La Gomera – die Rückkehr der Hippies

„Überall wird getrommelt“.

Das ist schon mal das erste, was einem auffällt, wenn man auf der Kanareninsel La Gomera in Valle Gran Rey landet. Diese Trommelei verhindert, dass man dauernd eindöst, weil sonst so gar nichts passiert. Angie, unsere Bundeskanzlerin, ist auch gerade auf der Insel, weil sie hier wohl tatsächlich mal in Ruhe gelassen wird.

Aber wie, und vor allem wieso kommt man überhaupt hierher? Nun, nach meinem grandios gescheiterten Massentourismus-Experiment auf Gran Canaria wollte ich doch zu gerne rausfinden, was denn die anderen kanarischen Inseln so zu bieten haben. Und vor allem: Gibt es alternative Urlaubsszenarien, Urlaub mit einigermaßen Gleichgesinnten? Das Fazit vorneweg: Das gibt es. Genau hier auf La Gomera. Und man muss dazu auch keinen an der Waffel haben oder als Spät-Hippie verkleidet barfuß durch die Gassen schlurfen.

Jetzt, Anfang April 2016, ist es hier ja schon hübsch warm in der Sonne. So um die 20-22 Grad im Schatten entsprechen fast 30 Grad in der Sonne. Und diesmal fuhr ich auch nicht aufs Geradewohl in den Süden. Nein, diesmal ging alles auf Empfehlung meines Freundes Micky, der hier schon fast dreißig Mal Ferien gemacht hat – das letzte Mal erst vor vier Wochen. Und weil er ohnehin nichts Besseres zu tun hatte, kam er gleich auch wieder mit. Zusammen mit seiner Freundin, die wir hier mal Chris nennen wollen. Und natürlich zusammen mit seiner Trommel, extrem gründlich in Plastik eingewickelt und 15 Kilo schwer.

Der Condor-Flieger landete leider nicht direkt auf La Gomera, weil diese großen Kisten und die wenigen Einwohner der Insel irgendwie wirtschaftlich nicht zusammenpassen. Also fliegt man erst einmal nach Teneriffa. Im Flieger sehr entspannte Atmosphäre, die wir nicht zuletzt einer gut gelaunten Chef-Stewardess verdankten, die die üblichen Ansagen mit sehr viel eigenem Text erweiterte: „Ziehen Sie die Sauerstoffmaske erst sich selbst an, bevor Sie Ihren Ehemännern oder anderen gebrechlichen Personen helfen“.

Oder: „Schön, dass sie bis zuletzt bei uns geblieben sind. Nun warten sie bitte auch noch die paar Minuten, bis das Flugzeug irgendwo angekettet wurde, bevor Sie ihren Gurt lösen“. Das mit dem Essen hat die Condor noch nicht so gut im Griff: Als kostenlose Hauptmahlzeit gab es allen Ernstes nur eine kleine, wabblige Waffel zu essen. Dann doch lieber gar nichts!

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Pappwaffel. Absolut ungenießbar.

Der Flug begann um 12.00 Uhr in Frankfurt und endete gegen halb fünf auf Teneriffa. Dank der deutschen Sommerzeit gab es auch keine Zeitumstellung. Leider hatte die Trommel unter der Reise deutlich gelitten. Irgendein durch und durch unmusikalischer Flughafentroll hatte das Ding dermaßen aufgedotzt, dass es böse Risse bekommen hatte und überall Holzsplitter rausguckten. Micky war sauer. Und das mit Recht.

Am Flughafen von Teneriffa Süd haben wir drei uns dann ein altes Mercedes-Taxi geschnappt und sind die ca. 25 Kilometer zum Hafen gefahren. Hier hatten wir nun die Qual der Wahl. Gleich zwei Fährunternehmen buhlten hier um Passagiere, beide fuhren leider in etwa um dieselbe Zeit, also erst in zwei Stunden. Also hieß es, mal wieder zu warten. Beim Ticketerwerb zeigte sich einer der Vorteile des Älterwerdens: Statt 32.- Euro musste ich nur 25.- Euro für die Überfahrt bezahlen! Mein Alter wurde hierfür nicht etwa geschätzt (sonst hätte ich natürlich den vollen Tarif bezahlt J ), sondern mittels meines Personalausweises ermittelt. Und da steht halt so ´ne blöde Zahl drin, die mich zum alten Mann abstempelt. Bei Kaffee, Wein und Wasser ging die Wartezeit in der Hafen-Cafeteria aber schnell vorbei. Die Fähre war ein Riesenungetüm aus den 1950er-Jahren mit entsprechendem Interieur. Es passten unglaublich viele Autos und LKW hinein, von Menschen ganz zu schweigen. Natürlich wurden wir von der anderen Fähre, die nach uns startete, unterwegs eingeholt. Man kennt das ja von der Supermarktkasse.

Bis wir dann unseren Mietwagen abgeholt hatten, war es schon 20:30 Uhr. Doch wir waren noch lange nicht am Ziel. Jetzt mussten wir noch eine ca. 50 km lange Passstraße mit genau 419 engen Kurven und Serpentinen zurücklegen. Micky hatte sich bereit erklärt, den Chauffeur zu spielen, weil er die Strecke ja schon so oft gefahren war. Der einzige Weg zu irgendeinem der wenigen Dörfer auf La Gomera führt immer über den Gipfel des Vulkans, weil man keine Straße rings herum bauen kann. Na gut, man könnte das schon, aber wer soll das bezahlen? Die EU hatte schon die Renovierung der Passstraße großzügig gefördert, da muss man einfach mal dankbar sein. Ohne die Leuchtreflektoren an den Straßenrändern wären wir so manches Mal im Graben gelandet. So etwa am Gipfel des Vulkans wurden wir dann auch noch von dichtem Nebel überrascht. Chris, die immer alles weiß, wusste zu berichten, dass die Bäume den Nebel „melken“ und auf diese Weise überhaupt das Wasser nach La Gomera bringen. Wir beide hatten ziemliche Angst und mussten Micky immer wieder dazu verdonnern, langsamer zu fahren, aber letztendlich kamen wir doch heil in Valle Gran Rey an.

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Micky und Chris

Kurz vor 22:00 Uhr fanden wir dann noch ein feines Restaurant, ABRAXA, das noch geöffnet hatte. Wir waren zwar die Letzten, aber das war egal. Der deutsche Inhaber kochte uns gerne noch ein paar landestypische Leckereien. Zufällig erfuhren wir, dass RTL2 hier demnächst irgend so eine Restaurantkritik-Show drehen will. Werde ich leider nicht sehen können, da ich mir inzwischen immer noch nicht die Mühe gemacht habe, Privatsender in meinem Fernseher zu speichern. Gegen 23:30 Uhr kamen wir dann endlich an unserem Ziel an: einer kleinen Apartment-Siedlung am Fuße des Vulkans namens “Jardin Tropical“. Und das war nun wirklich eine Augenweide. Wunderbar eingerichtete Apartments mit eigener Küche, Bad und Wohnraum. Zusätzlich Sitzplätze VOR und ÜBER dem Apartment. Jede Einheit war anders gestaltet, auf verschiedenen Höhen, teilweise ineinander verschachtelt, aber trotzdem sehr privat. Fußböden aus Natursteinen, wunderschöne Designelemente, kleine Skulpturen, großzügige Dusche, ausreichend viele Schränke und Kommoden und vor allem genügend Steckdosen!

Nur leider kein WLAN.

Dieses leidige Thema verfolgt mich nun schon seit Jahren rund um die Welt. Natürlich gab es irgendwo in einer Ecke des Grundstückes ein mickriges Signal, mit dem man aber so gut wie nichts anfangen konnte. Daher musste mal wieder die Telekom mit ihren Internetpässen herhalten, bis ich am nächsten Morgen eine Lösung gefunden hatte.

TAG 2

Nach einer sehr ruhigen Nacht war ich schon um acht wieder hellwach. Es war eiskalt in meinem Zimmer. Kein Wunder. Es gab ja keine Heizung. Bei höchstens zehn Grad wäre es aber nicht die schlechteste Idee gewesen, wenigstens ein Elektroöfchen zur Verfügung zu haben. War aber nicht. Die Bedienung der Dusche war auch nicht ganz ohne. Der Warmwasser- und der Kaltwasserhahn wurden in entgegengesetzter Weise betätigt. Bis ich das raus hatte, hätte ich mich beinahe verbrüht.

Noch vor dem Frühstück habe ich dann ein paar Sprechaufträge erledigt, die am gestrigen Reisetag eingetrudelt waren. Mein mobiles Studio reist ja bekanntlich immer mit. Das Versenden über Dropbox war über das iPhone (als Hotspot) so gut wie unmöglich. Es musste eine neue SIM-Karte her, mit der ich meinen eigenen mobilen Hotspot füttern konnte. Also ab in die „Stadt“. Das Städtchen ist klein, aber fein. Überall hübsche kleine Läden, kein einziger Kettenladen, wenn man mal von einem „SPAR“-Lebensmittelgeschäft absieht. Und im einzigen Handyladen des Ortes konnte ich auch eine SIM-Karte erwerben, die inkl. 2 GB Transfervolumen nur 15.- Euro kostete. (Und natürlich nicht funktionierte, das war ja klar. Die Karte war nur zum Telefonieren zu gebrauchen. Mit „mobilen Daten“ konnte die Karte nichts anfangen.)

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Bisschen stürmig heut…

Danach lief ich weiter durch die kleinen Gassen bis vor zum Strand. Selbiger ist zwar recht steinig, bietet aber auch ein paar Stellen mit (schwarzem) Sand, wo es sich schon ein paar Urlauber gemütlich gemacht hatten. „Oben ohne“ ist hier kein Thema. Viele junge Paare – oft mit Babys – und auch alt gewordene Hippies fühlten sich offensichtlich sehr wohl im schwarzen Sand. Ich suchte erst einmal eins der vielen Cafés auf, um mit Micky, der dort vorbei lief, ein Käffchen zu verputzen. Im Nu hatten wir Kontakt zu anderen Besuchern der Insel, die ganz begeistert von diesem Fleckchen Erde waren. Sie hatten eigentlich Teneriffa gebucht und wollten nur mal schnell einen Tagesausflug nach La Gomera machen. Nun waren sie schon den zweiten Tag da und wollten überhaupt nicht mehr zurück. Olivia und Peter, so hießen die schöne Österreicherin und Ihr barhäuptiger Freund, gehörten zu dem Schlag Menschen, die einem auf den ersten Blick sympathisch sind. Schade, dass die Beiden schon um 17.00 Uhr wieder zurückfahren mussten.

Nach einem Frühstückssandwich habe ich mir dann wenigstens ein paar Flaschen Wasser fürs Zimmer gekauft, da man das Leitungswasser laut Micky nicht trinken sollte.

Der kurze, aber steile Rückweg zu unseren Apartments trieb meinen Schrittmelder wieder tüchtig nach oben. Leider würde ich aber nicht mehr lange auf meiner Uhr sehen können, wie viele Kalorien ich hier so verbrauchte: ich hatte das Ladekabel der Apple-Watch zuhause an meinem Bett liegen gelassen. Und dass ich hier in diesem Dörfchen ein solches Kabel bekommen sollte, hielt ich für absolut unwahrscheinlich. Also muss ich mir auch noch eine Uhr kaufen. (Trotzdem hat das iPhone meine Bewegungen natürlich weiter gemessen.)

 

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Sonnenuntergang mit Getrommel

Der Mittag verlief genauso ereignislos wie der Morgen: Ein bisschen rumlaufen, gucken, rumsitzen, essen, Wein trinken und eine Runde pennen. Micky und Chris waren zusätzlich noch in der Eisdiele. Ein paar Kilometer entfernt. Zu Fuß, was sonst. Man nennt das wohl URLAUB.

Als ich dann gegen 19.00 Uhr endlich aus meinem Mittagsschlaf aufwachte, besuchte ich Micky, der faul in seinem Apartment im Bett rumlag. Chris war Schwimmen gefahren – irgendwo weit weg, nur mit dem Auto erreichbar. Als wir zusammen Richtung Badestrand liefen, kam sie uns entgegen. Micky hatte seinen großen Trommel-Auftritt am Strand vor sich, und Chris wollte uns dann später zum Essen begleiten. Ich hatte meine Lederjacke im Zimmer gelassen, musste aber erkennen, dass es doch recht schnell kühl wurde. Aber eine neue Jacke (und bei der Gelegenheit eine neue Uhr) waren schnell gekauft. Auf ging es zu Mickys Auftritt!

Also TROMMELN.

