist sehr wenig Farbe im Spiel. Wenn man sich die Häuser genauer ansieht, kann man ahnen, welche Prachtbauten das früher waren, aber viel ist davon derzeit wenig zu sehen.

Wir wollen eigentlich das „CAPITOL“ besichtigen, aber da wird derzeit gebastelt, so dass wir enttäuscht wieder Richtung Altstadt laufen. Plötzlich werden wir von der Seite von einem jungen Pärchen angequatscht. Wie es uns geht, woher wir kämen, wie wir Havanna fänden – die ganze Litanei. Dagmar ist ein sehr höflicher Mensch und hat bereitwillig alle Fragen krächzend beantwortet. Ich bin noch sehr zurückhaltend – man liest ja immer wieder, wohin so was führt. Ausraubung, Folter, Vergewaltigung, Tod auf einer Müllhalde.

Nun, die beiden sind zugegebenermaßen sehr nett und sympathisch und überreden uns, irgendein Tanzlokal anzusehen, in dem Rumba oder Salsa oder beides getanzt würde (was mich übrigens nicht im geringsten interessiert). Das Lokal – rund 200 m entfernt, ist natürlich geschlossen, aber gaaanz zufällig ist eine gaaanz tolle Kneipe direkt nebenan, in die uns die beiden auf einen – alkoholfreien! – Mojito einladen. Wir kommen also ins Gespräch. Er ist Koch in einer Grundschule, sie ist Kindergärtnerin. Beide verdienen so etwa 350 CUBS im Monat. Etwa 15 CUCs sind das – oder elfeinhalb Euro. Im Monat! Das Essen ist umsonst und rationiert, die Wohnung wurde ihnen vom Staat geschenkt, das Wort Steuern kennen sie nicht. Aber 350 CUBs reichen natürlich vorne und hinten nicht. Das Mädel bittet Dagmar, mit ihr zusammen Milchpulver für ihren kleinen Jungen zu kaufen, weil die Zuteilungsmenge dem Kind einfach nicht ausreicht. Das Pulver gibt es aber nur gegen CUCs, die sie nicht hat. Daggi hilft ihr natürlich und ist im Nu 24 CUCs los. Dafür hat das Kind jetzt wochenlang zu trinken. Ihr Freund oder Mann bittet mich zum Glück nicht, ihm ein iPhone oder ein Auto zu schenken. Aus Dankbarkeit, so günstig weggekommen zu sein, zahle ich natürlich die Gesamtrechnung. 44 CUCs haben die beiden alkoholfreien Runden Mojito gekostet, da cucste!

 
Ein nettes Paar

Ich will nicht diskutieren und zahle den Wucher. Wahrscheinlich macht der junge Mann mit dem Wirt halbe halbe. Egal, war ein nettes und informatives Gespräch über die Schattenseiten des Sozialismus. Und die Gefahr, dass uns die beiden in Deutschland besuchen kommen, jetzt, da Raoul Castro die Reisefreiheit angekündigt hat, ist auch nicht besonders groß. Allein für das Flugticket müssten die beiden rund 10 Jahre sparen, ohne auch nur einen einzigen CUB ihres Gehaltes auszugeben. Fairerweise muss gesagt werden, dass uns die beiden offensichtlich in ihr Herz geschlossen haben, denn wir beide werden innig umarmt, als wir uns dann vor der Kneipe von ihnen verabschiedeten. Und wer weiß, vielleicht sehen wir sie ja wieder: Das Mädel hat Dagmar eine Liste besonders schöner Kneipen, Restaurants und Sehenswürdigkeiten aufgeschrieben, die wir wahrscheinlich auch noch abklappern werden.

Die vielen ungeplanten Ausgaben haben unseren CUC-Bestand schneller schmelzen lassen als wir das vorhatten. Also bleibt uns nichts anderes übrig als uns wieder in die Schlange vorm Geldwechselinstitut einzureihen. Leider ist die diesmal bedeutend länger. Eine Stunde und vierzig Minuten brauchen wir, um unsere paar Euros in die konvertible Landeswährung umzutauschen! Um viertel vor drei bekommen wir dann endlich unser Mittagessen, aus unerfindlichen Gründen sind wir wieder im „CAFÉ PARIS“ gelandet. Ich will Spaghetti, aber die sind alle. Daggi will eine bestimmte Pizza, aber die gibt es auch nicht mehr. Außerdem spielt eine neue Band am laufenden Band kubanische Guantanameras. Ein Taxi bringt uns ins Hotel, wo wir einen großen Batzen des Geldes gleich wieder für eine weitere Tour am Donnerstag und Freitag ausgeben. Im Moment ruht die Dame des Hauses und ich sitze bei einem Bier am Pool und tippe diese Zeilen.

Heute ist Sylvester und wir wollen ja noch was erleben! Wir haben nichts fest gebucht. Der Plan lautet: Rumziehen, zugucken, zuhören, trinken, lachen und das neue Jahr begrüßen. Wie´s wirklich war, schreibe ich dann morgen…


SILVESTER

So gegen 19 Uhr ziehen wir los. Erstaunlicherweise steht kein Taxi vor der Tür, nur ein sogenanntes „Coco“, eine von diesen Plastik-Minikisten mit Nähmaschinen-Motörchen, die beim leisesten Windstoß umfallen. Unser Reiseführer „Marco Polo“ hat uns die Nutzung dieser Organspenderkutschen nicht empfohlen – also nehmen wir mal wieder den Fußweg in die Altstadt. Wir gehen durch eine für uns neue Straße, die offensichtlich für die einheimische Bevölkerung gedacht ist. Günstige Kleidergeschäfte, kleine Cafes und selbst komplette Kaufhäuser säumen die Straßenränder. Dafür nagt leider überall der Zahn der Zeit. Auch hier sieht alles aus, als würde es jeden Moment vor unseren Augen zerbröseln. Ich mache ein paar Fotos von der Elektroinstallation in den Häusern, bei deren Anblick jeder gelernte Elektriker augenblicklich in Ohnmacht fallen dürfte, so wild wird hier kreuz und quer – ohne jede Isolierung oder Abdeckung – frei verkabelt. Die meisten Steckdosen haben 110 Volt, nur neuere Bauten bieten schon 220 Volt an. Für unsere Handy-Netzteile ist dies von untergeordneter Bedeutung, da deren Schaltnetzteile immer automatisch die richtige Spannung und Stromstärke zur Verfügung stellen, die zum Laden der Geräte benötigt werden. Nur mit dem Fön haut es leider nicht hin. Der lässt sich nicht auf 110 Volt umstellen und pustet daher nur mit halber Kraft durch mein schütteres Haar. Na ja, dann passt es ja wieder.

 
Die sehen schöner aus als sie fahren

Kurz vorm „CAPITOL“ versucht ein Pärchen mal wieder, den Trick des Vormittags bei uns anzuwenden. Aber wir sind ja nun gewarnt und können uns der „Empfehlungen“ der Touristenjäger erwehren und die beiden schnell abschütteln. Da es noch etwas zu früh für das Abendessen ist, versuchen wir, im Cafe „FLORIDATA“ einen Drink zu bekommen. Das ist das wohl berühmteste Cafe der Altstadt, weil sich dort ein gewisser Ernest Hemmingway regelmäßig die Kanne gegeben hat. Aber leider kommen wir nicht rein, da das Lokal heute nur für Essensgäste geöffnet ist. Also weiter. In der uns nun schon sehr vertrauten Hauptstraße des Viertels finden wir auch bald ein sehr schönes Lokal, das für 20 CUCs ein umfangreiches Silvestermenü anbietet. Es gibt einen Willkommenscocktail, ein Süppchen, Fleisch – oder Fischbatzen, Nachtisch und Cafe. Wir trinken Mojitos und Bier. Schnell füllt sich das Lokal und genauso schnell steigt die Lautstärke um uns herum an. Wenn es in Havanna eine Regel für erfolgreiche Gastronomie gibt, dann lautet sie: je lauter, desto besser. Wenn um einen herum nicht mindestens die Lautstärke eines startenden Jumbojets herrscht, fühlt sich der Kubaner nicht wohl. So auch hier. War schon die Musik aus den quäkenden Lautsprecherboxen eine Zumutung, wird es mit dem Aufspielen der obligatorischen Band zur Qual. Leider haben die Jungs auch einen Querflötenspieler dabei, dessen Gefiepse jeden Tinnitus in den Schatten stellt. An Unterhaltung ist nicht mehr zu denken. OK, Dagmar kann ja sowieso nicht mehr reden. Jeder Versuch einer Äußerung wird mit starken Halsschmerzen bestraft.

Wenigstens gibt´s was für´s Auge: eine 1:1-Kopie der unsterblichen Romy Schneider taucht zusammen mit ein paar Freunden auf, um ebenfalls hier zu feiern. Das hübsche Wesen flirtet mit den Musikern, dass es schon fast peinlich ist. Sie tanzt mit der Band, in der Band, vor der Band und reißt ihre ganzen Kumpels und viele andere Touristen mit. Ein kurzes Video von ihr stelle ich demnächst mal ins Internet. Inzwischen ist es zehn und wir wechseln das Lokal. Auch hier ist es so laut, dass wir nicht lange bleiben. Im dritten Lokal (bei weiteren Mojitos) halten wir es auch nur eine halbe Stunde aus. Das Touristenviertel ist am Überquellen. Vor der Kathedrale soll ein großes Spektakel stattfinden. Da der Eintritt (samt Silvestermenü)130.- CUCs betragen hätte, haben wir davon Abstand genommen. Aber jetzt, so kurz vor Mitternacht, wollen wir versuchen, einen Blick auf die Tänzerinnen und Tänzer zu werfen. Leider ist es nicht möglich, da die Veranstalter den Platz ringsum hermetisch abgeriegelt haben. Durch einen Schlitz kann man wenigstens von der Seite ein paar Sekunden lang zusehen, was da auf der Bühne gezeigt wird. Es ist definitiv keine 130.- CUCs wert. Also ab in die „LE BODEGUITA DEL MEDIO“ – den anderen Ort in Havanna, den Ernest Hemingway mit seinem regelmäßigen Besuch veredelt hat. Aber auch hier drin ist es so laut und überfüllt, dass wir nach wenigen Minuten das Weite suchen. Plötzlich entdecken wir ein Restaurant, das wir bisher noch nicht gesehen haben. An der Bar sind noch Plätze frei, die Musik ist erträglich und der Mojito schmeckt vorzüglich. Auch hier tritt nach ganz kurzer Zeit wieder eine Band auf. Diese drei Herren haben aber einiges mehr drauf als die meisten Bands, die wir bisher anhören mussten. Fairerweise lassen sie „Guantamera“ weg und bekommen dafür auch ein dickes Trinkgeld.

