Zypern – kompakt

Was glauben Sie – wie lange dauert eine Reise von Frankfurt am Main nach Zypern? Selbst wenn man die Möglichkeit in Betracht zieht, dass die Gewerkschaft irgendwelcher Lokführer mal wieder streikt, müsste die Strecke mit dem Flieger doch in etwa drei Stunden zu schaffen sein.

Ich brauchte 11.

Das lag im Wesentlichen daran, dass ich gar nicht von Frankfurt aus geflogen bin, sondern vom Franz-Joseph-Strauß-Flughafen aus in München. Die Firme „RSD“, „Reiseservice Deutschland“, hatte mich nämlich am Telefon bequatscht, ein paar Tage in Zypern und Antalya zu verbringen. Um mir die Woche mit „Besichtigungen diverser Weltkulturerbstätten, viel Folklore und 4 Sterne-Hotels“ schmackhaft zu machen, riefen die Reiseprofis gerade mal 293.- Euro für mich als Alleinreisenden auf. Das lass´ ich an guten Tagen an einem Abend im Restaurant. Und wie so oft, wenn das Schnäppchen lockt, schaltet sich das Gehirn aus. Denn sonst hätten mir meine grauen Gehirnwindungen doch sicher zugebrüllt, dass allein die Fahrt nach München drei bis vier Stunden dauert. Ich habe sogar zugesagt, ohne die Abflugzeiten zu kennen. Und die hatten es in sich. Abflug war am Samstagmorgen um 8:10 Uhr. Für Frankfurt eine nahezu ideale Zeit. Für Münchner sicher auch, aber für einen Frankfurter, der bis sechs Uhr morgens in München antanzen muss, um die ganzen Abfertigungsrituale mitzuspielen, war das schon ein kleines logistisches Problem.

Die Deutsche Bahn bot leider keine Fahrten an, die so gegen sechs am Flughafen in München geendet hätten. Der neue Postbus fährt leider auch nur am Tage – außerdem war er für die Hinfahrt bereits ausgebucht. Dann hatte sich noch eine Mitfahrgelegenheit angeboten, die aber einfach schlicht zu unsicher war. Wer weiß, wo mich die holländische Dame im Münchner Raum der Natur überlassen hätte?

Nun könnte ich ja mein eigenes Auto nehmen, aber der Jaguar ist mir ehrlich gesagt zu schade für so eine Tour. Und schon gar nicht hätte ich ihn sieben Tage in der Tiefgarage am Flughafen schmoren lassen wollen. Von den Benzinkosten mal ganz abgesehen. Wenn man laut ADAC-Tabelle pro Kilometer einen Euro rechnen muss, wäre von einem Schnäppchen nicht mehr die Rede gewesen.

Also Plan D: Ich miete mir einen Kleinwagen und gebe den am Flughafen ab. Zurück nehme ich die Deutsche Bahn. Wenn man rechtzeitig bucht, kostet die Fahrt vom Münchner Airport bis zum Frankfurter Hauptbahnhof gerade mal 38.- Euro. Und den Mietwagen gibt es laut Internet für 44,99 Euro. „VW UP“ sollte das Modell heißen.

Am Tag vor der Abreise, um genau 15:38 bestieg ich die S-Bahn nach Frankfurt. Dort stieg ich in einen Regionalzug um, der mich um 16:40 am Flughafen ausspuckte. 4,55 Euro kostete der Spaß. Leider war meine Mietwagenfirma nicht im Terminal 1 ansässig, sondern im neuen Terminal 2, das man bekanntlich nach einem kurzen Fußmarsch und einer weiteren, vollautomatisierten Bahnfahrt erreicht.

Ich war auf die Minute pünktlich um 17.00 Uhr da, musste aber dennoch etwa 20 Minuten warten, bis die Herrschaften vor mir abgefertigt waren. Dann der Schock: Ich hatte meinen „Voucher“, also den Beweis, dass ich den Wagen bereits bezahlt hatte, zu Hause auf meinem Schreibtisch liegen lassen. Zum Glück war die zugehörige Mail noch auf meinem iPhone gespeichert, so dass ich dann endlich meinen Wagen bekam. Na ja, nicht ganz. Der „VW UP“ war wohl down. Dafür gab man mir einen Ford „Frag´ mich nicht“. So einen hässlichen Kastenwagen, mit dem Mütter ihre Kleinkinder vom Kindergarten abholen.

Mit den vier Litern auf hundert, die ich aufgrund der Verbrauchswerte des VW errechnet hatte, kam ich damit nicht mehr hin. Die Kiste schluckte glatt das Doppelte, wie sich später herausstellte. Und auch der Mietpreis ging „up“. Weil ich das Auto ja in München stehen lassen wollte, kamen nochmal 20.- Euro Gebühr für – ja für was eigentlich? – hinzu.

Erst mal musste ich aber wieder nach Hause. Freitagnachmittag auf der A5 treibt sich bekanntlich alles rum, was vier Räder hat. Stop &Go, Stau, Unfall etc. Das volle Programm. Die Abholung des Wagens dauerte dann insgesamt drei Stunden. Nun wäre es natürlich schlau gewesen, statt nach Hause gleich nach München zu fahren. Dagegen sprach allerdings, dass meine gepackten Koffer noch zu Hause rumstanden und sich inzwischen zu allem Überfluss auch noch ein paar „Last Minute“-Aufträge aufgetan hatten. Außerdem wollte ich noch die Premiere eines Theaterstückes einer Freundin in Frankfurt „mitnehmen“. Daraus wurde leider nichts. Nach der Arbeit fiel mir auf, dass ich vor lauter Urlaubsvorfreude (Scherz!) ganz vergessen hatte, dem Körper ein paar Kalorien zuzuführen.

Ok, viele sagen, das sollte ich mir generell ein paar Monate sparen, aber davon verschwindet ja der Hunger nicht. Also ab ins „Impuls“ und eine Portion Spargel mit Rumpsteak reingezogen. Danach war ich so schön platt und müde, dass ich zuhause auf meinem Sofa eingeschlafen bin. Den Wecker hatte ich auf 1.00 Uhr gestellt, wurde aber natürlich vorher wach.

Wie in Trance packte ich den Ford voll und fuhr dann mit dem Ford fort. Die Strecke war größtenteils autofrei, sodass ich schon um halb fünf am Flughafen ankam. Mein iPhone-Navi zeigte mir sogar den direkten Weg zur Wagenrückgabe. Nur war da keiner außer einem Nachtwächter. Der stellte mir zum Glück die Frage, ob ich den Wagen vorher vollgetankt hätte. Das hatte ich natürlich vergessen. Angesichts der Tatsache, dass die Mietwagenfirma derzeit 3,50 Euro für jeden nachträglich eingefüllten Liter Benzin kassiert, war es klar, dass ich noch eine Tankstelle finden musste. Der Wachmann beschrieb mir den Weg, gab mir eine kostenlose Ausfahrkarte und ließ mich tatsächlich zur Tankstelle fahren, um die Gurke wieder vollzufüllen. 68 Euro passten rein, bzw. die entsprechende Benzinmenge. Dann wieder zurück in die Tiefgarage für zurückgegebene Mietwagen.

Mein Nachtwächter war noch da. Ich fragte ihn, wie das denn nun weitergehen würde. Er sagte, ich solle das Auto abstellen und den Schlüssel drin stecken lassen. Häh? Und wer schaut sich das Auto an, um zu bestätigen, dass ich keinen Kratzer reingefahren habe? Wer prüft den vollen Tank, die unbeschmutzten Sitze und die Unversehrtheit der Reifen? „Des passt scho!“, meinte der Herr über mittlerweile einige Dutzend Autos und ließ mich verdutzt stehen. Nicht einmal eine Quittung dafür, dass ich den Wagen überhaupt abgegeben habe, war von ihm zu bekommen. Um das vorwegzunehmen: Ab sechs Uhr waren die Damen und Herren der Autovermietung an ihrem Stand auf dem Flughafen. Ich habe dann noch mal nachgefragt, ob das alles so tatsächlich in Ordnung sei. Und auch hier bestätigte man, mir, dass alles eine beste Ordnung habe. Selbst im Zustand totaler Übermüdung entwickelte mein Hirn in diesem Moment einige Szenarien, wie man günstig an kaum gebrauchte Autos kommt…

Falls jemand den Münchner Flughafen kennt: Der ist überschaubar. Mehr als drei Minuten kann man da kaum in eine Richtung laufen, ohne an die natürlichen Grenzen zu geraten. Also fand ich ruckzuck den Abfertigungsschalter, der – um mittlerweile sechs Uhr – gerade geöffnet wurde. Ich checkte ein und lief noch ein bisschen durch die Gegend. In einem Café ließ ich mich für ein Momentchen nieder. Und während ich noch überlegte, ob ich mir vielleicht einen Kaffee bestellen sollte, versank ich nicht nur in einem riesigen Ledersofa, sondern auch in Morpheus´ Armen.

Um 7:40 weckte mich mein inneres Notprogramm und sagte mir, dass es so langsam höchste Eisenbahn für den Sicherheitscheck und das Boarding sei. Auch wenn ich mich wieder bis fast auf die Unterwäsche entblößen musste, ging alles gut. Ich konnte direkt in die Maschine steigen.

Die Fluggesellschaft heißt „Freebird“ und gehört einem türkischen Großkonzern. Der Flieger war bis auf den letzten Platz gefüllt, also mit 180 Plätzen + Personal. Es war mal wieder ein A320, von dem man ja in den letzten Wochen keine schönen Dinge gehört hatte. Mal frieren die Sensoren auf den Flügeln ein, mal kann eine Crew nur in letzter Sekunde den Bordcomputer überrumpeln und mal schließt sich ein kranker Bubi in die Kanzel ein und steuert das Blech gegen den Berg. Und Berge gibt es ja genug rund um München. Ich erinnerte mich sofort an meine Flugstunden im Simulator in Frankfurt, als ich eine A320 auch beim dritten Versuch nur in Einzelteilen auf die Landebahn bekam.

Auf Sitz 9D – also am Gang – fiel ich sofort in tiefen Schlaf, kaum dass die Maschine abgehoben hatte. Die Komposition von 4711 und anderer Deodorants wirkte auf mich wie ein Narkosemittel. Mein Sitznachbar war so ein typischer Bayer, mit Kniebundhose und passenden grauen Kniestrümpfen. Er versuchte krampfhaft, ein Gespräch mit mir zu beginnen, aber das war nicht nur aus Gründen meiner Müdigkeit ein unmögliches Unterfangen. Sein Dialekt war leider so stark ausgeprägt, dass ich mitunter nach dreimaligem Nachfragen nur Bahnhof verstand. Er wollte zwar unbedingt wissen, warum ich alleine in den Urlaub fliege („Sind Sie etwa schwul?“), woher ich komme (wie kann ein Mensch kein Bayer sein!) und was ich mache („Rentner sind sie aber noch nicht, oder?“).

Der Flieger flog brav und problemlos nach Antalya. Nach der Landung wurden wir gebeten, sitzenzubleiben, weil die Crew ausgetauscht würde. Komisch, so verbraucht sahen die noch gar nicht aus. Nach etwa 40 Minuten ging es mit dem neuen Personal weiter nach Zypern, genauer gesagt, in den türkischen Norden Zyperns, nach GIRNE. Warum man die 35 Minuten nicht einfach weitergeflogen ist, entzieht sich meiner Erkenntnis. Bestimmt mal wieder was Politisches.

Inzwischen hatte die Uhr auch noch einen Satz gemacht. Gegenüber Deutschland war es plötzlich eine Stunde später. Und so kam es, dass ich für die Reise von Frankfurt nach Zypern 11 Stunden brauchte.

Nach der relativ schnellen Passkontrolle und der zügigen Gepäckabwicklung warteten vier Busse auf die Reisenden. Die 180 Urlauber wurden auf verschiedene Hotels aufgeteilt. Während der Busfahrt zum Hotel lernten wir unseren Reiseleiter kennen, Engin. Hat 5 Jahre in Heidelberg gelebt. Vom Typ her eher Türsteher als Feingeist. „Wenn Ihr mir keinen Stress macht, mach´ ich Euch auch keinen Stress. Denn wenn ich Stress habe, dann habt ihr wirklich Stress!“ (O-Ton Engin). Auch seine Einschätzung über den armenischen Völkermord war ganz anders als die unseres Bundespräsidenten. „Wir haben alle Quellen geöffnet. Man muss nur nachlesen, dann weiß man, dass das alles eine Lüge ist!“ Solange Erdogan so treue Vasallen hat, kann ihm ja nichts passieren. Oder sollten WIR uns irren? So schnell kann man Zweifel sähen…

Nach dieser kurzen, aber heftigen Exkursion in das politische Tagesgeschehen erklärte er uns kurz das Programm der kommenden Tage und fügte dann sein Verkaufsgespräch für die Extrakosten an.

Denn das wusste ich ja schon von der ersten Tour mit dem „Reisedienst Deutschland“: Der unglaublich günstige Preis ist ein reiner Lockpreis, in dem so wichtige Sachen wie Eintrittsgelder oder Abendessen NICHT enthalten sind. Wenn man das alles auch haben will (und wer will das nicht?), legt nochmals 230.- Euro dazu. Und auch dann ist die Reise nicht „all inclusive“, sondern beinhaltet „nur“ die Flüge, die Hotels, die Busse, die Reiseleitung, das Frühstück, das Mittagessen, das Abendessen, die Eintrittsgelder, kulturelle Veranstaltungen und weitere Publikumsbespaßung sowie ein paar Kaffeefahrten zwecks Erwerbs irgendwelcher Teppiche, Lederwaren, Goldstücke oder anderen Tinnefs, den kein Mensch braucht. Mit anderen Worten: Die Getränke bezahlt man selbst. Im Bus zahlt man z.B. gerade mal drei Euro, um so viele Wasserflaschen wie nur irgendwie möglich trinken zu können. Es ist schon peinlich, wie sich daraufhin der halbe Bus bis unter die Achseln mit Plastikflaschen vollgestopft hat…

Inzwischen waren wir vor unserem Hotel „Riverside“ angekommen. Hotel? Mitnichten. Es war ein ganzes Bungalowdorf mit unzähligen kleinen Gassen. Die Zimmer? Teilweise nagelneu, vom Feinsten. Klimaanlage von Grundig, Fernseher von Toshiba mit hunderten von Programmen, hochmoderne Dusche mit Ganzkörperbespritzung, oder wie man das nennt. In meinem Apartment gab es ein Doppel- und ein Einzelbett. Moderne Möbel, viel Stauraum und freier Blick aufs Meer. In der anderen Richtung Blick in die Berge, teilweise schneebedeckt. Mittendrin zwei schöne große Pools, ein zusätzliches Restaurant, Empfangsgebäude, Supermarkt und und und. Eine richtige kleine Stadt mitten in der Natur. Außerdem ein riesiges Massenrestaurant für die schnelle Abfütterung der Pauschaltouristen, also uns. Leider auch ein paar Katzen und Hunde zu viel, die durch die Gassen streunten. An der Rezeption mussten wir unsere Pässe abgeben, was nicht jedem behagte. Aber wir sollten sie ja alle bei unserer Heimreise zurückbekommen. Bis auf einen, nämlich meinen. Davon später.

