Tag 1: Die Anreise
Das hat man nun davon!
Endlich wieder Urlaub und dann sowas…
Ich schwöre hiermit, dass ich nie wieder selbst eine Urlaubsreise zusammenstellen werde!
Ja, ich war verwöhnt von den tollen Reisen mit den tollen Reisebussen und den tollen Reiseleitern in sehr vielen Regionen dieser immer kleiner werden Welt. Ob Russland, China, Afrika, Zypern, die USA, die Karibik oder sonst wo auf dieser Welt. Ich konnte mich darauf verlassen, dass da irgendwo ein Bus stand, der mich mitnahm, der mein Gepäck hütete, zu dem ein Reiseleiter gehörte, der die Geschichte des jeweiligen Landes selbst volltrunken einwandfrei daher lallen konnte. Dazu gehörten Hotels mit richtigen Betten, Essen vom Feinsten und Getränke bis zum Abwinken. Ich musste ja nicht fahren.
Und jetzt das.
Ich hatte zehn freie Tage in meinem Terminkalender entdeckt. (Ja, die Jobs laufen auch nicht mehr so dolle wie früher..) Meine Wahl fiel auf Teneriffa. Dort sollte es selbst im November noch ordentlich warm sein. Ich fragte niemanden, welches Hotel man wählen sollte, welcher Teil der Insel was taugt und welche Städte man auf jeden Fall vermeiden sollte. Ich glaube, ich war ein paar Jahrzehnte früher schon mal hier, kann mich aber an gar nichts erinnern. Jedenfalls an nichts, was mich hier erwartet hat.
Es ging schon damit an, dass man am Frankfurter Flughafen inzwischen drei Stunden vor dem Start der Maschine antanzen muss. Das bedeutete, dass mich um 7:15 Uhr ein Taxi zum Terminal 2 kutschierte. 7:15 Uhr! Das bedeutet, um 6:30 Uhr spätestens aufzustehen! Um trotz gestelltem Wecker das Taxi nicht zu verpassen, wachte ich natürlich schon um fünf Uhr auf. Erst kurz vor dem Wecken war ich dann endlich wieder eingeschlafen. OK, das sind Probleme eines Nachtmenschen, der morgens grundsätzlich zu nichts zu gebrauchen ist. Aber wenn die ganze Quälerei wenigstens einen Sinn gehabt hätte! Denn im Terminal 2 stand ich erst mal ganz lange blöd rum, bis sich die Schlange langsam auffüllte. Sie wurde auch nicht kürzer, weil am Schalter genau NIEMAND seinen Dienst verrichtete. Die Jungs und Mädels in verdächtig jungem Alter kamen erst eine ganze Stunde später zur Arbeit. Und dann sortierten sie auch noch die Schlange dreimal um, bis ich vom ersten Platz auf Position 23 gerutscht war. Habe ich nachgezählt.
Als bevor ich dann endlich dran war, war das Transportband für die Koffer kaputt. Ich wartete geduldig weitere 15 Minuten, bis ein noch jüngerer Mitarbeiter den richtigen Netzschalter betätigte und der Transport wieder lief. Inzwischen gibt es anscheinend keine Flugtickets mehr. Mein Name stand in deren Computer – das sollte reichen. Immerhin bekam ich eine Boarding-Card. Die musste ich einmal kurz vorzeigen, bevor ich alle Taschen ausleerte und mein Handgepäck filzen ließ. Bis zum Abflugschalter waren es einige Kilometer Fußmarsch, aber ich schlenderte gemütlich hin, denn erwartungsgemäß war da auch noch niemand.
Ich war um 7:45 Uhr vor Ort und flog erst um 11.05 Uhr ab! Eine halbe Stunde vorher hätte in diesem Fall voll gereicht. Blöderweise hatte ich auch noch einen Fensterplatz…
Wenn ich die Reisebeschreibung gründlicher gelesen hätte, wäre mir auch aufgefallen, dass der Flieger nur bis Madrid flog. Nach knapp drei Stunden stand ich wieder auf einem Flughafen und lief die 4 Kilometer bis zum neuen Abflugschalter nun schon mit etwas mehr Karacho, denn der Anschlussflug nach Teneriffa war ziemlich dicht dran. Ich hätte nicht rennen müssen, denn auch dieser Flieger (wieder eine Boing 737) musste noch repariert werden (wie üblich), bevor er mit einer über einstündigen Verspätung nun endlich nach Teneriffa abhob. Ich hatte leider schon wieder einen Fensterplatz. In der langen Zeit, die wir im Flieger saßen und auf die Starterlaubnis warteten, hatte ich genügend Zeit, mir mal Gedanken über einen Mietwagen zu machen. Ich hatte vor, die gesamte Insel kennenzulernen – und das ging nun mal nicht zu Fuß.
Mietwagen soll man ja nach landläufiger Meinung besser vor Ort buchen als schon beim Abschluss des Reisevertrags. Warum? Na ja, irgendwo verdient immer jemand was mit, so dass die Kosten für eine Woche Mietwagen auf Teneriffa bei Vorab-Buchung so um die 800.- Euro lagen. Über mein Handy fand ich einen Vermieter, der die vollen 10 Tage für 830.- Euro anbot – also durchaus ein Schnäppchen. Schwupps, gebucht. Leider klappte das online mit meiner nagelneuen VISA-Karte nicht. Ich musste den Betrag mehrfach mit einem zugesandten Code und einem privaten Passwort genehmigen. War aber nicht möglich. Beim fünften Mal hat der Kutschenverleiher die Buchung abgebrochen. Das wird kreditkartenmäßig üble Konsequenzen haben, liebe VISA-Leute! Also einen zweiten Versuch mit einem Vermittler aus München probiert. Auch hier endete die Buchung negativ. Diesmal wollte der Vermittler die Kohle SOFORT überwiesen haben, sobald der Mietwagenverleiher ein Auto aufgetrieben hatte. Dann hätte ich einen „Voucher“ per Mail erhalten, mit dem ich die Kiste ausleihen hätte können. Dummerweise hatte das Flugzeug inzwischen Madrid verlassen, sodass mich die Mail mit der Rechnung erst nach der Landung auf Teneriffa erreichte. So lange wollte der Vermieter nicht ins Risiko gehen – also stornierte der Vermittler das Auto. Ich hatte also immer noch kein Auto, aber auch kein Geld verloren. Wenigstens etwas.
Im Grunde genommen habe ich damit ein Riesenglück gehabt. Denn ich war die ganze Zeit davon ausgegangen, dass mein zweiter Flieger mich auf Teneriffa SÜD absetzt. So stand es jedenfalls in den Reiseunterlagen der Firma „Schauinsland“, die mir die Reise im Internet angeboten hatte. Vom Flughafen „SÜD“ bis zu meinem Hotel im Norden waren es lt. Google Maps mit dem Auto ca. 1,5 Stunden Fahrt, mit dem Bus ca. 2,5 Stunden und zu Fuß sieben Tage oder so. Aber da sich während des Fluges immer mehr herauskristallisierte, dass es auf Teneriffa auch noch im Norden einen Flughafen gibt, hätte ich mit dem Auto im Süden kaum was anfangen können – zumal ich den Wagen auch dort wieder hätte abgeben müssen.
Dann sind wir endlich auf Teneriffa NORD gelandet. Die Einreise gestaltete sich sehr problemlos. Ich musste nicht einmal einen Pass oder Ausweis vorzeigen. Und da auch mein Koffer tatsächlich als dreiundzwanzigster auf dem Kofferband lag (ich habe natürlich nachgezählt!), hatte ich bis zu meiner nun alternativ geplanten Busreise vom Flughafen bis nach Puerto de la Cruz noch reichlich Zeit. Zeit, in der mir die kleinen Geschäfte der lokalen Autovermieter in der Ankunftshalle immer wieder auffielen. Mindestens zehn Händler, überall tote Hose. Also versuchte ich mein Glück erneut, diesmal bei einem Anbieter namens „Top-Car“. Und nun kommts: Hier kosteten die zehn Tage insgesamt nur noch 527.- Euro, inklusive sämtlicher denkbaren Versicherungen und der obligatorischen Mehrwertsteuer. Da habe ich sofort zugegriffen. Weil auch hier meine nagelneue VISA-Karte schlichtweg abgelehnt wurde (Ich bin so sauer!!!), habe ich die Buchung über meine Apfel-Uhr mit ApplePay bezahlt. Das funktioniert inzwischen weltweit fast überall. Der Wagen stand direkt vor dem Terminal und war halb vollgetankt.