Getanzt wird immer, überall.

Mitternacht naht. Die Wirtin bereitet bereits Drinks für alle Essensgäste vor, zu denen wir ja nicht gehören. Also bestelle ich nochmals zwei Mojito und gehe mit Dagmar vor die Tür, um den Jahreswechsel abzuwarten (In Deutschland ist es übrigens bereits sechs Uhr morgens). Um Punkt zwölf hören wir 12 Kanonenschüsse im Abstand von etwa zwei Sekunden. Weintrauben werden nicht gereicht – diesen Brauch scheint es nur in Spanien zu geben. Wir stoßen miteinander an, sonst mit niemandem. Wir sind allein in der Fremde. Im Lokal läuft eine Art Neujahresvideoclip mit Fidel persönlich. Er hält keine Rede, sondern ist nur in vereinzelten Filmausschnitten zu sehen, die alle schon sehr alt sein müssen. Der Sprecher beschwört dazu den Sozialismus, lobt die Revolution und dankt Fidel. Che und Raoul Castro für ihre Unterstützung. Die Umstehenden klatschen in die Hände und weinen hemmungslos. Ich habe auch Tränen in den Augen. Die Macht der Medien ist immer wieder eindrucksvoll.

Was nun?

Da wir niemanden kennen, Dagmar nur noch krächzt und wir beide keine Lust auf weitere fünf Stunden Krach mit Mojito haben, beschließen wir, den Abend zu beenden. Gleich das erste Taxi, das wir sehen, ist frei und fährt uns ins Hotel zurück. Es ist ein Chevrolet, der im selben Jahr gebaut wurde, in dem Dagmar zur Welt kam. Man muss fairerweise sagen, dass Dagmar bedeutend besser in Schuss ist als der Chevrolet, ihr Fahrgestell niemals klappert und bei ihr auch nirgendwo der Lack abplatzt. Außerdem verbraucht Dagmar bedeutend weniger Sprit. Obwohl – da bin ich mir jetzt nicht ganz so sicher…

Jedenfalls trinkt Dagmar an der Bar noch ein Bier; ich schaffe kein Getränk mehr. Nicht aus Gründen übermäßigen Alkoholgenusses, sondern weil die viele Säure der Mojitos meinen Magen einfach überreizt hat.

Das war Silvester, brav wie selten.


NEUJAHR

Wir hatten uns vorgenommen, den Tag mal so richtig ruhig anzugehen. Also spät aufstehen, schön frühstücken und dann einfach ein bisschen rumzubummeln. Dagmar legte sich nach dem Frühstück noch einmal hin und schlief bis Mittag durch. Ich nutzte die Zeit, um doch noch einmal eine Internetverbindung zu bekommen. Im Hotel gab es zwar vier Rechner, mit denen man theoretisch ins Internet kommen könnte, aber entweder waren die besetzt, defekt oder es gab keinen Zugang. Heute am ersten Januar war es anders. Die Rechner waren frei, es gab eine Codekarte für 6 CUCs für eine Stunde Verbindungszeit. Die Hälfte davon verbrauchte ich, um überhaupt auf mein Mailkonto zu kommen. Dort waren inzwischen ca. 180 Mails eingetroffen, also deutlich weniger als befürchtet. Das Anzeigen einer Mail dauerte ca. 30 Sekunden, Antworten abschicken doppelt solange. Manchmal blieb das Ding aber auch einfach stehen und es passierte nichts mehr. Das Löschen mehrerer Mails auf einmal führte ständig zu Fehlermeldungen. Außerdem war die Maus kaputt. Nach einer Stunde hatte ich gerade mal fünf Mails gelesen und beantwortet. Raoul, ich schreibe es hier noch einmal deutlich: da besteht Handlungsbedarf! So schön Kuba ist, ohne Internet fühlt man sich hier wie im letzten Jahrhundert.

 

Ich ging frustriert ins Hotelzimmer, wo Dagmar sich gerade ausgehfein gemacht hatte, wir wollten ja noch ein bisschen rumbummeln.

Es wurde dann doch wieder ein Fußmarathon. Wir liefen die Küstenstraße, die sogenannte „MALECON“, westwärts so weit wir konnten. Dann links ab in Richtung Zentrum. In einem großen Hotel, das ich noch von meinem letzten Kuba-Aufenthalt kannte, speisten wir zu Mittag. Dann weiter zu Fuß durch die Stadt. War irgendwie nicht sonderlich prickelnd, da heute nicht nur Neujahr war, sondern auch ein nationaler Feiertag. Das bedeutete, dass nahezu alle Geschäfte geschlossen und alle Einheimischen zuhause waren oder auf der Straße rumstanden. Also doch wieder ins Touristenviertel in der Altstadt! Da der Weg dorthin zu Fuß nun doch ziemlich lang war, nahmen wir ein menschliches Taxi, also ein Fahrrad mit Fahrer, der uns bis zum „CAPITOL“ strampelte.

 
Taxi mit 1 MS (=Menschenstärke)

Der Mann kam ganz schön ins Schwitzen, was ihm aber nicht geschadet hat, denn wie so viele Kubaner hatte er eine Menge Speck zuviel am Körper. Ich weiß, wer im Schlachthaus sitzt, sollte nicht mit Schweinen werfen, aber es muss doch mal gesagt werden: Vor allem Havannas Damen scheinen sich ausschließlich von Zucker und Fett zu ernähren. Je dunkler die Hautfarbe, desto schwerer der Körper. Damit man das Gewicht auch schön sehen kann, schmücken sich die dicken Damen mit hautengen knallbunten Klamotten, die aber auch jede Speckfalte schön zur Geltung bringen. Vor allem Netztstrümpfe mit rausquellenden Fettpolstern scheinen kubanische Männer glücklich zu machen. Und die Rocklängen verkürzen sich analog zum Umfang der Trägerin. Je fetter, desto kürzer. Ich hoffe, dass wir in Deutschland vor dieser Mode verschont werden.

Klar, es gibt auch sehr viele sehr schlanke Mädchen. Vor allem die ganz jungen, so bis 18, 19 Jahren haben noch ihre Traummaße. Das sind auch die, die in unserem Hotel jeden Abend die Discothek aufsuchen, um sich dort bei ein paar Longdrinks in Exstase zu tanzen. Dabei tragen sie Schuhe, die eigentlich dem Kriegswaffengesetz unterstehen müssten. Stilettos mit meterlangen Absätzen und Klumpschuhe, auf denen beim besten Willen kein Mensch jemals grazil laufen kann. Die Musik unterscheidet sich übrigens kaum von der üblichen Musikmatsche, die wir auch bei uns im Radio derzeit angeboten bekommen, nur eben auf spanisch. Vielleicht kommt noch ein Abend, an dem ich angetrunken genug bin, mich in unsere Discothek mal selbst reinzutrauen…

 
Der Strom liegt über der Straße

Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, wir waren wieder in der Altstadt. Heute hat man uns ins „FLORIDATA“ eingelassen. Das Lokal Hemmingways, wie schon erwähnt. Der Meister persönlich saß an der Theke. Nein, das geht ja nicht – der hier war aus Messing, sah aber absolut lebensecht aus. Viele Touristen ließen sich mit ihm fotografieren. Wir schlürften zwei Daikiri – der übrigens hier erfunden wurde – und ertrugen wie üblich die Band, den CD-Verkauf und „Guantamera“.

Weiter im Programm:

Zum xsten Male bummelten wir durch „unsere“ Straße, immer wieder was Neues entdeckend. Die Wechselstube war selbst heute geöffnet und die Schlange davor nur wenige Meter lang. Am „PLACE DE LAS ARMAS“ war wieder der kleine Flohmarkt aufgebaut und wir hatten Zeit und Muße, uns diesen etwas genauer anzuschauen. Unter anderem sah ich einen Stand mit alten Uhren. Richtige, teure, goldene Uhren aus den 1930er bis 1960er Jahren. Lauter bekannte französische Namen und alle intakt. Nun gut, die Vergoldung war nicht immer perfekt, die Ziffernblätter vergilbt und die Armbänder fehlten komplett, aber ich war sicher, dass hier wahre Schätze zu finden waren. Eine „Baume & Mercier“ hatte es mir besonders angetan. 200 CUCs oder 160.- Euro sollte das gute Stück kosten. Ich habe allerdings keine Ahnung, was eine Restaurierung des Antiquariats kosten würde. Daggi fand einen Comic über die Revolution mit lauter Sammelbildchen drin für 10.- CUCs als Faksimile oder 80 CUCs im Original, natürlich vollständig. Unser Freund Micky Waue, ein passionierter Sammler von Plakaten, Comics und Blechschildern, würde sich keinen Meter von diesem Flohmarkt entfernen, bevor er ihn nicht restlos leergekauft hätte.

 
Mal sehen, wie lange das Stück aus den 40er Jahren noch läuft…

Wir aber vertagten einen eventuellen Kauf und zogen weiter. Am Hafen tranken wir noch einen Kaffee und auf dem Platz der Kathedrale noch einen lieblos gemixten Drink. Dann war es schon wieder Zeit für das Abendessen. Eigentlich wollten wir ja am Hafen in ein schönes, sehr günstiges Fischrestaurant gehen, aber auf dem Weg dorthin entdeckten wir einen Italiener, der trotz dezenter musikalischer Live-Unterhaltung sehr einladend aussah. Bis auf den Cesar´s Salad, der eine einzige Matsche war, waren sowohl Essen als auch der Wein vom Feinsten. Satt und zufrieden fuhren wir mit dem Taxi ins Hotel. Morgen sollte unser erste Tour beginnen.


