4.1.2010
Die Bar heißt „Tapas y Mas“. Sie ist im elften Stock und nahezu menschenleer. Elegante Korbsessel mit schick designten Kissen laden zum Rumflezen ein. Über die dezenten Lautsprecher säuselt landestypische Musik. Es ist kurz vor 13.00 Uhr und ein großer 42-Zöller von Panasonic zeigt an, wo wir uns gerade befinden: Im Hafen von DOMINICA, genauer gesagt, auf einem riesengroßen Schiff im Hafen von Dominica, in ROSEAU, um ganz genau zu sein. Das Schiff hat den dämlichen Namen „Mein Schiff“ und ist so eine Art AIDA für Normalsterbliche. Dahinter steht der Tourismusriese „TUI“, also das letzte Filetstück des ARCANDOR-Konzerns. Rund zweitausendsiebenhundert Leute haben hier Platz – zumindest in den Rettungsbooten. Habe ich durchgezählt. Tatsächlich sind nur etwa 1100 Touristen an Bord. Das Personal ist also fast in der Mehrheit (961 Leutchen), lässt uns das aber nicht spüren. Im Gegenteil, alle sind von einer ausgesuchten Freundlichkeit und Höflichkeit, das man unwillkürlich seine eigenen Fähigkeiten zur freundlichen Kommunikation wieder entdeckt. Je nach Wichtigkeit und Größe der Aufgaben kommen die jungen Crewmitglieder entweder aus Deutschland oder aus über fünfzig anderen Nationen. Erstaunlicherweise sprechen die alle auch einige Brocken deutsch. Englisch sowieso.
Doch mal langsam. Was mache ich hier, wie komme ich hierher, mit wem bin ich hier und wie lange werde ich hier bleiben?
Im „Spiegel“ flattert mir eine Reisebeilage aus dem Heft. 8 Tage Karibikrundreise für 1650.- Euro. Zwei Wochen für zwei Mille. Ich war zwar schon zweimal in dieser Gegend: Vor 27 Jahren in Jamaica und vor zwei Jahren in Kuba. Die ganzen anderen weltberühmten Inseln kenne ich dagegen nicht. Das Schiff mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“ soll jedenfalls alle diese wunderbaren Inseln Tag für Tag abklappern. Morgens wird angelegt und abends geht´s weiter zur nächsten Destination. Klingt doch klasse, denke ich und frage meine Liebste, was sie denn davon hält. Sie hält eine Menge davon, plündert ihr Aktiendepot und ist mit im Boot, um im Bild zu bleiben. Die Buchung klappt telefonisch, wenn auch nicht ganz fehlerfrei. So haben sie aus meiner lieben Daggi einen Mister gemacht. Für neue Reiseunterlagen ist es zu spät – ab sofort sind wir in den Eingeweiden der Buchungscomputer zwei Jungs, die zusammen reisen.
31.12.2009
Die Koffer haben wir bereits eingecheckt, und auf uns wartet nur noch eine wunderbare Sylvesterparty bei ganz lieben Freunden oben in Dillingen, einem Ortsteil von Friedrichsdorf im Taunus, wo wir wohnen. Man hat da so einen wunderbaren Blick auf die Sklyline Frankfurts (ja, und bei wunderschönem Wetter kann man auch den Atommeiler Biblis sehen, aber das ist jetzt nicht wichtig). Ein Taxi holt uns ab und bringt uns bei leichten Minusgraden hoch nach Dillingen. Ich versuche, den Taxifahrer zu bestechen, uns um eins wieder abzuholen. Zwanzig Euro bar Tatze verspreche ich ihm, aber er bleibt vage.
Die Party ist ein toller Erfolg, wir tanzen und ergötzen uns insgeheim am Neid der Anderen, die wohl den Rest des Winters in dieser Nasskälte ausharren müssen, während uns nur noch wenige Stunden von Sonne, Sand und Meer trennen. Vielleicht haben sie aber auch nur Mitleid mit uns, weil wir die Party so früh verlassen müssen, während die Fete bis in die frühen Morgenstunden toben wird.
1.1.2010
Das Feuerwerk dauert ein gute halbe Stunde. Durchgefroren tanzen wir uns nochmal warm, bis wir dann ins Freie tappsen und auf unseren bestochenen Taxifahrer warten. Der kommt natürlich nicht. Also bleibt uns nichts Anderes übrig, als zu Fuß die ca. 4 Kilometer nach Hause zu laufen. Es ist regnerisch und eiskalt, die Wege sind rutschig und Daggi frieren langsam die Ohren ab. Egal, das halten wir jetzt auch noch durch. Auf halber Strecke kommt uns der Taxifahrer entgegen, sieht uns aber leider nicht und braust an uns vorbei. Tja, Pech gehabt.
Um halb zwei fallen wir ins Bett. Vier Stunden Turboschlaf trennen uns noch von unserer großen Reise.
Dagmar steht immer eine halbe Stunde früher auf als ich. Die Zeit braucht sie, um die Zeitung zu lesen, den ersten Liter Kaffee einzunehmen und ein paar Lungentorpedos zu inhalieren. Leider kommt um 1.1. keine Zeitung und der Brötchenbringer hat wohl auch zu lange gefeiert. Wenigstens funktionieren der Kaffee und die Kippen. Um sechs werde ich auch aus dem Bett geschmissen. Wir haben vor, mit der S-Bahn zum Flughafen zu fahren, weil ein Taxi gut und gerne 60 Euro kostet. Obwohl ich nur eine dünne Lederjacke anhabe und auch Dagmar nur das Allernotwendigste gegen einen sofortigen Tod durch Erfrieren trägt, halten wir die arktische Kälte gut aus. Nach ein paar Schritten vermisst Daggi aber dann doch ihren Schal. Ich gebe ihr den Hausschlüssel, sie sprintet zurück und ist zwei Minuten später wieder da. „Der Hausschlüssel passt nicht“, sagt sie enttäuscht. Und damit hat sie recht. Ich habe versehentlich einen falschen Schlüssel von meinem Schlüsselbund mitgenommen. Aber uns läuft die Zeit davon. So eine S-Bahn fährt nämlich genau nach Plan. (Jedenfalls dann, wenn man es eilig hat. Manchmal kommen auch gar keine Züge, aber das ist eine andere Geschichte.)
Wir also hurtig weiter. Mein Chronometer zeigt noch zwei Minuten bis zur Abfahrtszeit, als wir am Bahnhof ankommen. Ich hätte wohl vorher mal einen sogenannten „Uhrenvergleich“ durchführen sollen. Die zwei Minuten sind längst um – und im selben Moment, als wir die Stufen des Bahnsteigs hinauf rennen, setzt sich der Eisenkoloss in Bewegung. Ohne uns. Daggi keucht nur noch „Taxi!“ und wir rennen beide die Stufen wieder runter, die Unterführung durch und dann die Stufen zum Taxistand wieder hoch. Die Wahrscheinlichkeit, am Neujahrsmorgen um sieben Uhr ein Taxi zu finden, dürfte der eines Sechsers im Lotto sehr ähnlich sein. Aber wir haben das Glück. Fast. Denn die nette, aber vom langen Dienst gezeichnete Fahrerin spricht gerade in ihr Handy. „Ja, dann bin ich so in etwa 5 Minuten bei Ihnen!“ Ich reiße die Tür auf und rufe nur „Flughafen!“, um die Frau aus pekuniären Gründen zu einer Änderung ihres Vorhabens zu bewegen. Und das klappt sogar. „Eben ist ein Fahrgast eingestiegen. Und direkt einsteigende Fahrgäste haben bei uns immer Vorrang. Ich bin in einer guten Stunde zurück, dann kann ich Sie gerne abholen!“ säuselt sie ihrem Gesprächspartner ins Ohr. Was der dann so zusammenbrüllt, ist nicht Gegenstand dieses Reports.
Wir kommen dann auch ein bisschen ins Gespräch. Ich erzähle ihr, dass wir schon am Vorabend mit einem anderen Taxi dieser Firma auf die Party gefahren wären. Es stellt sich heraus, dass der Fahrer unseres Taxis ihr Mann ist, genau der Typ, der uns nachts sitzen gelassen hat. Nun kommt das Geld (und noch viel mehr) doch noch in die Familienkasse. Von dem Bestechungsgeld hat er ihr übrigens nichts erzählt. Männer sind wohl so.
Wir sitzen immer noch im elften Stock unseres Schiffes mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“. Im Freien, ganz hinten im Heck. Wir haben gerade zu Mittag gegessen, den kostenlosen Tischwein, bzw. einen Pott Kaffee mitgenommen und dösen so vor uns hin. Dagmar liest in ihrem Wälzer „Die Verdammnis“ von Stieg Larsson weiter und ich teste die Akkukapazität meines Netbooks. Immer noch 71%. Etwa so wie die Luftfeuchtigkeit.
Das war heute morgen viel schlimmer. Da waren wir nämlich auf der Insel Dominica, nicht zu verwechseln mit einer gewissen Dame aus Hamburg, die sich „Domenica“ nennt. Beide haben was mit Verkehr mit Fremden zu tun, aber auf „Dominica“ ist der Fremdenverkehr neben Bananenexport ein durchaus ehrbares Geschäft. Wir beschließen, den heutigen Landgang mal alleine zu organisieren. Die organisierten TUI-Touren unterscheiden sich nämlich oft nur im Preis von den direkt angebotenen touristischen Aktivitäten. Dominica ist seit 1976 selbstständig und gilt als „Grüne Insel“. So ziemlich das ganze Land ist von Regenwald bedeckt; diverse Wasserfälle ziehen die Touristen-Miniknipsen geradezu magisch an. Nach Sichtung aller verfügbaren Reiseunterlagen entscheiden wir uns aber doch für den Klassiker „Faulenzen am Strand“. Dagmar packt ihren Rucksack voll: Badezeug, Bücher, Handtücher, Sonnencreme, Obst, Wasser.