Im Gegensatz zur normalen zypriotischen Landschaft, die eher an die Wüste erinnert, waren hier auch eine Unmenge von Pflanzen und Früchten angebaut – einfach wirklich schön. Und hier wollten wir ganze drei Nächte bleiben! Übrigens wird die Türkei in Kürze eine Pipeline mit Wasser nach Zypern eröffnen. Dann wird nicht nur der türkische Norden des Landes, sondern auch der griechische Süden in ein paar Jahren voll erblühen. Laut Engin streiten sich in Zypern nur die Politiker – die Bewohner wären alle ein Herz und eine Seele. Wie man sich täuschen kann.

Völlig platt ob der gewaltigen Eindrücke habe ich dann erst mal eine Körperreinigung durchgeführt – und da zeigten sich schon einige Schwächen des Systems: Das Wasser wird über Sonnenkollektoren erwärmt. Wenn keine Sonne scheint, übernimmt das der elektrische Strom. Der braucht aber mitunter 40 Minuten, bevor da ein paar Liter warmes Wasser aus der Dusche kommen. Heute war ja Sonne satt, so dass ich gleich in die utopisch anmutende Hightech-Dusche steigen konnte. Leider bin ich dabei ein wenig ausgerutscht. Um mir nichts zu brechen, hielt ich mich an den Seifenspendern fest, die sofort aus ihrer Plastikhalterung krachten. Mein zweiter Griff galt einer Halterung, auf der man sein Duschgel abstellen sollte. Leider riss die auch sofort aus dem Plastikgebilde, sodass ich mit Schmackes auf den Rand der Dusche krachte und mir eine schöne, blutende Delle ins Schienbein riss.

Nun, ich bin ein Mann und kann Schmerzen ertragen. Nach der Restauration meines Luxuskörpers habe ich dann die Anlage etwas gründlicher erkundet. Am Pool-Restaurant siegte dann mein Hunger. Ich bestellte mir ein Thunfischsandwich – nicht ahnend, dass dies wohl ein Lieblingsgericht aller zypriotischen Katzen ist. Dazu ein erstes Glas Wein und warme Sonnenstrahlen in meinem Gesicht. Was könnte es noch Schöneres geben?

Es konnte. Die Telekom schickte mir nämlich ein Mail, dass sie mir gerne für „nur“ 14,95 Euro 150 MB Datentransfer verscherbeln möchten. Wahlweise kann ich auch 50 MB an einem Tag verbrauchen (2,95 Euro) oder für jeweils 50 Kilobit 56 Cents zahlen. Was der Blödsinn soll, habe ich nicht verstanden. Aber bei der Telekom ist halt vieles sehr lustig.

Ich wählte die erste Option und checkte die üblichen Bits und Bytes.

Dann – bei einem zweiten Wein – verzog sich die Sonne aus meiner Ecke. Erst auf meiner Terrasse konnte ich noch ein paar Strahlen einfangen, langsam, aber sicher in den Schlafzustand übergehend. Die fehlenden zwei Stunden bis zum Abendessen sind mir leider entfallen…

Ab 19:30 Uhr gab es dann das Abendessen in dem schon erwähnten Riesenrestaurant, das gut 600 Leute beköstigen konnte. Natürlich Buffet und leider nicht sonderlich brauchbar. Da hätte ich lieber ein paar Euro mehr bezahlt. Aber auch nicht soo schlecht. Es ist halt immer das Dilemma mit diesen Buffets. Man packt sich seinen Teller mit ein paar Salaten zu, stopft sie rein, füllt einen neuen Teller mit dem Hauptgericht und ein paar Beilagen, beeilt sich, auch diese zu „genießen“, stellt sich dann bei den Süßspeisen an und isst damit insgesamt dreimal so viel wie nötig wäre. Das Ganze vollzieht sich in einer affenartigen Geschwindigkeit. Und obwohl sich recht nette Leute an meinen Tisch gesetzt hatten, kam kein richtiges Gespräch zustande.

Nach der schnellen Fütterung der Raubtiere bin ich in die einzige Bar des Feriendorfs gegangen. Um mich rum viele betrunkene Bayern (vielleicht reden die aber immer so, ich bin da nicht auf dem Laufenden), eine nette indische Bedienung und ein paar jüngere Leute (die nicht zu unserer Tour gehören, sondern einen „normalen“ Urlaub gebucht haben), die „Trivial Pursuit“ spielen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig die Jugend von heute weiß…

Um 23.00 Uhr war die Batterie meiner nagelneuen Apple-Watch schon wieder leer und damit ein Grund, das Apartment aufzusuchen. Irgendwie erzieht Apple uns tatsächlich zu einer gesünderen Lebensweise…


Tag 2 (In Zypern)

Um 6:45 klingelte das Telefon in meinem Apartment. Ich nuschelte irgendwas in der Art von „binschonwach“ und legte wieder auf. Mein eigener Wecker würde erst eine halbe Stunde später klingeln.

Ich wäre besser gleich aufgestanden, denn die Warmwasserversorgung war leider außer Tritt geraten. Zum Zähneputzen hatte ich noch warmes Wasser, aber unter der Dusche war es dann nur noch eiskalt. Immerhin war ich dadurch sofort hellwach.

Das Frühstück fand natürlich auch wieder in der Fresshalle statt. Dank meiner hohen Intelligenz bin ich diesmal nicht meinen Nachbarn gefolgt, sondern den direkten Weg gegangen. Ein Blick auf Google Earth zeigte nämlich, dass ich in unmittelbarer Nähe des Speisepalastes wohnte und mir den Umweg durch das gesamte Bungalow-Dorf sparen konnte.

Um 8.15 Uhr war Abfahrt. Wie üblich, waren aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Gäste reisebereit. Trotz der sprichwörtlichen Pünktlichkeit der Deutschen kamen immer noch Einige zu spät. Zum Beispiel diese Familie aus der Nähe von Nürnberg. Tochter, Papi, Mami und Oma. Entschuldigend sei bemerkt, dass Tochter Sarah ganz besonders bezaubernd aussah. Das war mir schon im Flugzeug aufgefallen.

Tja, die Leute. Das ist wohl bei diesen Studienreisen eher ein Problem. Die sehen halt alle anders aus als die Menschen, die ich sonst so um mich rum habe. Dafür können die ja nichts – und will das auch nicht mehr so negativ sehen wie in meinen früheren Reiseberichten. Auf ihre Art sind die alle in Ordnung. Keiner sah aus wie ein Filmstar, keiner zog sich besonders fein an, keiner machte auf den ersten Blick einen irgendwie interessanten Eindruck. Keiner sprach hochdeutsch (was ja bei einem Flug aus Bayern auch eher unwahrscheinlich wäre) und keiner fiel durch extravagante Kleidung auf, wenn mal von einem Dirndl zum Abendessen absieht. Und dass sich Frauen ab einem gewissen Alter mit Kurzhaarfrisuren der übelsten Art aus dem Markt verabschieden, ist ja nicht mein, sondern deren Problem.

Und dann fällt natürlich jemand auf, der diesen ganzen Klischees so gar nicht entspricht. Eine ganz besondere Schönheit, die aber auch um Ihr Wirken ganz genau Bescheid weiß. Mit anderen Worten: Männer umschwirren sie wie Motten das Licht. Mehr von Sarah später.

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Das ist Sarah.

Unser Reiseleiter war etwas müder als seine Gäste – was eigentlich dauernd der Fall war – und erklärte uns im Bus ständig irgendwas über irgendwen irgendwo, damit wir wohl informiert seien. Engin ist übrigens Türke, weil es in Zypern keine deutschsprachigen Reiseführer gibt.  Und damit unser Reiseführer keinen Quatsch erzählt, wird ihm ein einheimischer Reiseführer zur Seite gestellt, der zwar kein Wort versteht, aber auf diese Weise immerhin sein Geld verdient. Es lebe die Bürokratie! Immer, wenn wir den Bus verlassen hatten, verzog sich Engin in Null Komma nix ins nächste Cafe, trank seinen Mokka und verputzte ein paar Zigaretten. Fragen beantwortete er regelmäßig und wahrheitsgemäß mit „Das weiß ich nicht.“ Bei unserem ersten Ziel ging es wohl um eine riesige Bergfestung, ca. 900 Meter hoch, eine der größten Kreuzritterburgen im Mittelmeerraum. Unterwegs konnten wir tolle Panoramafotos machen,  aber die wirklich feinen Fotos wurden uns verboten, weil der ganze Bereich als militärisches Gebiet deklariert war. Die armen Jungs, die hier in großer Höhe ihren Militärdienst abhalten müssen, tun mir echt leid (wie mir überhaupt alle Menschen leid tun, die aufgrund größenwahnsinniger Despoten in irgendwelche Kriege geschickt werden).

Nach 30 Minuten waren wir am Fuß der Festung angekommen. Von hier aus hätte man 490 Stufen bis zum Gipfel des Berges erklimmen können, um dann einen unglaublichen Ausblick auf alle Mögliche zu haben. Mir reichte der Blick ab Stufe 110. Die restliche Freizeit verbrachte ich in der Nähe des Busses. Eine anscheinend politisch sehr interessierte ältere Dame fragte unseren Reiseleiter, wie er denn zu Erdogan und dessen Kampf um einen islamischen Staat stehe. Engin sah das alles nicht so eng(in). Die meisten Türken, so Engin, würden ohnehin nicht verstehen, worum es ginge.

Oder mit meinen Worten: Wenn die Türken der großem Masse nicht wissen, was ihnen passiert, wenn sie Erdogan wählen, dann sind sie eben selbst schuld. Und Engin hat ein bisschen mehr Macht. Er hat es blumiger ausgedrückt, aber so kam es bei mir an. Hallo Obacht!

Die nächste Station war wieder irgendwas Altes und Kaputtes, also irgendeine Kirche oder ein Kloster oder sowas. Wahrscheinlich war es die Bellapais-Abtei. Meine Leser verzeihen mir bitte, dass ich das nicht genau benennen kann, aber wenn Sie nicht selbst dabei sind, nützt Ihnen das sowieso nichts. Das ist hier ja kein Reiseführer, sondern eher ein Reiseverführer.

Dann war es Zeit für das Mittagessen, das uns in einem recht großen Restaurant am Platz serviert wurde: Süppchen (salzlos), Quiche (farblos), Hühnchen (geschmackslos) und süßes Gedöns (schmerzlos).  Von unseren 42 Gästen waren nur noch 25 zum Essen erschienen. Die anderen 17 hatten sich das Geld gespart und waren in eine Pizzeria um die Ecke gegangen. Da hat das Essen für vier Personen mit Getränken ca. 6 Euro gekostet – insgesamt! Allein für mein Glas Wein (0,1 l) musste ich 3,50 Euro extra zahlen. Ich hätte auch in der Landeswährung zahlen können, da man im Nordteil der Insel mit türkischen Lira zahlt. Aber viel lieber nahm man uns den guten Euro ab. Dank der europäischen Geldpolitik war der Euro inzwischen nur noch drei Türkische Lira wert – und damit die Lebenshaltungskosten mit denen in Deutschland vergleichbar.

Allergiker, Diabetiker, Vegetarier oder gar Veganer hatten keine Chance. Friß, Touri, oder stirb! Die 99.- Euro Mittagessen-Pauschale (+ Ringelpietz mit Anfassen am Abend – davon später) war plötzlich gar nicht mehr so günstig.

Immerhin hatte ich damit ein Thema, um mich mit diesem auffallend hübschen Geschöpf zu unterhalten, dessen Existenz ich weiter oben ja schon kurz angedeutet hatte. Sarah war ohne Zweifel die schönste Frau unserer Reisegruppe und zusammen mit ihren Eltern und der Oma angereist. Sie ist Mitte dreißig, hat eine kaffeebraune Hautfarbe und kilometerlange schwarze Haare. Eben so eine Frau, bei der sofort alle Gespräche verstummen, wenn sie den Raum betritt. Und falls nicht, kann sie sich sehr gut bemerkbar machen. Die Phalanx der Kellner dürfte ihr inzwischen einen gemeinsamen Hochzeitsantrag gemacht haben. Und die verheirateten Buben unserer Gruppe wirkten neben ihr wie verliebte Sextaner.

Wie sich es ergab, war unser nächstes Ziel der Hafen von Girne, also Kyrenia. Und da hatte ich Sarah Einiges zu erzählen. Im zarten Alter von 14 Jahren war ich nämlich schon mal in dieser Stadt. Damals verbrachte unsere ganze Familie hier den Sommerurlaub. Ich hatte damals meine erste Freundin, Christiane, der ich jeden Tag einen ellenlangen Brief schrieb. Und wenn die Post mal einen Brief verbummelt hatte, war sie echt sauer. An den Hafen konnte ich mich noch ganz genau erinnern. Irgend so eine superteure Yacht lag da damals vor Anker, die bei den späteren Unruhen in die Luft fliegen sollte. Die drei Restaurants von damals waren alle noch da, inzwischen aber nicht mehr allein. Dutzende neuer Läden hatten hier aufgemacht, der Hafen quoll über vor lauter lauten Touristen. Die Musikbox in unserem damaligen Lieblingsrestaurant war leider nicht mehr da, aber der Laden wird in sechster Generation weitergeführt. Es gibt immer noch Kebab, wenngleich das heute völlig anders aussieht und mit den leckeren Fladenbroten von damals nichts mehr gemein hat. Während ich Sarah so von meiner Jugend erzählte (das Jahr 1962 habe ich wohlweislich verschwiegen), hatten wir uns so langsam von unserer Truppe entfernt. Also sind wir dann zu fünft durch die engen Gassen gezogen. Ich bin mir nicht sicher gewesen, aber ich glaube, ich habe sogar das Haus wiedergefunden, in dem wir damals gewohnt haben. Sarahs Oma war ein bisschen schwer zu Fuß. Deshalb mussten wir einige Pausen machen. Sarahs Vater hat dann mal vorgefühlt, wer sich da in „seine“ Familie reinschmuggelte. Ich konnte ihn wohl beruhigen, denn er bot mir – nach Sarah – das „Du“ an. Das klingt jetzt viel romantischer als es war. Es war einfach nur ein supernetter Nachmittag. Denn – auch mit Rücksicht auf Oma – mussten wir bald ein Openair-Cafe aufsuchen, um uns alle bei 26 Grad näher kennen zu lernen. So, und jetzt sag´ ich dazu erst mal gar nichts mehr. Geht Euch nämlich nichts an.

Unser Reiseleiter saß am Nachbarstisch, sodass wir rechtzeitig zurück im Bus waren.