DER VIERTE TAG – VIÑALES

Das iPhone weckte uns um sechs Uhr dreißig. Wenigstens EINE Funktion, die das Gerät hier noch ausüben konnte. Internet gibts ja nicht. Die eiskalte Dusche vertrieb mir schnell die letzte Müdigkeit. Sieben Uhr Frühstück, sieben Uhr dreißig Abholung vor dem Hotel. So war zumindest der Plan. Tatsächlich kam unsere Reiseleitung erst kurz vor acht und es dauerte noch eine weitere Stunde, bis wir endlich den Bus mit Touristen vollgepackt hatten. Insgesamt musste der Chauffeur 15 Hotels anfahren, um die Leute zusammenzuklauben. Viñales liegt ganz im Westen Kubas und bietet vor allem eins: Natur pur. Aber es gab noch mehr zu sehen. Zunächst fuhren wir durch die westlichen Randbezirke Havannas mit seinen wunderbaren Wohnbezirken. Zum einen die „Marina“-Gegend. Schöne, intakte kleine Villen mit viel Grün – das Wohngebiet der Besserverdienenden. Noch besser dann das sich anschließende Diplomatenviertel. Die Villen schon ein ganzes Stück größer und die Grundstücke geradezu verschwenderisch groß. Kuba unterhält diplomatische Beziehungen zu rund 100 Staaten. Da ist man gerne Diplomat.

 
Die Geschichte der Menschheit auf Stein

Auf dem Weg zum Ziel besuchten wir auch noch eine kleine Rumfabrik. Mit Verköstigung. So früh hatte aber kaum einer Lust auf Alkohol. Also weiter. Wir besuchten das Naturdenkmal „Loz Jamines“, an dem ein berühmter Maler in den sechziger Jahren die Geschichte der Menschheit auf eine große Felsfläche gemalt hat. Für Details verweise ich wie immer auf die einschlägige Literatur, die den Umfang dieses Blogs sprengen würde.

Dann kamen wir nach Viñales. Ein hübscher Ort mit noch mehr Natur sowie freilaufenden Rindern und Pferden. Und schon waren wir wieder raus aus dem Ort. Das nächste Ziel war ein Farmer, der uns erklärte, wie man Zigarren dreht. Tabak ist ja so ziemlich der bekannteste Exportartikel Kubas und daher war es schon recht interessant, wie so eine „Havanna“ entsteht. Zunächst wird der Samen in einem kleinen Feld eingesäht. Das passiert im November. Etwa im März sind die Pflanzen ca. 30 Zentimeter hoch und werden in ein größeres Feld umgesetzt, wo sie im Abstand von 50cm bis zu ihrer vollen Größe, ca. 1,30m., aufwachsen. Dann werden sie gepflückt und ewig lange getrocknet. Dafür haben die Farmer spezielle Hütten, die mit Palmblättern bedeckt sind. Und in einer solchen Hütte standen wir nun rum und sahen zu, wie der Farmer ein getrocknetes Tabakblatt zu einer Zigarre drehte und diese dann sogar anzündete und reihum gehen ließ. Schon aus hygienischen Gründen haben wir da nicht mitgemacht. Anschließend führte uns der Farmer in sein angebliches Wohnzimmer, wo wir ein Käffchen aufs Haus trinken durften und Daggi eine Zehnerpackung Zigarren erwarb – für wen auch immer. Draußen gackerten die Hühner, drinnen roch es etwas streng nach Tabak, und alles in allem könnte ich mich auch nach dieser idyllischen Demonstration heimeligen Landlebens nicht für ein solches begeistern.

 
Hübsche Hütte

Dann ging es weiter zur Höhle „Cueva del Indio“, wo die Ureinwohner Kubas sich vor Columbus versteckt hatten. Dass das nichts genützt hat, ist ja inzwischen bekannt. Innerhalb der Höhle musste man durch einen ganz engen Spalt kriechen, was ich im ersten Anlauf nicht geschafft habe. Erst nachdem sich auch ein wesentlich dickerer Mann erfolgreich durchgezwängt hatte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und quälte mich durch den Felsen, dabei im Geiste den deutschen TÜV lobend, der sowas nie zugelassen hätte.

Am Ende der Höhle stiegen wir dann in ein Motorboot um, das uns noch eine Weile durch die Tropfsteinhöhle kutschierte. Endlich wieder draußen, gab es lecker Mittagessen. Ein nettes Pärchen, das auch bei uns im Hotel wohnte, saß mit uns am Tisch. Vielleicht Australier, vielleicht Schotten oder Iren – die ham so genuschelt…

Die obligatorische Band raspelte ihre drei Songs runter, verkaufte ihre CD oder kassierte Trinkgelder, während wir das durchaus gelungene Einheitsessen einnahmen. Anschließend durften wir noch eine halbe Stunde frei rumlaufen, bevor wir wieder in den Bus mussten und uns von der Reiseleiterin in brüchigem Englisch weitere Details über Land und Leute einbläuen ließen.

So gegen 19.00 Uhr waren wir – nach der Freilassung der anderen Touristen – wieder im Hotel. Auf der Suche nach einem Speiselokal entdeckten wir keine zweihundert Meter entfernt an der Küstenstraße, am „MALECÓN“, das Restaurant „CASTROPOL“, das in einer wunderschönen Prachtvilla untergebracht ist und zu unschlagbaren Preisen unheimlich große Portionen Essen anbot. Es war knallvoll, aber wir hatten Glück und erwischten einen Platz im vorderen überdachten Innenbereich. Es gibt auch noch einen offenen Innenbereich und einen zweiten Stock samt Balkon, der ebenfalls voll besetzt war. Da das Lokal hauptsächlich von Kubanern besucht war, konnten wir uns eigentlich auf die gute Küche verlassen – und wurden auch nicht enttäuscht. Das Essen kam zwar ein bisschen schnell, aber viel reden konnte Dagmar ja sowieso nicht, obwohl es langsam mit ihrer Stimme wieder bergauf ging.

Nach dem tollen Essen waren wir mal wieder ziemlich groggy. Das frühe Aufstehen und die Strapazen der Tour steckte uns in den Knochen. Und morgen früh sollte ja schon die nächste Tour starten – wieder um halb sieben..

Also nur noch mal schnell an der Bar geschaut, ob irgendwelche bekannten Gesichter zu finden waren. Und genau so war es: Zunächst begrüßte uns das englische/australische/schottische Paar, das tatsächlich aus London kam und im Werbemarketing arbeitete. Er, Don, war außerdem Musiker und fest entschlossen, die spezielle Gitarrentechnik kubanischer Musiker zu erlernen, die sich sehr von der üblichen Art unterscheidet, Gitarre zu spielen. Sie hieß Emma, war recht hübsch und ziemlich aufgedreht. Und schließlich war da noch John, ein dicker Ire, den ich schon an den Computern kennengelernt hatte. Er war daran gescheitert, seine Bordkarte auszudrucken, ohne die ihn RYANAIR nicht an Bord lassen würde. Leider waren die Computer im Hotel tatsächlich in keinster Weise mit dem einzigen Drucker verbunden, den das Haus aufzuweisen hatte. Von USB-Sticks hatte hier auch noch nie jemand etwas gehört. Ich empfahl ihm, das Dokument per Fax an das Hotel zu schicken, was zunächst wie eine grandiose Idee klang. Leider hat unser Hotel kein Fax. Man könnte die Boardkarte abfotografieren und das Foto am Schalter vorzeigen. Mit ein bisschen Glück würde der Scanner den Code lesen können. Leider hatte John keinen Fotoapparat. Angesichts dieser Umstände wäre es ja nicht unbedingt unklug gewesen, die Bordkarte bereits vor dem Start in den Urlaub auszudrucken, aber das erlaubt RYANAIR leider nicht. So befindet sich John derzeit in einer schwierigen Situation. Mal sehen, ob RYANAIR ihn wieder mitnimmt. Selbst schuld, mit dieser Fluggesellschaft zu reisen…

 
Noch so ein Prachtbau

Jedenfalls kamen wir mit den dreien sehr schön ins Gespräch. Angesicht unserer bevorstehenden Tour und dem damit verbundenen unmenschlich frühen Aufstehen wollten wir aber so langsam zu Bette. Ich sagte John nur noch wahrheitsgemäß, dass er mich in seiner Art und Gestik, seiner Stimme und Ausdrucksweise sehr an einen Freund aus Deutschland erinnere, der ein sehr bekannter Rundfunkmoderator sei: Werner Reinke. John dachte einen Augenblick, ich wollte ihn auf den Arm nehmen: Er war nämlich selbst AUCH Rundfunkmoderator mit einem eigenen Sender in Irland: „playfm.com“ – einem der vielen Internetradios, die es inzwischen gibt. Na ja, so haben wir dann doch noch unsere Lebensgeschichten miteinander ausgetauscht, was immer wieder zu großen Überraschungen führte, denn ich war ja selbst auch lange Radiomoderator und DJ. Dagmar und die Londoner tauschten sich über Musik und englische Interpreten aus und hatten natürlich denselben Geschmack. John war mehr ein Fan deutscher Schlagermusik, die ich ja selbst in meinen Anfangszeiten mit produziert hatte. Surprise, surprise.

Na ja, es half alles nix, wir mussten ins Bett. Eine herzliche Umarmung mit den beiden Londonern und eine Einladung für die beiden, uns zu besuchen, beendeten den Abend. John wollte am Freitag wieder hier sein – wir haben ihn aber nicht mehr gesehen. RYANAIR scheint ihn mitgenommen zu haben.


