Französische Frauen sind einfach schöner. Das kann ich nun nach gutwilliger Klassifizierung einiger Hundert Exemplare aus den Ländern Deutschland und Frankreich bestätigen. Sie haben die besseren Figuren, die schöneren Gesichter und eine schönere Sprache. Die deutschen Frauen sind alt, dick und hässlich. Jedenfalls hier im Sentida Beach Hotel auf Djerba.
Dort sitze ich nämlich gerade am riesengroßen Pool und schreibe ein paar Zeilen über meinen Kurzurlaub. Der begann am zweiten Mai nachts um 2:15 Uhr. Mein wie immer zuverlässiges Ei-Dingsbums weckte mich mit seinem gnadenlosen Alarmton, der auch noch ein paar Nachbarn in der Straße aufgeweckt haben dürfte. Kleine Duschung, Anziehen und endlich rausfinden, von welchem Terminal der Flieger geht, waren die nächsten Schritte. Als nächstes zum Bank-Automaten am Houiller Platz in Friedrichsdorf („Der Ort, in dem das Telefon erfunden wurde“). Zum Glück fiel ich dem Sicherheitspersonal, das da nachts rumsteht, nicht auf. Die hätten bestimmt gerne gewusst, wer nachts um viertel vor drei am Geldautomaten rumfummelt.
Mit dem Auto dann zum Flughafen. Freie Strecke. Kaum 20 Minuten später war ich in der Tiefgarage. P1, Reihe 333, Platz 41. Die Parkgebühren entsprechen ungefähr den Kosten eines Taxis, daher ließ ich den Wagen die vier Tage stehen. Der Flieger hörte auf den Namen „Condor“, sollte sich um 4:45 Uhr in die Lüfte erheben und startete natürlich erst um fünf. Vorher hätte er auch gar nicht in die Luft gedurft. Schallschutz. Wenn ich dort wohnen müsste, dürften die Flieger erst um 9.00 Uhr starten. Aber dank weitsichtiger Planung meiner Eltern wohne ich ja zum Glück nicht in der Nähe des Flughafens.
Im Flieger das übliche Touristenpack. Schreiende Kleinstkinder, dicke und dickste Frauen und das übliche RTL2-Darstellerpack. Es gibt sie wirklich. Die müssen das nicht spielen, sie sind genauso, wie man sie aus dem Fernsehen kennt, wenn man sich das mal spaßeshalber antut. Da ich schon seit fast zwei Jahren Privatfernsehen nur in absoluten Ausnahmefällen schaue (RTL allerdings NIE!), ist das natürlich am frühen Morgen ein ganz schöner Schock für mich. Ganze sechs Prekariatsdamen mit ihrem praktischen Kurzhaarschnitt (wer erlaubt so etwas eigentlich???) haben sich um mich rum gruppiert und schnattern in ihrem grauenhaften schwäbischen Genuschel um die Wette. Und obwohl ich noch so müde bin, schaffe ich es nicht, die Augen zuzukriegen.
Überpünktliche Landung nach nur 2 ½ Stunden Flugzeit. In Djerba ist es noch früh am Morgen (Ortszeit halb acht) und schon so warm, dass ich meine Lederjacke als belastend empfinde. Da nur drei Kontrollen besetzt sind, dauern die Einreiseformalitäten ziemlich lange. Klimaanlage negativ. Dabei sind es doch schon 19 Grad. Anschließend werden die Reisenden den verschiedenen Zubringerbussen zugeteilt, die uns zum Hotel bringen sollen. Unser uralter Mercedes-Bus steht wenige Meter vom Eingang entfernt. Die etwa 40-minütige Fahrt bis zu unserem Hotel habe ich größtenteils verpennt. Zu sehen gab es ohnehin – nach ein paar Kilometern Entfernung vom Flughafen – nur eine Hotelanlage neben der nächsten. Und Kreisel, viele Kreisel. Die Kreiselmafia ist also schon bis Tunesien durchgedrungen. Erwähnenswert wäre vielleicht noch, dass sich unser Reiseleiter geradezu überschwänglich bei uns dafür bedankt hat, Tunesien „nach der Revolution“ wieder zu besuchen. Nach der Bombe 2002 in einer Diskothek und den Unruhen vor drei Jahren war wohl der gesamte Tourismus zusammengebrochen. Nun kommen sie wieder alle. Vorneweg die Franzosen, die ja nur quasi um die Ecke wohnen und dann natürlich die Deutschen mit Ihren RTL2-Darstellern. Ein paar hübsche Schwedinnen oder Norwegerinnen haben auch hierher gefunden. Meist Familien aus dem Bilderbuch.