Supi! So langsam begann sich doch endlich, ein Urlaubsgefühl einzustellen. Der Urlaub im Hotel „Atlantic El Tope“ mit all seinen vier Sternen war zum Greifen nah. Inzwischen war es dunkel geworden, obwohl die Zeit hier auf Teneriffa eine Stunde vorgedreht wurde. Im Dunkeln in fremden Ländern Auto zu fahren, ist eine kleine Herausforderung. Dank des gesundheitsfördernden Tempolimits von maximal 80km/h kam ich – einige Umwege in Kauf nehmend – dann endlich in Puerto de la Cruz an. Ich hatte da so an ein kleines Fischerdörfchen mit einer Hauptstraße und drei Nebenstraßen gedacht, aber da war ich natürlich auch völlig falsch informiert. Obwohl – 32.000 Einwohner sind nun auch nicht gerade eine Großstadt. Dass mir die Stadt mindestens so überlaufen wie Madrid vorkam, lag wohl an den vielen Touristen und den vielen kleinen Straßen nebst ständigem Stop-and-Go-Verkehr. Egal. Im dritten Anlauf fand ich dann endlich das Hotel. Leider wurde die Tiefgarage des Hotels gerade einem „Update“ unterzogen, und leider gab es vor dem Hotel nur etwa 15 Parkplätze, die natürlich besetzt waren. Ich fand eine Stelle ganz am Rand, so ein kleines bisschen im absoluten Halteverbot, aber was sollte ich machen? Ich musste erst mal einchecken. Vielleicht gab es ja ein Ersatzparkhaus? Spoiler: GAB ES NICHT!
Ich bekam das Zimmer mit der witzigen Nummer 007 zugeteilt, die vom Level der Rezeption aus gesehen noch vier Stockwerke weiter unten lag. Dennoch hauste ich nicht im Keller, sondern hoch über der Stadt. Irgendwie ist das schwer zu verstehen, wenn man nicht vor Ort ist, aber das liegt wohl daran, dass es in diesem Städtchen so gut wie keine waagrechten Straßen gibt. Entweder es geht bergauf oder es geht bergab. Ebenerdig ist hier gar nix. Und weil das Hotel eben auch an einen Felsen gebaut wurde, war mein drei Stockwerke tiefer gelegenes Zimmer immer noch hoch über der Stadt. Verstanden? Ich auch nicht, ist aber so. Ich sollte die Bodenbeschaffung nach dem Einchecken noch am selben Abend schmerzhaft erfahren, denn ich konnte mein Auto beim besten Willen nicht da lassen, wo ich es abgestellt hatte. Als ich rauskam, war der Portier gerade dabei, den Abschleppwagen anzurufen. Also musste ich einen Parkplatz finden! So etwas gibt es in dieser Stadt nicht. Nein, es gibt natürlich schon welche, aber wer jemals einen Parkplatz ergattert hat, gibt den nie im Leben wieder her. Auf Teneriffa gibt es doppelt so viele Autos wie Menschen! Kein Witz, weiß ich aus berufener Quelle. Ich brauchte 20 Minuten, bis ich – viele hundert Meter entfernt – endlich einen freien Platz fand. Der Weg zurück dauerte nochmal 40 Minuten, Verlaufen eingeschlossen. Trotz Google-Maps fand ich ziemlich lange das Hotel nicht wieder. Endlich angekommen, hatte ich nun nur noch eins: HUNGER! Zum Glück war das Restaurant noch geöffnet. Und hier gab es eine positive Überraschung: Das Essen war richtig gut! Der Wein ebenfalls, und die Kosten (15.- Euro für das Buffet und 9.- Euro für einen halben Liter Weißwein) waren absolut akzeptabel.
Nun sitze ich noch an der Bar und hämmere diese ersten Eindrücke in die Tasten meines MacBooks. An den Tresen stehen peinliche ältere Österreicher (sind wahrscheinlich jünger als ich) und saufen sich mit Longdrinks die Hucke voll. Um die Ecke kämpft eine blonde Sängerin mit akzeptablem Können um Aufmerksamkeit, aber keiner schaut zu. Ich habe mir noch ein Glas Wein bestellt. Ist ja Urlaub.
Wie soll das weiter gehen? Wie werde ich das Auto wieder los? Was will ich eigentlich hier?
Ich werde morgen früh mal in Ruhe die touristischen Ratgeber aus dem Internet studieren. Und mich ärgern, keinen Bus mit Reiseführer gebucht zu haben…
Tag 2: Jetzt geht es endlich richtig los!
So gegen halb neun Uhr beschloss ich, das Rumliegen im Bett zu beenden und den Tag positiv anzugehen. Ich nutzte also das großzügige Bad mit seiner ebenerdigen Dusche, seifte mich mit dem hoteleigenen Duschgel ein und roch dann ganz lieblich. Das Zimmer war ziemlich groß und hatte einen Boden aus echtem Eichenholz-Imitat. Ein 43-Zoll-Fernseher ließ sich mit der Fernbedienung weder ein- noch ausschalten, aber nach Fernsehen war mir natürlich um diese Zeit sowieso nicht zumute. Kurzbehost und mit Polohemd bedeckt besuchte ich erneut den Speisesaal. Und ja, auch das Frühstück war meiner eigenen Kochkunst meilenweit voraus. Es gab praktisch alles. Alles inklusive.
Frisch gestärkt wollte ich mich nun auf die Suche nach meinem Auto machen, denn zum Abstellen war die Miete für die Kiste dann doch zu teuer. Nach intensivem Kartenstudium fand ich eine vermeintliche Abkürzung zu der Straße, wo ich das Gefährt vermutete. Ein kleiner Weg mit ca. 45% negativer Steigung. Es ging also praktisch senkrecht bergab. Und da merkte ich schon, dass meine Laufwerkzeuge nicht mehr auf dem neuesten Stand waren. Ich wurde sogar von Rentnern überholt! Ich tastete mich langsam, aber unsicher den knappen Kilometer bis zum Hafen von Puerto e la Cruz vor – sehr zur Freude des Schrittzählers in meiner Apfel-Uhr. Das Auto hatte ich irgendwann vergessen.
Und irgendwie machte es dann „Klick!“ und ich war im Urlaub! Der Hafen, in dem es gerade mal zwei Schiffe zu sehen gab, machte einen überaus tollen Eindruck. Menschen wuselten durch die Gegend, Geschäfte offerierten so ziemlich alles, was man nicht braucht; Kneipen, Cafés und Restaurants lockten mit allerlei Köstlichkeiten – und dazu fing die Sonne an, uns Touristen voll zu brutzeln. 22 Grad waren es schon, die sich bis auf 26 Grad steigern sollten. Klingt jetzt gar nicht mal so dolle, aber wenn man zwei Tage vorher noch dicht am Glatteis war, war das wie ein Hauptgewinn im Lotto. Ich bummelte stundenlag am Meer entlang – nahm zwischendurch einen „Café Macchiato“ ein – und freute mich über die vielen Menschen, die anscheinend glücklich durch die Gegend liefen. Leider fiel mir auch auf, dass ein Großteil der Leute ihr Idealgewicht schon vor langer Zeit verloren hatten. Ganz besonders schlimm war das bei noch jungen Menschen, die mit sinnlosen und wie immer potthässlichen Tätowierungen von ihren Massen ablenken wollen. Wirklich schlanke Menschen – die in meiner Jugend noch die Norm waren – gab es kaum noch.
OK, wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen, aber sooo schlimm war es bei mir ja nun auch nicht. Zudem ich gegen 14.00 Uhr laut meiner Apple-Watch auf über 8000 Schritte gekommen war. Nach einem leckeren Mittagessen in der Altstadt, das für sage und schreibe nur 15,95 Euro sowohl Vorspeisen, Suppe, Salat, Haupt- und Nachspeise sowie ein Glas Wein enthielt, tapste ich weiter durch so ziemlich jede Gasse der Hafengegend, war sogar Zeuge einer katholischen Prozession mit reichlich Personal und Sicherheitskräften. Zufällig kam ich kurz danach an einem Mini-Reisebüro vorbei, vor dem ein junger Mann andere Touristen auf Deutsch ansprach, um sie für einen Ausflug zu gewinnen. Die anderen Touristen wollten nicht, aber ich wollte! Und so kam es, dass ich in kürzester Zeit eine Tour durch die Insel buchte! Mit Bus! Und mit deutschsprachigem Reiseführer! Gleich morgen früh um acht sollte es losgehen! Und weil ich schon mal da war, habe ich auch gleich eine Eintrittskarte für den örtlichen Zoo gekauft, den angeblich größten Zoo der Welt, den „LORA-PARK“. Wir werden sehen…
Wozu um alles in der Welt habe ich ein Auto gebucht?