DER FÜNFTE UND SECHSTE TAG – TRINIDAD und Umgebung

Diesmal waren wir schon lange vor dem Weckruf wach. So etwa ab vier Uhr. Draußen vorm Hotel hatte sich die ganze Nacht eine Gruppe junger Leute zum Feiern verabredet. Da wird dann auch gerne mal gesungen. Erst gegen halb sieben verebbte der Lärm – aber da war es zu spät, nochmal die Augen zu schließen. Unser Bus war pünktlich. Es war wieder ein chinesischer Bus der Marke YUTONG, von dem man hier in Kuba Tausende sieht – sicher ein Tauschgeschäft der Regierung gegen Öl oder Ärzte. Unser heutiger Reiseleiter hob sich vor allem durch seinen gesegneten Appetit hervor. Nicht nur auf Lebensmittel. Unterwegs stieg eine dralle Kubanerin ein, die ihm fortan umschwänzelte und auch die Nacht mit ihm verbrachte. Klar, dass er da bei Kräften sein musste. Vielleicht aß er aber auch nur auf Vorrat, denn außerhalb der Touren dürfte bei ihm zuhause Schmalhans Küchenmeister sein. Sein Englisch und damit auch sein Vortrag war bedeutend besser als am Tag zuvor. Der Fahrer war ein sehr großer, hagerer Mann mit einem Hautpigmentproblem. Er war teilweise schwarz, aber dann auch wieder weiß. Außerdem trank er literweise Espresso und rauchte Kette.

 
Auf dem Weg nach Trinidad

Unser Reiseziel sollte TRINIDAD sein. Die ersten Stunden fuhren wir nur Autobahn und es gab herzlich wenig zu sehen. Die ideale Gelegenheit also, den verlorenen Schlaf nachzuholen. An irgendeiner Autobahnraststätte konnten wir dann langsam wieder zu uns kommen. Die erste Stadt, die wir auf unserer Reise besuchten, heißt CIENFUEGO („Hundertfeuer“, nicht verwandt mit Herrn Hundertwasser). Wir stoppten zunächst an einem großen Platz im Zentrum der Stadt, der von Theater, Kirche und Regierungsgebäuden umgeben war – eine Aufteilung, die man immer wieder in kubanischen Städten findet. Wir nutzen die Gelegenheit, um mal wieder ein paar Euros umzutauschen und hatten noch Zeit für einen Capucini. Dann fuhren wir weiter. Auf der Dachterrasse eines ehemals sehr exclusiven Clubs gab es noch vor dem Mittagessen einen Longdrink – Cuba Libre für alle, Kinder und Schwächlinge ausgenommen. Ganz in der Nähe war ein ebenso exclusiver Tennis- und Yachtclub, in dem wir dann – bei gewohnt lauter kubanischer Musik – zu Mittag aßen. Die nächste Station war schon TRINIDAD. Eine sehr geschichtsträchtige Stadt, die mich schon bei meinem ersten Besuch Kubas vor sechs Jahren sehr beeindruckt hatte. Leider war es inzwischen nach 17.00 Uhr und alle Museen hatten schon geschlossen. Als kleinen Ausgleich durften wir in die Töpferwerkstatt eines bekannten Töpfers schauen. Uuunglaublich interessant, gähn. Auch hier dann irgendwo in einer ziemlich schmuddeligen Kneipe ein Drink aufs Haus, diesmal Rum mit Honig. Außerdem trat natürlich die obligatorische Band mit ihrer neuen CD auf. Die Toilette war unbenutzbar. Überhaupt war der ganze Ort ziemlich runtergekommen, verglichen mit allen anderen Städten, die wir bisher gesehen hatten. Hübsch, sehr karibisch, aber dreckig. Über die geschichtlichen Hintergründe des Ortes erfuhren wir genau NADA, also nichts. Um 18.00 Uhr dann Weiterfahrt nach SANTA SPIRITUS, einen sehr schönen Ort mit 72.000 Einwohnern. Hier sollten wir auch übernachten. Und plötzlich wechselte der bisher doch recht gemischte Eindruck dieses Ausflugs zum Guten. Wir kamen in ein wunderbares Hotel direkt in der Stadtmitte, einem großen Park. Das familiäre Hotel war im spanischen Stil sehr geschmackvoll eingerichtet. Die Zimmer waren ein Traum! Es gab sogar einen Safe, 220 Volt und WARMES Wasser! Wir machten uns frisch und gingen dann runter zum gemeinsamen Abendessen. Wir alle saßen an einer langen Tafel im Restaurant des Hotels, dass auf angenehme 4 Grad runtergekühlt war (Scherz!). Schon im Vorfeld hatten wir uns für Rind entschieden, was sich als eine sehr gute Wahl herausstellte. Die Band des Abends bestand aus drei singenden Gitarristen, die auch als die drei Tenöre hätten durchgehen können – ganz große Kunst! Dass bei der Lautstärke keine Gläser zersprungen sind, spricht für ihr Können. Sie bekamen jedenfalls ein verdientes Trinkgeld. Anschließend saßen wir noch eine Weile draußen auf der Veranda und kamen mit einigen anderen Touristen ins Gespräch, so auch mit Stefan, einem SAP-Berater aus Köln. Er war alleine in Havannah, weil seine Mama nicht mehr so gut zu Fuß war…

Der Platz vorm Hotel füllte sich langsam mit Jugendlichen und wir fürchteten schon eine weitere Nacht ohne Schlaf, aber es blieb dann doch bis etwa 6 Uhr am Morgen vergleichsweise ruhig.

 
Hier wohnt ein Chef

Nach dem Frühstück Weiterfahrt nach SANTA CLARA, der letzten Stadt unserer Rundreise. Hier in Santa Clara hatten sich Fidel und Che Guevara mit ihren Jungs in einem Hotel verschanzt. Es war wohl ziemlich knapp für die Rebellen damals. Am Hotel sieht man noch sehr schön die ganzen Einschusslöcher der Regierungstruppen. Die 280.000 Einwohner zählende Stadt war auch Schauplatz eines der letzten großen Angriffe von Diktator Batiste auf die Rebellen. Batiste hatte einen Güterzug mit 1200 Soldaten vollgestopft und wollte diesen Zug mitten in die Stadt fahren lassen, um da mal gründlich aufzuräumen, also so eine Art Trojanisches Pferd.. Che war schlauer und riss mit einem Bulldozer rechtzeitig die Schienen aus dem Gleisbett, so dass der Zug entgleiste und die Angreifer sehr bald aufgaben. Als Batiste davon hörte, soll er ins Exil geflohen sein und die Revolution war komplett. Wir haben uns die Waggons angesehen – das muss eine gruselige Zeit gewesen sein.

 
Heute sind da keine Soldaten mehr drin.

Und damit war unser Programm beendet. Die 169 CUCs (= 130.- Euro) beinhalteten drei Mahlzeiten, ein Frühstück, eine Übernachtung, alle Eintrittsgelder sowie die kompletten Fahrtkosten. Da kann man nicht meckern. Höchstens über den Fahrer. Der war wohl genauso nachtaktiv wie unser Reiseleiter statt sich auszuruhen. Er ist auf der Heimfahrt mehrmals quer über die leere Autobahn geschliddert und machte trotz seines unglaublichen Kaffeekonsums nicht den Eindruck, tatsächlich wach zu sein. Mehrfach blieb er irgendwo stehen, rannte dreimal um den Bus, trat gegen die Reifen und fuhr wieder ein paar Kilometer weiter.

Irgendwie haben wir es aber doch noch geschafft und sind sicher im Hotel angekommen.

Dort war inzwischen Dagmars Freundin und Arbeitskollegin SABINE eingetroffen. Trotz des zwölfstündigen Fluges war sie fit und für jede Schandtat bereit. Also gingen wir noch ins „CASTROPOL“, speisten dort auf der Terasse im zweiten Stock Köstlichkeiten aus der kubanischen Küche und beendeten den Abend mit einem Absacker an der Bar. Es war Freitag, 23.00 Uhr und die Schönen der Nacht standen in langer Reihe vor dem Eingang zur Disco. Das war mal wieder besser als jedes Fernsehprogramm.


DER SIEBTE TAG

Dagmar und Sabine wollten verständlicherweise mal alleine losziehen und ich brauchte auch dringend Zeit, die ganzen letzten Tage nachzutragen. Also setzte ich mich an die Bar, trank zwei, drei Cappucino und war entsetzt, wie viele Einzelheiten ich bereits vergessen oder verdrängt hatte. Außerdem versuchte ich mal wieder, an meine eMails heranzukommen, was heute sogar nahezu problemlos möglich war, denn endlich gab es die ersehnten Internetpässe mit Zugangs- und Passwort für 6.- CUCs pro Stunde. Gegen Mittag bin ich in die Altstadt gelaufen, habe im „FLORIDITA“ zu Mittag gegessen und mir dann auf dem Flohmarkt doch noch eine alte Uhr gekauft. Die „Baume & Mercier“ hatte mir inzwischen jemand weggeschnappt und ähnliche Uhren waren noch teurer. Ich blieb bei einer Uhr aus den 1940er Jahren hängen, einer unbekannten Schweizer Marke, die ich für umgerechnet 35.- Euro außer Landes schaffen werde. Handaufzug, recht klein, vergoldet, mit Sekundenzeiger und Leuchtpunkten, die aber nicht mehr leuchten. Das Ziffernblatt sollte gereinigt werden, sonst ist alles picobello.

So gegen 17.00 Uhr kamen die Damen mit einer Menge an Bildern und Eindrücken zurück. Sie hatten unterwegs sogar STEFAN wiedergetroffen, unseren SAP-Spezi aus Köln. Am Abend waren wir drei dann wieder zusammen essen, beklatschten die Musikanten und fuhren gegen 23.00 Uhr im Taxi nach Hause, wo die Schlange vor der Disco nun schon gut einhundert Meter lang war. Da beide Mädels kaum noch die Augen aufhielten, ging es früh in die Zimmer. Ich habe noch bis 2 Uhr gelesen.