Die Hotelanlage Sentido Beach liegt, wie der Name vermuten lässt, am Strand. Da Djerba bekanntlich eine Insel ist, gibt’s davon rings herum mehr als genug. Die Anlage ist riesig groß und sehr schön angelegt. Bei der Buchung im Internet hatte mich besonders beeindruckt, dass sagenhafte 87% der Besucher das Hotel weiterempfehlen und gerne wiederkommen würden. Und der Preis hatte mich natürlich erst recht beeindruckt. 4 ganze Tage (also drei Übernachtungen) für unglaubliche 360.- Euro. Nicht einmal irgendwelche Flughafen- oder Scheckkartengebühren kamen obendrauf. Das Reisebüro „Bucher-Reisen“ hat für Flug, Unterkunft, Transfer und „All-Inklusive“-Verpflegung gerade mal 360.- Euro aufgerufen. Davon kann ich ja zuhause kaum leben. Na, mal sehen, was für ein minderwertiger Fraß mich da erwarten würde…
Vorneweg: Das Essen war geradezu phantastisch. Wenn ich hier länger als vier Wochen bleiben würde, müsste ich im Flugzeug auch einen Zusatzsitz buchen wie die eine fette Otter auf dem Hinflug. Egal, was man möchte: Die deutsch und französisch sprechenden Kellner lesen einem jeden Wunsch von den Augen ab. Sie bringen die Getränke an jede beliebige Stelle auf dem Gelände, räumen auch brav alles weg und sind so was von freundlich, dass man kaum glauben mag, dass es hier jede Menge tödlichen Aufstand gegeben hat.
Direkt nach dem Einchecken im Hotel erfahren wir allerdings, dass die Zimmer erst um 12.00 Uhr frei sein werden und wir daher noch ein bisschen frühstücken und es uns dann irgendwo auf dem Riesengelände gemütlich machen sollen. Darauf hatte ich mich im Geiste schon eingestellt und suchte mir – nach dem umfänglichen Frühstücksbuffet – eine Platz am Rand des riesigen Hotelpools aus. Gegen den Durst bestellte ich Sprudelwasser – und bekam gleich eine ganze, neue Flasche in die Hand gedrückt.
So langsam kamen die Touristen aus ihren Löchern. Schnell füllte sich die Poolanlage mit schönen, wohlgeformten Menschen aus allen Ländern (außer Deutschland). Die Franzosen machten wirklich den besten Eindruck auf mich. Nicht nur die Frauen, auch die französischen Männer sehen in der Regel durchaus noch formidable aus. Übrigens sind nicht nur die deutschen Frauen hässlich, sondern auch viele deutsche Männer, wie ich mich nach einem Blick in den Spiegel feststellen musste. Aber ich bin ja schon uralt, da muss man ein bisschen Rücksicht nehmen. Obwohl – bei den Franzosen scheint man auch in höherem Alter noch mehr Wert aufs Äußere zu legen als bei unseren exportierten Geisterbahngestalten, von denen bisher noch keine hochdeutsch gesprochen hat.
Etwa alle zwanzig Minuten kam irgendein Mitarbeiter des Animationsteams bei mir vorbei, begrüßte mich standesgemäß mit „Hallo Chef“ und wollte Sport mit mir treiben. Sehr witzig. Ich war doch zum Vergnügen hier. Spaßeshalber ließ ich mich zum Dartwerfen überreden. Hier konnte ich meinen vier blutjungen Mitstreiterinnen endlich mal zeigen, was ich so drauf hatte. Jahrelanges Training in diversen Kneipen meiner Jugend musste sich ja irgendwann mal auszahlen. Tat es nicht. Ich wurde Letzter. Wahrscheinlich herrscht hier in Afrika eine andere Schwerkraft.
Irgendwann im Laufe des Morgens habe ich mal versucht, ins Internet zu kommen. Sicher würde es eine Odyssee, die richtigen Zugangsdaten zu erhalten. Aber auch hier: Netzwerk anklicken und Du warst drin. Kein Passwort, keine Codes, kein umständliches Brimborium. Auf dem ganzen Gelände gab es kostenloses WLAN in durchaus akzeptabler Geschwindigkeit und hoher Feldstärke.
So konnte ich beim Warten auf mein Zimmer auch noch ein bisschen Büroarbeit erledigen. Gut, heute am Freitag, den 2. Mai, arbeitete nach dem gestrigen „Tag der Arbeit“ so gut wie keiner. Die paar Mails aus dem Ausland waren schnell beantwortet. Spaßeshalber prüfte ich, ob ich mit dem iPad auf meine Videothek bei „BONG-TV“ zugreifen konnte, auf der ich noch ca. 20 Spielfilme in HD-Qualität aus dem Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen mitgeschnitten hatte. Üblicherweise sind Abrufe aus dem Ausland gesperrt – aber nicht hier: In meinem Zimmer ließen sich die Videos sogar in HD ruckelfrei aufs iPad streamen.
Und da sind wir auch schon beim Zimmer. Es lag ein bisschen abseits des Poolzentrums, was durchaus angenehm war. Das Zimmer war groß, sehr praktisch und ordentlich möbliert, hatte einen Safe (für den ich allerdings 4 Euro extra zahlen musste), eine kleine Terrasse, TV und einen Kühlschrank, der leider noch leer war. Das Doppelbett war breit genug, dass selbst zwei Personen völlig getrennt voneinander nächtigen hätten können, und die Handtücher waren sauber, groß und zahlreich.