Den späten Nachmittag verbrachte ich dann wieder in meinem neuen „Lieblingscafé“ direkt am Strand. Bei zwei weiteren Gläsern edlen spanischen Billig-Weißweines kam ich auf eine gar nicht so blöde Idee:
Wie wäre es, wenn sich ein paar der Freundinnen und Freunde, die ich so im Laufe der letzten Jahre in Bad Homburg gefunden oder wiedergefunden hatte (die so genannte gefürchtete „Pellegrin-Gruppe“) das nächste Mal mitreisen würden? Wir könnten uns dann schon morgens am Hafen treffen und bei ein paar einleitenden Weinen die große Politik besprechen. Später – nach dem Mittagessen – könnte man unter fortgeführter Einnahme weinhaltiger Getränke (mit Eiswürfeln!) eine Weile über Krankheiten diskutieren, um dann – nach einem ausdauernden Mittagsschlaf am späten Nachmittag bei weiteren eisgekühlten Weinen die deutsche Regierung bis ins Detail auseinander zu nehmen. Die letzten Stunden des Tages mit der Diskussion um den üblichen Klatsch und Tratsch führten dann vermutlich zum Verlust der Muttersprache…
OK, war ja nur eine Idee. Die kam mir, als ich auf meinem iPad die ersten 60 Seiten des neuen „Fitzek“-Thrillers gelesen hatte. Wahnsinn färbt halt ab.
Und dann musste ich leider ein Taxi nehmen. Den Weg zurück in den Himalaya, wo irgendwo das Hotel sein musste, konnte ich unmöglich wieder zurücklaufen.
Lustig: Auf der Fahrt zum Hotel habe ich mein Auto wiedergesehen! Es stand immer noch brav da, wo ich es geparkt hatte!
Im Hotel musste ich mich dann mal für ein Stündlein hinlegen. Das Abendessen danach war noch besser als am Vorabend. Man musste sich unheimlich zusammenreißen, nicht von allen Köstlichkeiten zu naschen. Auch hier wieder: Alles für nur 15.- Euro!
Den Abschluss machte wieder der Besuch der Bar. Die Bedienung hat mich wiedererkannt und angelächelt. (Träum weiter, alter Mann!) Hier sang heute ein etwa 40-jähriger Sänger, der viele Musikrichtungen beherrschte. Er war vor allem ein guter „Elvis“-Imitator. Leider klangen dann auch alle anderen Lieder wie Elvis. Auch heute war es wieder nur eine Karaoke-Veranstaltung. Die Musik kam vom Computer, aber der Sänger war „live“. Egal, die Stimmung war gut, es wurde sogar getanzt. Wenn das Hotel der Musikanlage dann irgendwann auch mal Basslautsprecher spendiert, kann es sogar richtig gut werden.
Aber auch ohne Bass am Abend war es einfach ein schöner Tag. Fertig.
Die Bedienung freut sich auf morgen Abend. Hat sie gesagt. Ehrlich!
Tag 3: Der große Ausflug zum Vulkan
Um genau zehn nach acht wollten mich die Reiseführer in der Nähe des Hotels abholen. „In der Nähe“ ist eine flexible Bezeichnung. Ich musste bis zum Treffpunkt schon einen ganzen Berg hochkraxeln, um mitgenommen zu werden. Der Bus – nahezu pünktlich! – war bereits voll besetzt. Der einzig freie Platz war neben einem etwa 50-jährigen Mann in Reihe vier. Insgesamt waren wir genau 39 Passagiere. Unsere Reiseleiterin – vermutlich Holländerin – sprach ein relativ ordentliches Deutsch und ein bedeutend besseres Französisch. Und so fuhren wir dann eben los. Die Reiseleiterin kam aus dem Plaudern nicht raus – ich konnte mich dem „jungen“ Mann nicht mal vorstellen. Das gelang erst später.
Ich hatte eine Rundreise über die ganze Insel gebucht. Schnell war klar, dass nur ein Teil der Insel gemeint war, und zwar der Teil, der irgendwas mit dem Vulkan „TIEDE“ zu tun hatte. Und so fuhren wir unter stetigem Geplapper von Ort zu Ort, stiegen hier und da aus, schauten uns uralte Mauern, Bäume und Kirchen an und vertraten uns die Beine. Auf Details verzichte ich hier – das vergisst man sowieso sofort wieder. Mein Schrittzähler war schon auf über 4500, lange bevor wir überhaupt auch nur in die Nähe des Vulkans kamen.
Nun muss man wissen, dass der Tiede tatsächlich noch aktiv ist. Das letzte Mal ist er vor 115 Jahren ausgebrochen – theoretisch wäre er jetzt so langsam mal wieder an der Reihe. Aber keine Angst. Moderne Technik überprüft täglich die ausströmenden Gase. Wenn sich da was Bedenkliches zusammenbraut, wird die Rundreise sicher sofort gestrichen.
Der Vulkan ist ein riesengroßer Trichter und hatte sich damals aus vielen kleinen Eruptionen aufgebaut. Lediglich der winzige „Schornstein“ am Gipfel des Tiede dampft noch vor sich hin und könnte für Ärger sorgen. Wir landeten also nicht auf dem Gipfel (in 3400m Höhe), sondern etwa 200 Meter tiefer im Krater.
In dieser Höhe war es verdammt kalt, obwohl wir der Sonne doch sehr viel näher waren – 13 bis 14 Grad, schätze ich. Ich hatte zwar eine lange Hose und eine Jacke dabei, aber gefroren habe ich doch gewaltig. Wir konnten uns übrigens die Drehorte einiger berühmter Filme ansehen, die hier im Krater gedreht wurden – darunter z. B. die „Zehn Gebote“. Ja, ich bin die Treppe auch hochgelaufen. Ganz hoch zum Vulkan durften wir leider nicht. Dazu muss man sich speziell anmelden, weil die Nachfrage viel zu hoch ist und zu viele Touristen ein Sicherheitsrisiko darstellen. Nicht für den Vulkan, sondern für die Touristen. Selbst die Seilbahn durfte nicht mehr genutzt werden, weil die Temperaturen auf dem Gipfel schon weit unter dem Gefrierpunkt waren.
Gegen 15.00 Uhr war dann Essenszeit. Dazu steuerte der Bus einen von zwei Gasthöfen an. Alles war ordentlich organisiert, und das Essen war günstig und schmackhaft. Weil mein Busnachbar so einsam am Tisch saß, habe ich mich zu ihm gesetzt. Und so kam raus, dass er zusammen mit seinem besten Freund hier gerade Urlaub macht. Er war sehr freundlich, witzig, nett und intelligent – was man nicht bei jedem Sitznachbar findet. Na ja, irgendwann kam raus, dass er verheiratet ist (sein Freund auch), Letzterer aber gerade mit Durchfall im Hotel rumsaß. Jedenfalls haben wir die gesamte Mittagspause reichlich Gesprächsstoff gehabt. Er ist bei der Lufthansa und leitet da irgendeinen Sicherheitsbereich.
Nach dem Essen ging es dann auch nach Hause. Alle wurden wieder an den Punkten „frei“ gelassen, an denen sie aufgelesen wurden. Sehr gut organisiert und mit 49.- Euro für den ganzen Tag wirklich günstig.
Weniger günstig war dann mein Befinden. Ich hatte einen knallheißen Kopf, also vermutlich Fieber, zitterte am ganzen Körper und konnte gestern beim besten Willen nach dem (stark reduzierten) Abendessen auch nicht mehr an die Bar, um diesen Blog weiterzuschreiben. Ich musste ins Bett, und zwar sofort. In meinem Zimmer war es leider auch eiskalt, weil das Fenster ein Stückchen aufstand. Immerhin standen 8600 Schritte auf dem Schrittzähler.
Tag vier: Gehen wir mal wieder in den Zoo!
Meine Erkältung hatte sich leider verschlimmert. Jetzt kam auch noch eine Blasenentzündung hinzu. Das bedeutete, ich musste völlig überraschend zig mal am Tag dringend auf eine Toilette.
Zunächst lief ich nach dem Frühstück mal wieder den langen Weg zur Küste runter (4500 Schritte). Diesmal habe ich eine Treppe gefunden, deren Begehung aber noch viel schmerzhafter ist als der steile Weg. Zumal fast alle Treppenstufen uneinheitliche Höhen hatten. Das mit der DIN-Norm hatte sich wohl zur Bauzeit noch nicht bis hierher rumgesprochen.
Direkt am „Hafen“ (oder wie man Bereich nennen sollte, an dem sich die Touristen rumtummeln) gibt es eine uralte Bimmelbahn, die die Besucher des Zoos mit dem schönen Namen „LORO PARK“ einsammelt und kostenlos zu den Tieren transportiert.
Nun bin ich ja eigentlich kein großer Freund von Aufbewahrungsstellen für Tiere, die in der Regel in den Zoos ein grausames Leben führen. Hier war aber alles anders. Der „LORO-PARK“ ist eine wissenschaftliche Einrichtung, in der das Leben der Tiere an allererster Stelle steht. Jährlich investieren die Inhaber 50 Millionen Euro in die Wissenschaft – und sie haben sogar schon 12 Tierarten vorm Aussterben gerettet. Der Park hat wahnsinnig viele Wege, in denen man sich gerne und oft verlaufen kann. Vor allem so lange, bis man das Prinzip der Wegweiser verstanden hat. Statt sich jedes Mal den kompletten Plan des Zoos anzusehen („Sie befinden sich HIER“), um danach einen Ausweg aus dem Labyrinth zu finden, muss man einfach nur auf die entsprechenden Tiersymbole achten, die unter den Plänen zu sehen sind und zusammen mit Richtungspfeilen tatsächlich zum Ziel führen.