Man mag nun kein großer Fan dieser der Musik zugehörenden Instrumentalkunst sein, aber hier auf La Gomera wird das Trommeln hoch geehrt. Zum einen werden die durch Schläge auf Tierfelle erzeugten Bummse vermutlich heidnischen Riten gerecht; zum anderen erfreut es den Trommler, mit seiner Präzision des Anschlags ein gewisses Aufleuchten in den meist weiblichen Fans dieser Schlagfertigkeit zu erzeugen. Außerdem bringt es den einen oder anderen Euro ein, wenn man nach erfolgtem Schlagwerk seine Mütze durch die staunende Menschenmenge schiebt und den hart verdienten Lohn einstreicht. Ein Leben im Luxus ist damit nicht drin, aber für den einen oder anderen Joint scheint es immerhin zu reichen. Sonderlich abwechslungsreich war das Konzert leider nicht. Laut Micky fehlte der Solist der Truppe, der üblicherweise sonst für die Aahs und Oohs sorgte. Einer der trommelnden Buben war auch noch in Personalunion als Feuerschlucker tätig; aber das habe ich dann verpasst.

Wir sind dann lieber was Essen gegangen. Micky hat seine Trommel vorher noch ins Apartment gebracht, weil 15 Kilo Ballast am Abend doch etwas hemmend sind. Auch das heutige Restaurant war wieder fest in deutscher – oder österreichischer – Hand. Wie überhaupt alle Läden und Restaurants, Cafés und Boutiquen von Deutschen, Österreichern oder Schweizern geführt werden. Spanier findet man in diesem Dorf (ca. 6000 Einwohner!) nur hie und da als Kellner oder Verkäuferinnen. So konnte ich mein wunderbares Spanisch so gut wie nie anwenden, weil mir grundsätzlich auf Deutsch geantwortet wurde.

Nach dem höchst vorzüglichen Essen (Ich hatte ein Filetsteak mit grünem Spargel, Kartoffelpüree, Salat und einer vorzüglichen Calvados-Soße mit zerkleinerten Nüssen für 15,90 Euro) sind wir einfach in das Lokal nebenan gezogen, in die Piano Bar. Dort trat gerade eine Jazzband auf. Ein Bassist, ein Schlagzeuger und ein Trompeter rissen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.

Und plötzlich trat Olivia ein.

Die schöne Olivia, Mitte dreißig, die eigentlich mit ihrem Freund Peter längst wieder in Teneriffa hätte sein müssen. Die beiden hatten Valle Gran Rey fristgerecht verlassen und waren auch pünktlich an der Fähre. Dummerweise hatten sie aber ihren Personalausweis nicht mitgenommen. Der lag noch gut versteckt im Kühlschrank ihres Apartments. Also blieb ihnen nichts anderes übrig als wieder zurück zu fahren und eine weitere Nacht zu buchen. Das Hallo war groß. Wir vier, also Olivia, Peter, Micky und ich hatten noch viel Spaß an der Bar. Chris war schon etwas früher schlafen gegangen.

Lange nach Mitternacht stolperten wir in unsere Bettchen. Ein schöner Tag. Und ein noch schönerer Abend.

  1. Tag

Um halb neun habe ich das erste Mal auf meine neue 9-Euro-Uhr geschaut. Eindeutig zu früh. Weitergepennt. Um halb elf dann endlich widerwillig aufgestanden. Micky hatte schon an meine Tür geklopft und gefragt, ob ich denn endlich wach wäre. Wir hatten uns am Vorabend noch locker mit Olivia und Peter am Strand zum Frühstück verabredet.

Die beiden kamen kurz nach uns, gut gelaunt wie immer. Und wie das so üblich ist, wenn man neue Menschen kennenlernt, haben wir uns gegenseitig unsere Lebensgeschichten erzählt. Aus Gründen des Datenschutzes will ich die hier nicht in den Blog schreiben, aber die beiden aus Österreich, wohnhaft am Bodensee, waren schon etwas sehr, sehr Nettes, wobei ich Olivia aus naheliegenden Gründen noch eine Portion netter fand als den Peter. Und das Wort „nett“ trifft es auch nur annähernd…

So gegen 12.00 Uhr stand schon wieder das erste Glas Weißwein auf dem Tisch. Peter nutzte die Zeit für einen Blitzbesuch beim Immobilienmakler, fand aber nichts brauchbares, und Micky brachte seine defekte Trommel zu einem Trommeldoktor irgendwo in der Nähe des Marktes. Ach ja, heute am Sonntag war ja Markt. Also sind Olivia, Peter und ich dorthin gelaufen. Jawohl, gelaufen! Einen guten Kilometer steil bergauf! Chris und Micky waren schon da. Wie nicht anders zu erwarten, kannten die beiden so gut wie jeden der Händler, die hier den üblichen handgefertigten Schmuck, selbstgeklöppelte Kinderschuhe oder rhythmische Häkelkurse für Männer anboten. Immerhin gab es auch ein Lokal, in dem es Wein gab. Eine gute Stunde später verließen wir unsere Freunde vom Bodensee unter herzlichen Umarmungen und dem gegenseitigen Versprechen, uns nicht aus den Augen zu verlieren. Ich hoffe, das klappt.

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Wein geht immer.

Micky und Chris überredeten mich, zu Fuß in einen anderen Ort zu laufen, in dem Micky auch schon einige Male gewohnt hatte. Chris wollte dort gerne ein bisschen schwimmen gehen. Dazu kam es dann doch nicht, weil die eine oder andere Pause die Pläne immer wieder veränderten. Schließlich landeten wir in einem kleinen Hafen und aßen spanische Tapas. Leider viel zu viele. Der Weißwein half, die Mengen runterzuspülen.

Weil Micky wieder zurück in das Bergdorf wollte, um seine inzwischen reparierte Trommel abzuholen, verließ ich die beiden und lief zu Fuß am Strand zurück nach Valle Grand Rey, gute drei Kilometer ohne Berge. Nach etwa der Hälfte der Strecke wurde ich von der Seite angesprochen. „Schau mal, da ist ja der Rainer!“ rief eine österreichische Stimme. Da saßen doch allen Ernstes Olivia und Peter vor einem Restaurant und schaufelten Tapas und Wein in sich rein.

„Hey, Ihr wisst aber schon, dass Eure Fähre um 19.00 Uhr losfährt und Ihr noch mindestens eine Stunde braucht, um über den Berg zu kommen?“, fragte ich. Es war inzwischen viertel nach fünf, und das Hauptgericht war noch nicht einmal da. Um drei Minuten vor halb sechs haben wir uns ein weiteres Mal verabschiedet. Ich konnte nur hoffen, dass die Beiden ihre Fähre noch rechtzeitig erreichen würden. Falls nicht, hatten wir uns schon mal prophylaktisch für den Abend verabredet. Tja, manchmal lassen Männer schöne Augen erblinden. Aber die beiden kamen leider nicht zurück. Musste wohl alles geklappt haben. Ich hoffe, dass Ihr Euch bald meldet, wenn Ihr das gelesen habt….

Der Abend endete in einem Restaurant am Strand. Micky trommelte seine Trommelungen, Chris gesellte sich später auf ein Glas Rotwein hinzu und ich hatte mal wieder Probleme mit dem Datenverkehr. Die SIM-Karte schien leer zu sein. Gegen Mitternacht ins Bett. Ich hätte mir gerne noch den aktuellen Spiegel runtergeladen, aber da ich ja internetmäßig mal wieder im Neuland war, war daran nicht zu denken.

Trotzdem war es schon wieder ein schöner Tag. 8,1 Kilometer gelaufen, meldete mein iPhone. Das übertraf meinen Promille-Wert doch um Einiges…

  1. Tag

Ein Tag, an dem in unserem kleinen Kosmos auf den Kanarischen Inseln nichts Weltbewegendes passiert ist. Morgens (also so gegen elf) erst mal Café con leche samt Sandwich verdrückt. Dann habe ich mir von Chris den Schlüssel für unseren Mietwagen geben lassen und im Nachbarort eine Inselrundreise für den nächsten Tag gebucht. Später habe ich dann unsere Vermieterin (natürlich auch eine Deutsche) getroffen und meine Restmiete bezahlt.

Billig ist es hier nicht. Das Apartment kostet ca. 70 Euro die Nacht. Auch zu zweit. Essen und Trinken gehen extra. Nix mit „all inklusive“. Das hat aber natürlich den Vorteil, dann man so nach und nach die besten Lokale findet. Das Restaurant an der Strandpromenade gehörte zum Beispiel nicht dazu. Leider hatte auch das wunderbare Lokal von gestern inzwischen abends geschlossen: Dem Chef ist blöderweise der Koch erkrankt. Nierensteine. Wir hatten quasi das letzte Essen bekommen.

So gegen drei bin ich dann mit Micky zu einem weiteren, recht einfachen Restaurant an der Strandstraße gegangen. Von hier konnte man ganz besonders schön den Sonnenuntergang verfolgen, weswegen die Plätze hier heiß begehrt waren. Ich habe mir einen Salat mit Hühnchen gegönnt, und Micky wartete auf einen Kumpel, der ihn zum Trommelunterricht abholen wollte. Man merkt, dass Micky das sehr ernst nimmt. Nach dem Unterricht war auch fast schon wieder Trommelzeit am Strand. Micky und ich konnten gerade noch einen Käseteller verdrücken. Wobei das Wort „Käseteller“ ein Bild im Kopf entstehen lässt, das mit der Wirklichkeit leider nicht übereinstimmt. Es gab nur EINE Sorte Käse (Ziegenkäse) und EIN Stück Weißbrot. Dafür schmeckte der Wein sehr gut. Während sich Micky mit seinen Buben die Finger wund trommelte, gesellte sich Chris zu mir, so dass ich das Programm nicht zum dritten Mal alleine hören musste.

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Vor meinem Apartment

Nach der Show beschlossen wir dann, noch mal „richtig“ essen zu gehen. Die Auswahl war nun schon deutlich kleiner, da auch viele Restaurants montags ihren Ruhetag hatten. Aber schließlich trauten wir uns doch noch in ein taiwanesisches Restaurant in einer Nebenstraße am Strand, wo das Essen extrem lecker war. Und billig noch dazu.

Es war dann doch schon nach 23.00 Uhr, bis wir in der La Gomera Pianobar auftauchten und uns so eine spanische Gitarren-Kapelle anhörten, die so ziemlich alles, was man mit spanischer Musik verbindet, zum Besten gab. Also auch die Gipsy Kings. Es war nicht sonderlich voll, verglichen mit Sonntag, und die Sammlung mit dem Hut hat angeblich nur 100.- Euro eingebracht. Das veranlasste den Boss Thomas (der übrigens der Ex-Mann meiner Vermieterin ist) anzukündigen, dass die Konzerte demnächst nur noch gegen Eintritt stattfinden könnten. Er könne nicht zulassen, dass die armen Musiker so schlecht bezahlt würden. Weise Entscheidung.

Wir waren mal wieder die letzten, die das Lokal verließen. Die Bedienung, sie heißt Tanja, hat mich mehrfach ganz lieb angelächelt.

Mal sehen, wer morgen spielt.

5.Tag

Die Inseltour, oder besser: Die Inseltortur. Der Bus stand wie verabredet um halb zehn unten am Strand. So nach und nach luden wir weitere Gäste aus den umliegenden Ortsteilen ein. Bis auf zwei Norweger kamen alle aus Deutschland. Das bedeutete aber, dass unsere Reiseleiterin alles zweisprachig von sich geben musste. Und die Dame redete leider wie ein Wasserfall, das Mikrophon viel zu nah vorm Mund.

Ich hatte ja jüngst schon auf Gran Canaria eine Inseltour durchgemacht und nicht viel Gutes darüber zu berichten gewusst. Viel besser wurde es auch diesmal nicht, obwohl die Straßen hier bedeutend besser ausgebaut sind. Es gab nur zwei Situationen, in denen unser Bus bei einer Begegnung mit einem anderen Bus zurücksetzen musste – sonst hatte er überall freie Fahrt. Und dass, obwohl an diesem Tag das Kreuzfahrschiff „AIDA“ angelegt hatte und zusätzliche 2000 Touristen auf den Berg spülte.
Da die ganze Insel eigentlich nur aus Bergen besteht, waren wir auch tatsächlich durchgängig im Gebirge. Und da es nur am Fuß der Berge, also z.B. in Valle Gran Rey, tropisch warm wird, hatten wir den ganzen Tag Temperaturen so um die 12-14 Grad, manchmal mit Nieselregen durchmischt. Auf der „AIDA“ hatte man die Touristen leider nicht darauf hingewiesen, und es sah schon schön dämlich aus, wie die alle in kurzen Hosen und Badelatschen durch den Regenwald kullerten.