DER ACHTE TAG

Der achte Tag war ein Sonntag und wir beschlossen, zur Abwechslung mal ans Meer zu fahren. Östlich von Havanna gibt es nämlich hervorragende Strände mit feinst gemahlenem Sand. Ein Touri-Bus brachte uns für 5 CUCs hin und zurück. Früher musste das alles mal eine Prachtanlage gewesen sein, die aber nun so langsam in sich zusammenfällt, seit es in Varadero und anderswo neue, modernere Hotels im Dutzend billiger gibt. Der Atlantik war mit 26 Grad Wassertemperatur nicht wirklich erfrischend, sorgte aber immerhin für etwas Abwechslung beim Sonnenbraten. Ich hatte es mir natürlich überdacht im Strandcafe bequem gemacht und las in meinem ARNO DAHL-Krimi weiter. Gegen 14.30 Uhr sind wir dann in ein kleines Strandrestaurant umgezogen und haben frische Fischfilets mit Salat und Reis verzehrt. Dann hatten wir genug vom Strand. Der Bus kam zwar 15 Minuten zu spät, aber das ist in Kuba noch innerhalb der Toleranz. Vom Place Central aus liefen wir wie gewohnt nach Hause, ca. 1,5 km durch dichtbebautes Gebiet. Kurz vorm Ziel dann zum ersten Mal Alarm im Magen-Darm-Trakt! Ich habe es gerade noch ins Zimmer geschafft. Da es außer mir niemanden erwischt hat, können wir bisher keinen Schuldigen an der Darmverstimmung benennen. Die Mädels haben sich dann in die Maske verabschiedet und ich habe es mir mal wieder an der Bar gemütlich gemacht. Eine alte englische Schachtel fragte mich, ob ich Schriftsteller sei, weil ich ja dauernd auf meinem Notebook rumtippen würde. Ich verneinte die Anfrage und war eigentlich eher erstaunt, warum sich fremde Leute in meine Angelegenheiten mischen.

 
Noch mehr Meer gibt´s rings um die Insel.

Den Abend verbrachten wir wieder bei vorzüglichem Essen bei „CASTROPOL“ und einem anschließenden Besuch des Hotels „RAQUEL“, dessen Dachterrasse unserem Reiseführer eine besondere Erwähnung wert war. Um dorthin zu kommen, brauchten wir ein Taxi. Das einzige Gefährt, das vor unserem Restaurant wartete, war ein uralter LADA, der an allen Ecken und Enden völlig verrostet war, dessen rechte hintere Türe nicht mehr aufging und dessen Beifahrertür halb in den Angeln hing. Ein Taxischild fehlte auch, aber der Türsteher sagte, dass es ein Taxi sei. Da die Mädels unbedingt mal LADA fahren wollten, stiegen wir ein. Innen dasselbe Bild: Völlig zerschlissen, halb demoliert, Löcher im Boden, aber ein lautes CD-Radio. Der junge Fahrer, anders als andere Kubaner sehr unsauber mit löchrigen Klamotten bekleidet, hatte keine Ahnung, wo sich das RAQUEL-Hotel befindet. Er kannte auch die Straßen nicht, die Sabine ihm aus dem Reiseführer vorlies. Er fuhr einfach drauf los. Bei einem Bremsmanöver bergab hatte ich den Eindruck, dass die Kiste nun jede Sekunde komplett auseinanderfallen müsste, aber wie durch ein Wunder fanden die Räder wieder Kontakt zur Fahrbahn und brachten uns in die tiefe, dunkle Altstadt. In Straßen, die wir noch nie gesehen hatten. Alle paar Meter hielt der Fahrer an, um sich bei den Einheimischen nach dem Weg zu erkunden. Sabine erkannte als erste den gesuchten Straßennamen und bat, zu stoppen. Ich wollte auch keine Sekunde länger in dem durch Abgase verseuchten Innenraum ausharren und öffnete die Beifahrertür. In derselben Millisekunde überholte uns rechts ein Fahrradtaxi und knallte mit Schmackes gegen die Autotür. Das Fahrradtaxi kam augenblicklich zum Stehen und drei Menschen wirbelten durch die Gegend. Der Fahrer hielt sich die Stirn, wo ich sekündlich einen Blutschwall erwartete, eine Mutter mit Teenagertochter schrie laut, das Kind hielt sich schmerzverzerrt die Hand und ich konnte nur noch „Perdon!!!“ stammeln.

Ich war am Boden zerstört. Es war mir klar, dass ich in diesem Moment das Leben dreier Personen nachhaltig zerstört hatte. Der Fahrer würde den Rest seines Lebens nur noch schwer entstellt meistern können, das junge Mädel würde ihren Arm verlieren und die Mutter an gebrochenem Herzen vorzeitig ableben.

Da sagte Dagmar plötzlich: „Die haben doch gar nichts. Das ist alles Show!“ Und richtig, der erwartete Blutschwall blieb aus, man sah nicht den geringsten Kratzer an der Stirn des Fahrers, das Handgelenk des Mädchens war genauso fett wie vorher und ließ sich problemlos bewegen und die Mutter nutze mit ihrer schrillen Keiferei die Gunst der Stunde, uns ein wenig abzuzocken. Was die Bande nicht wusste: Sabine ist des Spanischen durchaus mächtig und verstand so ziemlich genau, was da ablief. Ich hatte inzwischen dem Fahrer die vereinbarten 5 CUCs gegeben, um wenigstens hier keinen Fehler zu machen. Der mahnte dann auch die anderen, in ihren Äußerungen etwas vorsichtiger zu sein, da wir ihre Sprache sprächen. Plötzlich wechselten sie die Taktik. „Das Kind muss ins Krankenhaus zum Röntgen!“ war die neue Forderung. Wir sollten gefälligst die Fahrt- und Krankenhauskosten bezahlen. Nun ist die medizinische Versorgung in Kuba zwar kostenlos, aber wenn ein Tourist schuld an einer Verletzung eines Kubaners ist, bleibt er solange im Land, bis alle Kosten beglichen sind. Da ich jetzt so gar nicht mehr wusste, wie man sich in einer solchen Situation, die ja durchaus mit Gefängnisaufenthalt enden kann, verhalten soll, schlug ich vor, die Polizei zu rufen. „Policia?“ Das Geschnatter der Schwerverletzten wurde augenblicklich ruhiger. Der Taxifahrer hatte offensichtlich keine Taxilizenz und das Auto gehörte eindeutig in die Schrottpresse. Der Fahrer des Fahrradtaxis hatte uns in zentimeterkurzem Abstand rechts überholt, obwohl er sehen konnte, dass gerade Fahrgäste ausstiegen. Und die resolute Mutter hatte plötzlich nur noch Angst, dass das Kind die Schule versäumen würde, wenn man sie jetzt nicht unverzüglich ins Krankenhaus bringen würde. Dann sagte ich zu Dagmar, dass ich den Fahrer ja schon bezahlt hatte und Daggi sagte, dass Sabine den Fahrer auch schon bezahlt hätte. Sieh da, da hat der kleine Gauner, ohne ein Wort zu sagen, gleich zweimal kassiert. Damit konfrontiert, schlug er vor, mit den zweiten 5 Pesos das Kind ins Krankenhaus zu fahren und die Sache wäre damit für uns erledigt. Wohl abwägend, welche Konsequenzen der eine oder andere Ausgang des Dramas haben würde, entschieden wir uns, dem Fahrer die zweiten 5 CUCs zu schenken und gingen zu Fuß die paar Meter zum Hotel „RAQUEL“ weiter. Die Bande hatte also rund 120 kubanische Pesos gut gemacht. Bei einem Gehalt von durchschnittlich 350 Pesos kein schlechtes Geschäft.

Es hätte auch anders ausgehen können. Unabhängig davon, ob überhaupt jemand verletzt war, ist der Unfallverursacher erst mal in jedem Fall schuld. Wäre ich nicht nach Kuba gereist, hätte der Unfall ja auch nicht passieren können. Diese stringente Logik zu durchbrechen, bedarf dann anwaltlicher Hilfe. Und bevor ich wochenlang ohne Wasser und Wein in irgendeinem Kerker vor mich hinsiechen würde, war es doch besser, klein beizugeben…

Das Hotel „RAQUEL“ in der Nähe der Kreuzfahrtschiff-Docks ist übrigens tatsächlich ein weltberühmtes jüdisches Gebäude von geradezu einmaliger Schönheit. Hoch oben auf der Dachterrasse schlürften wir dort Bier und Mojitos und schworen uns, nie wieder in einen LADA ohne Taxischild zu steigen. Ein gutes Stündchen später erkundeten wir noch ein paar Seitenstraßen rund um das Hotel. Ein Prachtbau neben dem anderen, tolle Museen, Restaurants, Hotels, wohin man nur schaute. Havanna ist für mich architektonisch inzwischen die schönste Stadt der Welt, auch wenn mindestens zwei Drittel der Prachtgebäude dringend renoviert werden müssen. Cuba soll ja mal die reichste Stadt der USA gewesen sein.

Für die Heimreise waren wir in der Taxiwahl diesmal sehr sorgfältig und lehnten alle alten Kisten, also die ganzen illegalen Schrottbüchsen einfach ab und fuhren mit einem offiziellen Taxi (das sogar einen Taxameter hatte, der natürlich nicht lief) nach Hause. Das übliche Discopublikum stand schon wieder am Eingang…


DER NEUNTE TAG

Ein Tag wie jeder andere. Bummeln durch die Stadt, diesmal aber getrennt. Zum vierten Mal den Flohmarkt am „PLACA DE LAS ARMAS“ durchpflügt. Ein paar Telefongespräche nach Hause geführt, später irgendwo in der Altstadt zu Mittag gegessen und Dagmar und Sabine später im „Hop On – Hop Off“-Bus wieder getroffen. Stadtrundfahrt die Zweite. Abends Internet, danach Essen im „CASTROPOL“. Anschließend noch auf ein paar Wein in einem anderen Club namens „CAFÈ NERUDA“ im Freien. Spät zu Bette, dicker Kopf. Und um sechs klingelte der Wecker.