Mein nicht nachlassender Drang, eine Toilette aufzusuchen, machte das Hin und Her für mich nicht leichter. Aber natürlich lockte der Park mit sagenhaften Tiershows. Die Papageien (also die „Loros“, nach denen der Park benannt wurde), habe ich mir nicht anschauen können, denn als ich den Veranstaltungsort endlich fand (das heißt, endlich den richtigen Pfeilen nachgelaufen bin), waren bereits alle Türen geschlossen, damit die Biester nicht abhauen konnten. Also weiter gelatscht, bis ich rechtzeitig zur Delfin-Show kam. Über 500 Besucher hatten einen großen Spaß mit den gut gelaunten Tieren, auch wenn ich da schon ganz andere Shows gesehen habe. Danach ging es direkt weiter zu den „ORCAS“, also den Killerwalen. Dazu hat der Zoo 2022 eine noch größere, teilweise überdachte Freilufthalle mit Platz für rund 2000 Zuschauer gebaut, in deren Riesenbecken sich vier Orcas vor allem einen Spaß daraus machten, die Besucher in den ersten Reihen nass zu spritzen.
SPOILER: Einer der Orcas ist zwei Tage später gestorben. An Depression. Sagen die Fachleute. Orcas haben wohl die Fähigkeit, ihre Existenz zu erkennen und den Tod herbeiführen. Sie stellen einfach das Atmen und Fressen ein. Selbst der schönste Zoo ist schlimmer als die Freiheit.
Inzwischen ging es mir leider auch nicht mehr so dolle. Keine Sorge, bevor ich das Essen einstelle oder zu atmen aufhöre, werden hoffentlich noch ein paar Jahre vergehen. Ich hatte das Gefühl, Fieber zu haben. Also stellte ich mich im Lora-Park nicht mehr an, um die beiden verbleibenden Shows anzuschauen, sondern fuhr mit der klapprigen Eisenbahn wieder (kostenlos) zurück ins Zentrum. Hier setze ich mich wieder in das Café von vorgestern und trank nacheinander einen Cappuccino und ein Wasser. Danach tänzelte ich vorsichtig zum nächsten Taxistand und ließ mich ins Hotel chauffieren. Hier ging es direkt ins Bett. (8625 Schritte)
Leider ging das vermeintliche Fieber nicht weg. Das Zimmer was eiskalt, die „Klimaanlage“ entpuppte sich als Ventilator für zu heiße Tage. Natürlich hatte ich keine warmen Sachen dabei, war ja Urlaub. Das Abendessen ging auch nicht an mich.
Reines Pflichtbewusstsein zwang mich dazu, die beiden letzten Tage aufzuzeichnen. Denn je länger ich damit warte, desto eher vergesse ich die wichtigen, lustigen Details.
Tja, und jetzt ist es erst 20:30 Uhr, und ich bin reif für die Heia…
Tag 5: Kreuz und quer durch Puerto de la Cruz
12 Stunden später war das Fieber weg. Die Blase hatte sich auch beruhigt, so dass einem neuen, aufregenden Ferientag nichts im Weg stand.
Schon im Bett, dann während des Frühstücks und auch noch auf dem Weg nach draußen wusste ich nicht, wie ich diesen Tag eigentlich verbringen sollte. Planlos auf Teneriffa. Typisch, was sonst. Und kaum, dass ich das Hotel verließ, kam auch noch ein Regenschauer aus dem diesmal wolkigen Himmel herunter. Also gut, noch ein Stündchen gewartet und meine Büroarbeit gemacht. Das geht heute mit jedem Handy, mit meinem ganz besonders.
So gegen halb elf traute ich mich dann auf die Straße. Meinen ursprünglichen Plan, den Mietwagen endlich aus seinem Dornröschenschlaf zu erlösen, um irgendeine andere Stadt dieser kleinen Insel mit ihren 50 bis 80 Kilometern Durchmesser heimzusuchen, wurde von mir angesichts des steilen Berges, den ich dafür hätte erklimmen müssen, sofort als indiskutabel abgelehnt. Also bin ich wieder runter gelaufen, runter an die Küste, ins Zentrum der Stadt. Natürlich habe ich jetzt beim dritten Mal aus meiner Erfahrung gelernt und wieder den steilen Fußweg anstelle der Treppen genommen.
Meine Schwester, die Ärztin, hatte mir schon am frühen Morgen ein Rezept für ein Antibiotikum geschickt, um der inzwischen nachlassenden Blasenentzündung Paroli zu bieten. Leider wollte keine der drei Apotheken, die ich deshalb aufgesucht habe, das Foto, das sie mir vom Rezept über WhatsApp geschickt hatte, als gültiges solches anerkennen. Die Mädels hinter den Tresen sprachen weder englisch noch deutsch, und mein Spanisch schien sie auch nicht zu überzeugen. Ohne in Papierform vorhandenes Rezept gibt´s keine Pillen. Basta.
Also trabte ich so vor mich hin und schaute mir die Geschäfte an. Unglaublich viele Parfümerien und Kleidergeschäfte für Frauen sowie eine Unmenge von Elektronikläden mit billigem Trödel reihten sich einander. Aus Langeweile erwarb ich eine neue Schutzhülle für das mitgeführte iPad, da die alte Hülle sich langsam auflöste. Nein, beide Hüllen waren nicht von Apple und werden im Vergleich zu dem Gerät nur ein vergleichsweise kurzes Leben haben, aber für manche Dinge bin ich einfach zu geizig.
Naturgemäß gab es hier im touristischen „Bull-Eye“ sehr viele Restaurants und Cafés, die auch alle gut besucht waren. In der Altstadt wurde beim Vorbeilaufen ein Platz in einem ansonsten gefüllten Speiselokal frei, sodass ich die Gelegenheit ergriff, dort Mittag zu essen. Hier dauerte leider alles ewig lang. Bis die Bestellung aufgenommen wurde, bis die Flasche Wasser kam, bis das Essen auf dem Tisch stand, und bis ich dann endlich bezahlen konnte. Eine gute Stunde trödelte ich da rum. Auch wenn das Essen selbst ordentlich war, erlebte ich die Zeit doppelt schmerzhaft, weil auch noch eine langhaarige Frank-Zappa-Imitation sich direkt gegenüber von mir an seiner Gitarre versuchte. Singen konnte er auch nicht.
Danach bin ich weiter durch die Gegend gelaufen. Den ganzen Weg zurück, bis zu meinem „Stammcafé“ auf der anderen Seite des Hafens. Aber – was war das? Die hatten geschlossen! In der Hochsaison an einem Mittwoch? Anscheinend gab es da ein Problem, aber ich konnte bisher nicht herausfinden, was zur Schließung geführt hatte.
Also lief ich weiter. Die Umstellung von Lederschuhen auf Turnschuhe in der Männermode war schon ein Quantensprung! Trotzdem – irgendwann war irgendwie bei mir die Luft raus, während die Luft um mich rum einen kleinen Herbststurm aufführte. Nach einer kurzen Sitzpause auf einer der vielen Bänke für uns alte Herrschaften war ich über und über mit abgestorbenen Palmenresten besudelt, die der Wind auf mir ablud. Tja und dann fing auch wieder die Blase an, sich zu regen. Leider keine Toilette weit und breit. Also schnell ins nächste Taxi und zurück ins Hotel.
Dort fragte ich dann den (ein ganz klein wenig) deutschsprechenden Portier, wo um alles in der Welt ich denn nun mein Rezept einlösen könnte. Er empfahl mir eine deutsche Apotheke ganz in der Nähe (also ca. 1km entfernt), bei dem die Einlösung des Rezeptes kein Problem sein dürfte. Zufällig stand gerade ein Taxi vor dem Hotel, das mich dort hin- und wieder zurückfuhr. Das Mädel in der „deutschen“ Apotheke sprach zwar auch nur die paar Sätze deutsch, die ich auf spanisch kann, aber als sie das Problem verstanden hatte, haben wir einfach das Bild mit dem Rezept aus meinem WhatsApp-Account auf ihren Mail-Account geschickt. Und schwupps, hatte ich für 16.98 Euro Antibiotika in der Tasche, die mir zum einen hoffentlich helfen würden und zum anderen das Trinken von Alkohol (weiterhin) untersagten.