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Blick auf Teneriffa

Das erste Ziel war eine Quelle irgendwo ziemlich weit oben, nur durch einen ca. 20-minütigen Fußmarsch erreichbar. Der Marsch wurde dann doch deutlich länger, weil unsere Plappertante jedes Blümelein am Wegesrand erklären musste, zweisprachig natürlich. Das Quellwasser wurde durch morsche Baumstämme in sieben Abfüllstellen umgeleitet. Jeder dieser Wasserspender hatte eine bestimmte Bedeutung. So dürfen Männer nur aus den ungeraden und Frauen nur aus den geraden Quellauslassungen trinken. Wenn nicht, gibt´s Pest oder kein Geld oder 100 Jahre schlechten Sex. Irgend so was halt. Ich habe vorsichtshalber nichts davon getrunken.

Ziel zwei war das Touristenbüro. Hier konnte man sich ein schönes Modell der Insel ansehen. Einmal ringsrum sind nur 98 Kilometer! Und hier gab es auch einen Eklat mit unserer Reiseleiterin. Eine der Tourteilnehmerinnen unterbrach ihren Redeschwall und bat sie, nicht dauernd so unpräzises Zeug von sich zu geben. So gäbe es kein „Weltkulturerbe“ mehr, sondern nur noch ein „Welterbe“, das die Kultur mit einschließt. Und das Geschwätz über die ganzen Pflanzen würde ihr gewaltig auf den Keks gehen. Die Getroffene jaulte auf, dass das doch alle interessant fänden – und überhaupt würde sie ja gar nicht alles sagen können, weil sie ja ständig von der Tourteilnehmerin unterbrochen würde. Da muss es also schon vorher gewaltig gekracht haben. Leider kam es dann doch nicht zum Schlammcatchen – die beiden haben sich einfach keines Blickes mehr gewürdigt.
Und dann haben sie mich vergessen. Jawohl, vergessen. Ich war kurz auf der Toilette, die ca, 100 m entfernt war und kam ca. eine Minute zu spät zum Treffpunkt zurück (weil die Toilette auch von AIDA-Reisenden besucht wurde…). Es war keiner mehr da. Eigentlich schade, weil es jetzt zum Mittagessen gehen sollte. OK, sagte ich zu mir, mach´ Dich nicht verrückt. Gehste halt solange in den Bus. Nur war der Bus leider auch nicht mehr da. Weg war er, einfach weg. Ich bin zweimal über den ganzen Parkplatz gelatscht und habe mir jeden Bus genau angesehen. Mein Bus war nicht mehr da. Nun wurde ich schon ein bisschen nervös. Wie sollte ich hier wegkommen? In einem anderen Bus mitfahren? Würde sicher nicht klappen. Taxis gab`s auch keine. Also fragte ich einen der Buschauffeure. Auf spanisch natürlich. Und so erfuhr ich, dass unser Restaurant ca. 300 Meter links vom Standort sein sollte. Also bin ich die Richtung gelaufen. Es waren zwar eher 400 Meter, aber als ich den Bus davor stehen sah, wusste ich, dass ich richtig war. Drinnen hatte man noch gar nicht bemerkt, dass ich fehlte, obwohl genau ein Platz unbesetzt war. Der Plappertante war das Ganze sehr peinlich. Vom Essen hatte ich nur eine Knoblauchpastete, die ich sowieso nicht angerührt hätte und eine inzwischen erkaltete Suppe verpasst. Zum Hauptgericht, Thunfisch mit Kartoffeln, kam ich also gerade richtig. Es gab auch Rot- oder Weißwein, den ich aber um diese Uhrzeit noch nicht trinken wollte. Nach einem typischen Nachtisch (Pudding mit „Palmhonig“) ging die Tour dann weiter. Palmhonig darf der Saft übrigens laut EU-Verordnung nicht mehr heißen, da es sich ja gar nicht um Honig handelt. Offiziell heißt er jetzt Palmsirup, was natürlich kein Mensch sagt.

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Die Beleuchtung beim Sonnenuntergang ist phänomenal.

Das nächste Ziel war die Stadt „Agolo“ in ca. 200 m Höhe. Von hier hatte man einen traumhaften Blick auf den schneebedeckten „Teide“ der Nachbarinsel Teneriffa. Das Städtchen ist wohl bekannt dafür, dass es viele original erhaltene Häuschen aus der Frühzeit La Gomeras bietet. Mir ist es vor allem dafür aufgefallen, dass es so gut wie keinen ebenen Weg gibt. Entweder geht es bergauf oder bergab. Nach der Stadtbesichtigung war ich absolut groggy.

Der Bus fuhr dann in ein weiteres Kaff, in dem wir uns mit dem Töpferhandwerk befassen sollten. Drei kleinste Töpfereien mit alten Muttchens drin sollten uns dazu bringen, hässliche Teller oder Pötte zu erwerben, die kein Mensch sich freiwillig in die Küche stellen würde. Zum Glück gab es noch eine Kneipe, in der ich mir einen Kaffee hinter die Binde gießen konnte.

Der letzte Punkt des Ausflugsprogramms fiel buchstäblich ins Wasser. Wir sollten eigentlich ein wenig durch den original Regenwald kriechen und uns dabei von unserer Quasselstrippe mit dem bayrischen Dialekt Fauna und Flora erklären lassen. Zum Glück war der Regen so stark, dass keiner aussteigen wollte.

Dann fuhr der Bus wieder zurück nach Valle Gran Rey. Auf dieser letzten Etappe erzählte uns die Dame am Mikrophon endlich die Geschichte La Gomeras, nicht ohne sich pausenlos zu entschuldigen, dass sie gar nicht genug Zeit hätte, uns alles zu erzählen. Und so konnte ich mir auch nur merken, dass die ersten Menschen ca. 3000 Jahre vor Christus auf dieser Insel gelandet sein müssen. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts war die Insel ein beliebter Treffpunkt für Hippies aus aller Welt und vor allem aus den deutschsprachigen Gebieten. Daher rührt wohl auch die Tatsache, dass die Landessprache nicht etwa spanisch, sondern deutsch ist. Dann kommt erst noch englisch, bevor man mit spanisch verstanden wird.

Als Madame sich von ihren Gästen verabschiedete, legte sie uns noch nahe, ihr und dem Busfahrer ein Trinkgeld zu geben. Merkwürdig, dass am Ende ihrer Rede nicht mal ein einziger Gast geklatscht hat. Totenstille. Und da war auch schon meine Haltestelle. Schnell raus und weg. Das war mal so gar nichts.

Ich habe mir dann schnell mal unser Auto ausgeliehen und am Automaten frisches Geld besorgt. Nicht wenig davon habe ich dann abends beim Inder wieder ausgegeben. Während Micky seinen obligatorischen Trommelauftritt absolvierte, ging ich mit Chris schon mal in die La Gomera Lounge, also die Pianobar. Dort waren wir die ersten Gäste. Aber der Laden füllte sich schnell, weil heute zwei phantastische Flamenco-Gitarristen angesagt waren. Hatte ich schon erwähnt, dass es auch eine phantastische Bedienung gab, Tanja? Ja, ich weiß, meine Leser werden es mir übelnehmen: Eben noch ein klopfendes Herz für Olivia und kaum zwei Tage später ein lüsterner Blick auf Tanja. Aber seien wir doch mal ehrlich: Das Ganze spielte sich ohnehin nur in meinem Kopf ab; die Damen waren doch längst versorgt. Und die Hoffnung schwindet zuletzt. Es ist noch nicht aller Tage Abend.

Nur DIESER Abend war vorbei. Wieder fast die Letzten gewesen.

  1. Tag

Das Dorf leerte sich. Die meisten der Touristen, die man jeden Tag wie Statisten in einem Spielfilm alle paarhundert Meter gesehen hat, waren wieder in ihre Büros zurückgeflogen. Vereinzelte Neuzugänge und auch ein deutlicher Temperatursturz konnten nicht darüber hinweglügen, dass die Saison auf La Gomera jetzt erst mal vorbei war. Seit heute zahlte ich auch keinen Saisonaufschlag für mein Apartment mehr. Der Strand war völlig verlassen, was angesichts der kühlen Temperatur und vor allem wegen des starken Windes kaum verwunderlich war. Diesen Widrigkeiten zum Trotz hatte ich mir morgens Shorts angezogen. Shorts, die ich auf Gran Canaria gekauft hatte und noch nie anprobiert hatte. Sie passten so gut, dass sie sogar ständig runterrutschten. Dem Gürtel fehlten an den entscheidenden Stellen leider ein paar Löcher. Na schön, hier fiel es wenigstens keinem auf. Schon gar nicht, wenn man an der Strandpromenade seinen Kaffee schlürfte und seine Mails checkte. Inzwischen hatte ich in fast allen Restaurants oder Cafés Wireless-Lan-Passwörter erhalten, so dass der elektronische Verkehr einwandfrei funktionierte.

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Das blieb mir zum Glück erspart…

Die Hippies waren allerdings noch da – und jetzt sah man auch, dass es ganz schön viele waren, die ihren Lebensmittelpunkt auf diese Insel verlegt hatten. Und ohne Hilfe von außen würde auch keine der Gestalten diese Insel je verlassen können. Das bisschen Geld, das sie mit dem Verkauf ihres selbstgebastelten Schnickschnacks erzielten, würde nicht einmal für die Fähre nach Teneriffa reichen. Wer braucht auch schon Freundschaftsbändchen oder bemalte Steine in nennenswerten Mengen? Verkaufen durften sie ihre Produktion nur sonntags auf dem schon erwähnten Markt. Die sonst üblichen abendlichen Stände sind auf der Insel verboten, um den einheimischen Geschäften keine Konkurrenz zu machen. Aber sie sind friedlich. Sie nerven oder betteln nicht. Sie bleiben unter sich, werfen Tücher in die Luft oder trinken Bier, für das die Kohle anscheinend immer reicht. Die Trommler gehören dann schon zu einer besser gestellten Klasse, teilweise mit eigenem Auto – wie Thorsten, der Trommellehrer von Micky. Dass Micky in diesem Jahr erstmalig mittrommeln durfte, ist eine ganz besondere Ehrung für ihn. Er wurde natürlich nicht an den Einnahmen beteiligt, hatte sich aber dennoch recht professionell in das Team eingefügt. Natürlich wurde er dabei von Thorsten unterstützt, der sich seine Trommelstunden ja auch fair bezahlen ließ.

Am Nachmittag sollte ich die beiden zum Unterricht begleiten und Thorsten dabei auf Video aufnehmen, damit Micky dann zuhause weiter üben kann. Dazu fuhren wir ca. einen Kilometer aus dem Ort hinaus, Richtung „Playa des Inglese“, den es hier natürlich auch geben musste. Dort war es so einsam, dass keiner von der Trommelei gestört wurde. Außer uns waren nur ein paar Nackedeis in den Dünen, die sich hier bei Wind und Wetter nahtlos braun brutzelten. Nach einer guten halben Stunde musste ich die Videoproduktion leider abbrechen, weil mich ein S.O.S. –Ruf eines Kunden erreichte. In einem Messevideo war versehentlich eine falsche Zahl aufgenommen worden. Da die Messe schon lief, musste schnellstens eine Korrektur her. Zum Glück hatte ich noch im Kopf, welcher französische Kollege den Text gesprochen hatte – und zum Glück schickte er mir die Aufnahme nach nur einer halben Stunde zu. Kunde glücklich, Sprecher glücklich (100.- Euro extra), ich glücklich.

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Das alltägliche Urlaubsmotto

Zum Abendessen (vor der obligatorischen Trommelshow) landeten wir wieder im Abraxas, aber auch dieses Mal wurde mir nicht klar, warum RTL2 dieses Restaurant testen will. Es war alles recht ordentlich und schmeckte lecker, aber als besonderes Gourmet-Highlight konnte man das Essen beim besten Willen nicht bezeichnen. Der erste Wein des Tages schmeckte mir gar nicht.