Zurück in der Hotelanlage, musste ich endlich mal wieder duschen. Das Wasser wurde genau in dem Moment warm, nachdem ich mich eiskalt abgeduscht hatte. Leider waren auch die beiden Netz-Adapter, die ich bei Amazon bestellt hatte, totaler Schrott. Der 08-15-Eurostecker meines Föhns passte zum Zerplatzen nicht in die dafür vorgesehene Öffnung. Also Lufttrocknung. Für die iPhones & Co. hatte ich am Nachmittag ein feines Netzgerät mit Zypern-Stecker gekauft, an das man vier USB-Teile anschließen konnte. Man muss wissen, dass dieser Steckerblödsinn den Engländern zu verdanken ist, die Zypern ja vor vielen, vielen Jahren als Kolonie geführt haben. Deswegen auch der Linksverkehr, viele englische Clubs und die zweite Amtssprache. (Obwohl man mit deutsch auch gut durchkommt, wie meine bayrischen Rentner hier eindrucksvoll demonstriert haben. Also sogar mit diesem Spezialdeutsch! Wie heißt es doch so treffend? „Der Bayer ist die Weiterentwicklung des Österreichers zum Menschen“)

Das Abendessen in der Massenfütterung unterschied sich nur in Nuancen vom Vortag. Ich musste mich ein wenig sputen, da der „Mittagessen-Gutschein“ ja auch noch einige Abendbespaßungen beinhaltete. Um halb neun wartete unser Bus auf etwa 20 wagemutige Oldies, denen man einen ganz außergewöhnlich tollen Abend versprochen hatte. Dass Sarah nicht mit dabei war, war zwar schade, aber zu verschmerzen.

Nach zwanzig Busminuten landeten wir schon wieder auf dem Parkplatz, den wir schon am Morgen angefahren hatten. Dann ging es wieder ca. 500 Meter zu Fuß in die Innenstadt, wo wir in den ersten Stock eines Restaurants geführt wurden. Circa 200 weitere Partygäste warteten bereits. Eine Drei-Mann-Band mit dicken Zyprioten und einem raffinierten Computersystem tat so, als würde sie selbst spielen. Unsere Truppe saß – wie die anderen auch – an einem langen Tisch, der mit allerlei Snacks gefüllt war. Oliven, Käsestücke, Nüsse und noch mehr Käse. Die Getränkeregelung war einfach: 10.- Euro = All inclusive. Und zwar für ALLE Getränke. Ich entschied mich für Weißwein und bekam immer wieder unaufgefordert Nachschub, wenn der Getränkestrom zu versiegen drohte. Die jungen, schnellen und sehr freundlichen Bedienungen kamen alle aus Asien. Überhaupt scheint der Asiate sozusagen der Türke Zyperns zu sein.

Dann begann die Show. Na ja, „Show“ ist ein großes Wort für das, was wir da geboten bekamen. Zuerst sprühte eine verkleidete Dame mittleren Alters irgendwelche Düfte unter die Leute, dann krallte sie sich nacheinander ein Dutzend Männer, zerrte sie auf die Tanzfläche und brachte denen den Sirtaki bei. Ich konnte mich wehren und blieb sitzen. Das ist halt nicht so mein Ding. Ich bringe die Leute lieber selbst zum Tanzen als dämlich rumzuhopsen.

Kaum 20 Minuten später kam dann die schon im Bus großartig angekündigte Bauchtänzerin zur Sache. Eine sehr schöne Frau mit popolangen blonden Haaren zuckte lasziv eine Weile vor uns rum. Der Wirt persönlich steckte ihr 10.- Türkische Lira in den Ausschnitt, damit die Herren das gefälligst nachmachen sollten. Und das zog sich dann. Bis sie den rund 110 Männern ihren üppigen Ausschnitt persönlich vor Augen gehalten hatte, um gerade mal drei Scheine abzuzocken, waren die Snacks alle und ich betrunken.

Leider war das auch das Ende des Programms, wenn man nicht erwähnt, dass sich der dickste der Musiker auf ein Glas Raki gestellt hat, ohne dass es zersprungen ist. Das passierte erst, als ein armes Touristenopfer den Stunt nachmachen musste. Ich glaube, das haben die meisten schon nicht mehr mitbekommen.

Danach wurde nur noch getanzt. Oldie-Disco. Die Tanzfläche war rammelvoll.  Lustig waren die Paare, die wohl irgendwann einmal im Tanzunterricht waren und ihre Hüpferei nach präzis geplanten Schritten abtanzten. Und wehe, die Gattin hatte sich verzählt und war auf dem falschen Fuß gelandet. Daran gehen Ehen zugrunde.

Dann ging es wieder 500 Meter zurück zum Bus. Um Mitternacht waren wir wieder in unserem „Resort“. Da ich immer noch nicht müde war, habe ich noch eine gute Stunde in der einzigen Hotel-Bar verbracht und an diesem Blog geschrieben. Erst dann waren alle Akkus leer. Nur ich, ich war voll.


Der dritte Tag (In Zypern)

Die Folter begann um 6:45 Uhr. Da klingelte der Weckdienst. Ich wollte aber erst um 7:15 Uhr aufstehen. Genauer gesagt, wollte ich gar nicht aufstehen. Was spräche dagegen, einen Tag Auszeit zu nehmen und die ollen Trümmer links liegen zu lassen? Sarah und ihre Family hatten das bereits am Vortag beschlossen. Andererseits bin ich ja nicht zu meinem Vergnügen hier und muss nachfolgende Touristen-Generationen aufklären. Also hielt ich meinen brummenden Kopf unter das eiskalte Wasser und föhnte mir mit dem hoteleigenen Fön unter dröhnenden Schmerzen die Haare trocken. 10 Euro „All inclusive“ schien doch ein paar Risiken zu enthalten, über die ich nicht nachgedacht hatte.

Die Busfahrt zu unserem ersten Reiseziel an diesem Morgen muss ich dann wohl auch mehr oder weniger verpennt haben. Als wir so gegen zehn irgendwo ankamen, wo ein paar Heiligenbilder (Ikonen) ausgestellt wurden, haben mir die schreienden Schulklassen, die sich den Krempel aus pädagogischen Gründen auch anschauen mussten, kaum noch was ausgemacht. Bei unserem nächsten Programmpunkt, der Ausgrabungsstätte SALAMIS, war ich sogar schon wieder fast der Alte. Die Römer waren nämlich auch mal ´ne Weile hier auf Zypern und haben unter anderem ein „GYM“ gebaut, also so eine Art frühzeitliches Körperertüchtigungszentrum. Das lief damals alles nach einem festgelegten Plan ab.

Zunächst mussten die Herren der Schöpfung (und für die wurde das natürlich nur gebaut) ihren Darm leeren. Das tat man damals in der Gruppe. Die Herren saßen auf einem ringförmigen Marmorrund, der oben eine Öffnung für die Aufnahme des  Darminhalts und eine weitere Öffnung von vorne hatte. Da gab es nicht etwa irgendwelche Trennwände – nein, man schiss gemeinsam. Der Sage nach wurden einige der wichtigsten Entscheidungen der damaligen Menschheit während der gemeinsamen Darmentleerung getroffen. Wahrscheinlich kommt daher auch der Ausspruch „Die haben sich da aber einen Scheiß ausgedacht…“. Da es die Firma HAKLE damals noch nicht gab, reinigten sich die Herren mit Wasser „unnerum“. Dazu floss vor den Sitzbänken ein kleines Rinnsaal mit frischem Wasser, aus dem die Herrschaften mit voller Hand schöpften und sich durch die vordere Öffnung den Popo abputzten. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass diese Marmorsitzbänke ziemlich kalt waren. Um die Blase zu schützen, wurden daher Sklaven gezwungen, die Sitze mit ihrem eigenen Arsch vorzuheizen. Diese armen Tropfe nannte man damals übrigens die „Vorsitzenden“. (Wie man sieht, gibt es Dinge, die sich auch im Laufe vieler Jahrhunderte nicht verändern.)

Um Spionage zu verhindern, waren die Wände dieser Scheißanstalt ganz besonders dick. Deshalb soll der eine oder andere Spion in die Abflusskanäle gekrochen sein und mitgehört haben. Ab jetzt wird es unappetitlich. Wer glaubt denn so einen Scheiß?

Nach der Entleerung wurde Sport getrieben. Was man damals wie heute so machte: Rennen, hüpfen, stemmen, boxen, – Fitnessstudio eben. Über das Preismodel ist leider nichts überliefert. Danach ging es in diverse Bäder und Saunen. Die ollen Römer hatten damals sogar schon so eine Art Fußbodenheizung erfunden, auf dass der Athlet niemals frieren möge.

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Felsbrocken allenthalben

Das war zugegebenermaßen eine erfreulich unterhaltende Einführung in die Welt der Antike, die Engin auch mit sichtbarer Freude vortrug.

Das anschließende Mittagessen war mal wieder eine gänzlich neue Erfahrung. Es wäre sogar was für Sarah gewesen, da es fast kein Fleisch gab. Das Essen bestand aus lauter verschiedenen Speisen. Zum Teil standen sie schon auf dem Tisch, wie Salate, eingelegte Feigenblätter, Rote Bete oder kalte Kartoffeln. Dann kamen im Abstand von 5-6 Minuten weitere zypriotische Köstlichkeiten. Alles leider nur lauwarm oder kalt, zum Teil völlig ungewürzt und größtenteils nicht „mein Ding“.  Das Nachtisch-Obst war bereits in Häppchen geschnitten und für mich das bisher Leckerste des Tages.

Nach dem Essen fuhr uns der Bus, dessen Klimaanlage inzwischen den Geist aufgegeben hatte, was bei 27 Grad Außentemperatur nicht unbedingt zur guten Stimmung beiträgt, zum nächsten und letzten Ziel der heutigen Ausflüge: Nach Famagusta. Engin stotterte ein derart erbärmliches Hintergrundwissen über die Lautsprecher des Busses auf uns nieder, dass wir alle die Ohren schnell auf „Durchzug“ schalteten. Vor Ort selbst wussten wir auch daher nicht viel mit den Kirchen und Steinhaufen anzufangen, die wir uns dann in den nächsten 1,5 Stunden auf eigene Faust anschauen sollten. Also wählten wir alle die nächstliegende Option, die Altstadt anzuschauen. Leider gab es da auch nur ganze zwei Straßen mit teilweise sehr teuren Geschäften und dann auch wieder Läden, die Markenhandtaschen für 5 Euro anboten.

Ich habe mich einfach in ein Straßenlokal gesetzt, ein Glas Wein bestellt und alle meine Mitleidenden freundlich begrüßt, wenn sie mehrmals an mir vorbei schlurften. Als selbst das zu langweilig wurde, habe ich es gewagt, einen Einkaufsbummel zu machen. In einem der Läden gab es wirklich toll aussehende moderne Hemden. Eine nette Verkäuferin brachte mich sogar dazu, gleich vier verschiedene Exemplare zu erwerben. Wegen der Größe solle ich mir keine Sorgen machen – die würden ganz bestimmt passen. Davon war ich auch ausgegangen, da die Hemden in der Größe 5xXL geschnitten waren. Bisher wusste ich gar nicht, dass es was Größeres als XXL gibt. Mir passt in der Regel XL, also sollte FÜNF mal XL ja wohl ausreichen. Leider war dem nicht so. Im Hotel angekommen, stellte ich fest, dass ALLE vier Hemden um meinen Rettungsring herum etwas spannten. Mal sehen, wem ich die Hemden jetzt schenken werde…

Zu diesem Thema kam dieser Spruch von Sarah: „Warum soll man ein Sixpack haben, wenn man ein Fass haben kann?“ Rätsele noch immer, wie sie das gemeint hat…

Ja, und dann habe ich auf den letzten Metern zum Bus auch noch einen neuen Koffer gekauft. Ein bisschen größer als der, den ich dabei hatte und ein ganzes bisschen schöner als der alte.

Der Abend gehörte wieder der Massenfütterung – diesmal mit Sarah und ihrer Familie an zwei zusammengeschobenen Vierertischen. Sofort stand das ganze Personal stramm und erfüllte ihre Speisewünsche. Zwei ältere Herren aus Landshut hatten Sarah inzwischen wohl auch für sich entdeckt und kamen seitdem aus dem Labern (sorry, anders kann ich das nicht bezeichnen) nicht wieder raus. Seitdem habe ich mich immer davon geschlichen, wenn einer der beiden Herren ihre Gattinnen abgestellt hatten, um mit Sarah zu plaudern. Na ja, plaudern ist nicht das richtige Wort. Sie haben das arme Ding vollgemüllt bis obenhin. Hoffentlich bekommt sie keinen Ohrenkrebs. Sachverhalte, die man mit ganz leichter Konzentration in 2-3 Sätzen erklären kann, dauerten bei den beiden Herren jeweils eine halbe Stunde. Wenn ich irgendeinen sauintelligenten Einwurf unterbringen wollte, wurde ich schlichtweg ignoriert. Das lag sowohl an der Lautstärke ihrer Stimmen und der Fehlfunktion ihrer Hörgeräte. Wie die Ehefrauen der beiden das wohl ausgehalten haben? Na ja, als ich notgedrungen auch mal mit den beiden ins Gespräch kam, war es mir klar: Die beiden unterschieden sich in rein gar nichts von ihren Ehemännern. Die Familiengeschichten der miteinander befreundeten Nervensägen hab ich mindestens dreimal mitgehört, bis ich dann immer schon VOR dem ersten Satz geflüchtet bin. Der größere von beiden betonte mehrmals, dass er ja „Banker“ sei und er für seinen Haarschnitt inzwischen nur noch sechs Euro bezahlen müsse. Wow! Das sind Informationen! Dass der „Banker“ als kleiner Angestellter in der Kreditabteilung seiner Ortsfiliale arbeitet, macht es nicht besser. Sarah hörte sich den Käse immer wieder geduldig an. Was sollte sie auch machen? Ihr liefen sie ja immer hinterher. Kaum, dass der Bus irgendwo für eine Pause anhielt, konnte man bis drei zählen, um sicher zu sein, die beiden Möchtegern-Casanovas um Sarah herumscharwenzeln zu sehen.

Aber ich wollte ja nicht lästern. Ich wollte ja auch eigentlich gar nichts mehr über Sarah schreiben, weil das ja keinen was angeht.

Also weiter im Programm. Nach dem Abendessen habe ich mich noch bis halb zwei in die kleine Bar gesetzt und an diesen wohl formulierten Worten gefeilt.


Der vierte Tag (Ab in die Türkei)

Der nächste Morgen begann wieder sehr früh. Heute sollte es um die Mittagszeit herum nach Antalya gehen. Deshalb mussten wir alle in unserem doch im großen ganzen recht brauchbaren Hotel auschecken. Ich bezahlte meine paar Weine, schob meinen neuen Rollkoffer in den Bus, trank noch eine Tasse Kaffee, weil das Brot alle war und wartete auf den nächsten Programmpunkt.