Nachdem ich mich dann erst mal wieder auf Vordermann gebracht hatte, wurde es bereits Zeit für das Mittagessen. Das Restaurant ist so riesig, dass wohl einige Tausend Menschen gleichzeitig essen können, ohne dass Gedränge entsteht. Ich setzte mich in das Außenrestaurant direkt am Meer. Kamele – oder eher Dromedare – flanierten am Strand entlang und kutschierten Touristen durch die Gegend. Leider zog und pfiff hier doch der Wind so kalt, dass ich es nicht lange dort aushielt. Das Buffet war wieder überdimensional groß. Es gab wirklich alles, was man sich nur denken kann – und vieles mehr, von dem ich gar nicht weiß, was es war. Landestypische Kostbarkeiten halt, die ich mir dann doch lieber für später aufheben wollte. Getränke? Wein bis zum Abwinken. Ich habe mir – bescheiden, wie ich nun mal bin – nur einen Teller aufgeladen und anschließend noch ein paar der leckeren Törtchen probiert, die jetzt wohl bis ans Lebensende an meiner Hüfte kleben werden. Dazu gab´s Erdbeeren. Frische Erdbeeren, die so schmeckten, wie sie schmecken müssen, bevor sie tausende von Kilometer durch Europa gekarrt werden, um dann bei Rewe für 1,98 das Kilo zu verfaulen.
Nach dem Essen setzte ich mich noch ein bisschen zu einem (noch) älteren Franzosen an den Strand. Leider war unsere Kommunikation gleich Null, so dass ich bald mein Zimmer aufsuchte, um jetzt endlich mal den fehlenden Schlaf aufzuholen.
Um kurz vor siebzehn Uhr war ich wieder wach. Am Pool herrschte inzwischen gähnende Leere. Die letzten Sonnenstrahlen erwärmten ein paar Sitzgelegenheiten auf der Meerseite. Lange hielt ich es dort nicht aus, da der Wind nun doch so langsam die Wetterregie übernahm.
Gute Gelegenheit, mal die große Bar zu besuchen. Bars gab es viele, draußen am Strand, am Pool und selbst im Pool. Aber die Hauptbar war natürlich im Hauptgebäude selbst, dem Restaurant vorgelagert. Obwohl auch hier locker ein paar hundert Personen Platz haben, waren die Räume so großzügig aufgeteilt, dass niemals das Gefühl von Enge aufkam.
Die Getränkekarte hatte 16 Seiten. Es gab fast alles. Auch Longdrinks aller Art. Mixgetränke, Spirituosen, Liköre, Weine, Tees und Kaffees. 99% davon sind „inclusive“, kosten also nichts extra. Der Gin-Tonic, den ich mir genehmigt hatte, wurde mit LONDON DRY GIN gefertigt. Schmeckte auch nicht viel anders als der gute GORDON, den sie hier aber nur gegen Zahlung von erstaunlichen 7,50 Euro anbieten.
Ich schreibe hier ständig von EURO, aber da wir erstens in Afrika sind, wo der Euro nichts verloren hat, und Tunesien selbstverständlich eine eigene Währung hat, sollte ich das ab jetzt auch korrekt bezeichnen. Der tunesische DINAR ist etwa einen halben Euro wert. Man kann das Geld im Hotel wechseln, meist aber auch mit Euro bezahlen. Die Einführung des Euro findet hier quasi durch die Hintertür statt. Ähnlich ist es ja auch in der Türkei, wo man den Touristen-Euro mit Kusshand entgegen nimmt.
Zum Abendessen war laut Informationsblatt „korrekte Kleidung“ erwünscht. Während meine lieben Franzosen darunter verstehen, sich aufzumotzen, als gelte es einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen, haben unsere Damen und Herren aus der deutschen Provinz mal wieder die landestypischen Buntdrucke von KiK umgelegt, mit denen viele einer platzenden Wurstpelle gleichen. Ich ging also auch wieder zurück ins Zimmer, um mich für den Abend ein bisschen aufzuhübschen. Wirklich große Auswahl hatte ich dabei allerdings nicht…
Man traf sich zunächst zu einem Aperitif an der Bar, naschte zu seinem Longdrink ein paar Oliven, Popcorn und Erdnüsse und begab sich dann zum Buffet ins Restaurant. Und wenn man mittags noch glaubte, dass es gar nicht besser werden kann, musste man jetzt erstaunt zugeben, dass die Küche mittags gerade mal „geübt“ haben konnte. Die Kunst bei diesen Buffets besteht darin, trotzdem nicht mehr zu essen als es der Körper verlangt. Also nippt man von allen Köstlichkeiten nur ein Eckchen und wundert sich dann, dass nichts zusammenpasst. OK, mache ich morgen besser.
Nach dem Essen ging es wieder zurück in die Bar. Dort hatte bereits die Gästebespaßung begonnen. Die Animateure hatten sich inzwischen umgezogen und forderten vornehmlich die jungen Damen zum Tanz auf. Manche der Eintänzer hatten Pech und blieben an irgendeiner Tonne aus Deutschland kleben. Da aber die Tanzpartner nach jedem Tanz wieder an ihren Platz geführt wurden, war das nicht ganz so schlimm, solange die Matronen den Tänzern nicht auf die Füße traten. Die Musik kam von einem Ein-Mann-Orchester mit Keyboard. Der Mann beherrschte sein Instrument virtuos und konnte sogar singen. In der halben Stunde, die ich zuhörte, gab es nicht einen falschen Ton. Musikrichtung: Englischsprachige Hits aus allen Jahrzehnten. Kurz vor halb zehn hörte der Tastenvirtuose plötzlich auf, schloss sein Keyboard ab und trollte sich des Wegs.