Wir nehmen einen der insgesamt 10 Fahrstühle (in drei Treppenhäusern) und landen im dritten Stock, der sich „Einschiffung“ nennt, aber durchaus auch der Ausschiffung dient. Jeder „PAX“, also Passagier, wie es früher hieß, hat beim ersten Betreten des Schiffes eine vorbereitete, scheckkartengroße ID-Karte ausgehändigt bekommen. Und damit keiner diese Karte missbrauchen kann, sind wir auch noch fotografiert worden. Wenn also jemand das Schiff verlässt, dann wird diese Karte eingescannt. Der Sicherheitstyp schaut außerdem auf seinen Laptop, ob das Gesicht mit dem tatsächlichen Menschen übereinstimmt. Aus Spaß an der Freud versucht er sich dann noch im Aussprechen der ihm völlig unbekannten Namen. Das ist immer sehr lustig.
Und schon sind wir an Land. Große Schilder warnen uns davor, zu spät zurückzukommen. Die Crew muss sogar eine halbe Stunde eher zurück sein, woraus sich immerhin schließen lässt, dass die Mitarbeiter selbst auch an Land dürfen. Und das in einem Gebiet, in dem Sklaverei bis vor ein paar Jahrzehnten durchaus üblich war…
Und wie überall auf der Welt stürzen sich sofort alle möglichen Verkäufer auf uns. Die TUI-Organisierten werden grüppchenweise in moderne Reisebüsschen gezwängt, während wir uns mit dem verbleibenden freien Markt arrangieren müssen. Ähnlich wie in italienischen Touristenfütterungslokalen „Essen nach Bildern“ lange der letzte Schrei war, werden hier die Inseltouren durch gewagte Grafikkollagen angepriesen. Von Strandurlaub sehen wir leider nichts, deswegen folgen wir einfach mal einem gut aussehenden Eingeborenen, der uns eine 2 1/2-stündige Inselrundfahrt im Jeep für sechzig Dollar anbietet. Während ich noch fieberhaft überlege, welche Dollars er eigentlich meint ( – weil es hier einen „Eastern Caribbean Dollar“ mit einem hübschen Bild von Queen Elisabeth gibt -), geht er schon auf 50 Dollar runter. Ich schlage ein und frage ihn, ob er auch Kreditkarten nimmt. Selten so gelacht. Immerhin werde ich dann an einen hochmodernen Bankautomaten geführt, der mir auch brav 50 Eastern Carribean Dollars ausspuckt, etwa 12 Euro. Das war schon wieder falsch. Es waren doch US-Dollar gemeint. Also nochmal an den Automaten. Der gut aussehende Tourismussachverständige führt uns dann zum Auto, einem Suzuki mit Vierradantrieb aus den guten Jahren des Konzerns. Leider steigt er nicht mit ein, sondern stellt uns „Ashram“ vor, den Fahrer. Wie wir im Laufe der Fahrt mitbekommen, ist er 44 und schon dreifacher Großvater. Verheiratet ist er allerdings nicht, dafür hat er vier „Ladies“, die in unterschiedlichen Stadtteilen wohnen und nichts voneinander wissen. Er kann diese moderne Art der Vielehe durchaus rechtfertigen: „When a girl is out with me, she´s the Lady for me– and I´m the King for her! And whatever I do in between hasn´t to be noticed“. Erinnert mich alles ein bisschen an Jamaica. Ashram sieht älter aus als 44, was wohl auch an seinen komplett desolaten Zähnen und diversen üblen Augenkrankheiten liegt, die ihn gründlich entstellen. Er ist Torwart im örtlichen Fußballclub und hat seinen Körper bis auf die Hände durch den Sport ruiniert, wie er sagt. Aber es ist echt gut drauf. Er lacht ständig, quatscht pausenlos irgendwelche Freunde auf den Straßen an und riskiert auch gern die große Lippe, wie wir schnell merken. Der Suzuki mit den geöffneten Fenstern (- was viel besser als eine Klimaanlage ist -) hat auf den brüchigen Straßen Dominicas wohl schon harte Zeiten hinter sich. Ich gehöre eher zu den Leuten, die von einer Rückentherapie zur nächsten eilen und bin daher hier etwas fehl am Platz. Würde ich natürlich nie zugeben und so stecke ich die vielen harten Schläge auf meine Bandscheiben lächelnd weg. Dass Linksverkehr herrscht, macht es für mich nicht leichter. „If you feel good, I feel good“. Sagt Ashram und liegt damit gar nicht so falsch. Denn was wir mit unserem privaten Reiseleiter erleben, ist so ganz anders und viel zauberhafter als der TUI-Kommerzausflug vom Vortag, auf den ich später noch gründlich eingehen werde.
Wir fahren die Serpentinen weiter hinauf und werden dann zu einem 10-minütigen Fußmarsch durch den Urwald animiert. Am Ziel des durchaus ambitionierten Fußwegs sehen wir gleich zwei richtig tolle Wasserfälle. Man verzeihe mir die etwas fantasielose Beschreibung dieses Naturphänomens, aber da läuft es einem doch trotz der Hitze kalt den Rücken runter. Es ist schon erstaunlich, was so ein bisschen Natur ganz alleine zustande bringt. Papayabäume wachsen um uns rum, räkeln sich an Steilhängen gen Himmel. Blumen in grellen roten und gelben Farbtönen umschmeicheln das Auge. Krabben krabbeln durch die Füße und aus den anfänglich 71% Luftfeuchtigkeit sind längst knapp 100 Prozent geworden.
Inzwischen sind auch die organisierten Touristen (mit Walking-Stöcken!) eingetroffen und knipsen die Akkus ihrer Kameras leer.
Ashram erzählt uns, dass heute, am Montag, Nationalfeiertag sei, weil die Regierung im Stadion das neue Parlament bekannt geben würde. Und während ich hier oben im elften Stock in dem wunderschönen Cafe „Tapas Y Mas“ am Heck eines Kolosses mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“ sitze, schaue ich immer mal rüber ins Stadion, ob die Party schon läuft.
Für das wohlverdiente Trinkgeld von Ashram habe ich den Geldautomaten übrigens ein drittes Mal aufsuchen müssen…
Daggi hat sich inzwischen in irgendeine Hängematte am Pool gelegt. Sowohl Hängematten als auch Pools sind reichlich vorhanden. Selbst FKK-Anhänger haben einen eigenen Bereich irgendwo ganz oben kurz unterm Himmel. Die wollen gerne unter sich bleiben, wie man verstehen kann, aber ansonsten gibt es hier (fast) keine Mehr-Klassen-Gesellschaft. Anders als ich das noch aus dem Titanic-Film in Erinnerung habe, darf hier jeder fast überall hin. OK, die Kids dürfen nicht ins Spielcasino und für die Generation Silberlocke ist der Basketballbereich auch nicht unbedingt der Bringer. Und obwohl ich es darf, würden mich keine zehn Pferde zum Yogakurs zwingen können. Daggi ist da anders. Sie schwankt noch zwischen einem Haut-Peeling und diversen SPA-Paketen, bei denen man allerdings nicht SPAren kann, sondern ordentlich zuzahlt. Die Muggibude ist leider immer so stark frequentiert, dass ich eine bequeme Ausrede habe, dort „gerade mal keinen Platz“ gefunden zu haben. Der Mini-Golfplatz ist auch nicht so mein Ding und im „WII-Corner“ nehmen mir die Kinder immer die Controller ab. Ich könnte für 35 Euro einen Grundkurs in der Bildbearbeitung absolvieren, aber leider wird nicht „Photoshop“, sondern „Photo-Impact“ gelehrt. Da könnte ich den Kurs auch gleich selbst leiten und die 35 Euro selbst einsacken.
Erzähle ich doch lieber Mal, wie die Anreise weiterging…
Nachdem der Neujahrsmorgen für die Friedrichsdorfer Taxifahrerin dann doch so eine positive Wendung genommen hat, sitzen wir am Frankfurter Flughafen und harren der Dinge, die da kommen sollen. Wie immer habe ich mit der Security-Kontrolle mein Problem. Ich habe nämlich einen kleinen schwarzen Metallkoffer dabei, in dem die lebenswichtigen Dinge aufbewahrt werden, also Kameras, Ladegeräte, Handy, Laptop, Playstation und auch ein Mikrophon. Und letzteres scheint den Kontrollören sehr suspekt zu sein. Jedesmal muss ich das Ding anschließen und dessen Funktion vorführen. Diesmal genügt meine eidesstattliche Erklärung, dass es sich bei diesem Mikrophon nicht um eine Bombe oder ein anderes, derzeit verbotenes Utensil handelt. Ruckzuck sind wir am Gate und stellen fest, dass wir uns das Taxi hätten schenken können, da noch so unendlich viel Zeit bis zum Abflug bleibt. Ich schließe die Augen und penne erst mal eine Runde.