DER ZEHNTE TAG – „VARADERO“

Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich schon mal auf Kuba war, und zwar zum Jahreswechsel 2006/2007. Die 186 Fotos von damals habe ich sogar auf dem iPhone dabei. Sie sehen eigentlich genauso aus wie die Fotos 2012/2013…

Heute wollten wir uns also auf die Spuren meines damaligen Urlaubs begeben, denn damals war ich ja nicht in Havanna (außer auf Ausflügen), sondern auf der Touristenhalbinsel „VARADERO“. Damals durften da keine Kubaner rein, sofern sie dort nicht arbeiteten. Touristen waren auch auf ihr eigenes Hotel beschränkt, da sie durch das Armbändchen für den „All-Inclusive-Service“ fest an ihr Hotel gebunden waren. Zusätzliche Restaurants gab es kaum, auch nur wenige Bars oder touristische Märkte. War ganz schön langweilig damals. Heute ist das anders. Aber der Reihe nach.

Schon fünf Minuten vor halb sieben, unserer Abholzeit, wurde an unsere Türe geklopft. Der Bus sei schon da. Es war ein Kleinbus mit insgesamt sechs Touristen, einer Reiseleiterin und natürlich dem Fahrer. Die Reiseleiterin begrüßte uns mit einem hübschen Kalenderspruch: „Yesterday is history, tomorrow is mistery and today is a gift!“ Sie ähnelte ein wenig der Schauspielerin Christine Ursprung, die als kleinwüchsige Assistentin des Tatort-Gerichtsmediziners Börne bekannt geworden ist. Die Fahrt ging non-stop nach Varadero und die sehr gut englisch sprechende Dame erzählte uns dies und das über die Dinge, die man sehen konnte, wenn man die Augen offen hatte – was bei mir aufgrund der kargen Nachtruhe nur selten der Fall war. So verpasste ich das Olympiastadion mit dem olympischen Dorf, die Rumfabrik und so manchen geilen Ausblick auf schöne Täler und Berge. Na ja, ich kannte das ja sowieso schon. In Varadero selbst fuhren wir direkt in eines der vielen Touristenghettos. Die Anlage heißt „LAS BRISAS DEL CARIBA“ und hat Platz für rund 400 Brutzelopfer. Sie ist sehr schön angelegt, liegt natürlich direkt am Strand und ist nur eins von über 50 Luxushotels an dieser Küste. Wir zählten 4 Sterne. Demnach hätte unser Stadthotel nur einen Stern haben dürfen (es hat aber 3 Sterne!). Die inzwischen auf vier Personen geschrumpfte Reisegruppe – zwei alte Engländerinnen und Dagmar und ich bekamen sogar ein Zimmer, um sich umziehen zu können. Paarweise, nacheinander, versteht sich. Vorher mussten wir uns aber zunächst ein blaues Plastikarmband ans Handgelenk montieren, damit wir als Tagesgäste identifiziert werden konnten.

 
Das blaue Band der Sympathie

Und dann ging´s zum Frühstück. Es gab zwar eine Menge Sachen, aber sonderlich lecker sah da nichts aus. Vor allem gab es weder Butter noch Margarine. Der Kaffee war kein Deut besser als in unserem Hotel. Also ab ans Meer. Dort wurden uns von einem sehr netten Kubaner Strandliegen aufgebaut – all inclusive! Na ja, ganz so inclusive war da doch nichts. Natürlich hat er dafür ein Trinkgeld erwartet. Genau wie alle anderen Bediensteten. Ob das nun der Eierkoch war, der für jedes Omelett einen Obulus erwartete oder die Bedienungen – alle waren auf Kohle aus. Ganz frech wird es, wenn man mit Euro bezahlen will oder muss. Hier wird der Kurs 1:1 abgerechnet – Mehrkosten also von 30%! Nun gut, damit hatten wir ja nichts am Hut. Wir saßen eine Weile am Strand rum, Dagmar ging bis zu den Knien ins kalte Atlantikwasser und ich las in meinem Krimi weiter. Das hätten wir auch in Havanna am Pool machen können. Also entschlossen wir uns, doch mal ins Zentrum von Varadero zu fahren, den kleinen Ort, den ich von meinem Urlaub kannte, in dem man nicht ganz so isoliert war wie in dieser riesigen Anlage mit seinen dauernden Animationen, seiner qualvollen Dauerbeschallung an allen Ecken und Enden und der Anwesenheit hunderter typischer Unterschicht-Urlauber.

 
Poollandschaft im Touristenparadies

Zum Glück gibt es auch hier einen „BEACH-BUS“, mit dem man für 5 CUCs (oder Euro) den ganzen Strand entlang fahren kann. Und das taten wir dann auch. Der Buss war knallvoll und die Sonne hatte 30 Grad deutlich überschritten. Solange der Bus fuhr, war es durch den Wind sehr angenehm, aber wenn er stillstand, spürte man förmlich, wie die Haut um Hilfe schrie. Ich zeigte Dagmar die ganzen Plätze, die ich damals besucht hatte. Auch mein damaliges Hotel „CLUB TROPICAL“ stand noch da, wo es damals war, aber ansonsten war der Ort gewaltig gewachsen. Ein Cafe neben dem anderen, sehr viele neue Restaurants und auch viele kleine Bazare mit dem üblichen Touristenquatsch. An der Endstation mussten wir ein paar Minuten bei einem CRISTAL-Bier warten – dann ging es denselben Weg wieder zurück.

 
Auch hier: Strand bis zum Abwinken

Im Hotel kamen wir noch rechtzeitig zum Mittagessen. Doch hätten wir gewusst, was da eine Pampe auf uns wartete, wären wir im Ort geblieben. Wenn der Wein so kalt gewesen wäre wie Suppe und das Fleisch so warm wie der Ober, hätte man ja noch was drauß machen können. Tatsächlich war das Essen aber für unsere feinen Geschmacksnerven unzumutbar. Selbst das Eis zum Nachtisch war viel zu süß, um noch gut zu schmecken. Resigniert legten wir uns auf zwei Liegestühle am Pool und lasen noch ein wenig in unseren Büchern. Um drei gaben wir die geliehenen Handtücher ab, zogen wir uns wieder um und warteten auf den Abtransport, der für 16.00 Uhr avisiert war. Da die Rezeption völlig überfüllt war, dauerte es noch bis 16.15 Uhr, bis wir alle unsere Pässe zurückhatten, vom Makel des blauen Bändchen befreit waren und wieder im Bus Richtung Havannah saßen. Unterwegs gab es noch einen kurzen Stop an einem hochgelegenen Aussichtspunkt, der mit einer Piña Colada versüßt wurde (die wir aber selbst bezahlen mussten).

Wenig später sahen wir einen grässlichen Autounfall. Ein amerikanischer Oldtimer hatte sich wohl mehrfach überschlagen und dabei ein bisschen zusammengefaltet. So wie das Blech aussah, war da kein Platz mehr für lebende Menschen. Das Tempolimit von 100 km/h sollte von solchen Wagen nicht ausgenutzt werden, dafür sind die schon damals nicht gebaut worden. Und jetzt, ein paar Millionen Kilometer später, entspricht die Straßenlage der meisten Kisten eher einem schwimmenden Brett im Sturm denn der eines modernen PKW. Unser Bus hatte übrigens 587000 km drauf. Das neueste Taxi, das ich hier fuhr, immerhin 277000. In allen „modernen“ Autos (also hauptsächlich Peugeots) leuchten grundsätzlich sämtliche Warnlampen inklusive der Aufforderung „STOP“ auf, weil das Fahrzeug nicht fahrbereit ist, bzw. gar nicht mehr fahren dürfte. Die weitverbreiteten LADAS, die ja ursprünglich auf dem FIAT 124 basieren, sind alle, aber wirklich alle, absoluter Schrott. Kein TÜV der Welt würde auch nur einem einzigen LADA auf Kuba eine Plakette geben, Regierungsfahrzeuge vielleicht ausgenommen. Also auch auf diesem Gebiet besteht noch großer Handelsbedarf. Raoul Castro hat sich mit seinen Reformen viel vorgenommen. Am einfachsten wäre es, wenn die USA ihr einseitiges Embargo abstellen würden. Ein Embargo, das von der ganzen Welt abgelehnt wird. Aber eher habe ich wahrscheinlich sechs Richtige im Lotto als dass die Amerikaner den Kubanern die Revolution verzeihen würden, die übrigens im nächsten Jahr ihren 55. Geburtstag feiert.

Um viertel vor sieben waren wir wieder im Hotel. Für den Abend hatten wir uns etwas Besonderes vorgenommen: Essen in einem der berühmtesten Lokale der Altstadt. Im „LA GUERIDA“ wurden Teile des Films „Erdbeer und Schokolade“ gedreht, außerdem sind hier in den frühen 1920er bis 1940er Jahren so ziemlich alle bekannten Filmstars dieser Welt ein- und ausgegangen. Als das Taxi anhielt, dachten wir allerdings, dass wir im falschen Film seien. Das Haus aus dem Jahr 1913 war völlig zerstört. Alte Marmortreppen führten jedoch in den dritten Stock, der noch intakt war und in dem sich – wie in einer 4-5 Zimmer-Wohnung – das Lokal befand. Bildhübsche Bedienungen mit einwandfreiem Englisch kümmerten sich sehr freundlich um uns. An den Wändern überall Bilder der großen und berühmten Menschen aus besseren Zeiten – wir wurden leider nicht fotografiert. Es war gar nicht so leicht, hier überhaupt einen Termin zu bekommen – drei Tage Vorlaufzeit muss man schon rechnen.

Doch dann kam das Essen – und das war ziemlich enttäuschend. Die Gemüsebeilagen waren viel zu kalt, meine Schweinefilets knochentrocken, die Kartoffelchips mit Champignons und Zwiebeln zermatscht und ebenfalls kalt. Nur der Cesars Salat war diesmal wirklich gut! Alles in allem war das Essen um Klassen schlechter als in unserem Lieblingslokal „Castropol“. Dafür aber dreimal so teuer.