Übrigens habe ich bisher für ALLE Leistungen oder Einkäufe, die man ja früher noch mit Bargeld bezahlte, meine AppleWatch benutzt. Ausnahmslos! Während z.B. deutsche Taxifahrer oder italienische Pizza-Kaschemmen (in Deutschland) die elektronische Bezahlung hassen wie der berühmte Teufel das Weihwasser, ist es hier in Spanien DAS angesagte Zahlungsmittel. Da musste man nie dazusagen: „Mit Karte bitte!“. Das war grundsätzlich die Zahlungsart Nummer eins. Jeder Händler/Wirt/Dienstleister lief mit so einem Mini-Maschinchen herum, das die Karten, bzw. die AppleWatch lesen konnte. Selbst alle Getränkeautomaten, die ich bisher gesehen hatte, haben dieses Zahlungsmittel akzeptiert.
Die Deutschen hier im Hotel zahlten natürlich alles mit Bargeld.
Überhaupt fällt mir noch so manches im Vergleich zu meinem Heimatland auf. Spanien scheint es derzeit, also Ende 2024, richtig gut zu gehen. Es gibt überall Personal – auch, und vor allem im Niedriglohnsektor. Die Straßen und Brücken sind sowas von im Schuss – da muss deutschen Brückenbaumeistern im Vergleich zu den heimeligen Bauwerken der Angstschweiß ausbrechen. Die Preise sind hier auf einem ganz anderen Niveau als bei uns. Benzin: 1,17 der Liter. Filetsteak mit Beilagen: 22.- Euro. Taxi: Bisher nie über 5.90 Euro bezahlt – für eine halbstündige Fahrt. OK – die Spanier haben dafür auch ein deutlich niedrigeres Einkommen als die Deutschen.
Zurück im Hotel besuchte ich zur Abwechslung mal den Garten mit dem großen Pool, denn sowas gab es hier natürlich auch. Altersmäßig fiel ich hier kaum aus dem Rahmen. Allerdings waren ohnehin nur 5 – 6 Leute am Pool. Bei einem Liter Wasser und der Lektüre der aktuellen Zeitungen auf dem iPad verging die Zeit bis zum Abendessen wie im Flug.
Und davor, danach und zwischendurch las ich immer wieder mal ein paar Seiten in einem weiteren Fitzek-Krimi, den ich noch auf meinem iPad geladen hatte.
Tag 6: Jetzt aber wirklich!
Die zehn Stunden Schlaf hatten mich wieder einigermaßen aufgebaut. Das Medikament hatte die Nacht fleißig durchgearbeitet, sodass die Entzündung sich langsam ausschlich.
Also fasste ich den Plan, heute endlich mal die Insel mit dem Auto zu erkunden!
Ein weiteres Argument war, dass ich für die kühleren Abende dringend etwas passendes zum Überziehen brauchte. Das hatte ich, wie so vieles andere, zu Hause vergessen (Powerbank, KFZ-Ladeadapter fürs iPhone, Haarwaschmittel, mehr lange Hosen etc…).
Der Portier empfahl mir ein Einkaufszentrum, dass ich zu Fuß ganz leicht erreichen könne. (Ca. 2,5 km entfernt). Ich lief dann doch lieber die 1000 Meter zu meinem Auto, dessen Parkplatz ich mir ja mehrfach beim Vorbeifahren im Taxi anschauen konnte. Das Auto war äußerlich völlig verdreckt, aber noch fahrtüchtig. Der Plan des Hotelportiers war sicher gut, aber unentzifferbar – außerdem hatte ich den Namen des Einkaufszentrums schon wieder vergessen. Nach einigen Umwegen, Nachfragen und kompletten Verirrungen fand ich ein auf dem Stadtplan vom Portier eingekringeltes Hotel. Ein supertolles Hotel, ganz oben auf einem Felsen. Aber natürlich kein Einkaufszentrum. Ich ging trotzdem rein und befragte die Empfangsdame nach einer „Shopping Mall“. Sie muss mich für bekloppt gehalten haben, denn hätte ich nicht ständig auf irgendwelche Straßenschilder, sondern einfach mal in die Luft geguckt, hätte ich es gesehen. Direkt unterhalb des Felsen lag es, das „La Ville“.
Um allerdings dorthin zu kommen, musste man schon alle Tricks dieser Erde anwenden. Denn zwischen dem Felsen und dem Zentrum lag eine Art Schnellstraße, die man nicht überqueren konnte. Mein Navi versagte völlig und wollte mich direkt über die Autobahn schicken. Quer. Das ging natürlich nicht, aber nach – ich weiß nicht, wie vielen Versuchen – kam ich irgendwann auf die andere Seite, ständig im Stop and Go-Verkehr. Denn falls ich das noch nicht geschrieben haben sollte: Das Auto ist hier auf Teneriffa der Feind des Menschen. Man kommt, wenn überhaupt, nur zentimeterweise vorwärts. Eine Taxifahrt vom Strand bis zum Hotel (Luftlinie ca. 500m) dauert mindestens 30 Minuten; ein Einkaufszentrum zu erreichen (Luftlinie ca. 2 km) ist mit einer Stunde knapp gerechnet; durch die Berge zum El Tiede fahren, gelingt nur Bussen wegen ihres größeren Volumens. Autos werden einfach zur Seite gedrückt oder runtergeschubst. (Nein, das ist nicht wahr, es kommt mir nur so vor).
Irgendwann war ich also endlich in diesem Einkaufszentrum und fand sogar sofort einen Parkplatz. „La Ville“ ist tatsächlich so groß wie eine Stadt. Ich wurde förmlich erschlagen von hunderten, wenn nicht tausenden von Geschäften, die – weihnachtlich geschmückt – auf meinen Geldbeutel lauerten. Sämtliche großen Modemarken der Welt hatten hier ihre Dependancen, alle Handyhersteller des Universums (außer Apple) boten ihren neuesten Scheiß an und nebst Myriaden von Geschäften aller anderen denkbaren Arten gab es noch einen Supermarkt, der etwa zehnmal so groß war wie der TOOM-Markt in Friedrichsdorf. (Und das ist der größte, den ich bisher kannte…)
Nach gefühlt zehn Kilometern Fußmarsch traute ich mich dann in einen Modeladen, in dem es eventuell Hosen, Jacken und Hemden gab. Nicht bedacht hatte ich, dass die Größenbezeichnungen für Kleidungsstücke EU-weit immer noch nicht harmonisiert sind. Ich hatte mir schon vor Jahren eine Notiz in meinem Handy gespeichert, auf der ich immer nachlesen konnte, welche Schuh-, Hemden-, oder Hosengröße ich habe. Das galt jedenfalls für Bad Homburg. Online habe ich selten was gekauft, weil ich da fast nie eine passende Größe erhalten habe. Nun gut, meine Hosengröße bei Jeans ist z.B. 38-30 – was auch immer das heißt. Hier im Laden hatten alle Hosen die gleiche Länge. Und die meisten haben an erster Stelle die Zahl 42 gehabt. Sie sahen trotzdem viel kleiner aus. Außerdem waren sie „SLIM LINE“, was bei meiner leicht fortentwickelten Bauchmuskulatur keine gute Voraussetzung war. Also keine Hosen. Oder doch, eine kurze Hose vielleicht. Das überaus eifrige Mädel hinter dem Tresen hatte flux ausgerechnet, dass ich eine „50“ brauchen würde, vielleicht auch eine 52. Sie holte mir eine Sonderpreishose für 19,99 Euro, die gut aussah und mit der Größe 52 ja auf jeden Fall passen würde. Ich war unsicher. Vielleicht doch lieber eine Jeans? Ohne Einheitslänge, also eine kurze? Sie rannte in das unglaublich große Lager hinter einer Seitentür und kam strahlend mit einer kurzen Jeans, Größe 50 zurück. Danach sollte ich den Krempel anprobieren. Ich bedankte mich, vertraute auf ihr Fachwissen und bezahlte ca. 50 Euro für Alles. Spoiler: ich habe die beiden Hosen dann im Hotel anprobiert. Das Sonderangebot passt vielleicht meiner 13-jährigen Nichte, aber mir wohl kaum. Dafür passten die Jeans. Fast. „50“ war schon ein bisschen zu groß, zumal der Bund elastisch war. Gut, dass ich einen Gürtel dabeihatte.
Dieser Stress in diesem Laden hat mich so genervt, dass ich nur wieder weg wollte von diesem Tempel der Luxusgüter. Ich hatte zwar kaum was gekauft, aber das war mir hier einfach zu viel Stress. Nur, wegzukommen war gar nicht so einfach. Um den Ausgang zu finden, habe ich den alten Indianertrick angewendet und bin einfach den Weg zurückgelaufen, den ich gekommen bin. Wider Erwarten hat das geklappt, aber der Ausgang des Parkgeländes war nicht zu finden! Ich fuhr bereits zum dritten Mal im Kreis, meinem Handy-Navy gehorchend. Dort, wo ich das Gelände verlassen sollte, war eine Einbahnstraße. Und dort, wo ich das Gelände gefühlsmäßig gerne verlassen hätte, gab es keine Straße. Ich habe dann bei der dritten Umrundung einen Polizisten gefragt, wie ich dem Einkaufszentrum endlich entkommen könne. Er schaute mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank, schaute auf das Handy, schaute mir in die Augen und sagte mir sinngemäß, ich solle beim Burgerking einfach rechts daneben rausfahren UND VOR ALLEM DAS HANDY WIEDER EINSTECKEN!!!!