Die Animateure riefen laut „Show-Time!“ und verschwanden. Und nicht nur die Animateure verschwanden. In kurzer Zeit war die Riesenbar nahezu menschenleer. Das gab mir zu denken, da auch weit und breit nichts von einer Show-Time zu sehen war. Also nahm ich mein Gin-Tonic-Glas in die Hand und suchte das Gelände ab. Und tatsächlich: Im vorderen Teil der Bar saßen wieder ein paar Touristen und man konnte irgendwo im Hintergrund Musik hören. Aber auch hier keine Show-Time. Also ging ich vorbei an einer Schischa-Bar, in der die Jugend irgendwelches Teufelszeug rauchte, weiter vorbei an geschlossenen Touriläden und landete endlich dort, wo die „Show-Time“ stattfand: In einem riesigen Theater (ca. 800 Quadratmeter) mit einer etwa 20 Meter breiten Bühne. Von den möglichen 400 Gästen waren höchstens 100 anwesend, aber auf der Bühne kämpften die besagten Animateure (7 Buben und ein Mädel) um die Gunst der Zuschauer, als wäre es das Finale von DSDS. Nun gut, sie sangen nicht, aber sie tanzten wie die Teufel. Vor allem das Mädel, Monique hieß sie, war einfach klasse. Und auch hübsch. Eine ausgefeilte Choreographie in Verbindung mit vielen Lichteffekten und Videoeinspielungen brachten die Musik der 30-40er Jahre aus Amerika auf die Bühne. Danach waren die Animateure fix und fertig und durften hoffentlich endlich ins Bett. Am nächsten Morgen ab neun Uhr standen sie wieder auf der Matte. Nun gut, wir Touristen müssen ja auch rund um die Uhr da sein – und zahlen sogar dafür.
Um halb elf war das Spektakel vorbei und ich war bettreif. Auf dem iPad habe ich dann noch die aktuelle „heute-Show“ mit Oliver Welke geschaut, dann fielen mir langsam die Augen zu.
3. Mai 2014
Am nächsten Morgen der Schock: Keine Sonne! Keine Wärme! Es hatte in der Nacht sogar geregnet! Das Thermometer zeigte lediglich 18 Grad an, die sich jedoch noch kühler anfühlten. Am Pool lag kein Mensch. Die Touris versteckten sich in allen möglichen Nischen, relativ dick angezogen und harrten des Wetters, dass laut Wetterbericht kommen müsste: Sonne, 23 Grad. Und jedes Mal, wenn sich die Wolkendecke für ein paar Minuten auftat, rannten die Sonnenanbeter ins Freie, rissen sich die Kleider vom Leib und hielten ihre Käsehaut der Sonne entgegen, als brächten sie ein Opfer dar. Das war schon lustig anzuschauen. Ich saß in der angenehm temperierten Bar mit Blick auf den Pool und amüsierte mich köstlich. Aber auf Dauer ist das auch langweilig. Also schaute ich mich mal um, was die Mitreisenden so trieben. Viele saßen wie ich in der Bar und spielten Karten, lassen in ihren iPads oder vereinzelt sogar richtigen Büchern. Die Omis aus der deutschen Provinz lösten SoDuKo-Rätsel, und die Teenies rannten nervös durch die Gegend, aus Angst, irgendwas zu verpassen. Am Strand langweilten sich die Dromedare, und an der Strandbar wurden die ersten Biere gekippt. Bisher auch weit und breit kein fliegender Händler mit Rolex-Blendern oder „garantiert echten“ Prada-Handtaschen. Ich begann, mich zu langweilen. Und ausgerechnet jetzt weit und breit kein Animateur in Sicht. Ich sollte vielleicht mal eine Tour in Angriff nehmen.
Die Bundesregierung hat allerdings davor gewarnt, eigenständige Touren zu unternehmen, weil islamistische Terroristen immer noch mal ganz gerne einen Touri Hopps nehmen und meistbietend versteigern. Vor allem in der Wüste ist man ganz schön gefährdet. Da droht nicht nur Verdursten und verdorren, sondern auch noch die unfreiwillige Einkehr in irgendwelche Ausbildungscamps. Und wenn die dann noch rauskriegen, dass ich nicht einmal ans Jesulein glaube, ist mein Leben schon verwirkt, bevor ich meine Kreditkarten gezückt habe.
Ich blieb daher erst einmal im Hotel.
Da es am Pool immer noch recht kühl und windig war, holte ich mir meine Lederjacke aus dem Zimmer und setzte mich am Rand des Pools in einen der vielen Plastiksessel, die da rumstanden. Das war das Zeichen für die Sonne, jetzt mit dem Scheinen wieder anzufangen. Bis zum Mittagessen wechselte ich an die fünf Mal die Location, um immer die richtige Menge Sonne plus frischem Wind abzubekommen. Die Haut verbrennt man sich dabei zwar genauso wie bei Windstille, aber man merkt es nicht. Jedenfalls im Moment nicht.