Um eine wichtige Erfahrung reicher, liefen wir zu Fuß zurück ins Hotel, nicht ohne noch mal Station im „Café Neruda“ am „MALECÓN“ zu machen. Sabine hatte dort am Nachmittag bereits den nächsten Mann ihres Lebens kennengelernt. Es war der Kellner dieser Bar und er hatte ihr angeboten, sein ganzes Leben lang für sie zu putzen. Wem’s Spaß macht…

Sicherheitshalber nahmen wir sie dann aber doch wieder mit ins Hotel.


DER ELFTE TAG

Sabine hat´s erwischt. Nein, nicht der Kellner. Eine Allergie hat sie erwischt. Sonnenallergie oder vielleicht auch eine Lebensmittelunverträglichkeit. Rote Punkte am ganzen Körper. Der Arzt im Hotel empfiehlt ihr Histamine und gibt ihr eine Cortison-Spritze. Für den Rest der Reise muss sie eine strenge Diät einhalten. Hühnchen Si, Fische No. Während sie auf die Medikamente wartet, sitzt Dagmar am Pool und ich versuche, Ordnung in meine E-Mails zu bekommen. Es sind inzwischen über 680 Mails. Da es im Hotel seit gestern keine Internet-Karten mehr gibt, fahre ich ins Hotel Nacional und buche dort eine Stunde. Hier ist die Geschwindigkeit fast dreimal so schnell, so dass ich auch tatsächlich nach einer Stunde wieder auf dem Laufenden bin und eine Menge Mails beantwortet habe. Inzwischen warten mehr als ein Dutzend Aufträge darauf, nach meiner Rückreise erledigt zu werden. Ich bin froh, dass meine Kunden die Geduld haben, noch so lange zu warten. Ich hatte zwar mein gesamtes Aufnahmeequipment mitgenommen, aber das Hotel liegt an einer Hauptstraße und ist auch sonst so hellhörig, dass an saubere Sprachaufnahmen überhaupt nicht zu denken wäre. Und selbst wenn: eine WAV-Aufnahme über dieses lahme Internet zu verschicken würde viel wertvolle Urlaubszeit vergeuden, von den Kosten mal ganz abgesehen.

 
Unser Hotelpool im sechsten Stock wurde exakt mit 87 dB beschallt.

Sabine sieht inzwischen ziemlich schrecklich aus. Die roten Punkte fangen zu allem Überfluss auch noch an zu jucken. Sie hat sich während der Behandlung ausführlich mit der Ärztin unterhalten. Auch sie bekommt nur einen Hungerlohn – die Kosten der ärztlichen Bemühungen erhält der Staat. Die Ärztin ist gezwungen, eine Menge Listen zu führen. Weitergehende Kontrollen wie z.B. die Spionage in der ehemaligen DDR soll es hier nicht geben. Uns fällt auch schon seit Tagen auf, dass man kaum Polizei und so gut wie kein Militär auf den Straßen sieht. In einer Fernsehdokumentation auf „arte“ habe ich aber inzwischen gesehen, dass es in jeder Straße einen oder mehrere regierungstreue „Mitarbeiter“ gibt, die ihre Mitbewohner bewerten müssen und über Belohnungen, Gehaltserhöhungen oder auch Strafen entscheiden. Um über die Runden zu kommen, hat Sabines Ärztin – wie die meisten hier – noch zwei weitere Jobs. Außerdem verkauft sie an Sabine drei paar russische Nylon-Netzstrümpfe. Wo sie die anziehen will, will ich mir besser nicht vorstellen. In Kuba ist es jedenfalls im Moment sehr chic, so rumzulaufen.

Cortison, Penicillin und Histamine scheinen sich gut zu verstehen. Sabine ist bereit, mal wieder einen Stadtbummel zu unternehmen. Der Taxifahrer soll uns in ein Automuseum bringen, das ich noch von damals kenne. Er kennt es leider nicht, denn er fährt uns einfach vors „Floridata“. Aber durch kluges Nachfragen bei diversen Einheimischen gelingt es uns doch noch, den magischen Ort der alten Karrossen aufzufinden. Für 1,50 CUC (statt einem CUC, wie es im Marko-Polo-Führer steht) können wir dann in Ruhe die rund 30 Exemplare aus den 1920er bis 1950er Jahren bewundern. Fotografieren hätte nochmals 5 CUC gekostet (Marko Polo sagt 1.- CUC!), so dass wir darauf verzichten, zumal die Autos nicht sonderlich gepflegt sind. Das Automuseum in Sinsheim ist da von ganz anderem Kaliber…

Wir bummeln noch ein wenig weiter und setzen uns dann in einen der vielen kleinen Parks der Stadt, die die Steinwüsten auflockern. Ein sehr guter Guitarist singt sich die Seele aus dem Leib. Wir trinken Bier und Mojito. Sabine natürlich nicht, die darf ja nicht. Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung.

Für das Abendessen haben wir zum fünften Mal das CASTROPOL auf dem Schirm, weil es hier tatsächlich bisher am besten geschmeckt hat und vor allem ein unschlagbares Preis/Leistungsverhältnis vorliegt.

 
TÜV leider abgelaufen

Da wir auch dieses Mal wieder unglaublich schnell bedient wurden und daher mit dem Essen schon kurz nach neun durch waren, suchten wir uns noch eine Open-Air-Bar am MALACÓN aus. Den Namen habe ich vergessen und möchte ihn auch nie mehr hören. Es war zwar sehr nett in und vor dem Lokal, aber der Besuch der sanitären Anlagen hat diesen Eindruck schlagartig zerstört. Vollgepinkelte Brille, kein Papier, kein Wasser – nicht einmal zum Händewaschen. Außerdem war es eine Toilette für Mann und Frau gleichermaßen. Eine Toilette, die ständig von allen Gästen frequentiert wurde. Mir war sooo schlecht…

Dass im Nachbarhaus ein lautstarker Streit über Spielschulden beim Domino-Spiel eskalierte, passte dann wie die Faust aufs Auge. Unser Hotel liegt übrigens im ehemaligen Schwarzenviertel, das auch heute noch fast ausschließlich von den dunkelhäutigen Kubanern bewohnt wird. Der Streit war aber glücklicherweise nur laut, nicht handgreiflich.

 

Später in der Nacht haben wir erstmals einen Blick in „unsere“ Disco geworfen. Recht gut eingerichteter Schuppen mit Extremlautstärke, Extremklimaanlage und extrem doofem Publikum. Also ab ins Bett.


DER ZWÖLFTE TAG

Immer noch keine Internet-Tickets an der Rezeption. Also fuhr ich wieder ins Hotel Nacional, um dort meiner Arbeit nachzugehen. Aus den über 700 Mails sind inzwischen 160 übrig geblieben, die geschäftsrelevant sind. Die anderen Mails warenWerbung, Spam oder überflüssiges Geplänkel.

Anschließend setzte ich mich in den wunderbaren Garten des Hotels, um da meinen Krimi fertig zu lesen – und gleich noch einen weiteren anzufangen. Im iPad Mini ist ja genug Platz für tausende von Büchern.

 
Derzeit noch nicht wieder bezugsfähig

Um 14.00 Uhr trafen die beiden Mädels dazu. Sie hatten mal wieder einen Stadtbummel gemacht, wären beinahe von einem Motorrad überfahren und von herabfallendem Schutt erschlagen worden. Außerdem hatten beide Bilder gekauft. Schöne Ölbilder auf Leinen. Kofferfertig eingewickelt.

Nach einem kleinen Snack im Hotel Nacional fuhren wir drei dann mit einem wunderschönen roten Cadillac Baujahr 1952 wieder ins „DEAUVILLE“, um uns am Pool noch ein bisschen die Zeit zu vertreiben.

Der geneigte Leser wird vielleicht schon bemerkt haben, dass spätestens an diesem Punkt unserer Reise so ziemlich alles erzählt wurde. Es gebricht an Sensationen oder neuen Eindrücken, da wir so langsam alles Wichtige gesehen haben. Natürlich könnten wir noch die ganzen Museen der Stadt abklappern, aber da wir da völlig unterschiedliche Interessen haben, müssten alle alleine los ziehen, was ja auch wenig Spaß macht. Immerhin beschließen wir, uns am Abend im „HOTEL NACIONAL“ noch einmal eine Show des „BUENA VISTA SOCIAL CLUB“ anzusehen. Mit Essen.