Brav habe ich gehorcht und den Weg erneut befahren. Und tatsächlich: Ganz klein stand da rechts neben Burger King das Wort „SALIDA“ an der Wand– das spanische Wort für AUSGANG. Manchmal scheitern ganz einfache Aufgaben an fehlenden Schildern.
Gut, für weitere Einkäufe hatte ich noch Zeit. Heute war erst der sechste Tag meines zehntägigen Kurzurlaubs, von dem zwei Tage für An-und Abreise draufgingen. Und der Tag war ja noch jung. Ich wagte also die große Reise in die Weiten der Insel.
Ich hatte vor, die westlichste Stadt im Norden der Insel aufzusuchen. Den Namen habe ich gerade vergessen, weil ich sie auch gar nicht erreicht habe. Das Navi brachte mich zurück auf eine Art Autobahn, die die Küste entlang zu meinem Ziel führen sollte. Auf dem Weg passierte ich eine Tankstelle, die ich zum Auftanken des Gefährts nutzen wollte. Das Benzin kostete heute nur 1.17 Euro pro Liter, also deutlich billiger als in Deutschland, wo der Preis in diesen Tagen bei 1,67 Euro lag (E95). Blöderweise ließ sich die Abdeckung des Tankdeckels nicht öffnen. Ich suchte mich halbtot nach einem Hebel, aber ich fand ihn nicht. Glücklicherweise kam so ein Typ in Handwerkeruniform vorbei und öffnete den Verschluss. Er war schön unsichtbar schwarz auf schwarz direkt links neben dem Sitz verbaut. Der Handwerker entpuppte sich als Tankwart. Ja, tatsächlich, auch diesen Beruf gibt es hier noch. Er tankte mir die Kiste voll, zog sein Kartenlesegerät raus, und in Sekundenschnelle hatte meine AppleWatch den Bezahlvorgang übernommen.
Weiter ging die Reise. Irgendwann kam mir die Strecke sehr bekannt vor. Und richtig, ich fuhr offensichtlich denselben Weg, den ich vorgestern mit der Reisegruppe im Bus gefahren war. Ich erkannte die ganzen Besonderheiten wieder, die uns von unserer Reiseleiterin ans Herz gelegt worden waren. Auch diesmal sind sie es nicht wert, gesondert erwähnt zu werden, weil es vermutlich sowieso keinen interessiert.
Doch selbst, als ich mir sicher war, einen neuen Weg eingeschlagen zu haben, befand ich mich plötzlich wieder auf der saugefährlichen Bergstrecke von vorgestern, als es hoch zum Tiede ging. Einspurig, mit wenigen Ausweichmöglichkeiten. Aber diesmal ohne Busse! Denn die waren ja schon durch, am Morgen, neue Touristen zum Tiede schleppen. Doch dahin wollte ich ja gar nicht. Egal, ich konnte keinen anderen Weg nehmen. Es gab einfach keinen anderen. Gegen Ende der stundenlangen (!) Fahrt wurde es dann sogar wieder echt eng. Irgendwelche Deppen, die ihre Karren in den Ausweichbuchten geparkt hatten, weil sie annahmen, dass es Parkplätze seien, führten zu einem kompletten Stillstand des Verkehrs. Manche stiegen sogar aus und kraxelten um die Ecke, um herauszufinden, warum es nicht weiterging. Dadurch verzögerte sich die Weiterfahrt erneut, wenn nämlich mal wieder einer einen engen Durchgang geschafft hatte und nun Platz war für etwas Gegenverkehr. Der Stau dauerte eine gute halbe Stunde, und ich hatte die Faxen dicke. Halb im Tran fuhr ich Kilometer um Kilometer enge Kurven, bis ich endlich wieder am Meer war und über die autobahnähnliche, zweispurige Schnellstraße Richtung Hotel schleichen konnte. Schleichen, ja. Denn inzwischen hatte der Feierabendverkehr eingesetzt, mit Stop & Go als Folge. Kürzen wir es ab und kommen wir zum positiven Ende: ICH HABE ES BIS INS HOTEL GESCHAFFT! (OK, ein paarmal verfahren, aber immerhin!)
Und das Beste: Es war ein Parkplatz frei! Zwar nicht so ganz, aber wegen 20cm Halteverbot wird mir doch hoffentlich keiner das Auto wegschleppen, oder?
Zeit für Abendessen und den obligatorischen Besuch an der Bar, um diesen Blog weiterzuschreiben.
Zustand: Total fertig, müde und Bett-reif.
Morgen mach´ ich mal gar nix.
Der 7. Tag. Mal gar nix
Und so kam es. Aufgestanden um neun, nach dem Frühstück dumm im Foyer rumgesessen und überlegt, wie ich diesen Tag totkriegen könnte. Da mir auch heute nichts Sensationelles einfiel, gab ich mir einen Stoß und lief – schon zum vierten Mal – zum Touristenzentrum ans Meer runter. Ich wollte mir immer noch irgendwas kaufen, wusste aber schon nicht mehr, was und warum. Trotzdem lief ich durch diverse Modeläden, verirrte mich des Öfteren in den Abteilungen für die Mädels und kaufte mir dann tatsächlich eine Lederjacke. Sehr schick und modern und gerade noch günstig. Echt Leder. Echt. Mit Zertifikat. Ich glaube es einfach mal.
Mit der dicken Plastiktasche machte das Rumlaufen dann natürlich keinen großen Spaß mehr. Also versuchte ich mein Glück erneut in meinem neulich noch geschlossenen „Stammcafé“. Und siehe da: Es war geöffnet!!! Der Mittwoch schien also doch nur ein Ruhetag zu sein. Vielleicht hatte aber auch ein neuer Investor über Nacht das Zepter übernommen – inklusive Personal – und den Laden mit neuen, horrenden Preisen neu eröffnet? Meine Sorge, die mal wieder auf dem aktuellen Fitzek-Thriller beruhte, entbehrte jeder Grundlage. Alles gut, die Tasse Café kostete nach wie vor 2 Euro.
Danach wieder ab auf die andere Seite – in die Altstadt. Hier gab es doch sicher noch ein paar Straßen, die ich bei meinen bisherigen Exkursionen übersehen hatte? Tatsächlich fanden sich noch üble Seitenwege, die wohl mehr der Halbwelt Halt gaben. Die Kneipen waren ziemlich runtergekommen und erfreuten dadurch auch die entsprechende Klientel.
Ich selbst legte eine Pause in einem dieser Läden ein, ohne vorher mal genau hinzusehen. Ich setzte mich vor dem Lokal an einen der vielen freien Tische und hoffte, dass die offenbar entweder bekiffte, besoffene oder volldebile Bedienung mich irgendwann mal registrieren würde. Auch nachdem ich meinen Wunsch nach einer Flasche Mineralwasser losgeworden war, passierte nichts. Nach zehn Minuten kam sie wieder zu mir und fragte, was ich trinken will. Ich wiederholte meine Bestellung, sie nickte, bis es bei ihr „Klick“ machte“ und ihr auffiel, dass ich ja längst bestellt hatte. Das Wasser kam relativ schnell. An einem anderen Tisch saßen zwei „Jungs“ der speziellen Sorte mit Volltattoo und Aggro-Look. Die Art von Jungs, der man spätestens nach 16 Uhr nicht mehr begegnen möchte. Der derzeitige Pegelstand war noch gering – es standen nur etwa 16 leere Bierflaschen vor den Beiden. Um 14.00 Uhr. Mit einem der Jungs hatte das Bedienmädel was. Sie setzte sich immer mal zwischendurch auf seinen Schoß und knutschte ein bisschen rum.
Ich war eigentlich nur hier „eingekehrt“, um auch guten Gewissens die Toilette des Lokals benutzen zu dürfen. Das hätte ich besser nicht gemacht. So viel Dreck, defekte Armaturen und fehlendes Zubehör sieht man selten.
Das Bezahlen dauerte auch ewig, weil sie es – diesmal gleich zweimal – vergessen hatte. Bis sie endlich mit der Bezahlmaschine ankam, war wieder eine Viertelstunde vergangen. Das Wasser kostete 3,- Euro. Ich bat sie, 4.- Euro einzutippen. Nach drei Fehlversuchen hatte sie das Gerät endlich im Griff. Ich hielt die Uhr dran, wartete auf den Bestätigungspiep und verzichtete auf den Beleg. Kurz nach dem Weggehen zeigte mir die Uhr an, dass 3,- Euro abgebucht wurden. Besser so.