Lange nach dem Start werde ich wieder wach. Ich muss wohl zwischendurch auch irgendwie irgendwas gemacht haben, aber ich kann mich nicht daran erinnern. An Bord der Condor-Maschine sitzen wir zu zweit in Reihe zwanzig direkt neben der Toilette, was zu netten Beobachtungen führt, die ich hier besser nicht ausführen möchte. Der Flug ist unglaublich ruhig – nur eine einzige ganz kurze Turbolenz lässt meinen Blutdruck hochjagen. Anders als früher, als Kopfhörer in Flugzeugen noch über Luftröhren gespeist wurden, damit die Paxe die Dinger nicht mitnehmen, schenkt uns TUI heute großzügig ein Paar recht brauchbarer Ohrkapseln, mit denen man das sogenannte „Inflight-Entertainment“ genießen soll. Die Dinger zu putzen und den Gästen neu anzudrehen, ist wohl teurer. Akustisch sind bei unserem Flug die üblichen Hit-Compilations aller Musikrichtungen angesagt sowie ein „Comedy-Kanal“, bei dem unter Anderen Mario Barth und Loriot einen nicht ganz harmonischen Mix darstellen. Spätestens bei Paul Panzer schalte ich ab. Die beiden Filme und das Rahmenprogramm wollen wir auch nicht sehen, obwohl ICE AGE 3 gezeigt wird. Aber in diesen reduzierten, an den Rändern auf das 4:3-Format reduzierten Spezial- Flugfassungen macht das Zuschauen einfach keinen Spaß. Also hole ich das iPhone aus der Tasche und wir spielen eine Portion „GEORIFIC“. Kennt keiner? Das ist so eine Art Geographiequiz. Man muss beispielsweise folgende Frage beantworten: „Wo fanden 2004 die Olympischen Winterspiele statt?“. Klingt sehr einfach, aber man muss zur Beantwortung auf einer Landkarte den richtigen Ort markieren. Und da zeigen sich üble Lücken!!! Außer bei Daggi. Die ist ja einige Jahre als Stewardess um die Welt geflogen und hat – anders als andere Blondinen – durchaus aufgepasst, wo sie sich befindet. Je nach Entfernung zum korrekten Ziel werden Strafpunkte vergeben. Wer zuerst 8000 km daneben liegt, hat verloren. Kurzum: Ein Spiel, bei dem ich nicht gewinnen kann, das ich aber um so lieber spiele, weil ich dabei sehr viel lernen kann.
Ich schweife ab. Nach neun Stunden, 14 Minuten und einer butterweichen Landung kommen wir in „LA ROMANA“ an, einer großen Hafenstadt in der Domenikanischen Republik. Es ist viertel nach zwei Ortszeit und wir sind wieder putzmunter. Genau fünf Stunden haben wir die Uhr zurückgedreht. Nach dem Aussteigen werden wir sofort in klimatisierte Busse geleitet und zu einem Ungetüm von Kreuzfahrschiff gekarrt, das den dämlichen Namen „Mein Schiff“ trägt, falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte. Es ist blau angestrichen und überall mit Worten wie „Sonnenaufgang“ oder „fliegende Fische“ verziert. Wir sind etwas verwirrt, weil im Flieger höchstens 250 Gäste saßen, das Schiff aber über 2000 Passagiere fassen soll. Wie wir später erfahren, sind wir einfach mal wieder zu spät. In der Vorwoche war das Schiff ausgebucht; wir dürfen uns in der kommenden Woche den schwankenden Boden gerade mal mit 1100 Passagieren teilen. Und die verlaufen sich ganz schön!
Unsere Koffer haben wir schon seit dem Sylvesterabend nicht mehr gesehen. Um so erstaunlicher, dass sie tatsächlich nach dem Einchecken in unserer Kabine stehen. Und diese Kabine ist nicht von schlechten Eltern, obwohl wir natürlich das günstigste Modell gewählt haben, nämlich eine Innenkabine. Wir sehen nicht ein, warum wir für die Tatsache, während der Nacht durch ein Bullauge ins Freie schauen zu können, rund 30% mehr zahlen sollten. Mit eigenem Balkon oder gar einer Suite müssten wir schon eine Lebensversicherung flüssig machen.
Unsere kleine, aber feine Kabine hat 16 Quadratmeter, zwei zusammengeschobene Betten, zwei Nachttische, einen Schminktisch mit vielen Schubladen, eine Minibar, einen LCD-Fernseher mit bordeigenem TV-Programm, eine Menge geräumiger Schränke und ein durchaus akzeptables Bad mit Dusche, WC und Waschtisch, die vielen zusätzlichen Ablagemöglichkeiten nicht zu vergessen. Alles in modernen Holztönen gehalten – sehr geschmackvoll. Wir testen mal kurz die Betten und sind sehr zufrieden. Strom gibt es auch in mehreren Dosen; selbst eine Kaffeemaschine steht bereit, für die eine Kapsel des modernen Livestyle-Produkts pro Tag und Person gratis ist. Das Zimmer wird gleich zweimal am Tag aufgeräumt, ohne dass man von arbeitswütigen Putzmäusen aus dem Schlaf gerissen wird. Abends gibt´s Leckerlis aufs Kissen. Außerdem liegt jeden Abend die druckfrische Ausgabe des kommenden Tagesprogramms auf dem Bett. So auch am Ankunftstag.
Wir machen uns frisch, ziehen uns um und beginnen, den Kahn mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“ zu erforschen. Jeder von uns hat ein kleines Mäppchen bei sich, damit er sich nicht verläuft. (Und dieses Mäppchen ist auch heute noch – nach drei Tagen, unersetzlich. Ich habe gerade einen Kartenspielraum entdeckt.)
Wir wandern also durch die Stockwerke und bestaunen die wirklich einmalig geschmackssichere Einrichtung des Dampfers. Da gibt es Bars, die über mehrere Stockwerke hinweg gehen. Es gibt Restaurants an jeder Ecke, Bars bis zum Abwinken und Erholungsnischen noch und noch. Dazu das Pooldeck mit zwei unterschiedlich tiefen Schwimmbecken und drei Whirlpools, Showbühnen ohne Ende und immer wieder überraschende Räume, in die man oft fast nur durch Zufall gerät. Im Spielcasino spielen sie Black Jack und Roulette. Rauchen darf man in diversen Spezialbars sowie im Freien – außer am Pool.
Dann scheppert es plötzlich ganz fürchterlich und der Kapitän hält seine Begrüßungsrede über die bordeigene Lautsprecheranlage, bei der die Firma BOSE ganz sicher nicht den Zuschlag erhalten hat. Zwei bunt gekleidete Sängerinnen grölen die Bordhymne „Oceans of Love“ und die Jungs vom Theater tanzen dazu. Zusätzlich wird Unmengen Sekt verschenkt. Also ein ganz passabler Anfang. So gegen 18.00 Uhr tritt dann an dem einen Ende des Poolbereichs die Band „Sol Tropical“ auf, die sich dadurch auszeichnet, dass die beiden Bandmitglieder sich bei so gut wie keinem Titel über die Akkorde einig sind. Dafür dauert jeder Titel aber mindestens zehn Minuten. Bevor wir Ohrenkrebs kriegen, gehen wir erst mal was essen. Das zweitgrößte Restaurant auf dem „Mein Schiff“ (merkt Ihr, wie dämlich das klingt?) heißt Anckermannsplatz und bietet etwa 450 Plätze, die sich auf beide Schiffsseiten verteilen. In der Mitte findet man ca. 80 laufende Meter Speisen aller Art. Es gibt wirklich nichts, was es hier nicht gibt. Selbst Pferdefleisch. Das Buffet ist im Reisepreis enthalten, kostet also keinen Cent extra. Bier, Wein und Softdrinks sind ebenfalls umsonst.
Und wie wir im Laufe der Tage erfahren, gilt dies auch für weitere Restaurants an Bord. Im zweistöckigen „ATLANTIC“ (Über 900 Plätze!) gibt es beispielsweise täglich verschiedene Menüs, die man sich an den Tisch bringen lassen kann. Am Pool schuften zwei der 141 Köche (!) rund um die Uhr, um mal schnell was Kurzgebratenes, Hinkel oder Baked Potatoes aufzutischen. Und ein paar Meter weiter werkelt eine Dependace der Fischkette „GOSCH“ aus Sylt, also so eine Art NORDSEE für Besserverdiener. Hier fallen allerdings Extrakosten an, die bei 5-6 Euro pro totem Fisch liegen – also sehr schonend für die Reisekasse. Ach ja, irgendwo bekommt man (natürlich gratis) auch noch alle möglichen Pastas nach Wunsch hergestellt und bei „Tapas Y Mas“ gibts, na? Richtig, Tapas rund um die Uhr. Irgendwo haben sich noch ein aufpreispflichtiges Steakhaus und ein Edelrestaurant versteckt. Und falls man aus irgendwelchen Gründen keins der Futterstellen findet, wird ständig irgendwo ein Zusatzbuffet aufgebaut. Da gibt´s dann mal Kuchen mit Kaffee, Eis mit Früchten, Champagner mit Kaviar oder Austern mit Gemüse. Etwas stillos, aber sehr vernünftig: Alle Getränke werden im Außenbereich aus Plastikgläsern getrunken; Glas gibt´s nur innen.