Der Zweite Wein in der Gomera Lounge erst recht nicht. Das lag nicht am Wein, sondern daran, dass ich völlig am Ende war. Ich war in den letzten Tagen viele Kilometer gelaufen und noch mehr Treppen gestiegen. Irgendwann macht der Körper halt nicht mehr mit. Ich habe mir noch die ersten drei Nummern einer hervorragenden polnischen Mädchenkapelle angehört, mich dann aber Richtung Heia verabschiedet. Tanja hat ganz traurig geguckt. Wahrscheinlich weniger wegen mir als wegen des verlorenen Trinkgeldes…

  1. Tag

Ab hier gibt es eigentlich keine Neuigkeiten mehr, nur noch Klatsch und Tratsch. Das Leben hat sich eingespielt. Lange schlafen, frühstücken, spätes Mittagessen am Strand, rumlaufen, Trommeln zugucken oder auch nicht, essen und Gomera Lounge. Ich habe mir leider einen schmerzhaften Muskelriss in der Schulter zugezogen, den ich derzeit nur mit Ibuprofen aus Mickys Reiseapotheke bekämpfen kann. Micky hatte am Abend Probleme mit Thorsten, der nicht zum Trommeln auftauchte. Das wäre nicht so schlimm, wenn nicht Mickys Trommel noch in seinem Wagen gewesen wäre. So musste er also erstmals ausfallen. Die anderen Trommler hatten sich wohl auch ein wenig verzankt, so dass das abendliche Spektakel von nur noch drei Leuten ausgetragen wurde. Das Wetter hatte wieder seine gewohnte Qualität erreicht, und ein weiteres Restaurant erfreute uns mit hervorragendem Essen. Pünktlich um 18.00 Uhr deutscher Zeit konnte ich den aktuellen SPIEGEL runterladen, sodass ich also auch genügend Lesestoff hatte. In der Gomera Lounge war am Abend ein Liedermacher zu hören, der vom Hauspianisten und einem der vielen Trommler unterstützt wurde. Ab 22.00 Uhr legte dann eine deutsche DJane CDs auf. Das war für mich als ehemaligen DJ eine Zumutung. Es gab nicht einen einzigen Übergang, den man als solchen hätte stehen lassen können. Nein, sie spielte alle Platten vom ersten bis zum letzten Ton, mit einer schönen Pause zwischen den Titeln. Na ja, die Musik war für das eher ältere Publikum ganz passend. Auch für Micky, der natürlich sofort auf der Tanzfläche stand und hüpfte. Habe Tanja gefragt, ob sie am Sonntag, also ihrem freien Tag, mit uns essen gehen wollte. Wollte sie nicht; die Oma wäre zu Besuch. Die Antwort kam so aus der Pistole geschossen, dass man davon ausgehen kann, dass dies ihre Standard-Antwort für Typen wie mich ist. Um halb eins hatte ich genug von Wein, Weib und Gesang und ging mit vorsichtigen Schritten nach Hause. Micky tanzte immer noch, derweil auf spanische Flamencomusik.

  1. Tag

Samstag. Mit schrecklichen Schmerzen in der Schulter aufgewacht. Weitere Ibuprofens eingeworfen. So gegen 16.00 Uhr wurde es dann besser. Sonst war nichts los. Rumsitzen, rumlaufen, Rum trinken. Nee, Gin Tonic war´s. Micky hat seine Trommel wiederbekommen und gleich ein weiteres Gastspiel gegeben. Diesmal waren sie nur noch zu zweit. Dann kam uns Tanja entgegen, völlig verkatert. Sie muss am gestrigen Abend noch reichlich viel getrunken haben. In diesem Zustand konnte sie auch nicht arbeiten. Die Gomera Lounge musste am Abend ohne sie auskommen. Ich auch.
Zum Abendessen haben wir uns mit Johann und Silke getroffen, die beide auch in unserer Apartmentanlage wohnen. Johann sieht aus wie Richard Gere, hat einen Lehrstuhl an der Uni in Brandenburg und saniert Firmen. Das heißt, er lässt sich dort in den Vorstand berufen und saniert dann 3 – 5 Jahre rum, bis aus den schwächelnden Firmen wieder gewinnbringende Juwelen geworden sind. Wenn er dieses Ziel erreicht hat, sucht sich das nächste Ziel. Das Ganze ist eine solide WinWin-Situation. Nur fehlt ihm mittlerweile (er ist 55) etwas die Puste, täglich um die Welt zu jetten. Johann wohnt am Bodensee. Ein beeindruckender Mann, ohne Frage.

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Sooo kan man auch essen…

Um 23.00 Uhr war dann wieder Disco angesagt. In der Gomera Lounge spielte heute eine sehr witzige Band mit einer süßen Sängerin, die allerdings etwas schrill sang. Micky tanzte mal wieder durchgehend, teilweise sogar mit Chris, die aber bald nach Hause ging. So wie sie das jeden Abend machte. Als Bedienung war heute eine hübsche Spanierin hinter der Theke, die ich auch schon die anderen Tage lieb begrüßt und verabschiedet hatte. Als ich ihr sagte, dass dies mein letzter Tag in der Lounge wäre, war sie sichtlich traurig und hat mich nochmal herzlich umarmt. Irgendwie kam ich mit den Bewohnern des Ortes wunderbar klar. Auch die meisten der Besucher unterschieden sich grundlegend von der Belegung eines All-Inklusive-Hotels wie z.B. neulich in Las Palomas. Viele Künstler, auch Lebenskünstler, interessante Biografien, kluge Meinungen, spannende Diskussionen und und und. Irgendwie erinnerte mich der Ort ein kleines bisschen an Ao Sane auf Phuket, nur viel sauberer und luxuriöser. So gegen eins ins Bett.

  1. Tag

Der letzte Tag vor der Rückreise war angebrochen. Frühstück wie immer in der kleinen Dulceria am Strand, dann ein weiterer Besuch des Marktes. Inzwischen kannte ich ja die meisten der Händler (die alle auch als Trommler tätig waren) und konnte mich entsprechend frei bewegen. Und plötzlich sah ich Tanja. Sie war nicht allein. Ob Ihr es glaubt oder nicht, sie hatte ihre Oma dabei. Ich hatte ihr also Unrecht getan. Falls Du das jemals liest, liebe Tanja, bitte ich Dich hiermit um Verzeihung, Dir eine Ausrede unterstellt zu haben, um nicht mit uns essen zu gehen. Leider kam ich gar nicht dazu, mit den Beiden ein paar Worte zu reden, da Chris dringend etwas essen wollte und wir alle zusammen dann zu einem traumhaften Restaurant im alten Dorf gefahren sind, das einige hundert Meter höher lag. Chris und ich sind gefahren, Micky ist natürlich gelaufen. Ich bin aber nach dem Essen immerhin den kompletten Heimweg selbst zu Fuß gegangen! Insgesamt heute schon wieder fast 8 Kilometer! Danach ein wenig gefaulenzt und am Strand ein paar Tassen Kaffee getrunken. Micky hatte seinen üblichen, auch diesmal reduzierten Trommelauftritt. Unser Abschiedsessen fand dann wieder beim Inder statt. Leider war der Wein schauderhaft und warm. Das Essen war sehr fettig und roch unangenehm. Wir waren die einzigen Gäste, wenn man von den Besitzern des Lokals, zwei blonden deutschen älteren Damen, mal absah. Angesichts der bevorstehenden Abreise früh ins Bett.

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Die Fassade der Strandpromenade

Nein, nicht ganz so früh wie geplant: Als ich zur Sicherheit noch einmal mein Flugticket kontrollierte, war mir klar, was ich falsch gemacht hatte. Der Flieger sollte um 16:15 Uhr starten. Das stimmte. Aber nicht morgen, sondern heute!!!!

Ich war einen ganzen Tag zu lange in Valle Gran Rey geblieben! Zitternd rief ich bei der Condor an und fragte, ob man den Flug umbuchen könne. Konnte man natürlich nicht, aber man bot mir einen Ersatzflug am nächsten Tag um 16:15 Uhr an. Kostete „nur“ 260.- Euro. So gesehen, war der letzte Tag auf La Gomera auch mein teuerster. Jedes Mal, wenn ich nachts aufwachte und daran dachte, wie blöd jemand sein muss, sein Flugzeug zu verpassen, ging mein Puls auf 180. „Rainer“ ist ab sofort die kleinste Deppeneinheit.

Wahrscheinlich muss ich auch noch einen weiteren Tag im Apartment bezahlen, falls die Besitzerin das irgendwie mitbekommen sollte. Da sie aber am Freitag nach Thailand geflogen war, konnte ich dieses Risiko vernachlässigen.

  1. Tag

Pünktlich um 8:45 Uhr aufgestanden und das Apartment geräumt. Micky fuhr mich freundlicherweise quer über die Insel zum Hafen, von wo mich die Fähre nach Teneriffa rüberbringen würde. Ich gehe mal davon aus, dass die Rückreise auch wieder etwa 12 Stunden dauert. Sollte noch etwas Bedeutendes passieren, trage ich es später nach. Vorerst endet hier der Reisebericht. Die Bilder kommen im Laufe der Woche.

 

FAZIT:
La Gomera, und vor allem Valle Gran Rey ist großartig! Ein kleines verspieltes Kaff mit netten Lokalen, sehr netten und freundlichen Menschen, toller Architektur, prima Wetter, tollem Strand und gerade so viel Abwechslung, dass man wirklich das Gefühl hat, sich im Urlaub zu befinden. Nächstes Jahr will ich wieder hin. Hoffentlich kommt jemand mit. Es lohnt sich, und zwar nicht nur wegen mir …

 

 

 

 

 

 

 

 

Gran Canaria – All inclusive

Gran Canaria, 1. Januar 2016

Au weia. Da habe ich mir vielleicht was angetan. Vor drei Stunden bin ich nach einer fast 12-stündigen Reise endlich in Gran Canaria angekommen. Last-minute-Buchung, teurer als eine Reise nach Thailand. Direkt in ein Riesenhotel in MASPALOMAS namens „Continental“ am Playa des Ingles. Und wie der Name des Strandes schon vermuten lässt, wimmelt es hier auch von diesen Inglesen, also Engländern. Leider hat die Regierung nicht gerade die erste Wahl hierher geschickt – eher das Gegenteil. Dass ich aus dem ganzen Flieger der Einzige sein würde, der in diesem Hotel gebucht hatte, hätte mir zu denken geben müssen. Aber dafür war es ja eh zu spät.

Hotel Continental

Der Poolbereich sieht sehr schön aus – aber wenn man sich nach links dreht, sieht man den alten Kasten, also das Hotel aus den Siebzigern… Man sieht auch nicht, dass rechts hinter der Verkleidung zwei Autobahnen vorbeiführen.

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Das ist übrigens das Nachbarhotel. Hübscher, aber viel größer als das „Continetal“.

Doch der Reihe nach:

Nach einer viel zu kurzen Silvester-Nachtruhe holte mich das vorbestellte Taxi pünktlich um halb neun ab. Die Autobahn war nahezu autofrei, sodass ich schon sehr früh zum Einchecken im Terminal 2 ankam. Die Leute, die mit mir flogen, waren der übliche Mix aus allen Alters- und Sozialschichten. Nach zweieinhalb Stunden Flug mit der mir bis dahin völlig unbekannten spanischen Fluggesellschaft „Air Europa“ bin ich dann erst einmal in Madrid zwischengelandet. Zu essen gab es nichts – und auch die Getränke, hier Wasser, mussten teuer bezahlt werden. Da ich außer einem viertel Brötchen vom Vortag (der Brötchenbringer hat am 1. Januar traditionell frei) nichts gegessen hatte, genehmigte ich mir ein 6-Euro-Bocadillo mit Tomaten und Käse, schön warm gegrillt. Dann ging es weiter. Nochmal dreieinhalb Stunden bis Gran Canaria. Die zweite Maschine war auch eine 737-800, aber ein ganzes Stück neuer, was man daran sehen konnte, dass die aus den Gepäckfächern klappenden LCD-Bildschirme schon das 16:9-Format hatten. Die erste Maschine hatte noch das uralte 4:3-Fernsehformat, von dem ich mich schon lange frage, wie wir das jemals gut gefunden haben…

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Im Flieger Reihe 27

Am Flughafen alles fein. Gefühlte 25 Grad, kein Wind. Sogar mein Gepäck war da. Der Transfer zum Hotel gehörte zu den gebuchten Reiseleistungen, und ich habe es endlich geschafft, dass mein Name vor dem Ausgang von einem Abholer hochgehalten wurde. Nun gut, der Name war falsch geschrieben, aber ich habe mich erkannt und muss den guten Willen durchaus wohlwollend erwähnen. Dass das Taxi – ein alter, aber gut erhaltener schwarzer Mercedes – allerdings am anderen Ende des Flughafens stand, war dann weniger komisch.

Nach 30 Minuten brach leider alles zusammen: meine Euphorie, eine Woche lang auf Gran Canaria zu faulenzen, meine Theatertexte zu lernen und nebenbei noch ein bisschen zu arbeiten. (Denn wie immer hatte ich natürlich mein mobiles Tonstudio im Koffer.) Ich hatte ja gar nicht Las Palmas, sondern Maspalomas gebucht! Das kann im Eifer des Gefechts schon mal passieren, weil bei meiner „Lastminute-Buchung“ der Reisepreis von Minute zu Minute stieg, bis ich dann irgendwann genervt auf „OK“ geklickt habe. Das Hotel: Ein alter, abgewrackter Kasten. Die Gäste: Noch älter und noch abgewrackter. Ich hätte nie gedacht, dass ich durch mein Erscheinen den Altersdurchschnitt signifikant senken konnte! Doch was soll ich schimpfen? Es hat doch jeder ein Anrecht auf Urlaub (wenn er ihn sich leisten kann…), Sogar ich. Und da muss man halt Kompromisse machen. Was man sich halt in so einem Falle schön redet. Ich war müde und sicher nicht ganz fair in meiner Beurteilung.