Der hieß „Nikosia“, bekannt als Hauptstadt Zyperns. Engin erzählte uns zwar im Bus eine Menge über die Stadt, aber erstens habe ich mir das nicht behalten und zweitens können Sie das viel besser formuliert auf Wikipedia nachlesen. Immerhin ist Nikosia die derzeit einzige Hauptstadt der Welt, die mittendrin geteilt ist. So wie damals in Berlin sah es zwar nicht aus, aber es gibt drei Übergangspunkte vom türkischen in den griechischen Teil. Der Unterschied ist architektonisch nicht erkennbar. Nur, dass man im griechischen teil mit Euro zahlen MUSS, während man im türkischen Teil die Wahl der Währung hat. ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt übrigens noch keinen türkischen Lira in meinen Händen.

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Auch hier überall Kreisverkehr – in Zypern aber verkehr rum

Engin entließ uns irgendwo in der Altstadt und empfahl uns einen Einkaufsbummel. So lief ich denn wie ein gehorsamer Touri durch die Altstadt von Nikosia. In einem Cafe´ machte ich Halt und wurde auch bald von TheSarahFamily begleitet. Die Altstadt ist sehr hübsch, und die meisten Geschäfte sind genauso überflüssig wie alle anderen Ramschläden auf dieser Welt. Allerdings gab es auch vereinzelte „richtige“ Geschäfte, vor allem für Schmuck. Sarahs Mutter wollte sich unbedingt einen Anhänger kaufen, was dann für uns Männer (ihr Vater und ich) eine arge Geduldsprobe wurde. Immerhin hat sie einen Anhänger gefunden, ihr Mann hat sich inzwischen wieder beruhigt und wir haben unseren Bus „just in time“ wiedergefunden.

Weiter ging es zum Flughafen. Das Einchecken ging recht flott, und die Maschine startete schon eine halbe Stunde vor der eigentlichen Abflugszeit. Warum der Flieger es so eilig hatte, ist mir nicht klar geworden. Gelandet sind wir auf einem neuen Flughafen in Antalya gerade mal 40 Minuten später. Dieser neue Flughafen soll in diesem Jahr an die Türken übergeben werden. Bisher gehört er denen nämlich gar nicht. Den hat eine gewisse Firma FRAPORT aus Frankfurt gebaut. Alle Einnahmen gehen also in deutsche Tresore. Da das dem Erdogan gewaltig stinkt, soll der Flughafen abgerissen (!) und woanders unter türkischer Leitung wieder neu aufgebaut werden.

Unser neuer Bus war fast mit dem alten Mercedes identisch, den wir in Zypern zurücklassen mussten. Er hatte nur ein paar Plätze weniger, was leider zu einer regelrechten Schlacht um die besten Plätze führte. Mich hat man dann irgendwann neben eine Dame in der vierten Reihe (Gang) gesetzt. Das Schicksal des Einzelkämpfers. Der Fahrer hieß ab sofort Ali, war starker Raucher und schon ein bisschen älter. Aber auch er hat uns die ganze Zeit hervorragend durch die Gegend kutschiert. Unser letztes Ziel des Tages war unser Hotel.

Man hatte mich zwar schon vorgewarnt, dass diese Hotels in Antalya nicht unbedingt zu den schönsten Reisezielen gehören, die man sich vorstellen kann. Aber was wir da sahen, hat jede negative Erwartung potenziert: Ein Riesenkasten neben dem anderen, eine Architektursünde neben der nächsten, Gigantomanismus ohne Ende. Unser Hotel bestand aus acht Hauptgebäuden mit jeweils 10 Stockwerken. Insgesamt war Platz für 2400 Gäste. Diese Menschenmasse wurde in zwei Riesenrestaurants täglich zwischen 19 und 21 Uhr abgefüttert. Alleine, um die Touristen unserer vier Busse unterzubringen, herrschte an der Rezeption und an den Fahrstühlen ein Gewusel und Gedränge, dass es kein Ende zu nehmen schien.

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Blick aus dem Hotelfenster

Nachdem ich meinen Krempel ins Zimmer gebracht und mich wieder ausgehfein gemacht hatte, saß ich noch eine Weile alleine zwischen den Wolkenkratzern in einer Open-Air-Bar ohne Bedienung. Nee, nach einer halben Stunde kam dann doch jemand und brachte mir dann auch schnell ein Glas mit kaltem Wein; ein Umstand, den man gar nicht hoch genug bewerten kann. Üblicherweise wurde der Weißwein auf unserer Reise überall pisswarm ausgeschenkt, dafür aber völlig überteuert. 0,15 cl kosteten zwischen 3,50 Euro und 5 Euro. Leider war er auch meist recht minderwertig.

Egal, nun hieß es endlich „Futtern“. Da es an diesem Tag kein Mittagessen gab, sollten wir besser am Abend gründlich zuschlagen. Wir fünf haben es erst im nahegelegenen Restaurant 1 versucht, das aber hoffnungslos überfüllt war. Also 200 Meter weiter zum zweiten Restaurant. Hier war wohl gerade zufällig ein größerer Tisch frei geworden, den wir sofort in Beschlag nahmen. Und nun die absolute Überraschung: das Essen! Das war sowas von gut, das habe ich ganz selten erlebt. Es gab Dutzende von Vorspeisen, Unmenge diverse Hauptgerichte, einen mindestens zehn Meter langen Nachtisch-Tresen und und und. Die Qualität (und die ist ja das Wichtigste) war dabei ausgezeichnet.

Nicht so gut hat es mit der Getränkeversorgung geklappt. Der uns zugeteilte Kellner hatte soviel zu tun, dass er nicht so richtig mitkam. So war denn der Wein auch wieder warm, bei Sarahs Gin-Tonic fehlte der Gin, und Nachschub dauerte ewig lange. Außerdem fingen die um uns herum nun plötzlich an, alle Teller lautstark abzuräumen. Dazu mehrstimmiges Kindergeschrei, tanzende Teenies und allerlei runtergefallene Kuchenteile auf dem Hauptgang des Restaurants.

Also wieder ins Freie, ein weiteres Weinchen trinken. Die Unterhaltung lief dann weitestgehend ohne mich ab, da gewisse Herren aus Landshut ihre Dozierstunde abhielten. Dafür fand auf einer Showbühne, ca. 50m entfernt, ein monumentales Tanzremmidemmi mit deutschen „Schlagern“ statt, für die man sich einfach nur schämen muss.

Weil es mir auch nicht gelang, den beiden bayrischen Quasselstrippen Paroli zu bieten, bin ich relativ früh auf mein kleines, aber modern eingerichtetes Zimmer gegangen.


Der fünfte Tag (Taurus-Gebirge)

Die Abreise war gnädigerweise erst um halb acht. Eine der Neunzigjährigen hatte wohl gestern schlapp gemacht und wurde ins Krankenhaus gebracht. Ein bisschen Schwund ist halt immer. Aber sonst waren wir alle guter Dinge und freuten uns auf einen langen Ausflug zu einer weltberühmten Sehenswürdigkeit: die berühmten Kalksteinterrassen von Pamukkale, von einfacheren Geistern auch gerne „Pumuckel“ genannt. Vorher haben wir aber noch die antike Stadt „Aphrodidias“ besichtigt. Sehr eindrucksvoll. Es gab sogar Audioführer eines Berliner Tonstudios zu mieten. Um dorthin zu kommen, mussten wir  stundenlang durch das beeindruckende Taurusgebirge fahren. Den ausgeleierten Blasen unserer Mitreisenden war es zu danken, dass wir alle 1,5 Stunden Pinkelpause hatten.

Dann endlich kamen wir an dem UNESCO-Welterbe an, dem besagten Pamukkale. Die weißen Tafelberge bestehen aus erstarrten Stalaktiten sowie Kaskaden und formten sich über Jahrtausende durch das mineral- und kalziumhaltige Wasser einer Quelle, die am Abhang des Gebirges entspringt. Da der Eintrittspreis für dieses Naturschauspiel erstaunlicherweise nicht im Reisepreis enthalten war, blieben wir eben am Fuße sitzen und tranken ein schönes Bier.

Unser Hotel war nur 5 Minuten entfernt. Es handelte sich um ein etwas heruntergekommenes Thermalhotel. Auf den ersten Blick war es sehr schön, aber bei genauem Hinsehen bemerkte man die versifften Ecken, die ungestrichenen Geländer, die verdreckten Teppiche etc.

Außerdem wollte uns der Barkeeper keine Getränke aufs Zimmer schreiben. Wie man überhaupt in der Türkei (und natürlich auch im türkischen Teil von Zypern) lieber Bares sieht. Wir haben bei keinem einzigen Essen oder Drink an den diversen Bars jemals eine Quittung erhalten! Wenn man das mal hochrechnet, kommt eine Menge unversteuerter Zaster zusammen…

Im Hotel habe ich mich noch mit einem widerlichen Fotografen angelegt, der ungefragt und vor allem trotz Verbots Fotos von Sarah und mir machte. (Sarah wollte das auch nicht.)

Aber vergebens – er hat seine Fotos doch gemacht, und am nächsten Morgen konnte man Sarahs Foto inmitten eines Glastellers bewundern. Mama hat ihn gekauft – somit ging die Rechnung des Paparazzi doch noch auf.


6. Tag (Rund um Antalya)

Nun ging es wieder zurück Richtung Antalya. Unser erster Stopp galt einer Teppich-Vermarktungsfirma. Mir kam alles gleich wieder sehr bekannt vor – und richtig! Hier war ich das letzte Mal vor zwei Jahren auch schon gewesen (siehe www.rme-tuerkei.blogspot.com). Wie sich beim Vergleich der Fotos herausstellte, war sogar das Personal noch identisch. Man zeigte uns – genau wie damals – wie man Seide aus den Fäden einer Seidenspinne gewinnt, wie Teppiche gewebt werden, wie man die Qualität eines Teppiches erkennt etc. etc. Auch hier wieder eine hochinteressante Verkaufsschau mit perfekt deutsch sprechenden Türken. Leider wurden aus der geplanten Stunde fast zwei, weil irgendwelche Bayern aus Landshut unbedingt einen Teppich haben wollten, den sie dann doch nicht gekauft haben.

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Das Muster ist noch dasselbe wie vor zwei Jahren.

Das Mittagessen fand mehr oder minder auf der Autobahn statt. Mitreisende, die keinen Mittagstarif gebucht hatten, wurden genötigt, das komplette Menü für 17 Euro zu bestellen, da es keine andere Möglichkeit der Speisezufuhr gab. Der Wein kostete inzwischen 5 Euro für 0,15 l. Da habe ich aus Protest mal einfach gar nichts getrunken. Und auf den kostenpflichtigen Joghurt-mit-Honig-Dessert habe ich auch gerne verzichtet.

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Auch schon mal besser gegessen

Viele Autostunden später kamen wir dann wieder in den Großraum Antalya. Hier haben wir zunächst einen kleinen Wasserfall besichtigt und dann ein Sandmuseum besucht, das leider infolge jüngster Wetterunruhen ziemlich desolat aussah und überhaupt nicht mit dem Sandmuseum in Ägypten mithalten konnte (siehe www.rme-hurghada.blogspot.com).

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Wow – ein richtiger Wasserfall!

Dann endlich ging es ins Hotel – leider ein von russischen Urlaubern heimgesuchtes Drecksloch erster Güte. Es liegt zwar direkt am Strand, aber das Wasser war natürlich noch viel zu kalt, genau wie das Wasser des Pools. Beim Abendessen hat sich einer der Kellner sofort unsterblich in Sarah verliebt. So sehr, dass sie am nächsten Morgen ihren frisch gepressten Orangensaft umsonst bekam, während ich einen Euro dafür latzen musste. Ein paar kleine Läden gegenüber des Hotels luden zu spontanen Hemdenkäufen ein, aber auch hier waren die angebotenen Größen nicht mit meiner Körpergröße konform. Also besser in die Bar. Draußen am Pool konnten Sarah und ich noch lange gemütlich sitzen und über dies oder jenes ablästern. Leider waren die Getränke nicht nur teuer, sondern auch schlecht. Konnte kaum schlafen.

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Der Kerl rechts ist aus Sand.

7. Tag (In Antalya)

Am nächsten Morgen zerrte uns Engin bereits um sieben Uhr dreißig in den Bus! Und das, obwohl wir doch nur ganz in der Nähe zu den üblichen Touristenneppveranstaltungen kutschiert wurden: Morgens eine Schmuckverkaufsschau und mittags eine Lederverkaufsschau. Auch hier konnte ich meinen Geldbeutel festhalten, da mich weder Schmuck noch Leder angemacht haben. Sarah hat sich eine schöne weiße Lederjacke gekauft, mit der sie am Flughafen noch reichlich Spaß haben sollte…

Zufällig war heute der 1. Mai, also der Tag der Arbeit, der in der Türkei genauso wie bei uns gefeiert wird. Und als wir nach unseren Pflichtbesuchen zum Altstadtbummel entlassen wurden, platzten wir mitten in eine riesige Maikundgebung mit Geschrei und viel Musik. Es gab keine Tumulte, obwohl einige der Sänger grauenhaft daneben lagen (da müssten Schläge eigentlich erlaubt sein!). Später habe ich gelesen, dass die Kundgebungen in Istanbul weniger friedlich verlaufen sind.

Ich versuchte mal wieder, zu neuen Hemden zu kommen und wurde im Basar am Rande der Altstadt tatsächlich fündig, wenn auch nicht so günstig wie in dem Laden vor ein paar Tagen. Dafür passten die Hemden aber zur Abwechslung mal. Sarah kaufte ein paar Täschchen fürs Töchterchen, und auch ihre Eltern und die Oma fanden irgendwelchen Schnickschnack. Dann bin ich mit Sarahs Vater und ihr zusammen in die Altstadt gelaufen. Da ich die Altstadt jetzt schon zum dritten Mal besucht habe, war ich als Reiseführer geradezu prädestiniert. Unterwegs trafen wir unsere üblichen Bayern, die aber zum Glück genau entgegengesetzt gelaufen sind, so dass wir ohne größere Anfälle von Langeweile nach knapp 1,5 Stunden wieder am Treffpunkt waren.

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Wie man sieht, habe ich sogar etwas Farbe abbekommen…

Überraschenderweise fuhr unser Bus am Abend wieder in dasselbe Riesenhotel, das wir schon in der ersten Nacht in Antalya bevölkert hatten. Nie im Leben würde ich hier Urlaub machen, aber die Ministadt innerhalb der Hotelanlage war für unsere Zwecke ganz praktisch. Ich habe mich sogar zum Friseur getraut. Das war ziemlich riskant, da mich der Meister gründlich nach meinen politischen Ansichten ausgefragt hat, ohne dabei das Rasiermesser aus der Hand zu legen.

Das Abendessen war genauso gut wie vor drei Tagen und auch die Getränke kamen diesmal viel schneller.

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Schön muschelig.

Die abschließende Folkloreshow innerhalb meines Zusatzpaketes habe ich mir verkniffen. Lieber haben wir uns im Hotel eine sagenhafte Open-Air Show einer chinesischen Artistengruppe angeschaut. Danach noch ein wenig mit Sarah in der Hängematte geschaukelt und dann ins Zimmer, um den Koffer zupacken.