Wir hauen uns also den Bauch voll und können danach kaum noch „Piep“ sagen. Um 19:30 Uhr beginnt am Pool die Willkommensparty, bei der eine durchaus hervorragende Popband aus Tschechien mit einer dümmlich grinsenden Blondine das fehlende Publikum einzuheizen versucht. Aber wir sind einfach zu schlapp. Außerdem müssen wir unsere Kräfte schonen, denn um 21:30 Uhr beginnt im Theater eine große Show mit den besten Musicalmelodien aller Zeiten. Theater? Ja, Ihr habt richtig gelesen: als wäre das alles noch nicht genug, trumpft „MEIN SCHIFF“ (Hey! Jetzt passt es ja mal!) auch noch mit einem richtigen Theater auf. Mit „richtig“ meine ich nicht so ein Tourneebühnchen wie das Kurtheater in Bad Homburg. Der Laden ist zwei Stockwerke hoch, hat über 900 Sitzplätze mit Abstelltischen für Getränke, eine technisch unglaublich tolle Drehbühne mit zwei unabhängigen Drehelementen, hunderte von fernbedienbaren Scheinwerfern und und und. Also der neueste Theater-Schnickschnack, den man sich so denken kann. Eine 4 mal 9 Meter breite LCD-Leinwand, die sich in der Mitte teilen lässt, ein megaheller Beamer, ein Soundsystem, bei dem BOSE ganz sicher Pate gestanden haben muss und circa fünfzehn Künstler, die ihr Bestes geben, runden das Theatererlebnis ab. Das Einzige, was die Bühne aus Platzgründen nicht bieten kann, ist ein Kulissenboden, weil nach oben einfach der Platz fehlt. Die Jungs und Mädels der Künstlercrew wurden in langwierigen Castings zusammengestellt und haben ihr täglich wechselndes Showprogramm in Berlin einstudiert. Fantastische Kostüme, perfekte Choreografie und vor allem eine Gesangsqualität, die man nur ganz selten geboten bekommt. Ich bin ja nun wirklich kein Freund von Musicals oder gar Operetten, aber was diese Truppe da auf die Bühne bringt, ist schon alleine die Reise wert. Schade, dass nur etwa 300 Leute zuschauen.
Danach fallen uns die Dötzchens zu.
Der erste Reisetag ist ein sogenannter „Schiffstag“. Das heißt, wir hängen den ganzen Tag und die ganze Nacht auf dem (Mein) Schiff rum, das uns unterdessen von Romana nach Martinique schippert. Dass dies nicht ganz so schlimm ist, kann man sich nach der langen Vorrede sicher ausmalen. Um die Mittagszeit wird ein Sektbuffet aufgebaut, bei dem sich der geneigte Gast an die zweihundert Flaschen vom Feinsten hinter die Binde kippt. Ansonsten knüpfen wir den einen oder anderen Kontakt. Zum Beispiel mit dem alleinreisenden Rentner aus Osnabrück, der schon die dritte Woche hier ist und abends gerne die Damenwelt angräbt. Oder mit einem jungen Pärchen aus der Stuttgarter Gegend, das sich allerdings als ziemlich langweilig entpuppt. Früher hat man Kreuzfahrten immer als Tummelplatz für steinreiche Senioren belächelt – heute ist das Durchschnittsalter deutlich drunter. Die Hälfte der Gäste ist höchstens 35 Jahre alt. Auch bringen viele Kinder Leben in die Bude, ohne dass sie stören. Wir erfahren, dass die Reise im TUI-Katalog fast 5000 Euro kosten sollte, aber die hat wohl niemand bezahlt. Im Gegenteil, wir wundern uns immer wieder, wie es junge Paare heutzutage schaffen, sich diesen Luxus zu gönnen. Der Anteil der Berufsgruppen „Automechaniker“, „Fußballspieler“, „Muggibudenbesitzer“ und „Friseurinnen“ ist dabei überdurchschnittlich hoch – leider. Wirklich interessante Gespräche gelingen daher zunächst nicht – aber wir sind ja erst am zweiten Tag!
Ich führe jetzt nicht mehr aus, was wir wo und wann gegessen und getrunken haben. Der Kapitän, ein Finne, der uns heute irgendwann seine Crew vorgestellt hat, sagte nicht ohne Grund: „Unseren Küchenchef werden Sie lieben, solange Sie an Bord sind. Aber wenn Sie nach Hause kommen und sich auf die Waage stellen, werden Sie ihn hassen!“ Ich befürchte, damit wird er Recht behalten. Daggi ist natürlich strebermäßig sofort ins Sportprogramm eingestiegen und schwimmt jetzt jeden Morgen 40 Bahnen. Im Pool gibts sogar Wellen – das liegt bestimmt daran, dass der mit Meerwasser gefüllt ist. Ich schone meine Kräfte noch für wirklich wichtigere Aufgaben. Nur noch ´ne kleine Käseplatte…
3.1.2010
Martinique. Um sieben Uhr morgens sind wir „gelandet“. Am Vorabend haben wir uns im Theater schon eine Präsentation der Insel angesehen und spontan den teuersten Ausflug gebucht. Eine Tagesrundfahrt für 89 Euro pro Nase. Inklusive kreolischem Mittagessen nebst folkloristischer Musikbegleitung durch Eingeborene. Klingt doch prima – und so sitzen wir pünktlich um 9:30 Uhr im klimatisierten Reisebus. Entgegen der Vorankündigung spricht der Tourguide nicht englisch, sondern deutsch. Und das ist schon er erste Fehler. Eigentlich spricht er französisch mit einigen wenigen deutschen Brocken drin. Bei jedem Satz versagt er irgendwo in der Mitte, weil er nicht weiß, wie man Sätze beendet. Er versucht dann gerne, den Inhalt mit einer anderen gewagten Satzkonstruktion an den Mann zu bringen. Weil er damit sein grundlegendes Problem nicht beseitigt, stammelt er stattdessen irgendwelche Grunzlaute, um zumindest eine Art Satzmelodie zusammen zu bringen. Wir Reisenden starren uns verstohlen an. So langsam sind wir uns einig, dass wir keinen an der Waffel haben, sondern dass unser Tourguide wirklich nur Unsinn verzapft. Schade eigentlich. Oder auch nicht, denn was er uns zeigt, lernt man heutzutage auch schon im Kindergarten (allerdings nur bei Montessory). Wir halten am Straßenrand und schauen uns Bananenstauden an. Wir halten im Halteverbot vor einer Haarnadelkurve und ziehen durch ein privates Ananasfeld, dessen Betreten verboten ist. Dafür sind die Ananas auch alle schon geerntet worden. Wir schauen uns ein Museum an, in dem ein paar Exponate an den letzten Vulkanausbruch 1902 erinnern. Die interessante Geschichte dahinter bekommen wir leider nicht mit, da unser Guide unbedingt den hervorragenen (französischen) Vortrag der Museumsmitarbeiterin übersetzen will. Außerdem bummeln wir noch durch eine Rum-Destille mit Verkostung. Hier legt sich der Guide sogar mit der offiziellen Führerin des Rum-Museums an, da er offenbar eine ganz andere Art der Rumherstellung gelernt hat. Kurzum: Schön ist nur das kreolische Mittagessen mit Musikbegleitung. Alle sind gut drauf, das Essen ist hervorragend, es gibt Wein und Rum und die Wirtsleut schenken uns beim Weggehen noch einen warmen Apfelkuchen. Im Bus und beim Essen lernen wir auch zwei nette Mitreisende kennen: Jürgen und Maria. Pensionierter, aber noch aktiver Mathelehrer und seine deutlich jüngere Freundin aus dem Finanzdienstleistungsbereich. Mit den Beiden werden wir noch unseren Spaß haben…
Ein schöner Tag? Ja, natürlich, aber dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack. Fast 180 Euro für einen stammelnden Tourguide, der der deutschen Sprache völlig ohnmächtig gegenüber steht? Ich habe mich dann im Schiff auch über dieses Manko beschwert. Bis heute leider keine Reaktion. (Und heute, da ich dies schreibe, ist schon der 6.1.2010!) (Und heute, da ich diesen Text mal wieder redigiere, ist schon der 9.1.!) (Dito am 12.1. – ich gebe es auf.)
Abends haben wir Jürgen und Maria nochmal getroffen und in der „Blaue Welt-Bar“ einen Cocktail eingenommen, der für Teilnehmer eines Ausflugs um 50% reduziert war. Doch davon später mehr. Jetzt muss ich erst mal in die Kajüte und ein paar Werbespots für „Medipharma Cosmetics“ sprechen, die drüben in Deutschland dringend gebraucht werden. Gut, dass ich mein Mikrophon und dieses Netbook dabei habe…
Also, bis morgen dann!
Ein schwarzer Tag für Dagmar. Hat sie doch bei „Georific“ 10:0 verloren. Jawoll, ich habe das erste Mal gewonnen und dann auch noch so hoch…
Auch ein schwarzer Tag für meine Kreditkarte: 460.- Euro an Extras haben wir in den ersten sechs Tagen an Bord verbraten. Mit Internet, Ausflugskosten, diversen kleinen Einkäufen ist das ganz OK. Die Kosten außerhalb des Schiffes kommen aber auch noch hinzu. Das dürften bisher etwa 160.- Euro gewesen sein. Ich schreibe das nicht, damit Ihr Mitleid bekommt, sondern weil ich denke, dass das ganz braucbare Informationen sind, falls Ihr selbst mal so eine Reise plant.