Nach dem Einchecken stieg ich in einen der drei Fahrstühle, die für die 7 Stockwerke mit den insgesamt 452 Zimmern zuständig sind. Und dort begegnete ich drei Engländern, die alle drei genauso aussahen wie der bekannte hr1-Moderator Werner Reinke! Und sie sprachen auch genauso! (allerdings auf Englisch). Sie hatten wohl eine „great week“ und würden morgen wieder nach Hause fliegen. Davon war ich noch acht Tage entfernt.

Mein Zimmer – Nummer 301 – lag ganz am äußeren Rand des Gebäudes. Vom Fahrstuhl mindestens zwei Minuten Fußmarsch. Sollte ich also mal irgendwas im Zimmer vergessen, könnte das durchaus zu einer kleinen Expedition werden. Das Zimmer: braun und grün und grässlich. An der Wand ein LG-32-Zöller-TV der ersten Generation. Leider wurden die Fernsehsignale irgendwo im Gebäude analog aufbereitet und gemultiplext, so dass das Fernsehbild eine Katastrophe war. Immerhin gab es alle „wichtigen“ deutschen Sender wie RTL und SAT 1. „Das Erste“ und das „ZDF“ habe ich dann weiter hinten gefunden. OK, die Glotze bleibt kalt, auch wenn heute Til Schweiger den Tatort zuballert. Fernsehen kann ich auch zu Hause. (Und den Tatort sowieso, habe ich natürlich aufgezeichnet).

Positiv: Ein Tresor im Schrank. Negativ: Kostet Extra. Noch negativer: Kein WLAN-Empfang. Ich bin dann also nach dem Auspacken gleich wieder an die Rezeption, um dieses Manko mittels ein paar Scheinen auszugleichen. Was den Tresor anging, war das mit 14 Euro schnell erledigt. Nur mit WLAN gab es große Probleme. Im Hotel gab es ein kostenloses WLAN in der Empfangshalle. Nur wenn das zufällig funktionieren sollte (was es mit meinem iPhone nicht tat), konnte man auch eine kostenpflichtige Verbindung kaufen, die dann auch auf dem Zimmer funktionieren würde. Der Empfangschef sagte tatsächlich, dass das am iPhone läge und nicht etwa an den veralteten WLAN-Geräten des Hotels. Das iPhone sei zu sicher, meinte er – und wäre daher nicht kompatibel mit der Hotelanlage. Was Blöderes hört man selten. Das heißt aber leider auch, dass weder mein iPad noch das mitgeführte MacBook Air funktionieren würden. Mein obligatorischer Telekom-Internetpass „Europe“ für 2,95 Euro pro 50 MB war schon nach den ersten „What´s Apps“ wieder alle. Der Urlaub wurde von Sekunde zu Sekunde teurer.

Jetzt aber endlich ins Restaurant! Ein Riesensaal mit sehr feinen Speisen – da kann ich nun wirklich nicht meckern. Als „All-Inclusive“-Reisender musste ich mir meine Getränke selbst holen (die Bedienung hierfür war Exclusive…). Als Alleinreisender gab es nun das Problem, dass jedes Mal, wenn ich vom Buffet zurückkam oder von der Weintränke, mein Platz inzwischen von neuen Gästen besetzt war. Die fleißigen Bedienmädels hatten immer ohne Nachfrage meinen Teller abgeräumt und neu eingedeckt. So bin ich dreimal umgezogen, bis ich satt, bzw. undurstig war.

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Das mit dem Naschen von süßen Nachspeisen habe ich ganz schnell wieder gelassen…

Danach das übliche Nachtprogramm. Ein Yamaha-Keyboard (TYROS) mit blonder Frau dahinter bediente das Publikum im Freien auf einer kleinen Bühne mit Hits, die man schon immer nie mehr hören wollte. Natürlich spielte die TYROS die ganze Musik von alleine. Ich saß an der Seite und konnte deutlich sehen, dass die Sängerin zwar fleißig auf dem Keyboard rumdrückte, ohne allerdings jemals in die Nähe der richtigen Tasten zu geraten. Zwischendurch gab es professionelle Kinderbespaßung. (Ja, es gab auch ein paar Kinder. Vermutlich die Urenkel der Stammgäste.) Und obwohl es jetzt langsam merklich kühl wurde, saßen die Damen und Herren Urlauber in Minikleidern und kurzen Hosen auf den Alustühlen mit den Plastikschnüren, die es schon 1970 beim Pellegrin in der Eisdiele gab. Die meisten Kleider auch.

Ich war zwischendurch mal in mein Hotelzimmer gewandert, um den Safe zu füllen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden hatte, dass die Anleitung zur Bedienung der Software in allen drei Sprachen fehlerhaft war. Davon, dass man nach der Eingabe der Wunschkombination noch die „Stern“-Taste drücken musste, stand nirgendwo ein Wort. Aber dank meiner überragenden Intelligenz und der Wirkung des nunmehr dritten Weines ist mir auch die Lösung zu diesem Rätsel eingefallen.

Und damit, bzw. dem vierten fünften Wein, schließe ich jetzt die Berichterstattung für den Anreisetag ab. Möge alles morgen besser werden. Vor allem: WO IST DAS MEER?


 

Gran Canaria, 2. Januar 2016

Ich habe das Meer gefunden. Wenn ich von meinem Balkon schaue, kann ich es direkt sehen. Dass im Vordergrund noch ein paar Straßen und Häuser den Blick versperren, vergisst man schnell. Es sind etwa 300 Meter bis zum Meer. Unsere Poollandschaft liegt auf der anderen Seite des Hotels. Morgens leider noch im Schatten. Erst so nach und nach kraxeln die Sonnenstrahlen über das Gebäude und wärmen die vielen mit Badetüchern belegten Liegen.

Ich habe sehr gut geschlafen (der Wein hatte wohl doch eine Wirkung…) und am Frühstücksbuffet nur gemäßigt zugeschlagen. Ich hatte mir ja vorgenommen, in dieser Woche möglichst sportlich zu sein, Texte zu lernen und viel zu lesen. Also bin ich nach dem Frühstück Richtung Meer gelaufen. Da gibt es eine wunderschöne Strandpromenade am Playa des Ingles, die nicht zu enden scheint. Ich bin etwa 2 Kilometer nach rechts gelaufen und dann wieder zwei Kilometer zurück. Was sonst. Alle paarhundert Meter standen junge Männer in besonderen Kostümen oder Aufmachungen rum, um für ihre Nichtbewegung Trinkgeld einzuheimsen. Ein Charly Chaplin war da (gähn), ein völlig sandfarbener Farmer (gähn, gähn) und der übliche Kopflose, der sich immerhin bewegte und mit den Fußgängern sprach. Gut war nur einer: Eine Gestalt aus irgendeinem dieser Harry-Potter-Filme, offenbar über dem Boden schwebend. Das war wirklich eine nahezu perfekte Illusion. Er hielt sich lediglich an einer Eisenstange fest, die mit einer großen Grundplatte verschweißt war. Ganz sicher keine leichte Nummer für den Artisten. Oder anders gesagt: Schade um die Energie, die der Junge da in diese Illusion gesteckt hatte.

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Schön warm.

Ich lief weiter. Die Sonne umschmeichelte meine blasse, Vitamin-D-süchtige Haut, und meine Beine taten so, als wäre ich schon immer der große Läufer vor dem Herrn. Jedenfalls auf dem Hinweg. Zurück war es schon ein wenig schmerzhaft. Wobei mir auffiel, dass im Hotel eine Menge Leute Probleme mit dem Laufen hatten. Und zwar nicht nur die Alten und Siechen, denen man das ja ohne weiteres abnahm, sondern auch die noch einigermaßen Intakten, die eigentlich noch ein brauchbares Fahrgestell haben sollten. Egal, nach meiner Mega-Wandertour habe ich mich noch ein bisschen in die Lobby gesetzt, um vielleicht doch noch ins WLAN zu kommen. Außerdem musste ich ja Text lernen. Text für einen Agatha-Christie-Krimi, den ich im März spielen werde. Das mit dem WLAN hatte erstmals erstaunlicherweise geklappt! Es gelang mir, den aktuellen Spiegel in nur 33 Minuten auf das iPad runterzuladen! (Zuhause dauert das 2 Minuten…). Das mit dem Textlernen klappte auch ganz gut. Ich bin jetzt auf Seite 11. Mal sehen, was ich morgen früh davon noch weiß.

Draußen am Pool war es recht warm, und in der Lobby war es recht kalt. Ich brauchte eine neue Aufgabe!

Nach dem Mittagessen beschloss ich, ein großes Einkaufszentrum aufzusuchen, in dem es sicher einen Hotspot für meine Geräte zu kaufen gäbe. (Das ist so eine Art WLAN mit Telefonkarte…) Da meine Knie den gut doppelt so weiten Weg wie heute Morgen nicht laufen wollten, nahm ich mir ein Taxi. Erstaunlich günstig (3,20 Euro) fuhr mich eine nette Spanierin an den Eingang des Mammutzentrums. Auf vier Ebenen gab es Tausende von Läden, meist Klamottenshops oder Restaurants/Kneipen. Es wollte einfach nicht enden. Irgendwo kaufte ich eine SIM-Karte mit 5 Gigabyte Datenvolumen. Das sollte für den Urlaub reichen. Auf dem spanischen Festland hatte das vor ein paar Wochen noch 35.- Euro gekostet – hier hat man mir dafür 49.- Euro abgeknöpft. Egal. Danach wollte ich eigentlich wieder zurück ins Hotel, aber ich habe den Ausgang nicht gefunden! Kein Witz! Ich bin ständig wieder an dieselben Läden geraten, die ich schon gesehen hatte. Irgendwann blieb ich bei einem Italiener sitzen und orderte ein Glas Weißwein. Genau gegenüber war ein SPAR-Supermarkt. Was da so abging, war Kino vom Feinsten und durchaus einen Oscar wert. Es waren sogar einige Bewohner meines Hotels dabei. Leider habe ich danach immer noch nicht aus dem Labyrinth rausgefunden. Irgendein Ladenbesitzer gab mir dann den entscheidenden Hinweis. Auf dem Weg dorthin landete ich wieder in einem Telefonladen. Und oh Wunder! Hier hatte man einen völlig überteuerten Hotspot für mich! 130.- Euro wollte ich aber dafür nicht ausgeben. Also habe ich mich für erneute 49.- Euro auf einen USB-Stick eingelassen, in den ich meine neu erworbene SIM-Karte stecken könnte. Dann müsste das MacBook endlich internetfähig sein!

Dass dem nicht so war, habe ich nach der Heimfahrt gemerkt. Der Stick war aus dem Jahr 2010 und ließ sich im MacBook Air nicht installieren. „Datei unvollständig oder defekt!“ meldete der Computer. So langsam packte mich der Ehrgeiz. Dann muss ich das MacBook eben mit dem iPhone über BlueTooth koppeln! (Wer jetzt nicht mehr mitkommt, kann den Rest dieses Absatzes gerne überspringen!). Aber auch das ging nicht! Das iPhone meldete, dass das nagelneue MacBook Air nicht mit dem nagelneuen iPhone 6S kompatibel sei. Ja, was soll das denn??? Ist denn die ganze Welt gegen mich? Apple, übernehmen Sie! (Der Hilfeschrei wurde erhört. Irgendeiner meiner Leser muss bei Apple Druck gemacht haben: einen Tag später klappte die BlueTooth-Verbindung plötzlich!)

Im Hotel waren viele Rentner inzwischen gegen russische Großfamilien ausgetauscht worden. Alle Männer waren tätowiert, und alle Frauen sahen aus, als müssten sie noch zu einem Karnevalsumzug, bei dem das Motto lautete: „Wer hat den größten Ausschnitt?“. Das Abendessen war einen Tick schlechter als gestern. Wenn der Wein so trocken wie der Fisch und das Gemüse so warm wie der Kellner gewesen wäre, hätte man darüber wegsehen können. Eine Bühnenshow hatte man sich für heute erspart – nur ein einsamer Discjockey legte die immer selben CDs wie seit Jahren auf. In der hoteleigenen Spielhölle spielte man Billard und Tischtennis, und an der Bar und im Garten saßen die Sonnenhungrigen, die kostenlosen Getränke in sich hineinschüttend.

So wie ich, der sich seinen dritten Wein holte und sich dann dem Lesen des aktuellen „Spiegel“ widmete. Man muss Prioritäten setzen.


Gran Canaria, 3. Januar. 2016

MUSKELKATER!!!