Das Mittagsbuffet war so lecker wie immer. Ich hatte meine Lektion gelernt und mich auf einen Vorspeisen-Salat sowie ein Hauptgericht beschränkt. Die süßen Küchlein starrten mich zwar an, aber ich blieb tapfer. Sie hätten auch schlecht zu der halben Flasche Wein gepasst, die ich en passant leerte. Um wach zu bleiben, bestellte ich mir dann an der Strandbar noch einen doppelten Espresso.
Und dann lernte ich Joussuf kennen. Wir würden ihn Josef nennen, aber hier in Tunesien heißen sie Joussuf. Joussuf stellte sich als Hotelmitarbeiter vor und versuchte, mich nach allen Regeln der Kunst auszufragen. „Chef, woher kommst Du? Wie lange Du bleibe hier? Warst Du schon mal hier? Was biste von Beruf?“ Ich hatte keine Lust, ihm das alles zu beantworten und blieb sehr einsilbig. Dann machte er mir den Vorschlag, mich auf eine Tour am morgigen Sonntag mitzunehmen. „Iste große Fest von die Berberfrauen, musste sehen!“ Mhm. Dann käme ich ja mal aus meinem Ghetto raus und würde was von Land und Leuten sehen. Und da der Veranstalter wohl das Hotel war, müsste ich auch keine großen Ängste haben. Bevor ich überhaupt fragen konnte, was das kosten würde, drückte er mir einen Teilnahmeschein für eine Tour „morgen früh um neun“ in die Hand.
OK, der Sonntag schien gerettet zu sein. Aber was sollte ich mit dem Rest des Samstags machen? Am besten erst mal eine Mittagspause. Und schwupps, war es schon wieder 17.00 Uhr. Am Pool war noch die Hölle los, da heute offenbar neue Touristenladungen eingeflogen worden waren. Und die mussten sich natürlich sofort anbraten lassen. In der Bar an der Rezeption wurden bereits wieder die ersten Longdrinks ausgeteilt. Ich ließ mich nicht lange bitten und checkte bei der Gelegenheit meine Mails und Facebook-Nachrichten. Von Vielen, die den ersten Teil dieses Blogs bereits gelesen hatten, kamen nette Antworten, aber auch Fragen zu Djerba selbst.
Also gut, Ihr sollt nicht dumm sterben. Djerba ist eine zwar winzige, aber dennoch die größte Insel in Nordafrika. Sie gehört zu Tunesien und ist an den größten Stellen gerade mal 31 Kilometer lang und 31 Kilometer hoch. Wegen der vielen Buchten kommt die Insel dennoch auf nur 517 qkm. Im Süden war sie mal mit dem Festland verbunden. Da hatten vor ein paar hundert Jahren die Römer mal einen Mega-Bauauftrag. Bei irgendeinem Krieg Jahrhunderte später wurde die Brücke wieder zerstört. Aber das Trinkwasser der Insel (das man allerdings nicht trinken kann!) kommt immer noch durch eine Pipeline unterhalb dieser Brücke. Gerade mal 120.000 Einwohner hat die Insel, davon leben etwa 60.000 in der Hauptstadt, Houmet Souk. Ich war im zarten Alter von 19 Jahren – damals mit meiner Freundin Angela – schon mal auf Djerba. Damals waren wir im Club Mediteraneé, den es wohl nicht mehr gibt. Zumindest habe ich nirgendwo etwas darüber gelesen. Das „Sentido Djerba Beach“-Hotel hat vier Sterne, was etwa drei Sternen in Deutschland entspricht. Die wirklichen Luxuskisten haben bis zu sieben Sternen und sind nur wenige Minuten den Strand entlang von mir entfernt. Außer tunesisch spricht man hier vornehmlich französisch, aber auch deutsch und ein bisschen englisch.
Nachdem ich das alles bei Wikipedia nachgelesen hatte, war es schon wieder Zeit für´s Abendessen. Die neu hinzugekommenen Gäste waren deutlich spürbar. Wer nicht zu den Ersten zählte, musste ganz schön weit laufen, bis er einen Platz gefunden hatte.
Nach der Fütterung lief der Abend wieder wie gewohnt ab. Zunächst haben die Animateure sich wieder als Eintänzer betätigt. Der Alleinunterhalter schien sich heute alleine zu unterhalten. Stattdessen gab es einen DJ, der ein paar All-time-Classics und leider auch ein paar deutsche Schlager über die Bose-Boxen laufen ließ. Und während ich mich noch darüber innerlich aufregte, dass nur die männlichen Animateure weibliche Gäste zum Tanzen aufforderten, stand plötzlich eine wunderschöne blonde Frau im weißen Minikleid vor mir und forderte MICH zum Tanzen auf. Es war niemand anders als die Tänzerin der „Showtime“-Veranstaltung vom Vorabend, also Monique, die einzige Animateurin.
Natürlich sprang ich auf, nahm sie in die Arme und tanzte mit ihr den besten Foxtrott meines Lebens – ausgerechnet auf eine Nummer von Wolfgang Petry, in der immer alle „Hölle, Hölle, Hölle“ schreien. Es war die Maxi-Version und ich war schon fast so weit, Monique einen Heiratsantrag zu machen, als das Lied plötzlich fertig war und das Mädel sich einen anderen Deppen suchte.