Heute sind wir wiedermal den ganzen Tag auf dem Schiff mit dem dämlichen Namen „Mein Schiff“. Die Reise von Guadeloupe nach La Romana dauert knapp 36 Stunden. Es ist zwar warm, aber meistens bewölkt. Die Crew gibt sich redlich und erfolgreich Mühe, die Gäste bei Laune zu halten. Alle paar Minuten gibt es irgendwo was zu Trinken oder zu Essen und die üblichen Kapellen dudeln ihre Musik runter. Im „Konferenzraum“ wird heute Abend eine DVD vorgeführt, auf der die bisherige Reise von einem Profiteam festgehalten wurde. 67.- Euro kostet das Unikat und ich überlege mir ernsthaft, das Werk zu kaufen. Aber natürlich erst am Ende der nächsten Woche.
St. Maarten heißt die Insel, die uns heute erwartet. Die eine Hälfte gehört den Holländern, die andere Hälfte wird von den Franzosen regiert. Die Grenze verläuft problemlos mitten durch die Insel und alle verstehen sich prächtig, solange sie französisch reden. Direkt am Hafen steht ein riesiges Duty-Free-Einkaufsparadies. Bezahlt wird in US-Dollar, obwohl wir eigentlich in Europa sind. OK, der Euro wird zwar akzeptiert, aber 1:1 abgerechnet, was beim derzeitigen Eurokurs ein feines Geschäft für diese modernen Pirates of the Caribbean ist. Da sich die Elektronikpreise auch nicht wesentlich von denen im Mediamarkt und Co. unterscheiden, schließen wir uns einem Sammeltaxi an und fahren für je 6 US-Dollar pro geröteter Nase an einen Strand, der an der Atlantikseite im französischen Teil gelegen ist. Die rund zwei Kilometer lange Sandküste wird von Abertausenden von Liegestühlen und Sonnenschirmen samt eingeschmierten amerikanischen Touristen verunstaltet, die wohl noch vor uns in St. Maarten mit einem Dampfer der Firma Walt Disney angereist sind. 18 Euro = Dollar (wir haben leider nichts gewechselt) werden uns für die beiden Liegen abgeknöpft, und nun können wir endlich das lange ersehnte Strandleben genießen. Dagmar geht zweimal ins Wasser und ich einmal. Neuer Rekord. In Thailand gehe ich nie ins Meer, weil mir da Korallen ständig meinen schmalen Leib aufschlitzen. Dann schauen wir noch eine Weile zu, wie diese ganzen Supersportler mit ihren gemieteten Jet-Skies durch die Badenden preschen oder sich – von Motorbooten gezogen – durch die Luft wirbeln lassen. Weitere Abwechslung erhalten wir durch die im Minutentakt vorbeiziehenden Händler, die das übliche Gedöns anbieten. Erstaunlicherweise befinden sich da auch zwei recht gut aussehende europäische Frauen um die 40 darunter, die versuchen, handgefertigte Blüten loszuwerden. Ich meine jetzt kein Falschgeld, sondern richtige Blüten, die irgendwie umgebastelt wurden, damit man sie sich ins Haar oder sonstwo hinstecken kann. Was machen die hier? Wir spekulieren, dass die beiden wohl vor ein paar Jahren mal mit ihren Männern hier eine neue Existenz aufbauen wollten. Die Männer sind ganz schnell wieder abgehauen und seitdem versuchen die beiden, durch den Verkauf dieses Schnickschnacks das Geld für den Heimflug zusammenzusparen. Und jedesmal, wenn sie das Geld fast zusammen haben, passiert etwas Unvorhergesehenes. Einmal werden sie von Einbrechern überrascht, die das mühsam Ersparte mitnehmen; ein andermal versaufen sie alles auf einer Riesenparty; dann werden sie mit einem Joint erwischt und müssen das Ersparte als Strafe an die Behörden abgeben. Keine Ahnung, ob´s stimmt, aber es könnte doch sein, oder?
Abends schauen wir uns zunächst die Präsentation über „Guadeloupe“ an. Die wie üblich überteuerten Ausflüge lassen wir links liegen, merken uns aber die besten Stellen und beschließen, die morgen auf eigene Faust zu erkunden.
Um halb zehn gibt es wieder einen tollen Showauftritt der Berliner Unterhaltungscrew. Habe leider vergessen, worum es ging, weil sich die Auftritte – so spektakulär sie auch sein mögen – doch in ihrer Art sehr ähneln. Daggi schläft inzwischen regelmäßig dabei ein. Das liegt aber nicht an den Showdarbietungen, sondern am Erschöpfungszustand meiner Süßen nach so einem anstrengen Tag. Ich stecke das ja locker weg…
Daggi hat wohl doch ein bisschen zu viel Sonne abbekommen und verträgt den Wein nicht mehr so richtig. Ich bringe sie in die Koje, putze mir die Zähne und lege mich dazu. Sie schläft schon tief und fest.
Ich hätte mich besser nicht dazugelegt. Am nächsten Morgen stehe ich im Bad vorm Spiegel und merke plötzlich, wie mir etwas den Rücken runterkrabbelt und dann zu Boden fällt. Panik pur! Das „Etwas“ entpuppt sich als eine in Stanniolpapier eingewickelte Nougatpraline, die zwecks Erbauung der Passagiere vor dem Schlafengehen auf den Betten verteilt werden. Habe ich Dunkeln natürlich nicht gesehen und daher die ganze Nacht darauf gelegen. Ein Blick auf das Bettlaken zeigt mir, wie unruhig mein Schlaf gewesen sein muss. Der arme Zimmerbub muss einen gehörigen Schreck bekommen haben, sah das Betttuch doch aus wie nach einer blutigen Messerstecherei.
Nach dem Frühstück dann die nächste Landtour. Inzwischen sind wir ja in Guadeloupe angekommen.Wie wir alle wissen, gehört auch diese Insel den Franzosen, auch wenn die Briten sie zwischenzeitlich mehrmals erobert hatten. Die Währung ist hier tatsächlich mal der Euro, was uns wenig bringt, da wir die Taschen inzwischen voller Dollars haben – der EC-Karte sei Dank.
Wir beschließen, zunächst per Fuß die Hafenstadt „Point-á-Pitre“ zu erobern. Freundlicherweise hat man den sinnvollsten Spazierweg auf den Bürgersteigen markiert und so sehen wir eine Menge netter Häuser und Monumente, deren Sinn und zweck jeder selbst im ADAC-Führer nachlesen möge.
Leider ist es brüllend heiß bei annähernd 100% Luftfeuchtigkeit und wir haben sehr bald keine Lust mehr, uns durch alte Immobilien und neue Billigramschläden durchzukämpfen. Schnell finden wir einen Taxifahrer, der uns für 80 Euro drei Stunden lang durch die Gegend fahren möchte. Kaum im Taxi, vergisst er leider seine englischen Sprachkenntnisse und spricht fortan nur noch Französisch, was zumindest für Daggi kein Problem darstellt. Sie hat einen interessanten Mangrovenwald herausgefunden, in dem man mit einem Motorboot Faun und Flora besonders nahe kommt. Leider kennt der Fahrer dieses Reservat nicht, fährt uns aber innerhalb einer halben Stunde circa 200 Meter weiter zum Tourismusbüro, wo man tatsächlich weiß, worum es uns geht. Eine Telefonnummer für die Buchung des Bootes haben wir auch erhalten. Weitere 30 Minuten, also 200 Meter später, sind wir dem Innenstadtgewühl entfleucht und fahren erstmal zu einer Tankstelle, weil das Taxi wohl nicht aufgetankt ist. Erstaunlicherweise tankt der Fahrer gerade mal fünf Liter. Das sollte uns zu denken geben, tut es aber nicht. Bevor wir weiterfahren, ruft er die angegebene Nummer an. Die Bestellung eines Bootes ist angeblich nicht möglich, weil alle Bootchen bereits in Betrieb sind. Also gut, Plan B. Der Fahrer fährt einfach seine Standard-Strecke. Die Fahrt führt durch eine sehr schön bewachsene Insel mit recht hübschen Häusern und Anwesen. Einmal dürfen wir aussteigen und einen Panoramablick genießen, bei dem man natürlich auch wieder „Mein Schiff“ sieht.
Das Abendessen ist heute richtig fein. Wir sitzen zusammen mit Maria und Jürgen im Restaurant „Atlantik“ (wie schon erwähnt hat das ca. 900 Sitzplätze, die über zwei Stockwerke verteilt sind) und genießen ein sechsgängiges Menu vom Feinsten, allerfeinsten Tischwein inklusive. Die Zeit vergeht wie im Fluge und ruckzuck ist es Zeit für die Abendunterhaltung.
9.1.2010
Heute ist mal wieder ein Seetag. Wir gondeln von La Romana in der Dominikanischen Republik nach Grenada. Und das ist nun mal ein Stück weit weg.
Ein Tag, an dem man schön faulenzen kann, wenn man das könnte. Ich habe heute morgen einen kleinen Auftrag für einen Lernkurs über das Europäische Wettbewerbsrecht gesprochen und in die USA geschickt, wo es – mit hübschen Powerpoint-Folien versehen – für unsere Heimat konfektioniert wird. Außerdem habe ich endlich mal ein Dutzend Bilder ausgesucht, in ein internetfreundliches Format umgewandelt und für den Einbau in diesen Blog gespeichert. Kann also nicht mehr lange dauern, bis man auch SEHEN kann, wo wir uns befinden. Die Eingabe der Inselnamen in „Google Earth“ ist übrigens auch eine gute Hilfe.