Das kommt davon, wenn man sich von der Apple-Watch ködern lässt. „Ziel erreicht!“ – „Neue Bestleistung!“ – „Weiter so, Rainer“ steht da dauernd auf dem Display. Was mein Körper dafür leisten muss, weiß die doofe Uhr natürlich mal wieder nicht. Ich habe ein gutes Dutzend Blasen an den Füßen und fühle mich zehn Jahre älter. Wenn ich loslaufe, würde man mich sicher am liebsten erschießen, um mir die Qualen zu erleichtern. Nach ein paar Metern geht es dann meistens besser, aber ein bequemes Fortkommen sieht anders aus. Vielleicht leihe ich mir morgen so ein Elektrofahrrad, das gibt es hier an allen Ecken und Enden. Oder vielleicht doch gleich ein Auto? Oh Mann, ich weiß nicht, wie lange mich die Apfeluhr noch motiviert, mir so den Rest zu geben…

IMG_2783Wie kann man da noch widerstehen?

Es fing nach einem schönen Frühstück so gegen halb zehn mit dem obligatorischen „Lauf“ (=gemütliche Gehung) entlang der Strandpromenade an. Diesmal in die andere Richtung, die den Nachteil hatte, dass man hier tausende von Treppen steigen musste. Für Rollstuhlfahrer gibt es auch einen barrierefreien Rollweg, aber der ist noch anstrengender als die Treppenstufen (wenn man keinen Rollstuhl hat).

Ich gebe zu, diesmal nicht ganz so weit wie gestern gelaufen zu sein. Der Kalorienverbrauch war aber dennoch höher. Am Wendepunkt meiner Strecke setzte ich mich in ein Strandcafé und bestellte ein „Aqua con gas“, also ein Mineralwasser mit Sprudel, was man hier sehr selten findet. Das englische Paar am Nachbartisch war da schon eine Stufe weiter: Jeder hatte bereits zwei große Biere und einen Pernod intus. Die waren morgens um 11 schon in einem Zustand, den ich selbst hoffentlich nie (mehr) erreichen werde.

Dann wieder zurück ins Hotel. Der Stadtteil, indem ich wohnte, gehört zu den eher älteren Teilen der Stadt. Das kann man daran sehen, dass die damals üblichen Waschbeton-Bausteine die Grundlage vieler Straßen und Wege bilden, schön zugeklebt mit jahrzehntealten Kaugummis. In den neueren Teilen von Las Palmas scheinen Kaugummis verboten worden zu sein.

Leider kam ich nicht mehr in mein Zimmer. Der hochmoderne Magnetschlüssel hatte ein wenig mit meinem iPad geknutscht und dabei sämtliche Informationen verloren. An der Rezeption („Sind Sie Herr Eckart?“ – „Von mir aus auch der“) wurde mir die Karte neu programmiert. Aus purer Langeweile und wegen der schmerzenden Waden habe ich den „Spiegel“ dann eben fertig gelesen. Zum Mittagessen fehlten nur noch wenige Minuten, die ich durch die hoteleigenen Geschäfte schlurfte. Die üblichen Läden mit den überteuerten Handtüchern, Bikinis und Badehosen halt. Nicht einmal die BILD am Sonntag wollte ich mir kaufen. (Das wäre ohnehin das erste Mal in meinem Leben gewesen!).

Essen gut –Trägheit immer größer. Nach einem kleinen Nickerchen bin ich dann wieder zu dem Einkaufszentrum gelaufen. JA, GELAUFEN! Bei 3,20 Euro Taxe konnte das ja nicht so weit gewesen sein. War es leider doch, weil ich in die verkehrte Richtung gelaufen bin. Hätte ich mal Google-Maps aktiviert! 15.00 Uhr, 25 Grad im Schatten und bergauf. Irgendwann konnte ich nicht mehr widerstehen und hielt ein Taxi an. Natürlich hatte ich keine Ahnung, wie das Einkaufszentrum von gestern hieß, beschrieb dem Fahrer aber so gut wie ich konnte, wohin ich wollte. Der fuhr mich dann schön weit raus aus der Stadt, bis ich protestierte. Wir waren ein bisschen „Lost in translation“, aber letztendlich hat er mich dann doch für 8 Euros am richtigen Zentrum abgesetzt. Es heißt übrigens „JUMBO“, falls ich das nochmal vergessen sollte.

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Nächtlicher Blick vom Balkon aus auf das Meer. Das ist das Schwarze ganz hinten…)

Ich hatte ja mit dem indischen Verkäufer des USB-Sticks noch ein Hühnchen zu rupfen. Um zu beweisen, dass sein Schrott-Stick aus dem Jahre 2010 auf dem neuen MacBook Air nicht funktionierte, hatte ich selbiges mitgenommen. Sehr schnell holte er ein Alternativmodell aus dem Lager, das angeblich perfekt funktionieren würde. So perfekt wie das von gestern? Wohl kaum. Zunächst (und hier kann der unwissende Leser wieder ein Stück vorspulen…) verlangte das MacBook, dass man einen früheren JAVA-Treiber installieren müsste. Dazu braucht man natürlich das Internet, was man ja gerade eben nicht hatte. Der Bilderbuch-Inder mit seiner vollschwarzen Perücke und Extremschnupfen tippte daraufhin sein WLAN-Passwort in meinen Rechner und ermöglichte so den Download der fehlenden Treiber. Natürlich ging es dann immer noch nicht, weil man nirgendwo die SIM-Karte, die ich gestern gekauft hatte, aktivieren konnte. Selbst mit seiner eigenen SIM-Karte klappte das nicht. Blieb also nur noch Plan D, der eigentlich Plan A war: Der Kauf des mobilen Hotspots. Das klappte zwar auch nicht mit meiner neuen 5 Gigabyte-Simkarte, aber mit einer 1,6 GB-Karte von Vodafone, die er mir dann auch noch verkaufte.

Um dieses MacBook Air ans Netz zu kriegen, hatte ich inzwischen über 200 Euro verpulvert.  Es ist natürlich eine Investition in die Zukunft, denn das Ding kann man ja überall auf der Welt gebrauchen. (Wenn es mal wieder kein WLAN geben sollte, was ich außer auf Gran Canaria – und hier auch nur in meinem Hotel – noch nie erlebt habe).

Ich nutzte die Gunst der neuen Technik und änderte endlich das Passwort für den internen Bereich unserer Volksbühnen-Webseite. Außerdem konnte ich die beiden ersten Blogberichte ins Netz stellen. Dies alles erledigte ich wieder bei dem kleinen Italiener vor dem Spar-Markt bei einem Strawberry-Mojito. (Der Wein kam mir inzwischen aus den Ohren raus…)

Zurück bemühte ich wieder einen der günstigen Taxichauffeure. Und nach dem bald beginnenden Abendessen war es auch schon wieder Zeit, die wenig interessanten Ereignisse des Tages zusammenzufassen. Während die Hotel-Animateure am heutigen Sonntag frei hatten, gab es auf der Showbühne am Abend eine positive Überraschung. Zwei sehr hübsche dunkelhäutige Mädels und ein weißer Saxophonist boten ein tolles Showprogramm zur Musikkonserve. Sehr schön getanzt, fehlerfrei gesungen und gespielt, haben die drei den Abend doch noch zu einem positiven Ende gebracht.

Trotzdem muss ich mir so langsam mal Gedanken machen, was ich hier soll.


Gran Canaria, den 4. Januar 2016

Dieser Tag musste anders werden! Und er wurde anders! Wenigstens ein bisschen anders…

Nach dem Frühstück wollte ich wieder meine Runde drehen. Die bereits lädierten Muskeln haben sich aber geweigert, meinen Luxuskörper wieder über größere Entfernungen zu tragen. Außerdem plagte mich seit gestern Abend eine sehr unangenehme Verletzung am rechten großen Onkel: Eine Nagelbett-Entzündung wegen übertriebener Fußhygiene! Ich dachte, ich hätte sie überwunden, aber diese Marathon-ähnlichen Laufstrecken haben die Entzündung wieder aufleben lassen. Bei der kleinsten Berührung des Zehs könnte ich jaulen!

Also bin ich spontan in einen Bus gestiegen, der mich nach LAS PALMAS, die Hauptstadt der Insel, bringen sollte. Und nicht nur das: Das Ticket beinhaltete auch noch eine Hop On-Hop Off-Tour mit einem Doppeldecker-Bus daselbst. Der Zubringerbus war leider völlig überfüllt, so dass ich die ca. 40 Minuten stehen musste. Immer noch besser als laufen. Der Weg war toll ausgebaut. Eine fast durchgängig sechsspurige Autobahn brachte uns mit mehr als dem erlaubtem Tempo schnell ans Ziel. Sollte der Bus einen Unfall haben, wären wir allerdings kaum rausgekommen: Die ganzen Metallhämmer zum Zertrümmern der Fensterscheiben waren geklaut worden. Sowohl in dem Bus auf der Hinfahrt als auch in einem anderen Bus auf der Rückfahrt. Dort fehlten teilweise sogar die Halterungen. Man muss sich manchmal schon fragen, wie blöd ein Mensch maximal sein darf, um solchen Unsinn zu verzapfen.

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Telefonieren beim Autofahren bringt in Spanien drei Minuspunkte ein.

Egal, ich kam heil an und humpelte dann erst einmal von der Busstation aus der Tiefgarage ins Freie. Der Abfahrtsort für den Sightseeing-Bus war aber leider auf der anderen Straßenseite. Wenn mich ein Taxifahrer nicht zurückgehalten hätte, wäre ich glatt über die 8-spurige Hauptstraße gelaufen. Das war aber verboten, weil die Überlebenswahrscheinlichkeit gegen Null gegangen sein dürfte. Also wieder über die lange, lange, sehr lange Treppe in den Keller, um auf der anderen Seite wieder genau so viele Stufen nach oben zu kraxeln. Das sind Schmerzen, von denen ich noch lange erzählen werde…

Die Tour kostete inklusive der Zubringerfahrten 25.- Euro, was nicht gerade ein Schnäppchen ist. Der Bus kam gerade an, als ich die oberste Stufe der Treppe erstiegen hatte. Jetzt weiß ich, wie einem Bergsteiger zumute sein muss, wenn er sein Etappenziel erreicht hat. Zum Glück wartete der Bus solange, bis ich – mit meinem Ticket winkend – noch mitgenommen werden konnte. Diese Hop On- Hop off-Busse gibt es ja auf der ganzen Welt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass man auf dem Oberdeck unter freiem Himmel sitzt und von dort alles viel besser sehen kann. Außerdem macht man manchmal Bekanntschaften mit der heimischen Fauna. Drei oder vier Palmenwedel klatschten mir ins Gesicht, ohne allerdings bleibende Schäden zu hinterlassen. Hoffe ich.

Leider gab es keinen „live“-Führer, sondern nur einen Audiokommentar über Kopfhörer – immerhin in deutsch. Der Sprecherkollege, der die Aufnahme verzapft hatte, war leider kein Profi, obwohl er eine angenehme Stimme hatte. Aber wie Ihr ja alle wisst, reicht das nicht. Es gibt auch so etwas Wichtiges wie die richtige Aussprache der Wörter. Davon war er leider meilenweit entfernt. Auch bei vielen spanischen Begriffen war seine Trefferquote recht gering. Egal, man verstand ja trotzdem, worum es ging. Nein, eigentlich doch nicht. Zu allem Überfluss war der deutsche Text auch noch extrem umständlich, grammatikalisch verwegen und sachlich manches Mal schlicht falsch. Ich muss die Geschichte von LAS PALMAS heute Nacht nochmal googeln. Es ist nämlich eine wunderschöne Großstadt mit einem sagenhaften Klima – angeblich soll es hier die beste Luft der Welt geben. Das gilt allerdings nicht für die Sightseeing-Plattform dieses Busses, dessen Dieselgestank ungefiltert unsere Nasen reizte.

Apropos Diesel: Der günstigste Literpreis lag bisher bei 73,9 Cent!

Um 13.00 Uhr sollte es eine geführte Fußrunde in die Altstadt geben. Ich traute meinen Beinen, bzw. Füßen diese Tortur inzwischen wieder zu, musste aber im Bus bleiben, da der Ausflug heute wegen Krankheit des Führers ausfiel. Na gut – wer weiß, ob ich das überlebt hätte.

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Las Palmas – eine schöne Stadt mit viel, sehr viel, sehr sehr viel Autoverkehr.

Und dann war ich nach ca. einer Stunde und 45 Minuten schon wieder an der Startposition der Tour. Ich hatte völlig vergessen, „Off“ und „On“ zu hopsen. Eine weitere Runde wollte ich nicht wagen, weil die Tour doch im Wesentlichen durch verstopfte Innenstraßen führte. Die paar Straßen etwas außerhalb und oberhalb des Zentrums machten den Ausflug trotzdem sehenswert. Natürlich waren es auch hier immer noch 25 Grad, so dass der Fahrtwind für eine angenehme Kühlung sorgte. Mangels Kopfbedeckung wäre auch ein Sonnenstich drin gewesen.