8. Tag (Die Rückreise)

Um ein Uhr morgens saßen wir bereits wieder im Bus. Engin kam etwas verspätet – dafür hatte er aber meinen Pass wieder bekommen, den ich am ersten Tag im ersten Hotel abgegeben hatte und mir nicht zurückgeben ließ.

Am Flughafen war trotz der späten Stunde Hochbetrieb. Interessanterweise liefen ein paar Zollbeamte durch die Gegend und hielten Schilder mit irgendwelchen Namen hoch. Darunter auch der Name von Sarah. So langsam wurde klar, dass alle Touristen, die irgendetwas Teureres gekauft hatten (Schmuck, Teppiche oder Mäntel) noch mal zum Zoll mussten, um sich einen Stempel geben zu lassen. Das war schon eine ziemliche Triezerei, die da veranstaltet wurde. Die Schlange zum einzigen Zollschalter war gut 100 Meter lang – und der Beamte hinter der Scheibe hatte wohl alle Zeit der Welt, um die Einkäufe per Hand in irgendwelche Listen einzutragen und sodann die Zollbestätigung abzustempeln. Sarah kam erst kurz vor dem Einchecken zu uns; andere brauchten noch länger. Der Flug dauerte 3 Stunden und zehn Minuten, die wir aber kaum bemerkt haben, denn sowohl Sarah als auch ich sind sofort eingeschlafen. Da der Flieger nicht voll war, konnten wir sogar zusammen sitzen.

In München (Landung pünktlich um sechs Uhr zehn) waren wir dann plötzlich ganz schnell auseinander, denn das Gepäck kam so schnell, wie ich das noch nirgendwo gesehen habe. Nachdem ich mal kurz die Toilette aufgesucht hatte, war die ganze Meute bereits verschwunden. Nun gut, es gibt ja WhatsApp.

Und während alle Mitreisenden nur noch wenige Kilometer bis zu ihrem Domizil vor sich hatten, musste ich in München OST alleine bis 9:32 Uhr warten, bis mein ICE nach Frankfurt mich endlich abholte.

Was ich während dieser Fahrt im Zug alles erlebt habe, würde einen weiteren Blog füllen. Aber das führt nun wirklich zu weit.


Kommen wir zum Fazit:

Eine weitere Reise in die Türkei werde ich in den nächsten Jahren nicht mehr machen. Ich glaube, ich habe derzeit genug gesehen. Außerdem ist der Deutsche derzeit nicht mehr des Türken liebstes Kind. Die politischen Differenzen werden zunehmend größer.

Das Essen war größtenteils hervorragend, der Wein leider fast immer warm. Als Währung reicht der Euro.

Die Organisation von RSD (Reiseservice Deutschland) war perfekt, wenn man auch das frühe Aufstehen bemängeln muss, das nicht jedem zusagen dürfte. Unser Reiseleiter war leider  deutlich extrem rechtslastig in seinen Ansichten. Seine Meinung sollte er besser für sich behalten.

Die Hotelauswahl war durchwachsen – von „sehr gut“ bis „grad noch akzeptabel“; die Busse waren zwar schon etwas älter, aber völlig in Schuss. Und die Mitreisenden?

Nun ja, man muss ja auch mal Glück haben.
Und jetzt sag´ ich wirklich nichts mehr.

Mit der Titanic in die Türkei

  1. Ein mehrseitiger Prospekt des Reiseunternehmers RSD („Reiseservice Deutschland“) fiel aus der Zeitschrift Titanic. Unter der Schirmherrschaft von niemand geringerem als dem TV-Journalisten Dieter Kronzucker warb das Unternehmen für eine Studienreise von Istanbul bis runter nach Antalya. Im Reisepreis eingeschlossen wären Flug, Transfer, Busreise, Reiseführer, sieben Übernachtungen und eben so viele Frühstücke. Ich schreibe den Preis jetzt nochmal hier hin: Der ganze Spaß sollte nur NEUNUNDNEUNZIG Euro kosten! Da fragt sich doch jeder: Wie soll das denn gehen? Die Antwort vorab: Es geht natürlich nicht. Es geht ganz und gar nicht. Es ist um ein Vielfaches teurer, aber dennoch als preiswert und vor allem „den Preis wert“ zu bezeichnen.

    Lecker Döner in Istanbul

    Doch der Reihe nach. Nachdem sich Dagmar sofort bereit erklärt hatte, mit mir diese Reise zu testen, habe ich bei „RSD“ angerufen. „Guten Tag, werter Titanic-Leser. Was kann ich für Sie tun?“ Angesichts der Aussicht, sieben Tage mit intelligenten Satire-Liebhabern und derer geschliffenen Konversationen zu verbringen, bat ich um zwei Plätze für je 99.- Euro. Nun stellte sich zunächst mal heraus, dass die 99.- Euro-Plätze „leider, leider“ schon ausverkauft seien. Frei waren nur noch diverse Termine, die für mich sehr ungünstig lagen und auch deutlich teurer waren. Je fortschreitender Kalenderwoche erhöhte sich nämlich der Preis ein wenig. Außerdem gab es Zuschläge auf bestimmte Termine und Abflughäfen. Um meine Arbeit nicht zu sehr im Stich zu lassen, wählte ich die Woche über Ostern (von Mittwoch bis Mittwoch). Die kostete jetzt schon 330.- Euro, was aber angesichts der zu erwartenden Leistungen immer noch als günstig zu bezeichnen war.

    Die Reiseunterlagen kamen wenige Tage vor Beginn der Reise. Es machte mich zwar ein wenig stutzig, dass die RSD-Werbung nun auch im Spiegel erschien, aber das war ja aus intellektueller Sicht kein Manko. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass der Prospekt aus so ziemlich jeder regelmäßigen deutschen Publikation fiel, einschließlich jeder besseren Hundezüchterzeitung, wäre ich vielleicht noch abgesprungen. So aber: Mut wird belohnt! 330.- Euro für die oben erwähnten Leistungen ist absolut unschlagbar, selbst in der Wintersaison.

    Inmitten der Hagia Sophia

    Und der Winter spielte uns ja in diesem Jahr wirklich übel mit. Minus zwei Grad waren es, als wir von unsrem Freund Eddie morgens um fünf abgeholt wurden, um uns zum Flughafen bringen zu lassen. Danke nochmals für diese heroische Leistung!

    Um pünktlich 7:45 Uhr stieg der Airbus A 320 auf. Das ganze Flugzeug war von RSD gechartert worden, so dass wir schon mal zwei Stunden Zeit hatten, uns unsere künftigen Gesprächspartner näher anzusehen. Vielleicht lag´s am frühen Morgen, vielleicht an meiner fehlenden Sensibilität, aber Titanic-Leser konnte ich beim besten Willen nicht ausmachen. Oder sie hatten sich sehr gut verstellt.
    In Istanbul wurden wir dann auf sechs verschiedene Busse aufgeteilt. „Aha“, dachte ich mir, „die Zuordnung der Passagiere findet erst jetzt statt.“
    Tat sie aber nicht. Vielleicht waren wir im falschen Bus oder es war kein einziger Titanic-Leser auf den Prospekt hereingefallen. Da man sich das Alter eines Satireblatt-Lesers nicht sonderlich gut vorstellen kann (lesen junge Leute überhaupt noch?), fand ich es nicht befremdlich, dass fast alle Mitreisenden der Generation 60+ angehörten. Gerade mal zwei Teenies fielen in dem Graukopfgewirr positiv auf. Wir die wohl hier reingeraten waren? Erschreckend auch die hohe Anzahl an Studienräten, die sofort an Cordhose (Mann) oder praktischer grauer Kurzhaarfrisur (Frau) zu erkennen waren. Immerhin hatten wir – dank einheitlicher Osterferien – viele deutsche Zungen an Bord: aus Franken, aus Schwaben, aus Saarbrücken und aus Hessen natürlich. Hochdeutsch sprach so gut wie niemand.
    Istanbul bei Nacht
    Doch, der Reiseleiter. Der sprach ein ausgesprochen gutes Deutsch. Hatte er in der Schule gelernt. Außerdem war er mit seinem Vater des Öfteren in Deutschland. TUNC hieß er, wobei man sich bei dem „C“ einen kleinen Haken unten dran denken muss, sodass man seinen Vornamen wie „Tunsch“ ausspricht. Der Nachname ist in der Türkei nur für Behörden von Interesse. Tunsch (ich schreibe ihn jetzt weiter so, um nicht zu verwirren und weil ich das Sonderzeichen auf meinem Laptop nicht finden kann…) zählte uns ab (insgesamt bis zum Ende der Reise gefühlte tausend Mal) und stellte sich vor. Ein typischer türkischer Macho – das war der erste Eindruck. Glatze, dicke Silberringe, sehr teure und modische Kleidung, exquisite Accessoires, dicke Tätowierung am Unterarm, ein Gang wie ein Seemann und ober-ober-ober-ober-cool. Optisch sah er ein bisschen aus wir der kleine Bruder vom Kölner Tatortkommissar Schenk. Als Türsteher würde er sich auch perfekt machen.
    Aber – wie so oft täuscht der erste Eindruck: Der Mann war gebildet, hatte Germanistik studiert und dann aus pekuniären Gründen in den Tourismus gewechselt. Was man ihm hoch anrechnen musste: Er hat uns die Türkei aus einer sehr westlichen Sicht vorgestellt, die den meisten Deutschen eher unbekannt sein dürfte. Die Vorstellung der meisten Deutschen resultiert aus durchaus oft grenzwertigen Erlebnissen mit türkischen Gastarbeitern. Die Türkei – jedenfalls, das, was wir gesehen haben -, ist eine hochmoderne Nation mit sehr demokratischen Ansichten. Auch wenn die derzeitige Regierung innerhalb der zehn Jahre, in denen sie jetzt regiert hat, versucht, der Bevölkerung eine konservativere Ansicht aufzudrücken, so werden diese vom Volk nicht umgesetzt oder anerkannt. Zumindest in den Großstädten (und den Tourismuszentren) läuft keine Frau mit Kopftuch rum. Das Gejaule aus den Lautsprechern der Moscheen blendet unser Gehirn schnell weg – außer morgens um halb fünf. Ist mir eh ein Rätsel, wer da schon aufsteht, um zu beten…
    Trümmerreste aus Troia
    Tunsch erklärte also im Bus den Reiseverlauf. Dann sprach er davon, dass es ratsam wäre, ein oder zwei Zusatzprogramme zu buchen, um wirklich in den vollen Genuss der Reise zu kommen. Denn wie wir ja wussten, waren bisher das Mittag- und Abendessen nicht im Preis enthalten. Um nun wenigstens das Mittagessen zu erhalten, sollten wir die Bosporus-Flussfahrt mit buchen. Das wäre ohnehin sehr empfehlenswert, weil aufgrund der Verkehrssituation in Istanbul die Busfahrt sonst drei bis vier Stunden dauern könnte. Also gut, warum nicht. 150.- Euro für sieben Mittagessen und eine Flussfahrt ist da ein fairer Preis. Ach ja, wenn man auch die Eintrittskarten zu den ganzen Sehenswürdigkeiten haben möchte, sollte man das Zusatzpaket zwei wählen, das außerdem acht Abendessen enthielt. 158.- Euro. Wer beide Pakete nimmt, zahlt 258.- Euro. Gebongt. Wie man eine Studienreise durchstehen soll, ohne Eintritt zu den Sehenswürdigkeiten zu haben, hat sich mir allerdings nicht ganz erschlossen. Aus den 99.- Euro waren jetzt schon 588.- Euro geworden.
    Tunsch verkaufte die Zusatzpakete so routiniert, dass absolut alle den Zusatzkosten zustimmten.

    Der Bus legte an der Bosporus-Brücke an und wir bestiegen eins der üblichen Ausflugsschiffe. Abreise war erst, als alle sechs Busse angekommen waren und die insgesamt 200 Passagiere einen Platz gefunden hatten. Inzwischen war es ca. 14.00 Uhr nachmittags und wir hatten gewaltigen Hunger. Um so dankbarer waren wir, dass Bedienstete des Schiffes warmes Käsebrot und Tee austeilten. Während Tunsch uns die Stadt erklärte, kamen wir ins Gespräch mit einem pensionierten Studienrat, der seine Landkarten aus dem ersten Gipskrieg mitgebracht hatte und von uns wissen wollte, wo jetzt eigentlich das „Goldene Horn“ sei? Google-Maps konnte das Problem schnell lösen. Die kleine Auskunft (und ein paar Mails) veranlassten die Deutsche Telekom allerdings, mich darauf hinzuweisen, dass mein Datenvolumen mittlerweile auf 40.- Euro angewachsen sei. Erschrocken stellte ich mein iPhone ab. Die Käsebrötchen und der Tee kosteten zu allem Überfluss dann auch noch 11.- Euro. Ein paar Mutige, die am helllichten Tag bereits RAKI in sich reinschütteten, mussten noch einiges mehr zahlen. Nun war uns klar, dass unsere beiden Zusatzpakete erst am Abend im Hotel beginnen würden.