Da ansonsten außer der üblichen Völlerei nichts passiert, erzähle ich besser mal von GESTERN:
8.1.2010
Heute ist ja die erste Woche zu Ende. Einschifftag = Ausschifftag. Rund 600 Gäste verlassen mein Schiff (wie schnell sich das doch in die Umgangssprache einschmeichelt!) und machen Platz für mindestens 900 Neue. Ja, es wird langsam eng an Bord. Gleichzeitig ist das Durchschnittsalter dramatisch gestiegen. Die Generation der Rentenempfänger hat das Kommando übernommen. Gut, dass wenigstens das Personal sowie Daggi und ich den Durchschnitt noch dramatisch drücken. Na gut, Spaß muss sein.
Dann geht es in den landestypischen Supermarkt – ein vier Meter breites und zwei Meter fünfig hohes Reihenhaus, das bis in die kleinste Ecke mit Tinneff gefüllt ist. Natürlich auch mit Bernstein-Schmuck, der hier erstaunlicherweise weniger als ein Zehntel des Museumspreises kostet. Ob er echt ist, wissen wir nicht, aber die Finger unserer Liebsten zieren jetzt sogenannte Wende-Ringe. Man kann sie drehen und wenden, wie man will, sie zeigen mal einen Bernstein, mal einen anderen, blauen Stein namens „LARIMAR“, der hier auch massenhaft gefördert wird. Zum Schluss gibt es noch eine Kathedrale zu sehen, in der die wichtigsten Personen der „neuen“ DOM REP aufgebahrt sind. Unser genialer Führer, der übrigens ein wunderbares Englisch spricht, zeigt uns alle wichtigen Motive und macht auch selbst ein paar Bilder mit und für uns.
Schließlich landen wir noch in einer Depardence einer berühmten amerikanischen Kette, die keine Hamburger herstellt. Wo wir da waren und was wir da gekauft haben, bleibt aber bis zur Rückkehr ein Geheimnis. Ätsch.
Nach weiteren zwei Stunden im Taxi sind wir wieder auf dem Schiff. Die meisten Gäste sind inzwischen an Bord und fallen durch zwei Dinge auf: Zu dick angezogen und käsebleich. Außerdem sind sie eben viel älter.
Die rüstigen Reiseprofis sind aber in Vielem fitter als wir. Kaum, dass die Band zur Willkommensparty aufspielt, ist die Tanzfläche schon voll. Von „Gammelfleisch“ kann man da wohl kaum reden.
Deswegen fliehen wir auch gleich wieder ins Restaurant „Atlantic“, um uns aus den rund 14 angebotenen Delikatessen ein leckeres Menu zusammenzustellen.
Anschließend – in der dreistöckigen „Blaue Welt Bar“ – traue ich mich sogar mal paar Minuten an den Flügel, weil der diensthabende Pianist durch Abwesenheit glänzt. Hat Spaß gemacht, obwohl mir langsam wirklich die Übung fehlt. Wir vier trinken einen Cocktail und Daggi raucht mal wieder sehnsuchtsvoll eine Kippe.
Weiter geht´s in die „Aussicht Bar“. Ja, wenn man die Namen auf diesem Schiff so hört, muss man Humor haben. Es gibt nämlich auch noch eine „Überschau Bar“, eine „Abtanz Bar“, eine „Unverzicht Bar“, eine „Netz Bar“, eine „Nasch Bar“ und eine „Versteck Bar“. Ich kann mir gut vorstellen, wie die Verantwortlichen für die Namensgebung sich in einem dreitägigen Brainstorming die wunderlichsten Dinge aus dem Schädel gesaugt haben, ohne zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. Erst, als der Chef „Haschisch für Alle“ freigibt, sprudeln die Einfälle wie verrückt. Leider ist der Chef selbst wohl auch völlig zugedröhnt, als er den Unsinn abzeichnet.
Egal, man gewöhnt sich an Alles.
Noch ein letztes Glas im Freien im „Tapa Y Mas“ und das Bett schreit nach uns…
10.01.10
Highlight des Tages ist eine Tour durch Grenada. Auch diesmal haben wir uns dazu entschlossen, das überteuerte Angebot von TUI (89.- Euro pro Person) zu ignorieren und stattdessen auf eigene Faust die Insel zu erobern. Haben die Engländer, Russen, Amerikaner etc. ja auch nicht anders gemacht. Um an Land zu kommen, müssen wir diesmal aber „tendern“, wie der Fachmann sagt. Unser Schaluppe ist nämlich zu groß, um ganz vorne im Hafen anlegen zu können. Achteinhalb Meter Tiefgang hat der Kahn, einen halben Meter zu viel für den letzten noch freien Ankerplatz im Hafen. Die anderen Kolosse waren nämlich schneller – drei weitere Kreuzfahrtschiffe spucken bereits in großem Bogen Passagiere aus ihren Bäuchen. Die Übersetzung an Land, also das besagte „Tendern“ wird mit ein paar der vielen Rettungsboote, die unser Schiff hat, bewerkstelligt. So lernen wir unsere Lebensretter in einem etwaigen Notfall auch mal von innen kennen. Sehr ordentliche Boote, die sogar Ruder an Bord haben, falls der Motor schlapp macht. Die Überfahrt dauert zwanzig Minuten und bringt uns in den Hafen von Grenada, Georgetown. Schnell finden sich 15 Leute zusammen, die für 20.- US-Dollar pro Person von unserem eingeborenen Tourguide GLENN die spannenden News der Insel aufsaugen. Das größte Drama von Grenada war ein verheerender Hurrikane im Jahr 2004, der 90% aller Häuser der Insel dem Erdbeben gleich machte. Auf unserer Tour haben wir einige Ruinen gesehen, bei denen nur noch das Bad und die Toilette übrig geblieben waren, weil dies die beiden einzigen Räume aus Beton waren. Alles, was aus Holz war, ist weg geflogen. Erstaunlicherweise wurde die Insel – mit viel Geld der internationalen Staatengemeinschaft – wieder fast vollständig aufgebaut. Unser Fahrer erinnerte auch an den Krieg, bei dem die USA (war es 1984?) das Land von den Russen befreit hat. 2000 Jungs sind da an einem Tag gestorben. Ein paar hundert Jahre vorher, als die Engländer mit Kanonen auf Macheten zielten, waren das noch ein paar mehr. Um der Sklaverei zu entgehen, stürzten sich die Überlebenden wie die Lemminge von einem hohen Felsen in die Tiefe. Inzwischen ist Grenada unabhängig und selbstständig, was man sofort an der befreienden, lockeren Lebensweise der Bewohner merkt. Hier fließt fast ausschließlich karibisches Blut in den Adern – und das hat es in sich. Die Wirtschaft brummt, vor allem durch den Verkauf von Gewürzen und Rum. Und so ist die Vorstellung der inseltypischen Gewürze auch Teil des Ausflugsprogramms. Wir kaufen dann gleich mal einen Jahresvorrat ein. Weiter geht es zu einem Wasserfall, an dem sich mutige junge Männer – gegen Dollars – vom Felsen ins Wasser stürzen. Wir sehen Männer mit Äffchen auf der Schulter, Gürteltieren im Arm oder Riesengeckos am Armband. Frauen tanzen und singen, obwohl sie einen Riesenhut voller Bananen und anderen Früchten auf dem Schädel balancieren. Die Gewürzhändler verfolgen uns an jeder Station, an der wir halt machen. Alle wollen unser Bestes – den Dollar. Und weil alle gut drauf sind, verdienen die eigentlich bemitleidenswerten Folkloredarsteller reichlich viel davon. Was langfristig dazu führt, dass irgendwann gar niemand mehr arbeitet. Die Geschäfte sind jedenfalls alle zu, was aber wohl eher mit dem heutigen Wochentag, dem Sonntag zusammenhängt.
Und so geht das munter weiter. Als letzte Station vor der Rückfahrt werden wir noch für ein paar Minuten an einen wunderschönen Strand entlassen. Jürgen hat seine Badehose mitgenommen und nutzt die wenigen Minuten für einen Quickie im Meer. Also ohne Maria, aber mit Wasser. Danach geht´s zurück in den Hafen, wo vor unseren Augen gerade ein Tenderboot ablegt. Das nächste ist aber schon da. Weil wir denken, das dauert jetzt ´ne Ewigkeit, bis da genügend Leute für die Rückfahrt eintrudeln, bummeln wir noch ein bisschen durch die Touri-Läden im Hafen. Schwupps fährt auch dieses Boot vor unseren Augen halbleer weg. Das Dritte haben wir dann gekriegt und es gelingen spektakulär schöne Aufnahmen von unserem Schiff:
Und so leise regt sich unser Öko-Gewissen. Kann es in Ordnung sein, dass ein paartausend Wohlbetuchte abertausend Kilometer durch die Welt fliegen, um mit einem Megadampfer, der nicht gerade als Spritsparer verschrien ist, sinnlos in der Karibik hin- und herzufahren sowie Jeeptouren durch uns unbekannte Eiländer zu unternehmen, die dazu führen, dass die Bewohner der Inseln sich lieber zum Kasper machen als einer anständigen Arbeit nachzugehen? Ist es nicht geradezu perfid, dass das an Bord gereichte Sprudelwasser aus Gerolstein in Deutschland kommt und nicht aus den sicher nicht schlechteren Brunnen der besuchten Inseln? Ist es wirklich nötig, dermaßen viel CO2 in die Luft zu blasen, nur damit wir unseren Bauch auch im Winter, wenn es schneit, in der Sonne brutzeln lassen können? Hat die Evolution wirklich vorgesehen, dass wir mit Höchsteinsätzen Schiffe bauen, die nur dem Zweck dienen, uns das Leben so bequem wie möglich zu machen? Müssen wir wirklich jeden Ort der Welt persönlich gesehen haben? Eine Folge „Wunderbare Welt“ im ZDF bringt doch da sehr viel mehr (- vor allem, wenn ich sie gesprochen habe -) und kostet am Ende sehr viel weniger (vor allem, wenn ich sie gesprochen habe, leider).