Na ja, der Rest des Tages war (auch) nicht erwähnenswert. Fast hätte ich die 10.000-Schritte-Marke überschritten, aber kurz davor war mir das Taxi doch verlockender, das mich zum Hotel zurückbrachte. Und siehe da: Mein (ein ganz klein bisschen) falsch geparktes Auto war IMMER NOCH da! Und vor allem, war jetzt vor dem Wagen etwas Platz entstanden, weil der blöde Lieferwagen weggefahren war. Also fuhr ich das Wägelchen 20cm nach vorne und stand jetzt absolut korrekt!
Essen wie üblich, aber statt am Blog weiterzuschreiben habe ich den Abend einfach nur zum Faulenzen und Lesen genutzt…
Also mal gar nix.
Der 8. Tag. Moby Dick auf Walfang
Der Urlaub neigte sich dem Ende zu. Und mir gingen so langsam die Ideen aus, was ich hier noch anstellen könnte. Irgendwelche alten Städte mit noch so bedeutender Farbgebung des Mauerwerks interessierten mich nicht, Kirchen schon gar nicht.
Also setzte ich mich erst einmal in die Hotelrezeption und dachte nach. Ich könnte ein fünftes Mal den Weg ans Meer nehmen. Abgelehnt. Zeitverschwendung.
Ich könnte mich an oder in den Pool legen und mich von der Sonne verbrutzeln lassen. Abgelehnt. Ich mag weder Pool noch Sonnenbraten.
Ich könnte mich gleich wieder ins Bett legen und ein weiteres Buch lesen. (Den zweiten Fitzek hatte ich durch). Abgelehnt. Das kannst Du auch zuhause.
Ich könnte mein so genial geparktes Auto nehmen und in den Süden fahren. Nach langem Zögern Vorschlag angenommen.
Und so kam es, dass ich mich in den Mietwagen setzte, ins Handy-Navi „LOS CHRISTIANOS“ eingab und den Sprachbefehlen gehorchend, auf diversen Autobahnen quer durch die Insel bis nach Los Christianos fuhr. Ich kannte die Stadt, weil ich von hier aus schon zweimal die Fähre nach LA GOMERA genommen hatte, der berühmten Hippie-Insel, wo meine Freunde Christiane und Micky alljährlich ihren Jahresurlaub verbrachten. Damals landete ich auf dem südlichen Flughafen von Teneriffa, der ganz in der Nähe von Los Christianos liegt. Diesmal kam ich hoch vom Norden durch die ganze Insel gebraust. „Brausen“ ist für eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h nicht gerade die passende Beschreibung, aber ich wunderte mich schon, wie schnell sich diese Geschwindigkeit in einem untermotorisierten Toyota anfühlt. Um zum Beispiel am Berg von 80 wieder auf 120 zu kommen, musste man viel Geduld aufbringen. Dank der oft dreispurigen Autobahn gab es aber keinerlei Stress. Vermutlich ist die Höchstgeschwindigkeit des Japaners ohnehin kaum drüber. Erstaunlich der Benzinverbrauch: Gerade mal 5,3 Liter E-95-Benzin auf 100 Kilometer zeigte der Bordcomputer an, der hier natürlich nicht fehlen durfte. Das Radio hatte sogar DAB-Empfang! (Neuartige Empfangsmöglichkeit, die UKW vor allem in der Tonqualität weit in den Schatten stellt.) Was das Auto nicht hatte, bzw. was nicht freigeschaltet war, war ein Navigationssystem. Dafür langen die Autoverleiher inzwischen gerne zusätzlich hin. Aber ich hatte ja mein Handy, das mir zuverlässig vor jeder Abzweigung Hinweise zum weiteren Vorgehen gab. Jedenfalls auf der Hinreise.
Nach rund 1,5 Stunden war ich in der Stadt angekommen. Ich lotste mich ins Zentrum, quälte mich durch ein paar einspurige Gassen und landete plötzlich an einem Strand. Leider gab es in Los Christianos ein ähnliches Problem wie in Puerto de la Cruz: KEINE PARKPLÄTZE! Und so schien es mir wie ein Wink der Lottofee, rechts zufällig einen in Kürze freiwerdenden Parkplatz zu erspähen. Der junge Fahrer hatte große Mühe, sich aus der Parklücke zu schälen, die ich lässig rückwärts einparkend im Nu besetzte.
Der Strand war riesig! Die Sonne schien mit voller Intensität, um die Urlauber nochmal so richtig voll zu brutzeln. Beim Bummeln durch die Strandpromenade hörte ich kaum deutsche Zungen – hier sprachen sie fast nur Englisch. Und nicht nur das. Hier tranken auch alle Bier. Mittags um eins. Die vielen Restaurants entlang der Strandpromenade waren voller Engländer, die offenbar schon einige Stunden dem kühlen (und billigen) Nass gefront hatten. Kein Wunder, wenn ein Bier nur einen Euro kostete – bei gleichzeitiger Abnahme von vier Bier gab es das fünfte sogar kostenlos dazu. Das Durchschnittsalter der Touristen war etwa ein Drittel so hoch wie im Norden, das Durchschnittsniveau nochmal weit drunter.
Ich saugte einen halben Liter Wasser ein und durchforstete das Internet, ob die Stadt außer Bier noch was anderes bot. Als Highlight wurde auf vielen Seiten das sogenannte „Whale-Watching“ angepriesen, also das Beobachten von Walen in ihrer natürlichen Umwelt, sprich im Meer. Die Seite war so clever programmiert, dass man direkt im Handy einen Platz auf dem Schiff buchen konnte. Abfahrt 14:30 Uhr, also in einer Stunde. Die Zahlung über PayPal (20.- Euro) klappte auch auf Anhieb, so dass ich einen guten Grund hatte, hier ganz schnell die Flatter zu machen.
Den Hafen fand ich dank Google-Maps natürlich auch ganz schnell. Ich erkannte ihn auch sofort wieder und fuhr das Auto in Richtung Fähre. Das war allerdings ein großer Fehler, denn ich wollte ja gar nicht auf die Fähre. Das Navi zeigte auch brav eine neue Gesamtzeit zum Ziel von 38 Stunden und 25 Minuten an – solange würde es dauern, wenn ich jetzt nach La Gomera und am nächsten Tag wieder zurückfahren würde.
Ich missachtete ein Dutzend Verkehrsregeln (war eh niemand da…), um wieder VOR die Einfahrt zur Fähre zu gelangen. Diesmal fand ich den PKW-Parkplatz sogar ohne Navi, einfach nur durch den Gebrauch meiner eingebauten Augen. An der Kasse zeigte man mir den Weg zum Ausflugsschiff, das nur wenige Meter entfernt abfahren würde.
Bis dahin hatte ich noch eine knappe Stunde Zeit. Also schaute ich mir (wieder mal) den Hafen an. Auch hier gibt es einen kleinen Strand mit schwarzem Sand (Vulkan!) und vielen Touristen. Heute gab es so eine Art Weinfest in der Stadt. An vielen kleinen Ständen konnte man den einheimischen Wein und leckere Leckereien kaufen. Dazu spielten diverse Bands spanische Charthits rauf und runter.
Ich trödelte eine Weile hin und her, ohne von den Weinen zu naschen und trabte dann wieder zur Anlegestelle des Walfisch-Schiffs. Das kam auch prompt und lud erst einmal die 136 Passagiere der vorherigen Tour aus. Dann durften wir neuen 136 Passagiere ebenfalls an Bord. Meine Buchung war beim Einchecken noch gar nicht eingegangen – aber ich konnte ja mein Ticket auf dem Handy vorzeigen und wurde natürlich mitgenommen.
Tja, und dann fuhren wir etwa 4 km aufs offene Meer hinaus. Die Meerestiefe betrug hier saubere 1400 Meter! Erst kamen ewig lange keine Wale, dann waren plötzlich ganz viele Walfamilien zu sehen. Hat man eine gesehen, kennt man alle. Ich habe ein paar schöne Videos machen können, aber so richtig mitreißend war das natürlich nicht, wenn man vier Tage vorher eine ganze Show mit Killerwalen gesehen hatte.
Angeblich gab es auch noch ein paar Delfine zu sehen, aber da kam ich zu spät auf die andere Seite des Schiffes – ich habe sie verpasst. Auch nicht schlimm. Also wieder zurück ans Land. Fast zwei Stunden dauerte der Ausflug, der immerhin viersprachig (perfekt!) moderiert wurde. Der Chef der Truppe war ein etwa 35-jähriger junger Deutscher, der seine Mannschaft voll im Griff hatte, wie eine zufällig aufgeschnappte Unterhaltung bestätigte.