    Stalagmiten und Stalagtiten, wo man hinschaut
    Und das war einfach toll. Das Hotel. Nur unsere Gruppe wurde hier eingecheckt. Keine weiteren Gäste. Ein kleines Stadthotel namens Listana hat uns mit dem Tag und den ganzen Zusatzkosten versöhnt. Tolles Zimmer, WLAN so schnell wie bei mir zu Hause, wunderbares Essen (serviert, kein Büffet!) und sehr freundliches Personal. Nur die Getränke gingen (natürlich) extra. Wir saßen an einem eigenen Tisch, die anderen vorsichtig belauernd. Wie ein Titanic-Leser sah da niemand aus. Der Herr Kronzucker hatte sich auch bisher noch nicht vorgestellt.
    Am nächsten Tag wurden wir um halb sechs geweckt. Und das sollte so in etwa jeden Tag die Zeit sein, an der man uns aus dem Bett schmiss.
    Ich erspare es mir jetzt, die ganzen touristischen Höhepunkte aufzuzählen, die wir nun jeden Tag zu sehen bekamen. Zum einen habe ich die meisten Namen schon wieder vergessen, zum anderen interessiert das jetzt nicht in diesem Blog. Man kann das wunderbar bei Wikipedia nachlesen oder Dagmar fragen. Wie immer, hat sie jedes Detail für immer gespeichert. Nur so ein paar Stichworte: Wir waren Troia (das Troianische Pferd hatte leider gerade eine Auszeit in der Werkstatt), wir haben den Taurus überquert, Antalya besichtigt und eine Unmenge kaputter Steine bestaunt. Das Fazit ist entscheidend: Es hat alles unglaublich gut funktioniert! Die Hotels hatten 4 oder 5 Sterne, das Essen war lecker, gesund und ausgewogen. Die Frühstücksbüffets waren ein Traum. Alle, ich betone ALLE Menschen um uns herum waren immer sehr freundlich und hilfsbereit. Tunsch verkürzte uns die teilweise längeren Fahrzeiten mit sehr unterhaltenden Geschichten. Besonders gelacht haben wir über seine Schilderung des türkischen Alltags.
    Die Frau steht sehr früh auf und räumt die Wohnung auf. Vielleicht waren am Vorabend Gäste da oder man hat etwas Raki getrunken. Dann weckt sie die Kinder, wäscht sie, macht ihnen Frühstück und sorgt dafür, dass sie in die Schule kommen. Nun darf auch ihr Mann aufstehen. Sie reicht ihm das Handtuch beim Waschen und lässt ihn in Ruhe frühstücken. Dann kümmert sie sich um ihren Haushalt, während der Mann ins Kaffee geht, um zu philosophieren. Das heißt, er liest die aktuellen Zeitungen und tauscht mit seinen Freunden Meinungen aus. Dazu trinkt man ein paar Tassen Tee, raucht die eine oder andere Zigarette und geht dann zum Mittagessen nach Hause. Der Nachmittag gestaltet sich ähnlich. Das soll nun nicht heißen, dass der Mann nichts zu tun hat. Er entscheidet die wirklich wichtigen Dinge, also welche Partei gewählt wird oder welches Fernsehprogramm man sieht.
    Das war wohl mal ein riesengroßer Tempel
    Dieser Vortrag – mit der tiefen und abgeklärten Stimme unseres Reiseleiters – kam besonders gut an. Wir kennen inzwischen seine ganze Familiengeschichte. Seine erste Frau war wohl zu emanzipiert, die zweite ist gerade noch so akzeptabel (was ihre Emanzipation betrifft). Als wir in Antalya ankamen, haben wir sie sogar gesehen: Eine sehr schöne Frau mit kleinem Baby. O-Ton Tunsch: „Es ist zwar ein Mädchen, aber heutzutage ist es doch die Hauptsache, dass es gesund ist. Man denkt inzwischen anders in der Türkei.“ Aja.
    Unser letztes Hotel in Belek (nähe Side) stand vor zwei Jahren noch ganz allein in der Landschaft. Inzwischen hat das 2000-Betten-Monstrum eine Menge Konkurrenz zu erwarten. Rings herum wird gehämmert und gebaut, dass es ein Graus ist. Unser Fünf-Sterne-Hotel hat sich den Namen redlich verdient, was Unterbringung und Essen betrifft. Am letzten Tag haben wir jede übrige Mark hier in irgendwelche T-Shirts oder Handtaschen gesteckt. Natürlich nur, um den Einzelhandel zu stützen.
    Die Bretter, die die Welt bedeuten, waren früher aus Stein
    Bei drei anderen Pflichtbesuchen waren wir aber standhaft. Tunsch hatte uns schon mehrfach darauf hingewiesen, dass man eine solche Reise zu diesem Preis, die bei „Studiosus“ oder „Dr. Tigges“ nicht unter 3500.- Euro zu bekommen ist, ein paar Abstriche machen muss. Abstriche nicht hinsichtlich der Unterbringung, des Essens oder der Reiseleitung. Es handelt sich um dieselben Busse (Mercedes, Baujahr 2003), dieselben Reiseleiter und auch dieselben Hotels. Billiger wird es, weil die Hotels oft auf die Übernachtungskosten verzichten, um ihr Hotel im Winter nicht schließen zu müssen. Da bringen die Getränke das Geld. Es wird billiger, weil das Kulturministerium ein paar Euro dazugibt, um die Angestellten in den Hotels zu halten und es wird billiger, weil der RSD die Touristen zu den verhassten Verkaufsshows karren muss. Da geht es um Leder, Gold oder natürlich Teppiche. Jeder Verkaufsstop kostet Zeit. Allein die Teppichshow hat uns drei Stunden unserer Lebenszeit gekostet. Es war wirklich eine Verkaufsshow allerbester Güte. Kein Hollywoodregisseur hätte das besser hinbekommen. Wie bei einem Feuerwerk rollten die Mitarbeiter Dutzende von Teppichen aller Größen, Farben und Designs auf. Der Vortrag des charismatischen Chefs brachte uns fast dazu, über einen neuen Teppich nachzudenken. Damit hätten wir Arbeitsplätze auf dem Land gesichert und der Landflucht entgegengewirkt. Die Knüpferinnen sind nämlich wie bei einer Aktiengesellschaft am Umsatz beteiligt. Ich habe trotzdem keinen Teppich gekauft, auch wenn mein Facebook-Eintrag zu diesem Thema den Schluss nahelegen könnte, dass ich zukünftig meine Toiletten mit Seidenteppichen auslegen werde. Schlimm war dagegen die Lederverkaufsshow am nächsten Tag. Man wollte den Eindruck erwecken, dass die Jacken und Mäntel in diesem Hause hergestellt würden, dabei handelte es sich lediglich um eine Verkaufsagentur. Eine Jacke, die anfangs 1600.- Euro kosten sollte, landete am Schluss bei 400.- Euro. Wir soll man bei einem solchen Preisverfall innerhalb kürzester Zeit noch Vertrauen in diese Firma haben? Bei der ähnlich funktionierenden Gold & Silber-Verarsche haben wir uns gleich ausgeklinkt, weil ich mich mit ein bisschen Fieber rausreden konnte.
    Links – das ist Tunsch, unser Reiseleiter alias Schenk Junior.
    Tja, erkältet waren wir wohl alle. In Deutschland – 2 Grad, in Antalya 25 Grad. Zwischendurch diverse Klimaanlagen und viele hustende und niesende Menschen.
    Kurz vor der Abreise ein weiterer Grund, warum die Kosten so günstig waren: Wecken um Mitternacht, Abfahrt zum Flughafen um 1.00 Uhr, Abflug um 4.05 Uhr.

    Unser Fazit: Wenn man ein paar Abstriche macht und sich nicht zu fein ist, auch mit Menschen aus weniger intellektuellen Kreisen umzugehen, ist diese Reise ein durchaus akzeptables Angebot.

Side – Türkei

Der Sun Club Side

Spätestens, als ich in Frauenkleidern im „Sun Club Side“ auf der Bühne stand und einen Bauchtanz vorführte, hätte mir klar werden müssen, dass mein Leben eine ungewollte Richtung eingeschlagen hatte.

Wie konnte es soweit kommen? Es hatte doch ganz normal begonnen.
Dagmar und ich hatten einfach nur das bescheidene deutsche Wetter satt und buchten einen Last-Minute-Urlaub in der Türkei. Genauer gesagt nach SIDE in der Nähe von Antalya. Sechs Tage für gerade mal 330.- Euro pro Nase. Inklusive Flug, inklusive Transfer, inklusive Hotel, inklusive Vollpension, WLAN, also inklusive allem. „All Inclusive“ nennt sich das.
Der Hinflug mit „Sun Express“ gestaltete sich problemlos, wenn man mal davon absieht, dass die Damen und Herren dieser Fluglinie noch nicht kapiert haben, wie heutzutage ein Smartphone, genauer ein iPhone funktioniert. Selbstverständlich haben wir die Geräte auf „Flugmodus“ umgestellt, als wir die Maschine betraten. Trotzdem wurde Dagmar das Spielen mit dem Gerät untersagt, da der Flugmodus das Flugzeugsystem ebenfalls stören würde. Das ist natürlich völliger Blödsinn, zumal das Gerät ja auch bei Nichtbenutzung nie wirklich ausgeschaltet ist. An meinem iPad hatten sie nichts auszusetzen, obwohl da ebenfalls eine SIM-Karte drin ist, die den Funkverkehr stören könnte. Na ja, man muss ja nicht alles ausdiskutieren.
In Antalya – nach dreieinhalb Stunden – war es schon eine Stunde später, und die Sonne schickte sich gerade an, schlafen zu gehen. Es hatte wohl tagsüber etwas geregnet, was eigentlich nicht in unserem Plan stand. Eine gute Stunde später waren wir dann im Hotel. Der Busfahrer hielt in einer kleinen Stichstraße dicht am Meer. Das Hotelschild über einem dunklen Durchgang war irgendwie schief und handgemalt. Sollte das wirklich unser Hotel sein? Es war so. Der „Sun Club Side“ ist ein vergleichsweise winziges Hotel. Ca. 70 Zimmer sind in nur zwei Geschossen rund um den Pool gebaut worden. Mittendrin erhebt sich ein etwas hässlicher Bau für das Restaurant und die Poolbar. Nach dem Einchecken sind wir gleich ins Restaurant und haben dort – gegen 22.00 Uhr – noch eine Kleinigkeit zu Essen bekommen. Sehr löblich. Dazu gab´s Wein aus einem Selbstbedienungsautomaten. Nicht der Brüller, aber auch nicht wirklich daneben. Ließ sich eben gut und schnell trinken. An der Poolbar – im Erdgeschoss des Gebäudes – stand noch so eine Maschine. Hier war der Wein sogar schön kalt. Ruckzuck hatten wir ein paar Gläser intus. Und schon war der Kontakt zu anderen Hotelgästen hergestellt. Vor allem Silke aus Remscheid war gut drauf und unterhielt sich gleich mit uns. Sie war mit einer Freundin hier, die aber wegen akuten Sonnenbrands schon in der Koje lag. Ihre Männer und die Kinder hatten sie für diesen Kurzurlaub zu Hause gelassen. Ab 23.00 Uhr musste man die Getränke dann doch selbst bezahlen. Zwei bezahlte Gläser später sind wir dann auch ins Bett gefallen. Das Zimmer war zwar klein, aber sehr schön eingerichtet. Vom Balkon aus konnte man auf den Pool blicken. Es gab ein Einzel- und ein Doppelbett. Das Bad war sehr winzig, aber zweckmäßig eingerichtet. Lediglich die sehr hohe Einstiegskante zur Dusche/Badewanne dürfte älteren Leuten etwas Mühe bereiten. Na gut, so jung sind wir ja auch nicht mehr, aber das haben wir noch geschafft. Der Winzig-Fernseher brachte neben den üblichen türkischen Sendern noch EuroNews, ZDF und RTL. Aufgekratzt, wie wir waren, haben wir uns noch irgendeinen Film reingezogen, bevor der Tag dann endgültig zu Ende ging.
Erster Stock Mitte: Unser Apartment
Entsprechend schwierig gestaltete sich der nächste Morgen. Das Spätfrühstück (bis 10.30 Uhr) haben wir gerade noch so geschafft. Um 12.00 Uhr hatte sich dann unsere Reiseleitung angemeldet. Natürlich ging es dabei nur darum, möglichst viele Ausflüge zu verkaufen. Natürlich sind wir auch drauf reingefallen und haben gleich das Dreier-Paket gebucht. Türkisches Bad, Antalya und Green Canyon. Die kommenden Tage waren wir also bereits ausgebucht.
Das Wetter war so lala. In der Sonne war es schön warm, aber im Schatten war es richtig kalt und windig. Da es bereits Mittagszeit war, mussten wir aber sowieso ins Warme, ins Restaurant nämlich. Dort hatte man inzwischen ein sehr üppiges Buffet aufgebaut. Es gab Dutzende von Salaten, diverse Sättigungsbeilagen, Fleisch, Fisch und Suppe. Getränke wurden von den immer extrem freundlichen Kellnern serviert. Die Teller waren recht klein, sodass man nicht in Versuchung kam, sich übermäßig am Buffet zu bedienen, sondern dann lieber zwei oder gar dreimal gehen musste, um wirklich satt zu werden.
Nach dem Essen wurde es jetzt aber höchste Zeit, mal die Gegend zu erkunden. Wir wussten aus der Hotelbeschreibung, dass das Meer in unmittelbarer Nähe sein musste. Und so war es dann auch. Gerade mal hundert Meter entfernt fanden wir einen sehr schönen Strand, der allerdings den verschiedenen Hotels zugeordnet war. „Unser“ Strand musste irgendwo weiter rechts liegen – haben wir bis heute nicht gefunden. Noch nicht einmal gesucht, weil es am Pool sowieso schöner war. Wenn auch zu kalt zum Schwimmen.
Gegenüber des Hotels steht das Hotel „SIDE STAR“, ein Hochhausbrocken mit fünf Sternen. Das ist bestimmt in der Hochsaison die bessere Wahl, aber jetzt, Anfang April, war unser kleines gemütliches, familiäres Hotel mit Anschluss eindeutig die bessere Alternative. Leute, die wir später auf unseren Touren getroffen haben, konnten das bestätigen. In der Vorsaison in einem kleinen Teil eines Riesenhotels ausgehalten zu werden, macht nicht soviel Spaß wie in unserer kleinen Anlage, wo jeder neue Gast mit Hallo begrüßt wird und aus seinem Leben erzählen kann. Sicher war hier nicht das intellektuelle Zentrum der Welt, aber das war auch gar nicht wichtig. Trotz „All inclusive“ hat sich hier keiner daneben benommen; selbst die notorisch Betrunkenen sind nie unangenehm aufgefallen.
Im Bazar
Doch weiter mit unserem ersten Rundgang. Side liegt etwa 65 Kilometer vom Flughafen Antalya entfernt. Das letzte Mal war ich vor etwa 25 Jahren hier. Damals gab es einen Robinson-Club und ein paar wenige Hotels. Die Hauptstraße war vielleicht 400 Meter lang und abends haben die Straßenhändler den Ort zum Bazar gemacht. Heute stehen in Side Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Hotels, Pensionen und Clubanlagen. Unser Hotel gehört eindeutig zu den älteren Bauten und ist daher sehr dicht am Zentrum von SIDE, nämlich gerade mal 800 Meter entfernt. Das klingt viel, ist aber sehr kurz, wenn man den Weg am Meer entlang geht. Hier findet man Restaurants, Lokale und Geschäfte aller Art. Eines der ersten Geschäfte, das wir betraten, war ein Uhren- und Schmuckladen, weil sich Dagmar natürlich aufgrund ihres Goldschmiede-Hobbies sehr für Schmuck interessiert. Leider hatten die da auch Uhren. Die billigsten ab 20 Euro, die besseren dann so um die Hundert Euro. Das waren dann auch Automatik-Uhren oder Chronographen, die bei uns locker das 100fache kosten. Wobei der Unterschied zwischen einer echten und einer gefakten Breitling selbst für Fachleute kaum erkennbar sein dürfte. Und was noch mehr verwundert: Diese Uhren werden hier nicht heimlich von Strandverkäufern verscherbelt, sondern überall hochoffiziell angeboten. Und nicht nur Uhren. Egal, ob man Schuhe, Jeans oder T-Shirts kauft: Überall prangen die Label der Markenhersteller auf den Produkten. Man kann nicht einmal Socken kaufen, die nicht von BOSS, PRADA oder ARMANI hergestellt wurden. Angeblich hergestellt wurden. Vielleicht werden die Originale ja auch wirklich hier in der Türkei hergestellt. Unterschiede zu den Markenprodukten aus Deutschland ließen sich jedenfalls nicht feststellen. Nur bei den Preisen sind die Unterschiede deutlich. 15 Paar BOSS-Socken für 5 Euro oder D+G-Handtaschen für zwanzig Euro sind schon sehr verlockend. Wenn die Türkei in die EU will, wird sie diesen Handel wohl beenden müssen. Schade eigentlich. Schweren Herzens ließen wir die schönen Uhren liegen.
Später nahmen wir uns einen Bus nach Manavgat. Hier ist nämlich Montags immer Markt. Und alles, was wir am Strand gesehen haben, war billiger Tand gegenüber dem Riesenangebot auf diesem größten Bazar, den ich je gesehen habe. Selbst in Istanbul war das Angebot nicht so umfassend wie hier. Man muss zwar ein dickes Fell haben, um die ständige Anmache der Verkäufer auszuhalten, aber das gehört hier einfach dazu. Und wenn man dann wirklich was kaufen will, wird man in der Regel auch gut beraten. Daggi hat sich gleich im dritten Geschäft mit ein paar lebenswichtigen Handtaschen und Rucksäcken eingedeckt und ich hätte mir beinahe ein paar sehr schöne Schuhe, angeblich von PRADA, gekauft. Leider war dessen Preis dann doch zu hoch: 65 Euro wollte der Verkäufer von mir haben. Für 45 Euro hätte ich die Schuhe wahrscheinlich auch bekommen, aber die Anfangsforderung fand ich sehr unverschämt. Später habe ich genau dieses Schuhwerk (das ich im Flugzeug bei einem Mitreisenden das erste Mal gesehen hatte) leider nie wieder gesehen. Dann sind wir doch noch an einer Uhr hängengeblieben: Einer gefälschten SWATCH. Genau! Für gerade mal 10.- Euro hat Dagmar sich eine Nachbildung einer aktuellen SWATCH gekauft, deren Alu-Optik sehr edel aussieht und die am Flughafen für einen Hunderter gehandelt wird. Ich möchte nicht wissen, was dieses Teil im Einkauf gekostet hat.