Die Antwort ist natürlich: „JA!“
Im Moment sind es minus 15 Grad in Deutschland und Europa versinkt im Schnee. Anscheinend klappt das mit der Klimakatastrophe im Moment nicht so dolle wie versprochen, denn es sollten ja eigentlich Plusgrade herrschen, bedingt durch die schonungslose Luftverpestung durch CO2-Gase. Und warum wird es nicht wärmer? Weil immer noch viel zu wenig Leute in die Karibik fliegen und sinnlos Umweltgase erzeugen. Das funktioniert erst bei einer bedeutend höheren Fallzahl. Wäre das Schiff ausgebucht, wären sicher schon -10 Grad…
*** Ende des Satirebeitrags***
Übrigens, mal so am Rand: Die Umweltabgabe, die wir in Deutschland brav an den Staat abführen, wird nur zu 5 % für die Weiterentwicklung alternativer Energien verwendet – 90% dienen dazu, die Rentenbeiträge künstlich tiefer zu halten, um damit den „Produktionsstandort Deutschland“ für Unternehmer attraktiver zu machen.
Um halb sieben treffen wir uns wieder mit Maria und Jürgen zum Abendessen. Vorher kaufe ich mir in einer der ca. 20 Boutiquen an Bord noch eine Hose, die aber leider nicht passt, wie sich später herausstellt. Ich beginne bereits, den Chefkoch zu hassen, bestelle aber erst mal die Karte hoch und runter. Meine Süße nimmt immer noch nicht zu, obwohl sie genauso viel isst wie ich. Das ist ziemlich ungerecht.
Nach dem Essen spielen wir BINGO. Maria gewinnt das erste Spiel, einen Trostpreis und Daggi fehlt beim Hauptspiel (Full House) nur noch eine Zahl. Ich bin chancenlos. Die zehn Euro Einsatz müssen wir leider abschreiben. Das Nachtprogramm beginnt sich zu wiederholen – heute ist wieder die Travestieshow dran, die allerdings auch ganz hervorragend ist. Ich erfahre, dass das Showteam Anfang nächster Woche ausgewechselt wird. Hoffentlich sind die Neuen genauso gut. An Bord sind sie bereits und schauen sich jeden Tag die Arbeit ihrer Kollegen an.
Neu ist auch die Band im „Tapaz Y Mas“. Das Jazztrio „Voodoolulu“ besteht aus einem Gitaristen, der aus Mozambique kommt, einem Bassisten aus New York mit einem richtigen Standbass und dem Drummer und Sänger aus Berlin. Und genau dort haben sich die drei auch getroffen und ihre sehr schöne Jazz/Raggae-Musik kultiviert. Wir bleiben bis Mitternacht.
Spätes Frühstück. Daggi hat heute morgen „nur“ zwanzig Runden geschafft. Ich habe dafür eine Runde länger geschlafen. Es muss sich halt alles ausgleichen.
Inzwischen sind wir in BARBADOS angekommen. Maria und Jürgen wollen an den Strand, wir ziehen eine weitere Inselbesichtigung vor. Diesmal wird es nicht so einfach, Mitreisende zu finden, da die Meisten schon an Land sind. Schließlich müssen wir zu viert mit einem alten, klapprigen Toyota-Taxi mit durchgesessenen Sitzen vorlieb nehmen. PETER, unser Fahrer und Guide, erklärt uns die Insel in dem typischen Pidgin-Englisch, das sich hier breitgemacht hat. Zunächst fahren wir in die noblen Vorstraßen der Hafenstadt, wo ein kleines Grundstück am Meer schon eine Million Dollar kostet. Wir fahren über Golfplätze, die das Ausmaß eines kleinen Bundeslandes haben und sehen Villen, in denen unter anderem Paul McCartney, Cliff Richard und Celine Dion ihr klägliches Dasein fristen müssen. Irgendwelche, mir unbekannte englische Sportler haben ganze Villendörfer hochgezogen, um betuchte Promis an Land zu ziehen. Kurzum, eine Gegend, in der ich auf keinen Fall wohnen will. Wir stoppen an der ältesten Kirche der Insel aus dem Jahre 16hundertweißnichtmehr, in der schon die Kennedys, die Reagens, Kofi Annan und auch Cliff Richard gesessen haben. Ich teste mal spaßeshalber den Sitz, auf dem Reagan saß, es ist aber bisher kein böser Virus auf mich übergesprungen. Einen weiteren Stopp machen wir auf dem höchsten Punkt der Insel, so ca. 300 Meter über Null. Ja, das ist ein schöner Ausblick. Braucht man aber nicht unbedingt. Während auf der einen Seite der Hafenstadt, die Seite mit den Luxuswohnungen, keinerlei Nachtleben erlaubt ist, übertrifft man sich dafür auf der anderen Seite. Die Kneipen, Restaurants, Nachtbars und Discotheken schließen erst morgens um sechs. Da sind wir doch längst wieder an Bord!
Eigentlich wollen wir nach der drei-Stunden-Tour noch einmal durch die Hafenstadt Bridgetown bummeln, aber ein plötzlich einbrechender Platzregen macht uns einen Strich durch die Rechnung. Ich wechsele noch schnell ein paar „Barbados-Dollar“ ein, um den Fahrer zahlen zu können, und wir beenden den Rundgang mit einem weiteren lokalen Bier, das meine Süße mit Kennerblick bestellt. Ich höre meinen Anrufbeantworter ab, führe ein paar Gespräche und lese verwundert, dass meine Auslandstelefonate bereits mehr als 120.- Euro gekostet haben. Gut, dass es das Internet gibt, sonst wäre ich verloren…
12.01.10
Heute legen wir in St. Lucia an. Zusammen mit Maria und Jürgen wollen wir mal wieder auf eigene Faust das Landesinnere erkunden. Nach langen, zähen Verhandlungen steigen wir bei „POPO“ in den Bus. Der heißt wirklich so und ist – wie alle Touristenführer auf diesen Inseln – sehr freundlich zu uns. Der 16-Sitzer bleibt ansonsten leer, da er keine weiteren Fahrgäste findet. Die Fahrt ist sehr angenehm, da Popo auch ein sehr gepflegtes Englisch spricht und uns viel über die Insel erzählen kann. St. Lucia (sprich „Saint Luuschia) ist seit 1979 selbstständig, gehört aber noch dem britischen Commonwealth an. Entsprechend streng sind hier die Gesetze. So darf man erst mit 35 Jahren Taxifahrer werden. Regelmäßige Prüfungen und eine doppelte KFZ-Versicherung sollen sicherstellen, dass es den Gästen an nichts mangelt. Popo klappert zunächst die üblichen Aussichtsplattformen ab und fährt uns dann direkt in einen Regenwald, in dem wir eine Art Freilicht-Naturkundemuseum besuchen. Alle Mitarbeiter, sogar Popo und der Tourverkäufer im Hafen, sind mit der Besitzerin des Museums irgendwie verwandt. In 45 Minuten lernen wir alle Pflanzen kennen, die hier auf der Insel wachsen. Wir kosten eine Unmenge an Früchten und dürfen sogar das Brot probieren, dass uns die Chefin extra gebacken hat. Wir erfahren, wie die Ureinwohner früher in ihren Hütten gewohnt haben und erhalten am Ende der zu Fuß durchlaufenen Tour auch noch was zu trinken. Es war einfach beeindruckend und die 25 Dollar Gesamtkosten pro Nase allemal wert. Der nächste Stop führt uns in ein runtergekommenes Strandrestaurant mit der Möglichkeit, hier baden zu gehen. Dazu hat aber niemand der Teilnehmer Lust. Maria möchte gerne wieder an Bord, während Daggi und ich noch zu Fuß die Hafenstadt durchkämmen. Wir kämpfen uns durch Dutzende von Souvenirläden, ohne irgendwas zu finden, das uns oder unsere Freunde erfreuen würde. Die Stadt selbst ist auch ganz winzig – trotz immerhin 17.000 Einwohnern. Parlament, Gerichtsgebäude, ein kleiner Park, ein Kaufhaus, das war´s mehr oder weniger. Netbooks kosten hier stolze 899 US-Dollar, also mehr als das Doppelte wie zuhause. Als wir merken, dass wir immer wieder an denselben Stellen aus der relativ jungen Stadt ( Anfang der 1920iger-Jahre wiederaufgebaut) herauskommen, laufen wir den langen Weg zum Schiff in praller Sonne mit einigen Wolken-Unterbrechnungen. Diese Lauferei gehört nicht zu meinen Lieblingsbewegungen. Durch Hitze, Reibung und weitere Einflüsse, auf die ich keinen Einfluss habe, wird´s ein bisschen feucht in der Hose, wenn Ihr wisst, was ich meine. Charlotte Roche hat in ihrem Buch „Feuchtgebiete“ wohl schon genug darüber geschrieben, sodass ich das jetzt nicht weiter ausführen muss. Eine Dusche später ist das aber schon wieder Vergangenheit.