Vorher müssen wir allerdings noch einen Herrn Schröder aus Hannover ertragen. Dieser Herr Schröder ist 63 Jahre alt und nicht identisch mit dem ehemaligen Kanzler der Bundesrepublik, der ja bekanntlich auch aus Hannover stammt. Unser Herr Schröder war Gast im „DEAUVILLE“ und überfiel uns während einer Fahrstuhlfahrt in dem Moment, als er erkannte, dass wir aus Deutschland kamen. „Endlich mal jemand, mit dem man quasseln kann!“ eröffnete er die Konversation, die sich natürlich an der Bar fortsetzte, wo wir auf Sabine warten mussten. Unser Herr Schröder kippte sich in Sekundenschnelle ein ganzes Glas Rum hinter die Binde, um sofort ein Zweites zu bestellen. Er war so was von knallevoll, wie man das selten sieht. Dagmar in ihrer berühmt offenen Art hatte das vielleicht nicht gleich bemerkt; jedenfalls fing sie sofort ein Gespräch mit ihm an. Was man sich halt so von Tourist zu Tourist erzählt. Nach nur fünf Minuten hatte Schröder schon wieder vergessen, dass wir aus Frankfurt kommen. Dafür erzählte er uns, was er alles auf der Welt schon gesehen hat. „Thailand, Indien, die ganze Scheiße, den ganzen Dreck!“ Dagmar hätte mit ihren weltweiten Erfahrungen – vor allem ihren Aufenthalten in Australien – gut dagegen halten können, aber wie das bei Betrunkenen so ist, geht es denen im Wesentlichen darum, selbst zu reden. „In Australien war ich schon mal mit Familie, aber die Frau ist weg, Scheidung, die ganze Scheiße, verstehste?“ Drink Nummer zwei war alle, der dritte bestellt. „Ich hab´ die ganze Scheiße gesehen, den ganzen Dreck, verdammt. Ich hab der Frau vorhin Geld gegeben, damit ihr Kind Milch zu trinken bekommt. Tschulligung, wenn ich ´n bisschen lalle, aba ich trink halt gern. Das darf man doch. Bin ja auch allein. Meine kubanische Freundin ist heut nich da. Meine thailändische Freundin auch nicht. Is noch nich so weit.“ Es wurde immer schwerer, ihm zu folgen. Mein Einwurf, dass in Thailand inzwischen schon ein gewisser Wohlstand entstanden ist, wurde nahezu niedergebrüllt. „So ´n Quatsch! Haste mal an der Grenze zu Laos gesehen, wie die da hausen? Das is so ´ne Scheiße, so ´n Dreck, das kannste dir ganich vorstelln.“ Es war sinnlos, darauf irgendwas zu antworten. „Vier Sterne hat das Hotel? Bin ich auch schon rausgeflogen.“ Das konnte ich mir gut vorstellen. Herr Schröder zahlte seine Zeche und eine Runde für uns mit. Dann war sein kubanisches Geld alle. Ich spendierte ihm noch ein viertes Wasserglas mit kubanischem Rum, dann kam endlich Sabine und wir suchten das Weite.

Das Weite lag gar nicht fern. Heute also Kulturabend mit kubanischer Musik im HOTEL NACIONAL. Der Ballsaal des Hotels, der Saal „1930“ wurde wohl in demselben Jahr erbaut, dessen Namen er trägt. Alle Gäste wurden speziellen Tischen zugewiesen. Wir saßen in der zweiten Reihe, etwas links vor der Bühne und leider ziemlich dicht vor den Boxen, mit denen man die Frankfurter Festhalle hätte beschallen können. Das Essen war nicht übel, bestand aus drei Gängen und einem Gratisdrink. Pünktlich um um halb zehn sprang der jugendliche Moderator auf die Bühne und heizte das Publikum an, während sich in seinem Rücken dreizehn Musiker an ihre Instrumente begaben. Von links nach rechts waren das: Ein Pianist an einem Korg Stagepiano, ein Elektrogitarist, ein Elektro-Bassist, ein Bongo-Spieler an zwei großen Bongos, ein weiterer Percussionist, ein Trommler mit fünf lauten Trommeln, zwei Geiger und davor eine Sängerin und drei Sänger, die allesamt auch tanzten und diverse Percussion-Instrumente bedienten. Nr. 13 stand ganz links und bediente die Querflöte – ein Instrument, das man aus vollem Herzen als Folterinstrument bezeichnen darf. Meine Hoffnung, dass die Veranstaltung in Zimmerlautstärke ablaufen würde, hatte sich nach wenigen Sekunden erledigt. So laut war Musik in Havanna noch nie. Sabine stopfte sich auch sofort selbstgedrehte Papierstöpsel in die Ohren, um den Krach etwas erträglicher zu machen. Dagmar fands schön.

 
13 Leute und 94 dB Lautstärke

Zusätzlich zu den 13 Krachmachern kamen dann noch eine schwarzhaarige junge Tänzerin, eine uralte Buena Vista-Vorzeigedame aus den dreißiger Jahren und ein angeblich berühmter Saxofonist, der insgesamt drei Titel spielte. Anscheinend wird Musik nicht von allen gleich empfunden. Die beiden russisch besetzten Nachbartische hatten jedenfalls prachtvolle Stimmung, tanzten ständig mit und nahmen die meisten Szenen auf Video auf, indem sie ihre iPads in die Luft hielten und auf die Tänzer hielten, was ziemlich doof aussah. An jedem Tisch habe ich mindestens drei iPads und eine vollständige Ausstattung mit iPhones 5 gezählt.

Nach exakt zwei Stunden hatten die Damen und Herren der Musikergewerkschaft ausgespielt und wir zogen mit schmerzenden Ohren zurück ins Hotel. Herr Schröder war weg. Schade eigentlich.


DER DREIZEHNTE TAG

Den Morgen musste ich wieder im „HOTEL NACIONAL“ verbringen, weil es bei uns anscheinend in dieser Saison keine Internetkarten mehr geben wird. Dagmar und Sabine klapperten erneut ihre Lieblingsgalerien ab und nahmen noch einen Capucino im „HOTEL de INGLESE“, wo ich die beiden dann wenig später traf. Später im „CAFE PARIS“ mal ein paar Messungen durchgeführt. In meinem iPhone habe ich eine APP, die den Lautstärkepegel misst. Während drinnen die Band spielte und draußen eine andere Band entfernt zu hören war, betrug der Lautstärkepegel 93 Decibel, abgekürzt dB. Ab achtzig dB ist es stark gesundheitsschädlich. Die waren mit 76 db ohne Musik gerade so erreicht. Im Hotelzimmer (bei geschlossenem Fenster) 61 db – auf Dauer ebenfalls noch schädlich. Am Pool waren es ungesunde 84 dB (nachdem ich heimlich die Lautstärke zurückgedreht hatte).

Sabine hatte heute ihren letzten Tag. Sieben Tage haben ihr völlig ausgereicht und damit hatte sie auch recht. 14 Tage Havanna am Stück sind zu viel. Nun gut, wir haben auch fünf Tage mit zusätzlichen Ausflügen verbracht, aber dann bleiben immer noch 9 Tage. Neun Tage sind zuviel für eine Stadt wie Havanna, wenn man sich nicht Tag für Tag durch irgendwelche Museen quälen will. Und das wollen wir ja nicht.

Unsere Empfehlung: Vier Tage Havanna, dann mit dem Bus oder vielleicht sogar mir einem Mietwagen selbst durchs Land fahren, überall das beste Hotel suchen und auf eigene Faust das Land erkunden. Am Ende kann man ja noch drei Tage Varadero im Luxus dranhängen, wenn man das will. Die Menschen hier in Kuba sind sehr kontaktfreudig, es gibt so gut wie keine Gewalt oder Gefahr (vom Verkehr mal abgesehen, aber der ist auf dem Lande kaum zu spüren) und die Gründe und Folgen der kubanischen Revolution können nur durch die eigene Er-“Fahrung“ verinnerlicht werden. Die Kubaner sind zwar arm, aber stolz, gebildet und zufrieden. Dieser Satz, der uns sehr oft begegnet ist, scheint zu stimmen. Keine Ahnung, was passiert, wenn sich der Kapitalismus auf dieser Insel breit macht, wenn die nun erlaubte Selbstständigkeit zu Konkurrenzdenken und Konkurrenzdruck umschlägt. Wer werden die Sieger sein, wer die Verlierer? Wird der allgemeine Zugang zum Internet neue Begehrlichkeiten wecken oder neue Handelswege ermöglichen? Wird die Jugend mit einem „gemäßigten Kommunismus“ der Partei treu bleiben oder selbst irgendwann eine neue Rebellion starten? Lauter Fragen, die ich nicht beantworten kann, weil es für die Weiterentwicklung des Landes keine Vorlagen gibt. Alles ist möglich, alles ist offen.

 
Ein Bier geht immer

Sabine wurde um 14.30 Uhr von einem Taxi abgeholt und zum Flughafen gefahren. Wir mogelten uns dann noch ein bisschen durch den Tag und gingen abends ein letztes Mal ins „CASTROPOL“, wo man uns inzwischen schon fast als Familienangehörige betrachtete. Anschließend trafen wir an der Bar erneut Herrn Schröder. Rolf heißt er übrigens. Diesmal hatte er seine blutjunge kubanische Freundin dabei. Da Prostitution in Kuba unter Strafe steht, war es für ihn nicht einfach, das Mädel ins Hotel zu schleusen. Worüber die beiden sich unterhalten, konnten wir nicht nachvollziehen, da er weder spanisch noch englisch spricht und sie auch nur spanisch kann. Nun gut, für gewisse Dinge braucht man ja auch keine Worte. Rolf trank heute nur Bier, dafür aber sehr viel. Wir erfuhren, dass er bereits seine dritte Scheidung hinter sich hat, dass er jeden Tag 20km bis zum Strand mit dem Fahrrad fährt (die Figur war für einen 63-jährigen durchaus passabel!) und im Strandrestaurant bereits den Fisch für morgen bestellt hat. Die Kleine zeigte uns Bilder ihres 3-jährigen Sohnes, was uns dann schon ein wenig schockte. Das Mädel wollte so gerne in die hauseigene Disco, aber Rolf wollte lieber noch das eine oder andere Bier trinken. Spät und auch ein wenig angeschickert gingen wir zu Bett.


DER LETZTE TAG

Ein Tag des Abschieds. Aufstehen, eiskalt duschen, Frühstücken, Koffer packen, Pool, auf Taxi warten, zum Flughafen fahren, abfliegen…

…und um 16.40 Uhr deutscher Zeit (nach 10 Stunden Flug) endlich wieder daheim!


FAZIT:

Kuba ist eine Reise wert! Wenn es mit den Reformen jetzt zügig weitergeht, wird sich die Armut schnell verringern. Die Menschen sind überaus freundlich, Kriminalität ist nahezu unbekannt (was auch an den Repressalien der Regierung liegt, aber das ist eine andere Geschichte). Alles wird anders werden, wenn der CASTRO-Clan verstorben ist. Vielleicht wird Castro´s lesbische Tochter neue Präsidentin – die Umfragen sprechen derzeit dafür.

In etwa 6 Jahren werde ich eine dritte Reise ins Land unternehmen, um den Fortschritt oder den Zusammenbruch selbst mitzuerleben.

 

Wir werden sehen.