Nach zwei Stunden Powershopping haben wir eine kleine Pause eingelegt. Zusätzlich zu dem großen Bazar gab es auch noch einen gigantischen Lebensmittelmarkt. Auch hier waren die Preise so niedrig, als wäre das Obst gefälscht.

Zurück haben wir auch wieder einen dieser Busse genommen, die man einfach so anhalten kann. Domusch heißen die (werden wahrscheinlich ganz anders geschrieben, aber das ist ja jetzt egal…). Für 1,25 Euro hat uns der Fahrer wieder in der Nähe unseres Hotels abgesetzt. Wir hatten zwar keine Ahnung, wo wir aussteigen mussten, aber der Fahrer wusste ja, wo wir hin wollten und hat uns rechtzeitig Bescheid gesagt. Die 300 Meter von der Hauptstraße bis zum Hotel haben wir uns dann auch alleine zurecht gefunden.
Ich schreibe hier ständig, dass wir mit EURO bezahlen, obwohl wir uns doch in Asien befinden und die offizielle Währung die „Türkische Lira“ ist. Ja, das war wirklich etwas verwirrend. Ich hatte am Flughafen 400 Euro in Lira gewechselt und wurde dabei gründlich übers Ohr gehauen. Der Kurs ist etwa 1:2, aber am Flughafen habe ich statt 800 Lira nur 756 Lira ausbezahlt bekommen. Hier in Side ist der Euro inzwischen zur Hauptwährung geworden. Man kann aber auch in Lira bezahlen, wenn man das unbedingt will. Die Preisschilder zeigen jedenfalls nur noch Europreise. Die einheimische Währung ist optisch dem Euro sehr ähnlich, weswegen man tunlichst genau darauf achten muss, ob das Wechselgeld dann wirklich Euros und keine Lira sind.
Nachdem wir unser Bargeld gleich am ersten Tag stark reduziert hatten, haben wir den Abend dann im Hotel verbracht. Das Abendessen war genau wie mittags reichlich und wohlschmeckend. Bedarf an Weißwein bestand heute allerdings weniger…
Das hauseigene Animationsprogramm begann um 21.00 Uhr. Da es sehr kalt war, fand die angesagte „Misswahl“ im Foyer des Hotels statt. Sado, unser schwarzer Animateur und die beiden russischen Teenies, die ihm assistierten, machten ihre Sache so gut es mit den wenigen Zuschauern ging. Die armen Teilnehmerinnen (die sich nicht etwa freiwillig gemeldet hatten, sondern von Sado auf die Bühne gezerrt wurden!) mussten singen, Bauchtanzen und Hosen von anwesenden Männern einsammeln. Ja, richtig gelesen. Es gab tatsächlich ein paar Zeitgenossen, die sich dann in der Unterhose präsentierten, um ihrer Favoritin ein paar Punkte zuzuspielen. Das wurde uns dann doch zu doof.

Animation ohne Hosen
Ich hatte sicherheitshalber ein paar Spielfilme auf einen USB-Stick kopiert und so konnten wir dann anschließend im Zimmer noch „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ schauen.
Der Dienstag begann routiniert mit dem Frühstücksbuffett. Auch wenn es „All inclusive“ hieß, kostete der frisch gepresste Orangensaft doch einen Euro extra. Das – sowie die vereinzelten Trinkgelder, die man in eine Box am Ausgang werfen konnte – war aber zu verkraften.
Für heute hatten wir „Türkisches Bad“ gebucht. Ich hatte von vornherein nicht vor, da mitzumachen. Deshalb ist Dagmar da alleine hingefahren. Um halb elf wurde sie abgeholt und kilometerweit in irgendein Neubaugebiet gefahren. Ein sächsisches Pärchen aus unserem Hotel war auch dabei. Was dann in diesem Bad so im Einzelnen geschah, kenne ich nur vom Hörensagen. Man konnte den Bikini bzw. die Badehose anbehalten und wurde von irgendwelchen Männern (!) gewaschen, massiert, abgeschrubbt und getrocknet. Gut, man konnte sich auch Frauen auswählen, aber die meisten wurden doch von Männern bedient. Der günstige Preis (Neun Euro) war nur ein Lockpreis. Tatsächlich versuchten die Schrubber, den Gästen unzählige Zusatzangebote aufzuschwätzen, was Dagmar aber tapfer abgelehnt hat. Da wurden die Jungs ziemlich sauer, aber Daggi war ja vorgewarnt und hat sich nicht beeinflussen lassen.
Als sie dann nach über vier Stunden wieder im Hotel ankam, war das Mittagessen schon vorbei. Ich hatte teilweise am Pool gelegen und gelesen, war ein bisschen was arbeiten und habe das Essen auch völlig vergessen.
Also sind wir wieder am Strand entlang Richtung SIDE gelaufen. Dachten wir am Vortag noch, wir hätten alles gesehen, mussten wir uns heute eines Besseren belehren lassen. Die vielen kleinen Läden und Kneipen am Meer entlang mündeten in eine komplette Einkaufsstadt mit Hunderten von Geschäften und Restaurants. Schnell waren 500.- Euro aus dem Automaten gezogen, damit man ja nichts verpasst. Zum Essen waren wir in einem skandinavischen Restaurant – auch wenn die Mitarbeiter alle Türken waren. Das Essen war auch hier supertoll und supergünstig. Ne komplette Forelle für fünf Euro (inkl. Beilagen) findet man in Deutschland nicht. Da es langsam kühl wurde, hat Daggi uns zwei dicke Jacken gekauft (zusammen 25.- Euro), die den Namen von Jack Wolffskin tragen. Später haben wir noch Tee probiert (und gekauft), Bier getrunken (lecker!) und einige Tausend Verkäufer abgewimmelt. Das Einkaufszentrum befindet sich unmittelbar neben den Sehenswürdigkeiten von Side, den alten Trümmern der Römer. Irgendwie scheint der Staat kein großes Interesse an einer Vermarktung dieser Altertümer zu haben – alles gammelt so vor sich hin. Nur das Amphietheater wird mit einer Führung (und 5 Euro Eintritt) geadelt. Für den Rückweg nahmen wir dann ein Taxi.
Beim Abendessen im Hotel haben wir dann einen sehr originellen Berliner aus dem Irak kennengelernt, der auch recht gut Türkisch sprach. Er war schon einige Male hier und sehr betrunken. Daran hat sich auch den ganzen Abend nichts mehr geändert. Der Kellner musste ihm die Suppe tragen, damit er nicht alles verschüttete…
Rechts – das ist SADO aus SIDE
Um 21.00 Uhr war wieder Animation angesagt. Das Thema heute Abend: „Misster Wahl“. Jawoll, mit zwei „ss“. Die beiden russischen Mädels sprechen nämlich so gut wie kein Deutsch, sind aber für die Schilder verantwortlich. Ich war schon sehr gespannt, welche Deppen Sado diesmal auf die Bühne (im Freien!) schleppen würde, damit die sich vor allen Gästen blamieren würden. Leider hatte ich nicht damit gerechnet, dass er ausgerechnet MICH auf dem Kieker hatte. Mein Protest half überhaupt nichts, alle grölten und klatschten (Dagmar eingeschlossen!!!), so dass mir gar nicht anderes übrig blieb als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Der zweite Kandidat hieß Volker und lebt mit seiner Frau Ulli in Philipsburg. Das ist irgendwo in der Nähe von Stuttgart, wie man am Dialekt leicht feststellen konnte. Der dritte und letzte Teilnehmer hieß Bernd (soweit ich mich erinnere), war – genau wie Volker – viel jünger als ich und trug einen Schnauzer. Unsere erste Aufgabe war leicht. Wir sollten ein Glas Bier auf ex trinken und gleich danach einen Luftballon so lange aufblasen, bis er platzte. Und da hatten wir auch schon das erste Problem. Ich habe das Bier nicht runter bekommen. Es war so kalt, dass ich es nur in kleinen Schlucken trinken konnte. Irgendwann gab man mir zu verstehen, dass ich das mit dem Bier jetzt auch vergessen und lieber den Luftballon aufblasen sollte. Der platzte dann sogar noch vor Bernd, aber nach Volker. Als nächstes sollten wir einen Striptease machen. (Sagte ich schon, dass alles ein wenig „familiär“ war?) Volker und Bernd haben da irgendwas gemacht, aber ich habe mich geweigert, mich vor den Leuten auszuziehen. Sooooo niveaulos wollte ich dann auch nicht sein. Spiel drei wurde dann sehr lustig. Wir drei stellten uns im Kreis auf, bekamen einen Hut auf den Kopf und mussten auf Befehl des Animators bestimmte Dinge ausführen:
1: Hand auf Nachbarhut legen
2: Hut eins weiter reichen
3: Hände schütteln
4: Einmal im Kreise drehen
5: dem linken Nachbarn in den Hintern kneifen und dabei „Miep Miep“ rufen.
Das klingt extrem dämlich und ist es auch, aber es machte – zumindest den Zuschauern – extrem viel Spaß. Die Stimmung war kurz vorm Überkochen.
Ja, das bin ich. Weitergabe dieses Fotos verboten.
Blieb noch das letzte Spiel. Wir drei wurden in einen Nebenraum der Küche gebeten und sollten uns umziehen. Genauer gesagt, sollten wir Frauenkleider anziehen. Und eine Perücke. Geschminkt wurden wir auch noch von Julia und Nastasia, den beiden Girlies aus Estonia, bzw. Weißrussland.
Und dann kamen wir wieder rein und mussten – einer nach dem anderen – einen Bauchtanz vorführen. Das Gegröle war groß, die Peinlichkeit kaum zu überbieten, aber dennoch hat es wohl allen sehr viel Spaß gemacht.
Wir standen dann mit allen noch ein Stündchen an der Bar und haben herzlich gelacht. Mit einem fröhlichen „Miep Miep“ gingen wir dann zu Bette.
Um sieben klingelte mein Wecker. Ich musste so früh raus, weil ich dringend noch etwas aufnehmen musste. Am gestrigen Abend hätte das nicht so ganz perfekt geklungen. Dann direkt zum Frühstück, wo uns Sado schon mit einem fröhlichen „Miep Miep“ begrüßte. Um viertel nach neun wurden wir für unsere erste große Tour abgeholt. Unser Reiseleiter sprach sehr gut deutsch, was wohl daran lag, dass er den Großteil seines Lebens in Deutschland verbracht hatte. Überhaupt – falls ich es noch nicht geschrieben habe: Die Landessprache ist nicht etwa türkisch, sondern deutsch. Ich glaube, alle ehemaligen Gastarbeiter sind hier in den Süden gezogen, um mit dem Tourismus das große Geld zu machen. Der Weg zu unserem ersten Haltepunkt in der Nähe von Antalya war lang. Zeit für ein kleines Nickerchen. So habe ich leider gar nicht viel von dem mitbekommen, was uns der Reiseleiter über die Türkei erzählt hat. Ich kann mich daran erinnern, dass er sagte, dass die Türken in wenigen Jahren die Deutschen stückzahlmäßig überholen würden. Antalya selbst wurde in den letzten Jahren zur Millionenstadt. Das zeigt sich leider darin, dass rund um die ehemalige Altstadt tausende von Hochhäusern in die Natur gesetzt wurden, in denen Abertausende von Eigentumswohnungen die Bevölkerung beherbergen.