Spätes Mittagessen am Pool. (Hatte ich erwähnt, dass es auf dem Schiff 24 Stunden was zu Essen gibt?). Danach rumgefaulenzt und viel gelesen. Ja, ich habe endlich mal Zeit, ein Buch zu lesen. Das zweite sogar schon. („Die verblödete Republik – wie uns Medien und Politiker für dumm verkaufen“). Deswegen auch so lange schon keine Fortsetzung des Blogs. Diese Zeilen schreibe ich am 14.1.2010.
Abends das übliche Programm – allerdings ohne Theater. Die Damen und Herren haben ihren freien Abend. Stattdessen Poolparty mit den „Shipping Wizzards“ aus Tschechien. Wir verziehen uns ins „Tapa Y Mas“ und hören 30-minütigen Improvisationen von „Sunny“ zu. Gegen Mitternacht ab in die Koje.
13.10.2010
Mit Entsetzen hören wir von dem Erdbeben in Haiti, das eine Menge Menschenleben gekostet haben soll. Wir sind rund 900 km vom Zentrum des Bebens entfernt. Eine Tsunami-Warnung verunsichert uns dennoch. Aber der Kapitän beruhigt die Gäste über die Hausanlage. Das Schiff ist Tsunami-sicher. Es kann uns nicht das Geringste passieren. Wir bleiben den ganzen Morgen an Bord, weil wir für die letzte Insel unserer Rundreise, ANTIGUA, eine Katamarantour mit Schnorcheln gebucht haben. Um 13.15 Uhr, nach einem leichten Mittagessen, klettern 45 Teilnehmer auf das weiße Segelschiff, das aber heute mit Motorkraft fährt. Gleich nach dem Ablegen werden die Schwimmflossen zugeteilt, passend zur jeweiligen Schuhgröße. Bis auf Maria und mich sowie drei Crewmitglieder machen auch alle mit. Ich habe ja, wie schon berichtet, einen Heidenrespekt vor irgendwelchen Korallenriffen. Und tatsächlich haben sich auch einige der Touristen irgendwo verletzt und bluten ein bisschen. Daggi ist die Erste im Wasser und genießt das Tauchen ungemein, auch wenn nicht sonderlich viel zu sehen ist. Ein besonders kurzfüßiger Mann beschwert sich später auch noch lautstark, dass dies ein völlig unbrauchbarer Ausflug sei. Alle anderen haben allerdings viele Fische und Korallen gesehen und sind sehr zufrieden. Mann kann´s halt nicht allen recht machen. Wieder an Bord, gibt es erstmal Rum mit Cola (70:30) und ein paar Häppchen zu essen. Wir schippern weiter an eine der 365 Sandstränden der Insel. Ein Teil der Gäste schwimmt an Land, so auch Daggi. Ich habe auf den Rucksack aufzupassen sowie die Kameras in der Hand und muss daher mal wieder „tendern“. Das Schlauchboot fährt zweimal, um alle Gäste sicher an Land bringen zu können. Nach einem ausgiebigen Bad geht´s dann nach insgesamt drei Stunden wieder zurück zum Schiff. Die Crew dreht noch mal gewaltig auf, tanzt Limbo und singt zur lauten Reggae-Musik, die an Bord ertönt. Ein einfach wunderbarer Ausflug. Hier wollen wir gerne nochmal einen Urlaub verbringen, auch wenn wir von der Insel sonst eigentlich gar nichts gesehen haben.
20:30 Uhr Bingo. Diesmal gewinnt Jürgen die vier Ecken und Maria den Hauptpreis. Mir fehlt nur noch eine Zahl. Mist.
21:30 Uhr Theater. „AQUA“ heißt die heutige Show, die wiedermal ganz besonders gut gelungen ist. Perfekte Choreografie, supertolle Kostüme und absolut stimmiger Gesang. Eine handsignierte CD mit der extra hierfür komponierten Musik kann man im Anschluss erwerben. Auch die Schiffshymne „Oceans of Love“ ist darunter. Man gewöhnt sich selbst daran.
Maria und Jürgen sind müde und verabschieden sich; wir gehen wie üblich nochmal ins „Tapaz Y Mas“, wo gerade eine kostenlose Tapas-Verköstigung stattfindet. Nach dem zweiten Teller(chen) winken wir übersättigt ab. Wir hatten ja schon ein 6-Gänge-Menü.
Um die Kalorien wieder abzubauen, schauen wir mal in der „Abtanz Bar“ vorbei. Es ist zwar recht gut besucht, aber er DJ muss noch viel lernen. So eine krude Musikmischung habe ich schon lange nicht mehr ertragen müssen. Daher also baldige Bettruhe.
14.01.2010
Schiffstag. Letzter kompletter Ferientag. Morgen Nachmittag fliegen wir zurück. Schade.
Wir stehen spät auf, bekommen aber noch ein Frühstück im Anckermannsplatz. Daggi hat heute wieder nur 20 Runden geschafft und ich habe einen dicken Kopf. Vermutlich vom Rum auf dem Katamaran. Nach dem Lesen und Beantworten der aktuellen eMails springen wir in den Pool. Ich bereits zum dritten Mal!
Danke übrigens allen, die sich Sorgen um uns gemacht haben, aber die Angst war, wie schon geschrieben, unbegründet. Heute Abend findet die Verlosung einer von den Offizieren unterschriebenen Schiffskarte statt, deren Erlös nicht wie sonst an eine spezielle Einrichtung für das Personal geht, sondern diesmal einer Hilfsorganisation in Haiti gespendet wird. TUI Cruises verdoppelt den eingegangenen Betrag und legt außerdem nochmal 3000.- Euro obendrauf. Daraufhin haben wir uns natürlich auch gleich Lose gekauft.
Zum Mittagessen waren wir diesmal auch im Restaurant ATLANTIK und waren erstaunt, dass da gerade mal ein Dutzend Gäste zu finden waren. Das drei bis viergängige Menü war leicht und sehr bekömmlich. Daggi hat sich einen „Locker“ gemietet, in dem wir morgen bis zum Flughafentransfer unser Handgepäck verstauen können. Sehr praktisch.
Unser Los hat natürlich nicht gewonnen. Macht auch nichts, war ja für einen guten Zweck. Der Gewinner der Seekarte hat den Preis übrigens gleich wieder gestiftet, damit noch mehr Geld zusammenkommt. Auch bei der zweiten Ziehung – abends im Theater nach der supertollen Schlussshow – gehörten wir nicht zu den Gewinnern. Die Hilfsorganisation „CARE“ schon – fast 10.000 Euro sind es letztendlich geworden.
Wir gehen nach der Ziehung in unsere Kajüte und packen unsere Koffer. Ist alles von Daggi schon perfekt vorbereitet worden, sodass wir nur 20 Minuten brauchen. Um 23.00 Uhr treffen wir nochmal Maria und Jürgen auf einen Absacker. Wir müssen heute früh zu Bette, denn der Wecker klingelt schon um halb acht.
15.01.10
Der Flug verläuft wieder wunderbar ruhig und wir beiden können einige Stunden „vorschlafen“. In Frankfurt schnappen wir uns die S-Bahn und fahren bis Friedrichsdorf. Es steht tatsächlich sogar ein Taxi am Bahnhof. Man muss auch mal Glück haben…
FAZIT:
Abgesehen von dem tragischen Erdbeben in Haiti, dessen Ausmaß erst jetzt so langsam bekannt wird, war es ein wundervoller Urlaub. „CARRIBEAN HARMONISTS“ habe ich den Blog getauft – und tatsächlich gab es weder Streit noch schlechte Launen. Und das ist doch schon mal sehr positiv für den ersten gemeinsamen Urlaub. Die Karibik ist wunderschön; zwei oder drei Inseln wollen wir noch einmal für einen ganzen Urlaub besuchen: ANTIGUA und DOMINICA haben es uns sehr angetan. Aber wohnen oder gar unseren Lebensabend dort verbringen wollen wir nicht. Da fehlt doch noch gewaltig viel Infrastruktur. Und die ständige Angst vor Erdbeben oder Vulkanausbrüchen macht selbst Kurzurlaube zum Abenteuer.
Über „Mein Schiff“ kann man nur das Beste sagen. Große Klasse! Das begeisterte, freundliche Personal, die tollen Shows, das unglaubliche Essen (Meine Süße und ich haben beide je 3,1 kg zugenommen…), die günstigen Preise für zusätzliche Getränke oder Cocktails verdienen jeweils nur Bestnoten. 261 Meter Länge, 32 Meter Breite und 77.000 Bruttoregistertonnen lassen viel Platz für persönlichen Freiraum.
Und damit will ich diesen Blog beenden. Die Kommentarfunktion ist jetzt endlich funktionsfähig. Natürlich werde ich den Text hier und da noch mal ergänzen, verbessern oder ändern. Es wird weitere Bilder geben. Es schadet also nichts, den ganzen Text demnächst nochmal von vorne zu lesen. Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie übrigens gerne behalten.
Danke fürs Mitlesen und Eure Kommentare. Und zum Schluss will ich endlich auch noch die am häufigsten gestellte Frage beantworten: Nein, man wird nicht seekrank. Selbst bei rauher See liegt der Kahn seelenruhig im Wasser.