Na ja, so hätte es werden können. Tatsächlich gab ich Hornochse ihr aber einen Korb, was sie mir wohl nie verzeihen wird. Bisher hatte sie immer ein freundliches Lächeln für mich parat wenn wir uns sahen, aber damit dürfte es jetzt wohl vorbei sein. Eine zweite Chance würde ich in diesem Urlaub sicher nicht bekommen…
Außerdem war jetzt wieder „Show-Time“ und Monique musste auf die Bühne. Wieder tanzte sie sich die Seele aus dem Leib, wieder war das Theater nur zu einem Viertel gefüllt und wieder war nach 45 Minuten Schluss. Die heutige Show war leider wesentlich schlechter als am Vorabend, weil außer den Tanzdarbietungen auch noch Sketche aufgeführt wurden, die so grauenhaft schlecht waren, dass man sie besser weglassen sollte.
Nach der Show setzte ich mich mal wieder auf einen der hundert leeren Sessel in der Bar. Bei einem Gin-Tonic-Nachttrunk las ich schnell noch eben 600 Seiten auf dem iPad fertig. Irgendsoeinen dummen Krimi mit angeblich echten Vampiren. So was tut man sich auch nur im Urlaub an. Dann endlich ins Bett und bis 7:00 Uhr durchgeschlafen.
Sonntag, der 4. Mai 2014
Beim Aufwachen fiel mir siedeheiß ein, dass ich gestern meine Lederjacke irgendwo am Pool hängen gelassen hatte. In der Jacke waren nicht nur das Rückflugticket, sondern auch mein Pass, ohne den ich hier sicher nicht raus käme. Aber keine Sorge – die Jacke lag schon lange an der Rezeption und wurde mir gegen Unterschrift zurückgegeben. Nach dem Frühstück stand ich pünktlichst kurz vor neun erneut an der Rezeption, um mich der Reisegruppe von Joussuf anzuschließen. Merkwürdigerweise war ich der Einzige, der die Tour in diesem Hotel gebucht hatte. Um 5 nach 9 war er immer noch nicht da. Um 7 nach 9 verkündete ein anderer Angestellter, dass Joussuf in drei bis vier Minuten kommen würde. Der Bus hätte Verspätung gehabt. Nun gut, das kann passieren. Um viertel nach neun kam er dann endlich. Der Bus aus den 80er Jahren. Mit Joussuf und einem Fahrer drin. Wo denn die Reisegruppe sei, fragte ich ihn. „Die sind schon ganz früh gefahren. Bus war schon um halbe neun da!“ log er mich ganz ungeniert an. Dann fuhren wir die nördliche Küstenstraße nach Houmet Souk, der Hauptstadt von Djerba. Rechts reihte sich ein Luxus-Hotel neben das nächste, links Wüste und vereinzelte Häuschen mit ca. 9 qm Grundfläche. Mein „Reiseleiter“ zeigte mal auf eine vorgelagerte Insel, die „Flamingo-Insel“. „Fährte Bus jede Tag, musste sehen!“. Muss ich nicht. Nach zwanzig Minuten auf der Schnellstraße, die nur alle paar hundert Meter von einem Kreisel unterbrochen war, kamen wir in der Hauptstadt an. „Stadt“ ist schon eine ziemliche Übertreibung, da bietet ja selbst Friedrichsdorf mehr Bausubstanz. Wir parkten direkt an der Moschee, die schön weiß gestrichen war. Überhaupt ist hier in Djerba alles schön weiß gestrichen und der Dscherbianer (oder wie man die Leute hier nennt) verbringt seine ganze Freizeit damit, grau gewordene Stellen nachzuweißen, damit sie auch schön blenden. Im Gegensatz zu weißen Wänden hat man die Straßen gerne schmuddelig. Die Erfindung des Papierkorbs ist noch nicht auf Djerba angekommen, und so säumen Abfallberge vieler Generationen die wenigen Straßen. Kaum zu glauben, aber wahr.