Ich quälte mich wieder in den Keller zu den Regionalbussen und konnte nur zwei Minuten später einsteigen, um die Heimfahrt nach Maspalomas anzutreten. Der Bus fuhr auch schön an meinem Hotel vorbei, ohne allerdings stehen zu bleiben. „Na gut“, dachte ich bei mir, „sicher macht er erst noch den einen oder anderen Schlenker, bevor er wieder zu dem Busbahnhof direkt neben dem Hotel fährt.“  Der Mensch denkt, aber der Busfahrer lenkt. Etwa zwanzig Minuten später hielt er weit draußen vor Maspalomas an seiner Endstation. Da half mal wieder nur ein Taxi, dass dank der günstigen Spritpreise auch nur 5.95 Euro bis zum Hotel kostete.

Im Hotel musste ich dann erst mal was arbeiten. Wie immer war ich ja mit Wavelab, Laptop und Mikro ausgestattet, um meinen Kunden in aller Welt auch aus aller Welt deren Wünsche zu erfüllen. Heute waren es nur drei Stationvoice-Ansagen für den MDR. Nach dem Start des Audioprogramms „WAVELAB“ war mir auch schnell klar, was ich zuhause liegen gelassen hatte: Den USB-Stick mit der Programmlizenz. Und ohne diesen Stick geht mal gar nichts. Also habe ich mir das kostenlose amerikanische Alternativprogramm „Audacity“ für den MAC heruntergeladen, das zwar nur einen Bruchteil davon leistet, was mit WAVELAB der deutschen (!) Firma Steinberg möglich ist, aber für eine simple Sprachaufnahme doch seinen Zweck erfüllt. Dank meines neuen WLAN-Hotspots klappte das alles ganz wunderbar. Ich weiß jetzt schon, wer im Februar im „Sonntagsbrunch“ auf MDR 1 Radio Sachsen zu hören sein wird! Ja, wir Medienleute sind doch dem Plebs weit voraus… (Eh mir jetzt jemand blöde Mails schreibt: das war satirisch gemeint!!)

Irgendwie war mein Tatendrang dann immer noch nicht befriedet. Seidenheiß fiel mir zum Glück ein, dass ich ja auch zum Text-Lernen hierher geflogen war. Die ersten 34 Seiten des Stücks rede ich fast alleine. Also ab ins Foyer und Text lernen. Eine gute Stunde Lernen katapultierte mich bis auf Seite 21. Mit berechtigtem Stolz das Abendessen eingenommen.

Später gab es dann wieder die übliche Abendunterhaltung. Diesmal war es ein Sänger mit Gitarre, der sattsam bekannte Rocktitel zur Karaoke-Musik abspulte. Ob die Gitarre wirklich eingeschaltet war, wage ich zu bezweifeln. Aber einigen Hooligans aus England gefiel die Show. Die Drinks flossen im Sekundentakt. Als der Bub Feierabend machen wollte, hätten sie ihn fast gelyncht. Er musste drei Zugaben geben. Gewiss ein Highlight seiner Karriere.

Und nachdem ich das alles hier aufgeschrieben hatte, wurde mir klar, dass eigentlich auch an diesem Tag nichts Besonderes passiert war. Warum fahre ich überhaupt weg? Warum fahren wir alle immer wieder weg? Im Moment sind meine Schwestern Anna-Karén und Angelika und mein Bruder Wolff in SEVILLA (Spanien), mein Sohn Benjamin in THAILAND und meine Ex-Frau Eva in URUGUAY. Klar, man will was Neues sehen, neue Eindrücke in sich aufsaugen, Land und Leute kennen lernen, Bekanntschaften schließen und seinen Horizont erweitern.

Dann hätte ich allerdings woanders hinfahren müssen. Denn in MASPALOMAS sehe ich nur Menschen, die unter sich bleiben wollen, mit ihren unförmigen Körpern die Sonne beleidigen oder mit der Einnahme unzähliger Kalorienbomben ihre Körper weiter verformen möchten. Die (fast) weltweiten Grenzöffnungen ermöglichen zwar (fast) jedem, (fast) überall hinzufliegen, aber für die Kommunikation untereinander reicht es dann doch nicht. Selbst die doch sehr einfache englische Sprache wird im Wesentlichen nur von den Engländern beherrscht. Die Versuche, sich untereinander verständlich zu machen, sind in diesem Hotel zu einem grandiosen Scheitern verurteilt. Babylon lässt grüßen.

Vielleicht sollte ich doch mal den Fernseher einschalten?


Gran Canaria, 5. Januar 2016

Klang alles ein bisschen depressiv gestern, oder? Nur weil ich bis heute maximal zehn Sätze mit anderen Menschen gesprochen habe? (Inkl. Hotelpersonal…)

Aber es geht bergauf! Mein Muskelkater hat beschlossen, das Weite zu suchen. Ich kann wieder laufen! Und das habe ich dann gleich nach dem Frühstück auch gemacht. Erst einmal wieder nach rechts am Strand entlang, dann aber mutig in die Innenstadt, um diesmal das JUMBO-Einkaufszentrum tatsächlich mit eigenen Füßen zu erreichen. Es ist mir gelungen! (Dass ich dazu Google Maps einschalten musste, wollen wir hier jetzt mal peinlichst verschweigen.)

Ich hatte das mir bekannte Ziel gewählt, weil ich dringend mein Äußeres den kanarischen Gebräuchen angleichen musste. Hier läuft nämlich jeder Mann mit kurzen Hosen und T-Shirts oder Polos rum. Ich hatte dem Wetter nicht getraut und war nur mit langen Hosen und langärmligen Hemden angereist. Die  Preise in dem Zentrum waren zwar ganz normal (nicht so günstig wie in der Türkei), aber akzeptabel. Außerdem war alles echte Markenware – nicht nur ein gefälschtes Etikett dran. In einer knappen Stunde erstand ich so drei Hemden und drei kurze Hosen. Mit der damit verbundenen Rumlauferei hatte ich mein Bewegungsziel bereits VOR dem Mittagessen erreicht, wie ich auch gleich stolz über Facebook verkündete. Die doofen Kommentare meiner „Freunde“ spare ich mir jetzt hier. Es waren immerhin über sieben Kilometer!! VOR dem Mittagessen!

NACH dem Mittagessen sah ich dann auch keine größere Notwendigkeit, weitere Wandertouren zu unternehmen. Ich setzte mich in meinem neuen Outfit einfach irgendwo rund um den Pool und döste vor mich hin, den einen oder anderen Kaffee oder Wein schlürfend. Gegen drei fingen sie wieder mit diesen überflüssigen Poolspielen an, diesmal BINGO. Das erinnerte mich an ca. 45 Jahre früher als ich selbst noch dieses Spiel aus Zypern mitgebracht hatte und als DJ in den Bad Homburger Discos mit den Leuten spielte. Leider wurden hier die Zahlen einfach nur dreisprachig runterleiert. Es war auch kein Original Bingo-Spiel, sondern eine abgespeckte Version mit nur drei Zeilen á 5 Zahlen. Gewinnen konnte man eine Flasche Wein – und wenn es mehrere Gewinner gab, mussten die Sieger etwas vorsingen. Der schlechteste hat dann gewonnen. Schon aus diesem Grund habe ich nicht mitgespielt, denn singen wollte ich auf keinen Fall.

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Rund um die drei Pools ist immer was los. Schon morgens um sieben werden die ersten Handtücher auf die noch im Schatten liegenden Liegen gelegt – trotz Verbots.

Als sich die Sonne dann so langsam verabschiedet hatte (es waren heute schon wieder 25 Grad!), habe ich auf meinem Balkon noch ein bisschen Text repetiert. Leider hatte ich alles vergessen, was ich gestern gelernt zu haben glaubte. Irgendwann klappt das aber noch, da bin ich mir ganz sicher. Bin jetzt auf Seite 25.

Tja, und dann war es schon wieder Zeit für´s Abendessen. Doch welche Enttäuschung! Obwohl ich doch jetzt endlich so gekleidet war wie alle Touristen in MASPALOMAS, ließ man mich nicht ins Restaurant. Abends nur mit langen Hosen! Das war mir vorher gar nicht aufgefallen. Ich hätte mir auch mal die Männer anschauen müssen. Bei den Damen reichte ja wohl irgend ein Fummel mit pornoverdächtigem Ausschnitt. Egal, bin ich eben nochmal den langen Weg zurück in mein Apartment gelaufen und habe mich wieder so angezogen wie all die Tage zuvor. Das Abendessen selbst war wie immer – außer, dass neben mir diesmal zwei sächsische Omas saßen. Als die eine der beiden davon anfing, die Kaffeesahne mit Muttermilch zu vergleichen und ihre diesbezüglichen geschmacklichen Erfahrungen detailliert darzustellen, habe ich das Weite gesucht.

An der Bar habe ich einen Automaten entdeckt, der uns „AI-Touris“ („All Inclusive“-Touristen) sogar Longdrinks spendiert. Wodka mit O-Saft zum Beispiel. Nur ist der Orangensaft dermaßen überzuckert, dass schon beim Nippen Diabetes-Alarm droht. Ansonsten stimmt die Mischung. Mehr als drei Stück sollte man nicht trinken.

Ein Finne, der das offenbar noch nicht wusste, sorgte dann auch noch für ein wenig Ärger. Die Abendbespaßung bestand diesmal aus einer recht kurzen Papageienshow und einer sich daran anschließenden Turnübung einer älteren Dame, die irgendwas auf der Stirn balancieren konnte. Ich fand das alles nicht so prickelnd und wollte an einem der beiden Flipperautomaten ein paar Spiele spielen. Meinen Laptop legte ich solange auf dem nicht benutzen Flipper ab. Dann kam dieser betrunkene Finne mit seinem Jungen und brüllte mich in deutsch an, ich solle „mein Gerät“ da wegnehmen. Das habe ich auch sofort gemacht, und die Sache wäre eigentlich erledigt gewesen, wenn er mich nicht danach noch weiter angebrüllt hätte: „Wo sind die 6 Millionen Juden?“. Ich dachte, ich hätte mich verhört und starrte ihn fragend an. „Wo sind die 6 Millionen Juden, Du Nazi?“, wiederholte er. Da war es wohl mal an der Zeit, Tacheles zu reden. „Erstens habe ich mit dieser ganzen Scheiße nichts zu tun und zweitens ist Ihr Benehmen unmöglich.“ Das ging so eine ganze Zeit hin und her. Die Worte wurden schon ziemlich heftig und die Lautstärke sowieso. Das Kind des Finnen, vielleicht 8 Jahre alt, stand irritiert zwischen uns. Als dann mal kurz Ruhe war, spielte der Junge sein Spiel. Als er fertig war, brüllte der Finne wieder von vorne. „Wo sind die 6 Millionen Juden?“.  Ich fand es an diesem Punkt angebracht, einfach nicht mehr zu reagieren. Eine Schlägerei hätte ich nicht überlebt. Und mit Worten konnte ich diesen peinlichen Rassisten erst recht nicht schlagen. Ich schüttelte also nur den Kopf und spielte weiter. Immerhin hatte ich 2 Euro in das Flipperspiel investiert. Irgendwann kam er dann wieder vorbei und hat sich aus heiterem Himmel entschuldigt. Sein Deutsch wäre nicht so gut. Er entschuldigte sich dann noch ca. zwanzig Mal, auch später an der Bar, als ich gerade dieses Erlebnis aufschrieb. Den 30 Sekunden zuvor bestellten Drink dazu trank er auf Ex.

So, und damit ist wohl so langsam der Zustand erreicht, den man „Urlaub“ nennt. Die ganzen Mails, die ich heute bekommen und beantwortet habe, die paar kleinen Sprachaufnahmen und Telefonate habe ich schon gar nicht mehr erwähnt. Alles zusammen war es ein rundum langweiliger und überflüssiger Tag. Wenn ich jetzt noch jemanden gefunden hätte, mit dem ich auch noch reden hätte können (außer über 6 Millionen ermordete Juden), wäre es ein perfekter Tag gewesen. Aber das Leben besteht ja aus lauter kleinen Baby-Schritten…


Gran Canaria, 6.1.2016

So, wenn das kein Urlaubstag war! Nix gemacht. Nix gearbeitet, nur dumm in der Sonne rumgesessen und relaxt.

Na ja, nicht ganz.