Der erste Haltepunkt war ein mittelgroßer Wasserfall mitten in einem Naturschutzgebiet. Die Regierung hat irgendwann geschnallt, dass es keine so gute Idee war, sämtliche Wälder abzuholzen. Nur noch 5% der Landschaft besteht aus Wäldern – gegenüber 30% in Deutschland. Also lenkt man derzeit stark dagegen und verbietet weiteren Raubbau an der grünen Lunge des Landes. Wir latschten also durch das Grünzeug und stiegen nach ein paar obligatorischen „Aahs“ und „Oohs“ wieder in den Bus, der uns nun in das große Schmuckzentrum fuhr. Das Ganze verwandelte sich jetzt ein bisschen zur Kaffeefahrt. Das Schmuckzentrum war auf dem Gelände eines Luxushotels in einem ausrangierten Spielcasino untergebracht. Prächtige, kitschige Wände mit 300 Kilogramm Blattgold, dicker Samt überall und Hunderte von Vitrinen mit ziemlich langweiligen Schmuckstücken warteten auf uns. Nach einer kleinen Begrüßungsrede wurden wir in den ersten Stock geführt, wo sich sofort ein „Berater“ wie eine Klette an uns hing und versuchte, uns den Schmock, äh Schmuck anzudrehen. Statt dass wir also unser Glück an einarmigen Banditen suchen konnten, versuchten zweibeinige Salesmanager ihr Glück damit, uns ihren Käse anzudrehen. Aber der Schmuck war wirklich eher etwas für uralte russische Milliardärinnen als für uns. Zu dick, zu wuchtig, zu kitschig und natürlich viel zu teuer. Preise standen zwar nicht dran – und Handeln war das allerwichtigste in diesem Schmuckbazar! – aber irgendwelche Mitreisende sind natürlich auf die Jungs reingefallen und haben sich merkwürdige Klunker gekauft. Daggi als Schmuckexpertin (sie stellt sich ihren Schmuck schon seit Jahren selbst her – welch glückliche Fügung für mich!) hat schnell festgestellt, dass der Schmuck eher minderwertig war und außerdem schlecht verarbeitet wurde. Die Preise waren jedenfalls völlig überteuert. Schnell sind wir aus dem ehemaligen Casino wieder ausgebrochen und haben draußen vor dem Hotel auf den Rest der Gruppe gewartet. Als Nächstes ging es zum Mittagessen. Das war perfekt organisiert. Die Riesenbusse kamen quasi im Minutentakt angefahren, spuckten ihre Touristen aus und sammelten sie nach erfolgter Nahrungsaufnahme wieder ein. Das Essen wurde an Achtertischen aufgetragen. Es gab Salat, Brot, Hühnchen und Reis. Als Nachtisch noch eine Apfelsine. Getränke mussten extra bezahlt werden. Der Betrieb funktionierte perfekt wie eine Schweizer Uhr; lediglich an der Damentoilette gab es die üblichen Staus.
Weiter ging die Fahrt nach Antalya. Wir wurden direkt am Fuß der Altstadt ausgeladen und hatten nun zwei Stunden Freizeit. Natürlich sind wir als erstes gleich mal in den Bazar gelaufen, der aber im Gegensatz zu dem Markt in Manavgat recht klein und übersichtlich war. Die Preise waren auch etwas höher und es wollte sich keine Kauflust einstellen. Also sind wir in die Altstadt gelaufen. Schöne, verwinkelte Gassen mit sehr hübschen Lokalen und Restaurants luden zum Verweilen ein. Daran, dass man vor jedem Geschäft angesprochen wurde, hatten wir uns schon gewöhnt. Einer der Verkäufer stellte sich als alter Frankfurter heraus. Klar, dass Dagmar ihm daraufhin ein paar Sachen abgekauft hat – Seidenschals oder so was. Ein frisch gepresster Granatapfelsaft für Daggi und ein fettes Bier für mich beendeten dann unseren Aufenthalt in der Provinzhauptstadt Antalya. Von unserem Treffpunkt aus liefen wir in eine Tiefgarage, wo unser Bus bereits auf uns wartete, um uns zum nächsten Ziel zu bringen: zur Lederfabrik.
Tja, die Kaffeefahrt war noch nicht zu Ende.

Es fing alles ganz grandios an: Eine kurze Modenshow mit sechs oder sieben Models zeigte uns, was man derzeit an Lederkleidung tragen sollte. Jedes Model trug eine Nummer, mit der sich die Kleidungsstücke identifizieren ließen. Denn nach der sechs Minuten dauernden Show wurden wir in die Verkaufsräume geschoben. Und hier wurde es dann richtig unangenehm. Einer dieser Verkaufsnervensägen sprach mich schon hinter meinem Rücken an und wollte mir partout die Hand geben. Dazu hatte ich keine Lust und sagte ihm das auch, so freundlich ich eben noch konnte. Darauf spielte er die beleidigte Leberwurst, wich uns aber nicht von der Pelle. Egal, was sich Dagmar anschaute, sofort war er neben ihr und begann mit seinen Verkaufsgesprächen. Die Teile waren alle hoffnungslos überteuert – außerdem hatten wir uns im letzten Jahr in Istanbul erst mit Lederjacken eingedeckt. Irgendwann platzte mir dann auch der Kragen. Ich sagte Dagmar, dass ich hier nichts kaufen wolle und die Nase von dem Laden voll hätte. Darüber war sie dann auch sauer. Und so sind wir beide sauer aus dem Laden gelaufen, einen noch saureren Verkäufer hinterlassend. Draußen haben wir uns dann aber gleich wieder beruhigt und festgestellt, dass es den meisten Mitreisenden genauso gegangen war. Unter Druck bin ich einfach nicht bereit, irgendwas zu kaufen. Wir lassen uns doch nicht zwingen. Leider haben die meisten Verkäufer das noch nicht kapiert und nerven daher weiter, bis die Kunden eines Tages gar nicht mehr kommen.
Eine Stunde später waren wir dann wieder im Hotel; gerade rechtzeitig zum Abendessen. Ich hatte mir inzwischen den aktuellen Tatort heruntergeladen, so dass wir den Abend ruhig und alleine vor der Glotze beendeten.
Schon war der Donnerstag angebrochen. Das Aufstehen machte uns keine Mühe, nur das Schloss der Badezimmertür versetzte mich in Panik. Ich hatte mich für die morgendliche Toilette eingeschlossen, weil die Tür sonst immer wieder aufgegangen wäre. Als ich sie dann öffnen wollte, ging das nicht mehr! Klinke und Schließmechanismus hatten keine Verbindung mehr! Ich konnte machen, was ich wollte, ich war eingesperrt. Weder von innen noch von außen ließ sich diese vermaledeite Türe öffnen…
Dagmar rief an der Rezeption an und schon nach fünf Minuten war ein Techniker zur Stelle, der die Tür dann mit brachialer Gewalt aufbrach. Endlich konnte ich mich anziehen. Wir hatten es nämlich eilig, denn auch für heute hatten wir eieine Tour geplant. Der „Green Canyon“ stand auf dem Programm. Unser Reiseleiter Ali war etwas ungehalten, dass wir nicht vorne an der Straße auf ihn warteten. Dabei waren wir trotz der Einsperrung pünktlich um 9.15 Uhr an der Rezeption, aber er hatte 9.05 Uhr in seinem Plan stehen. Nach und nach sammelten wir noch ein paar Mitreisende in den verschiedensten Hotels ein – darunter auch alte Bekannte vom Vortag. Ali machte ein paar chauvinistische Frauenwitze und hatte damit gleich eine ältere Lady als Feindin. („Was machte eine Frau, nachdem sie ihren Führerschein schon ein Jahr lang hat? – Sie entdeckt den zweiten Gang“). Na ja, schon besser gelacht. Ali war noch ein recht junger Bursche aus Syrien, der angeblich in Deutschland studiert hatte. Ich glaube eher, er hat das Leben studiert. Und auf einem Flirtkurs muss er auch gewesen sein, so wie er alle alleinstehenden Damen angemacht hat.
Der „Green Canyon“ ist ein riesengroßer See in etwa 300 Meter Höhe mitten im Taurus-Gebirge. Deutschland hat dort in den letzten Jahren ein grandioses Stauwerk errichtet, das wir natürlich ebenfalls besichtigt haben. Dann sind wir in einen Katamaran umgestiegen. Zusammen mit Gästen aus anderen Bussen waren wir gut 100 Touristen, die nun auf diesem Riesengebirgssee rumschipperten. Das Wasser war türkisblau und sehr sauber. An den Bergen starrten uns die Bergziegen an als kämen wir von einer anderen Welt. Na ja, so war es ja auch. An Bord waren zwei Profi-Fotografen, die uns der Reihe nach ablichteten. Sie gaben sich sehr viel Mühe, die Touristen in vorteilhafte Posen zu dirigieren. So gegen 12.30 Uhr gingen wir dann an Land und kletterten 132 Stufen hinauf, um unser Mittagessen einzunehmen. Hier hatte man die Qual der Wahl: Hühnchen, Fisch oder Fleisch stand auf der Speisekarte. Dagmar wählte den Fisch, der sich als im Ofen gebackene Forelle entpuppte. Ich hatte Hühnchen mit Reis und den obligatorischen Salat. Auch hier klappte die Organisation hervorragend. Keiner musste warten, alle wurden satt. Nur der Himmel machte uns Sorgen. Der änderte nämlich seine Farbe von blau auf dunkelschwarz. Außerdem war ein dumpfes Grollen zu bemerken. Wieder auf dem Schiff, fing es dann prompt an zu regnen. Der bisher so angenehme Fahrtwind wurde schneidend kalt und brachte uns zum Bibbern. Dann begann es auch noch zu hageln. Nur hinten am Schiff, vor den Toiletten, ließ es sich noch einigermaßen aushalten. Alle anderen haben sich hier mindestens eine Lungenentzündung geholt.
Während des Essens hatten unsere Profi-Fotografen alle Bilder ausgedruckt und verteilten sie jetzt an die Schiffsgäste. Von uns gab es rund ein Dutzend Bilder, von denen ich sechs Stück auch gekauft habe. Ursprünglich wollten die Jungs 3.- Euro pro Bild, für 2,50 habe ich sie dann bekommen. Andere zahlten sogar noch weniger. Und was das Beste ist: Die Bilder sind richtig gut geworden. Zwei Stück stecken bereits im Rahmen und lachen uns täglich an.
Ali mit Silke und Elke
Ali, unser Reiseleiter, war auf dem Schiff selbst nicht im Dienst, sondern überließ die Moderation einem Kollegen, der ständig darauf hinwies, wie gut er doch eigentlich aussieht, seit er immer in diesem Wasser badet. Zusammen mit Ali hat er dann auch noch getanzt. Als Ali dann später alleine ebenfalls einen etwas obszönen Tanz aufführte, hatte er gleich wieder Ärger mit seiner Lieblingsfeindin, die das gar nicht komisch fand.
Irgendwann war der Green Canyon dann zu Ende und wir sind den ganzen Weg wieder zurück gefahren. Der Hagel hörte auf, ein paar Regentropfen klatschten noch gegen das Schiff, bis die Sonne wieder die Regie übernahm. Am Staudamm verließen wir das Schiff und stiegen in unseren Bus.
Aber das war natürlich noch nicht alles. Uns erwartete noch ein Einkaufsbummel im Textilparadies „Dickmann“. Und hier war tatsächlich mal alles anders. KEINE Verkäufer, KEIN Kaufzwang, KEIN Druck auf die Touristen. Und siehe da: Es hat funktioniert. Viele der Mitreisenden haben sich hier mit irgendwelchen Hemden, Hosen oder T-Shirts eingedeckt. Es war auch wirklich extrem billig. Ich habe mir sechs „Hilfiger“-Hemden zum Stückpreis von 10.- Euro gekauft. Dagmar hat allerdings nichts gefunden, was ihr gefallen hätte. Inzwischen habe ich allerdings erfahren, dass die Arbeitsbedingungen der Textilindustrie in der Türkei so miserabel sind, dass man besser beraten wäre, durch Verzicht auf diese Einkäufe dieses System nicht noch zu unterstützen. Kinderarbeit ist wohl hier unten noch an der Tagesordnung. Ich werde mich in Zukunft vorher informieren. Versprochen.
Alle saßen wieder pünktlich im Bus, aber Ali, unsere Nervensäge, fehlte. Er hatte irgendwelche Probleme mit der Provisionsabrechnung, bzw. wegen irgendwelchen fehlenden Armbändchen, die unsere Gruppe zu tragen hatte. Mit ca. 10 Minuten Verspätung fuhren wir dann wieder zum Hotel zurück.
Nach dem Abendessen im Hotel erwartete uns mal wieder eine Animations-Bespaßung. Diesmal stand BINGO auf dem Programm. Und wie es der Zufall will, hat Dagmar den dritten Preis gewonnen: Einmal Massage, einmal Haarschneiden und eine Packung Türkischen Honig! Und da Silke aus Remscheid um Mitternacht Geburtstag haben würde, hatte sich SADO etwas Besonderes für die Nacht ausgedacht. Er hatte einen Bus organisiert und etwa ein Dutzend willige Touristen ab 23.00 Uhr in eine Discothek geführt. Der Bus kostete 5.- Euro, aber der Eintritt in die Disco war frei. Wir waren natürlich auch dabei. Der Laden füllte sich in kurzer Zeit und die Tanzfläche stand keine Sekunde leer. Von der Musik kannte ich so gut wie gar nichts, aber das war auch egal. Ein sehr junger DJ spielte an seinem Laptop rum und hielt den Beat stundenlang durch. Um Mitternacht feierten wir dann Silkes Geburtstag, die sichtlich gerührt war und sich sehr über das schöne Fest gefreut hatte. So gegen zwei Uhr wurden wir wieder abgeholt. Details der Heimreise habe ich leider vergessen.
In  der Disco. Links sind Anastasia und Julia
Freitag Morgen. Unser letzter kompletter Ferientag. Die Abreise war für Samstag Mittag geplant. Nach dem (sehr späten!) Frühstück und ein bisschen Büroarbeit trudelten dann so langsam alle Mittänzer der vergangenen Nacht ein: Silke und ihre Freundin Elke, das Sachsenpärchen, Julia und Nastasia, Volker und seine Ulli, Sado und viele andere, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnere. Dagmar schenkte mir ihren Gutschein für den Friseur, den ich auch sofort eingelöst habe. Der Laden war nur einen Steinwurf vom Hotel entfernt und der Frisör war ausgesprochen gut. Es war zwar kurz verwirrend, dass er mir ohne Vorwarnung mit der Schere in der Nase rumgefuchtelt hat und ein paar Gesichtshaare mit einer offenen Flamme abfackelte. Andere Länder, andere Sitten. Das Trinkgeld hatte er sich redlich verdient. Dagmar freute sich schon auf die Massage am Nachmittag, aber erst kam das Mittagessen an die Reihe. Es war schon fast 14.00 Uhr, als ich nochmals in unser Zimmer ging. Etwas verwundert stellte ich fest, dass es immer noch nicht aufgeräumt war. Dann klopfte das Zimmermädchen und faselte was von „finish, finish!“. Mich beschlich ein merkwürdiges Gefühl. Ich lief zur Rezeption und suchte die Liste mit den Abreiseterminen. Und siehe da: Wir beide mussten schon HEUTE weg! Das Zimmer hätte um 12.00 Uhr ausgeräumt sein müssen. Wir hatten uns um einen vollen Tag verrechnet!!!
Also suchte ich Dagmar und binnen einer halben Stunde hatten wir unsere Koffer gepackt und sie in der Rezeption zwischengelagert. Wir tranken noch ein paar Tassen Kaffee und quatschten mit unseren neuen Freunden. Die letzte Stunde spazierten wir noch ein wenig im Ort umher, die eine oder andere Handtasche erwerbend. Dann hieß es Abschied nehmen. Eine letzte Umarmung, dann stand der Fahrer vor der Tür, der uns zum Flughafen bringen sollte. Nach etwa der Hälfte der Strecke wurde er angerufen, wen er da eigentlich abgeholt hätte. Es stellte sich heraus, dass wir im falschen Auto saßen und unser „richtiger“ Bus mit Verspätung in Side angekommen war. Die „richtigen“ Gäste mussten halt jetzt mit dem Bus fahren, während wir in einem PKW zum Flughafen gebracht wurden. Auch nicht schlimm.
Heißt der nicht Georgio?
So gegen 23.00 Uhr sind wir dann wieder in Frankfurt gelandet, wo uns ein Taxi zum Preis eines Türkeifluges nach Hause brachte.
Fazit: SIDE – immer wieder gerne! Aber nicht in der Hochsaison. Bei 40 Grad im Schatten ist das Leben nicht so lustig wie hier in der Vor- oder Nachsaison. Die Preise sind unschlagbar, das Essen ist hervorragend und die Einheimischen sind freundlich und liebenswert – von ein paar Nervensägen in den Bazaren mal abgesehen.