Joussuf erklärte mir, dass wir hier im Zentrum der Stadt wären, der Altstadt, wie auch ohne seine Erklärung klar erkennbar war. Eine typische Touristen-Altstadt eben, mit hunderten von Läden, die nichts anderes als überflüssigen Krimskrams an den Mann bringen wollten. Schmuck ohne Ende, gefälschte Uhren, bunte Keramikaschenbecher, aus Stroh geflochtene Dromedare, Handyzubehör und vor allem TEPPICHE warteten auf den geneigten Besucher. Joussuf zerrte mich sogleich in einen riesigen Teppichladen, in dem die armen Frauen gebeugt am Webstuhl saßen, um den Touristen mal wieder zu zeigen, wie so ein Teppich hergestellt wird. Da ich das schon wusste, wollte ich so schnell wie möglich wieder da raus. „Wo ist der Rest der Gruppe?“ fragte ich Joussuf ein weiteres Mal. Er zuckte mit den Schultern und behauptete, dass die alle draußen rumlaufen würden. Das sollte ich dann bitteschön auch machen. Er war sichtbar sauer, dass ich auf seinen dämlichen Teppichtrick nicht reingefallen war. Um halb zwölf sollte der Bus zurück fahren. Ich lief also brav zweimal durch die gesamte Altstadt, ließ mich hunderte Male blöd anquatschen und erlebte sogar wieder den Hoteltrick: „Hey, erkennst Du mich nicht? Ich arbeite doch auch in dem Hotel, in dem Du wohnst!“ Ich erkannte niemanden und es wäre mir auch reichlich egal gewesen, hier jemandem aus dem Hotel zu treffen. Diese Jungs zerren einen doch nur in irgendeinen Ramschladen, in dem man dann aus lauter schlechtem Gewissen überflüssigen Schund kauft, den man spätestens im Hotel in den Papierkorb wirft. Nach dem zweiten Spießrutenlauf habe ich mich dann in ein Straßencafé gesetzt und einen frisch gepressten Orangensaft getrunken. Zur Bezahlung zückte ich einen 20 Euro-Schein, der mir sogar ordnungsgemäß gewechselt wurde. Damit hatte ich gar nicht gerechnet und gab daher ein großzügiges Trinkgeld. Joussuf war inzwischen aus meinem Blickfeld verschwunden und ich überlegte mir, was ich denn nun die kommenden eineinhalb Stunden in diesem Kaff anstellen könnte? Die Lösung war ganz einfach. Ich ging zu einem der vielen Taxistände, fragte nach dem Preis bis zum Hotel und stieg ein. 7 Dinar, also 3,50 Euro würde die Fahrt kosten, sagte man mir im Vorfeld. Und das stimmte auch fast. Ich gab dem Fahrer 10 Dinar. Vielleicht könnte er von der Differenz dem alten Renault, der schon 1 Million und 440 tausend Kilometer auf dem Buckel hatte, mal eine Inspektion gönnen.
Wieder im Hotel, sah ich Joussuf um Punkt halb zwölf (also dem Zeitpunkt, an dem er mich eigentlich abholen wollte) an seinem Platz im Hotel stehen. Ich hätte also auf jeden Fall ein Taxi zurück nehmen müssen. Seitdem reden wir auch nicht mehr miteinander. Und ich habe es ein weiteres Mal vermieden, mir einen Teppich aufschwätzen zu lassen. Gut gemacht.
Unsere Animateure hatten heute ihren freien Tag. Es blieb also ruhig am Pool. Auch heute füllte sich das Hotel ein wenig mehr, andere waren aber inzwischen auch schon abgeflogen. Das Publikum war inzwischen bunt durchmischt. Noch immer hauptsächlich Franzosen, aber auch zunehmend mehr Deutsche (aus der hintersten Provinz) belegten jeden, aber auch jeden Liegeplatz rund um den Pool. Es gab erstaunlicherweise keinen einzigen Asiaten im Hotel, keine Chinesen oder Japaner, die doch sonst das Stadtbild vieler Urlaubsmetropolen ausmachen. Auch sah man keine typischen Afrikaner oder überhaupt Menschen mit dunkler Hautfarbe. Ein paar Muslime mit ihren verschleierten Frauen boten die einzige optische Abwechslung. Wenn man sich die Palmen wegdenkt, könnte die Szene auch im Friedrichsdorfer Freibad spielen.
Ein paar besondere Typen gab es aber auch hier. Da war der leicht verrückte Späthippie mit seinem weißen Zopf, der ständig laut schimpfend durch die Gegend zog. Oder die alte Dame aus Deutschland, die hager, oder besser klapperdürr mit vollgespritztem Botox-Gesicht und aufgespritzten Lippen ihren tunesischen Lover durchfütterte – irgendwie erinnerte sie mich an die deutsche Schauspielerin Judith Winter, an der sich wohl auch einige Chirurgen vergeblich abgemüht hatten. Selbst einen Gerard Depardieu-Imitator konnte man bestaunen. Er war zwar etwas jünger als der echte Gerard und saß auch im Rollstuhl, wäre aber bei einer polizeilichen Gegenüberstellung hundertprozentig als das Original durchgegangen. Dann war da noch der AC/DC-Gitarrist mit seinen laufenden 1,45 m Höhe, den langen fettigen Haaren und dem runtergekommenen Gesicht, dem man „Sex, Drugs and Rock’N’Roll“ problemlos abnahm.. Lustig auch die Russin mit ihren XXXXL-Brüsten, die nackig am Pool weniger angsteinflößend waren als abends im Abendkleid, wo sie ständig rauszuspringen drohten. Ihr Mann war megastolz auf seine beiden Investitionen, aber die arme Tochter muss sich sehr gequält haben. Bis Papi ihr auch so etwas zum Geburtstag schenkt, muss sie erst mal aus dem Teenie-Alter raus.
Was ich nicht verstehe: Wie kann man den ganzen Tag nichtstuend am Pool verbringen? Immer nur sonnen, essen, sonnen, trinken, essen, trinken und wieder trinken. Dazwischen ab und zu pennen. Das ist doch eines Menschen nicht würdig! Oder nennt man das Urlaub? Viele ältere Ehepaare sitzen stundenlang zusammen an einem Tisch oder nebeneinander am Pool, ohne auch nur ein Wort miteinander zu wechseln. Ich sehe da immer die Loriot-Sketche vor mir, die mit dem Satz enden „Eines Tages bringe ich sie um!“. Anders ist es bei den vielen jungen Familien mit ihren Kindern. In Frankreich scheinen immer noch Ferien zu sein, sonst wären nicht so viele Schüler mitgereist.