Nach der gestrigen Beinahe-Schlägerei hatte ich ja schon Angst, dem Finnen, der eigentlich wie ein Russe aussah, wieder zu begegnen. Und­ das blieb tatsächlich nicht aus. Gleich früh am Morgen kam er mir auf meinem Gang entgegen, als ich zum Frühstück wollte. Er erkannte mich sogar und sagte ordentlich „Guten Morgen“. Seinem gequältem Gesicht sah man allerdings an, dass er sich nicht besonders wohl fühlte. Im Laufe des Tages sah ich ihn dann noch weitere drei Male, ohne dass wir allerdings weiter in irgendeiner Form miteinander kommuniziert hätten.

Überhaupt sieht man hier jeden Gast immer wieder. Rund um die Uhr. Beim Frühstück, beim Mittagessen, am Pool, an der Bar, vor der Showbühne oder sogar im Einkaufszentrum. Es ist eine kleine Welt, ein irritierendes Abbild der großen, der wirklichen Welt­. Selbst hier im Urlaub gibt es Krisen, Ressentiments und Abgrenzungen zwischen den Menschen. Unter dem Deckmantel des Urlaubs versuchen viele, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Und ehe man an der Oberfläche kratzt, bleibt man lieber unter sich und seinen eigenen Problemen.

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Vom 3. Stock aus gesehen ist das Hinterland ganz schön braun. Passt zur Zimmereinrichtung.

Ich bin ja wahrhaftig nicht der einzige Single unter den Gästen. Es sind rund ein Dutzend Soloreisende, die dadurch auffallen, dass sie alleine an ihren Zweiertischen sitzen. Interessant auch, dass diese Damen – und Herrschaften gerne die Tische wählen, die etwas erhoben vom Rest des Speisesaals sind und so einen guten Überblick über die Gäste erlauben. Nachdem mir das aufgefallen war, habe ich mich natürlich woanders hingesetzt. Aber immerhin, ich bin diesem Instinkt der Partnersuche (denn was anderes ist es ja wohl nicht) auch erst einmal gefolgt. Gene eben.

So, kurze Zusammenfassung, was der Tag so gebracht hat:

9:45 Frühstück

10:30 Rundschau runterladen und gelesen

11:30 Pool

13:00 Immer noch am Pool

14:00 Speisung

15:00 Kleiner Spaziergang (sehr klein)

15:25 Pool

17:00 Bisschen Arbeit an der Webseite der Volksbühne

18:00 Bar

19:00 Fressen

20:00 Bar

Den Rest lassen wir jetzt mal weg.

Bei meinem „Spaziergang“ habe ich mich noch ein bisschen mehr als Tourist eingerichtet. In den Läden vor dem Hotel habe ich z.B. noch einen Gürtel, Größe „M“, erstanden. Die neu erstandenen kurzen Hosen hatten nämlich einen merkwürdigen Konstruktionsfehler: Sie waren zu WEIT. Ich hatte den Verkäufer um Größe 48 gebeten – er war sich aber sicher, dass 50 die richtige Größe für mich wäre. Also entweder hatte ich kurzfristig extrem viel abgenommen oder die Größentabellen zwischen Gran Canaria und Deutschland waren nicht kompatibel. Ich vermute mal Letzteres, da ich beim Laufen in diesen neuen Hosen etwa alle 100 Meter in der Unterhose dastand, falls ich nicht rechtzeitig den Bund wieder unter die Bauchlinie zog. (Bitte jetzt nicht bildlich vorstellen, die Beschreibung ist schon grässlich genug). Der neue Gürtel konnte dieses Manko der – übrigens mit Gummibund versehenen – Markentouristenhose beheben.

Außerdem kaufte ich mir für 14.- Euro ein Badetuch, dass mich dazu privilegierte, auf den Liegen am Pool zu sitzen. Ohne Tuch war das nicht gestattet. Und dann habe ich mir sogar noch Apple-Kopfhörer fürs iPhone gekauft, um Musik hören zu können. Ich habe zwar Dutzende dieser Ohrstöpsel zu Hause, aber eben nicht hier. Blöderweise befand sich auf meinem iPhone nur eine Playlist fürs Weihnachtsfest. Alle anderen Titel hätte ich – kostenpflichtig – streamen müssen. Nach ein paar Songs hatte ich genug von Weihnachten (ich bin ja eh´ nicht hingegangen!). Die Umschaltung auf „Beats“, einen Apple-Live-Sender, musste ich mit rund 3 Euro in 5 Minuten bezahlen. Hat mir gar nicht gefallen. Das war es also dann wohl auch nicht. In Zukunft gehört die Musik wieder auf das Gerät und nicht ins Internet!

Draußen auf der Showbühne quälten sich zwei Jungs mit 80-iger Jahre-Musik ab. Die Jungs waren leider nur hübsch, aber als Musiker überhaupt nicht gut. Das überschaubare Publikum begann zu frieren, da es am Abend im Freien doch schnell recht kühl wurde. So war es hier auf Gran Canaria: heute Mittag noch 26 Grad – am Abend nur noch 17. (Wie ich hörte, waren das tagsüber noch ca. 31 Grad über den Temperaturen in Deutschland!)

Was gab es sonst noch? Zum Beispiel eine sehr schöne Frau um die 40. Tolle Figur, gewagter Bikini, traumhaftes Outfit beim Abendessen. Ihre Freundin war offensichtlich nicht ihre FREUNDIN. Ich war ganz weg von ihr, obwohl ich sie nur dreimal gesehen habe: Am Pool, beim Abendessen und am nächsten Morgen beim Frühstück auf meinem Zimmer.

  1. Die Frau gab es wirklich. Das mit dem Bikini und der Bluse, die immer wieder verdächtig weit über die Schultern rutschte, stimmt auch. Der Rest ist meiner Phantasie zuzuordnen. Hallo, man wird doch mal träumen dürfen?

Wobei der Abend ja noch nicht zu Ende war. Eben hat sie mich angelächelt…


Gran Canaria, 7.1.2016

…und ich habe zurück gelächelt. Das hat sie etwas irritiert, weil sich ihr Lächeln leider auf den Typ hinter mir bezog, der sie ebenfalls angrinste. So ein widerlich gut aussehender junger Typ aus dem Fitnessstudio, dumm wie Brot, aber muskelbepackt. Ich hatte den schon vorher ein paarmal am Pool balzen sehen. OK, das war´s dann eben auch nicht. Habe immerhin noch ein Gespräch mit einer anderen Blondine und ihrer schwarzhaarigen Tochter hinbekommen, wobei das Wort „Gespräch“ nun sehr weit hergeholt ist. Die beiden Damen kamen aus dem Westerwald. Viel mehr weiß ich eigentlich nicht. Die Mutter sammelte viele Sympathiepunkte, weil sie ihrer Tochter vorwarf, ein geplantes Foto nicht hinbekommen zu haben, weil diese sich dauernd mit dem „jungen Mann“ unterhalten habe.

She made my day. (Obwohl mich Bäckerfachverkäuferinnen auch immer noch so ansprechen…)

Doch wir sind ja inzwischen am letzten Urlaubstag angelangt. Um 7:45 Uhr musste ich aufstehen, um pünktlich vor einem Hotel in der Nähe zu sein, wo die Teilnehmer zur unglaublichen Tour „Gran Canaria Sensation“ abgeholt wurden. So ein Titel ist ein großes Versprechen, und ich hoffte, mit dieser Tour alle Enttäuschungen ein für allemal begraben zu können, was diese Insel betrifft. „Sensation“ klingt nach Überraschung, Einmaligem, Sensationellem eben.

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Das Bild von oben noch mal am Tag.

So viel vorneweg: Hat nicht geklappt.

Die Sensation war höchstens, dass unser Busfahrer auf dieser Tour durch die Berge mit seinem Riesen-Reisebus nicht ein einziges Mal über den Straßenrand in die Täler gekullert ist. Diese Busfahrt war das absolute Highlight für Menschen mit Höhenangst, also wie mich zum Beispiel. Ich war vermutlich der Einzige im Bus, der angeschnallt war. Die Sträßchen im bis zu 2000 Meter hohen Gebirge waren breit genug für Go-Karts oder Kleinstwagen. Aber nur in eine Richtung. Bei Gegenverkehr musste in der Regel der Schwächere nachgeben und rückwärts in irgendwelche Ausweichbuchten fahren. Wenn sich zwei Busse begegnen, kann das gerne mal eine halbe Stunde dauern, bis die Reise weitergeht.

Unsere Tourleiterin machte zunächst einen sehr sympathischen Eindruck. Bis sie das Mikrophon in die Hand nahm. Da sprach sie plötzlich eine Oktave höher und betonte viele Silben so merkwürdig, als wäre das erotisch gemeint. Deutsch mit so einer Kieksstimme klingt einfach nur sensationell Scheiße. Leider wiederholte sie alle ihre auswendig gelernten Texte auch noch in Spanisch und Englisch, sodass das nervtötende Geplapper fast durchgehend durch die Boxen plärrte. Das war Folter und sollte bestraft werden.

Und noch etwas Perverses haben sich die Veranstalter ausgedacht: Die ganze Zeit fuhr so ein schmieriger Videokameramann mit Blondzopf im Bus mit. Bei allen Ein- und Ausstiegen filmte er unsere wehrlose Truppe, um die Bilder dann über Nacht in ein vorbereitetes Gran-Canaria-Video einzuschneiden. Ich bat ihn mehrmals, mich NICHT aufzunehmen, aber das hat bei ihm nur ein müdes Arschgrunzen bewirkt. (Sorry für die rüde Ausdrucksweise, aber der Typ war wirklich ekelhaft!)

35.- Euro sollte die DVD kosten. Eine VHS-Kassette (die Älteren erinnern sich vielleicht) sollte nur 30.- Euro kosten. Die Panasonic-Kamera sah aus wie aus dem Jahr 1980, hatte aber einen Aufkleber „Full HD“. Hihi.

Das Ergebnis hätte mich zwar aus beruflichen Gründen interessiert, aber so weit wollte ich nicht gehen, dem Deppen auch noch Geld hinterher zu werfen.

Was war also wirklich die „Sensation“ dieser Tour? Der erste Foto-Stopp an einer Aussichtsplattform? Die Pippi-Pause mit Marzipanverkauf? Der zweite Foto-Stopp an einer zweiten Aussichtsplattform? Der 30-minütige Zwangsaufenthalt in einem kleinen Dörfchen mit geschlossener Kirche? Das lauwarme Mittagessen? Der dritte Fotostopp an einer dritten Aussichtsplattform? Oder gar die Verkaufsveranstaltung auf einer Ayurveda-Farm?

(Beim Versuch, auf dieser Farm den Bus zu wenden, hat unser sonst göttliche Fahrer übrigens beim Rückwärtsfahren ein paar Dellen in den teuren Bus gerammt. Ich weiß das, weil ich vorzeitig eingestiegen bin. Aber ich verrate es keinem!)

Schön, die ganze Insel ist schön grün. Es gibt Unmengen von Pflanzen, Blumen, Früchten und Gemüsen. Die sieht man aber auch bei REWE.

Wieder im Hotel, stellte ich erneut eine Umstrukturierung der Gäste fest. So langsam war ICH der Älteste. Ganze Kegelvereine (oder Saunaklubs, keine Ahnung) aus Schweden waren angereist. Eine weitere, sehr hübsche Blondine saß einsam und allein im Restaurant (natürlich auf den erhöhten Sitzen!), und die Damen aus dem Westerwald wohnten nur vier Zimmer entfernt auf derselben Etage, wie sich herausstellte. Weitere drei Sätze ausgetauscht. Mann, jetzt geht´s aber ab!

Nicht wirklich.

Es wird Zeit, die Taue zu kappen. Ich habe meinen Wecker auf vier Uhr morgens gestellt. Der Flughafenzubringer ist für 4:40 Uhr terminiert.

Zeit für ein oder zwei Gin-Tonic an der Bar. Bitte bloß kein Wein mehr.

Da ich meine geneigten Leser nicht auch noch mit der Rückreise langweilen will (wenn ich abstürzen sollte, ist das sicher in den Nachrichten), bleibt also nur noch das Fazit.


 

FAZIT:
Gran Canaria ist eine langweilige Insel mit einem Superklima. Für Touristen, die sich einfach nur in die Sonne legen wollen, ist diese Insel perfekt. Natürlich kommt es immer darauf an, was man selbst daraus macht, aber wenn man als Alleinreisender, nicht mehr ganz so junger Mann (sic!) hier auf Anschluss oder wenigstens nette Kontakte hofft, ist man sehr aufgeschmissen. Erstens, weil die Menschen aus allen Ländern Europas kommen und sprachlich unter sich bleiben wollen. Zweitens, weil auch die ganzen Paare unter sich bleiben wollen. Und drittens, weil man hier als alter Zausel eh´ nicht mehr viel zu melden hat. Späte, aber ehrliche Einsicht.

Ich sollte einem Kegelclub beitreten.