Alls einer der Matrosen ihn ansprach und einen freien Tag haben wollte, sagte der Chef einfach nur in einem sehr rauen Befehlston, der den Lautsprecherdurchsagen überhaupt nicht mehr ähnelte: „Kommt nicht in Frage. Lies´ Deinen Vertrag!“.
Es war schon halb fünf, und ich hatte noch eine weite Reise vor mir. Ich sparte es mir diesmal, das Navi zu benutzen, weil ich den Weg zurück ja wohl sicher auch ohne Computerunterstützung finden würde.
Na ja, fast. Irgendwo bin ich vom Weg abgekommen. Bzw. hatte sich die Autobahn entschieden, woanders hinzuführen, als ich in Erinnerung hatte. Und so kam ich noch in den Genuss, mir die wunderschöne Stadt „Santa Cruz“ anzusehen, die mit „Puerto de la Cruz“ nur vier Buchstaben gemeinsam hat.
Trotz des Umwegs kam ich noch rechtzeitig zum Abendessen im Hotel an. Mein schöner Parkplatz war erwartungsgemäß weg; ich Glückskind konnte mich aber dank meiner überragenden Fahrtkünste in eine Miniaturlücke quetschen, in die sich sonst niemand getraut hatte.
Übermütig trank ich zum Essen einen Wein und später – beim Schreiben dieses Blogs – sogar einen Gin-Tonic, weil der Wein an der Bar schlicht untrinkbar war.
Meine Blase bedankte sich im Lauf der Nacht für die Reizung. Und mein Kopf am nächsten Tag ebenfalls. Mit Kopfweh vom Feinsten.
Der 9. Tag – NICHTS
Tja, so war es. Kopfweh, nervöse Blase, keine Sonne, keine Idee. Also blieb ich einfach im Hotel. Den ganzen Tag. Erkundete den Poolbereich, die „Rooftop-Bar“, las ein paar hundert Seiten in meinem Buch und machte Listen, was ich morgen, am letzten Tag, UNBEDINGT noch erledigen musste. Mittagessen ließ ich ausfallen, und abends saß ich wie üblich an der Bar – diesmal aber mit Wasser (ohne Kohlensäure!).
Der 10. Tag – Abschied
Blieb also noch der letzte Tag. Umfangreiches Frühstück – wie immer -, dann mutiger Fußmarsch an die Küste. Ich hatte mir vorgenommen, noch ein paar Dinge einzukaufen, die ich gut gebrauchen könnte. Schuhe, Polo-Hemden, Shorts und den üblichen Krempel halt. Es war nämlich BLACK FRIDAY. Eigentlich war der erst am kommenden Freitag, aber die Stadt war schon jetzt im Rabattrausch. Und die Touristen natürlich auch. Satte 30% Rabatt erhielt ich auf fast alle Sachen, die ich einkaufte (und die vermutlich vorher draufgeschlagen wurden…). In meinem „Lieblings“-Strandcafé hatte die Bedienung gewechselt, was mir leider auch nicht so recht war. Immerhin saß am Nebentisch der deutsche (sehr gute!) Schauspieler Benno Fürmann. Ganz in Gelb gekleidet, unterhielt er sich mit einem Spanier in einer Mischung aus allen Sprachen, die er draufhatte. Dann besuchte er das „Bagno“, das sich direkt im Keller befand, ging dann auf die Promenade und telefonierte ein Auto herbei, das nach zwei Minuten angerauscht kam. Ob es wirklich Benno Fürmann war, kann ich nicht garantieren, aber das Foto ist ja wohl eindeutig, oder? (Fun Fact: Die Toilette war verschlossen, zum Entleeren nutzte er wohl den Blumenkübel vor den Sanitärräumen – wie schon viele andere. Wie ich zum Beispiel. Kurz vor ihm.)
Tja, und dann bummelte ich noch ein wenig durch die Gegend, trank irgendwo eine weitere Flasche Wasser und entschied mich spontan, den Heimweg zum Hotel diesmal OHNE Taxi zu bewältigen. Also zu Fuß. Das erste Drittel war gar nicht so schlimm; im zweiten Drittel fing ich dann schon an zu japsen, und das letzte Drittel schaffte ich nur mit eisernem Willen und vielen kleinen Pausen. Trotzdem brachte die Quälerei nur 7630 Schritte auf mein Laufkonto.
Und dann saß ich wieder mal im Hotel, hatte den ganzen Nachmittag und den Abend noch vor mir. Und auch hier ist mal wieder überhaupt nichts Besonderes passiert, außer dass es auf dem „Rooftop“ plötzlich anfing zu regnen. Es waren zwar nur ein paar Tropfen, wie üblich, aber alle flüchteten, als wäre ein Taifun im Anmarsch. Die Wettervorhersage im Fahrstuhl sagte diesen Regen für weitere drei Tage voraus – der perfekte Zeitpunkt, sich von Teneriffa zu verabschieden.
Der 11. Tag – Die Heimreise
Aufstehen um 3:30 Uhr ist schon gemein, musste aber sein, da ja mein Flug bereits um sieben Uhr morgens starten sollte. Die Koffer hatte ich schon gepackt – nach der Morgenwäsche konnte es direkt zum Flughafen gehen.
Ich zahlte meine offenen Getränke von Bar, Pool und Rooftop (Dank weitgehender Alkoholabstinenz nur 70.- Euro) und tuckerte mit meinem Toyota – OHNE NAVI! – zum Flughafen Teneriffa Nord.
Als ich um ca. 4:45 dort ankam, war der Flughafen noch geschlossen. Mit ein paar weiteren Touristen standen wir erst einmal dumm in der Kälte herum (10 Grad). Dann kam ein Angestellter, baute sich vor einer der automatischen Türen auf und machte den „Flattermann“. Er bewegte seine Arme wie Flügel, um die Elektronik der Türe aufzuwecken. Und das hat funktioniert! Die Türe öffnete sich, und der Mitarbeiter war drin. Jetzt, wo ich das Geheimnis der geheimen Tür kannte, war es kein Problem, es dem Angestellten nachzumachen. Flattermann – Tür auf – ich war drin. Alle anderen Touristen hinter mir schauten sich den Trick ab und waren auch schnell im Warmen.
Ich warf den Autoschlüssel in eine Plastikschüssel hinter dem Schalter der Mietwagenfirma „Top Car“ und suchte meinen Boarding-Schalter. Der war natürlich auch noch nicht besetzt. So gegen 5 Uhr kamen dann drei Damen, füllten ihren Arbeitsplatz mit allerlei Material und Klebebändern auf und starteten das Boarding. Ich war der erste, der drangenommen wurde und war daher ganz schnell fertig. Zu schnell, denn die Durchsuchung des Handgepäcks begann erst um halb sechs. aber auch das war irgendwann erledigt. Um viertel nach sechs konnten wir schon einsteigen. Die Maschine (wieder eine Boing 737) startete pünktlich nach Madrid.
Dort hatte ich nun leider eine sehr lange Pause, denn der Anschlussflug nach Frankfurt sollte erst um 15.10 Uhr erfolgen. Alles klappte diesmal am Schnürchen – ich hatte sogar bei beiden Flügen Gangplätze! In Frankfurt landeten wir eine halbe Stunde zu früh, worüber niemand böse war. Aber die gewonnene Zeit verloren wir wieder beim Warten auf das Gepäck, das erst EINE Stunde (!) nach der Landung an der Gepäckausgabe ankam.
Die Taxifahrt nach Bad Homburg brachte einen letzten Schock: 82,60 Euro kostete der Spaß! Ohne Trinkgeld. Ich schwor mir, nie wieder mit dem Taxi zum Flughafen zu fahren.
FAZIT: Nord-Teneriffa ist für uns etwas betagtere Menschen ein angenehmeres Reiseziel als der „wilde“ Süden. Das Wetter ist vom Feinsten, von ein paar winzigen Regentropfen abgesehen. Das Hotel „ATLANTIC EL TOPE“ hat seine vier Sterne vierdient, vor allem für die vortreffliche Küche und das überaus freundliche Personal.
Die Stadt „Puerto de la Cruz“ (wie auch alle anderen Städte auf dieser Vulkaninsel) ist für ältere Menschen, die schlecht zu Fuß sind, nur bedingt geeignet. Man kann sich zwar für die Dauer des Aufenthalts einen Elektroroller mit Sitz mieten, aber das ist eine Geldfrage.
Das Leben hier ist vergleichsweise günstiger als in Deutschland, und das Wetter ist auf jeden Fall rund um die Uhr besser als daheim.
Mal sehen, welche Insel mir in meiner Sammlung noch fehlt.
(Bilder folgen später)
Bad Homburg, den 28.11.2024
Sehr lesenswert und schön geschrieben, ich konnte garnicht aufhören zu lesen.
Richtig gut !
Sehr schön geschrieben. Das Lesen hat Spaß gemacht.
Grüße aus dem Carre