Nach dem Mittagessen habe ich noch ein bisschen an diesem Blog geschrieben und mich dann – aus purer Langeweile – wieder auf´s Ohr gelegt. Um halb fünf habe ich dann den aktuellen „Spiegel“ aus dem Internet runter geladen und den Rest des Tages mit dem Lesen desselben verbracht. Um 21:44 Uhr war ich mit dem neuen „Spiegel“ durch, obwohl ich nahezu alle Artikel gelesen hatte! Da saß ich schon an der Bar und ließ mich von der Musik des Alleinunterhalters quälen, der diesmal ganz besonders widerliche Musik von sich gab. Da die Animateure frei hatten, gab es auch keine Eintänzer. Selbst Monique, die ich noch im Restaurant flüchtig grüßte (und die zurück lächelte!) sah ich später nicht mehr. Also, da gab es nur eins: Ab ins Bett und über die ARD-Mediathek den heutigen Tatort geschaut. War sehr gut diesmal. Um Mitternacht war dann der Tag nicht nur auf dem Kalender, sondern auch für mich vorbei.
Montag, 5.Mai 2014
Das war´s. Nach dem Frühstück habe ich hier noch die letzten Zeilen hinzugefügt und dann meinen Koffer gepackt. Um 12:00 Uhr musste ich das Zimmer freimachen und um 14:10 sollte der Flughafenbus kommen, um uns Touristen wieder zum Flughafen zu karren. Der kam auch, fuhr aber wieder weiter, ohne mich aufgesammelt zu haben Nun gut, nahm ich eben den nächsten Bus, den von Neckermann. Abflug war erst abends um 17:20 Uhr.
Fazit: So schön diese Anlage auch ist, so toll das Essen, so nett das Personal, so süß die Animateurin, für mich als Einzelperson ist es eher eine Haftstrafe, und ich bin froh, ohne größeren Lagerkoller wieder nach Hause entlassen zu werden. Ich wollte der Langeweile entkommen, die ich schon an Ostern zu Hause verspürt hatte, habe sie jedoch gegen eine noch größere Langeweile eingetauscht, da mir hier jegliche Kommunikation zu anderen Menschen erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wurde. So habe ich denn auch nur meine Rolle als Beobachter ausfüllen können. Ein Beobachter, der vielleicht manchmal etwas hart mit seinen Mitmenschen ins Gericht geht, obwohl er selbst ja wahrscheinlich auch alles andere als perfekt ist. Ein Beobachter, der sich jetzt wie ein kleines Kind auf seine Arbeit freut und so schnell wie möglich wieder nach Hause will. Zu zweit wäre es sicher ganz anders geworden, aber das hatte ja leider in letzter Sekunde nicht geklappt…
Nachtrag 1: Die Animateure waren nach ihrem freien Tag sehr gut gelaunt. Vor allem Monique. Sie sagte „Meine Liebe“ zu mir, nahm mich in den Arm und küsste mich. „Meine Süße, ich hoffe, Du bist nicht sauer, dass ich Dir beim Tanzen einen Korb gegeben habe?“ fragte ich sie. „Ach was, ist doch nicht schlimm!“ Noch ein Kuss auf die Wange und weg war sie.
Und das habe ich diesmal nicht geträumt. Es ist genau so passiert.
Soll ich verlängern?
Ich packte dann doch lieber meine Koffer…
Die Kosten der Reise?
360.- Euro für Flug, Essen, Transfer und Animation
5.- Euro für den Tresor samt Trinkgeld
20.- Euro für einen O-Saft und weitere Trinkgelder im Hotel
100.- Euro für die Tiefgarage.
Zusammen also 485.- Euro. Mein bisher billigster Urlaub überhaupt.Nachtrag 2: Als ich Stunden später wieder zuhause im Bett lag, wurde ich durch den Alarm meiner Gigaset Elements-Alarmanlage aufgeweckt. Jemand war offenbar in meinem Haus, nachts um zwanzig vor vier. Nachdem ich aber trotz angestrengten Lauschens nichts hören konnte, schob ich die Alarmmeldung auf eine Fehlfunktion des Sensors und schlief weiter.
Ich wäre wohl mal besser aufgestanden oder hätte zumindest die Polizei rufen sollen. Der oder die Diebe hatten ein Kellerfenster aufgebrochen und mir ein paar meiner Lieblingsspielzeuge geklaut. Das iPad mini, die Videokamera mit fast allen Bildern (und vor allem mit den Videos von Monique), drei weitere Videokameras, meine komplette Uhrensammlung (ca. 25 Stück), mein MacBook Air mit allen Texten, die ich in den vergangenen vier Jahren geschrieben habe, einen Beamer, Netzteile, SD-Karten und und und…
10.800.- Euro Schaden + das zu ersetzende Kellerfenster.
Vielleicht war es aber auch besser, dass ich nicht aufgestanden bin. In der Nachbarschaft hat es in derselben Nacht einen Hausbesitzer erwischt, der sich den Einbrechern in den Weg stellen wollte. Er lebt noch, ist aber ziemlich zerdetscht.