Überlebenstraining in Ägypten

Eigentlich wollte ich ja gar nicht weg. Zuhause hat der Mensch doch alles, was er braucht. Eine warme Heizung, viele gute Restaurants, nette Freunde, ein eigenes Auto, schnelles WLAN, einen großen Flatscreen und immer die passende Kleidung.

Eigentlich die besten Voraussetzungen, Weihnachten 2014 in den eigenen vier Wänden zu verbringen. Allein. Mit dem Flatscreen. Nach drei Tagen war ich dann soweit, nach Last-Minute-Angeboten zu suchen. Bei Thomas Cook wurde ich fündig: Eine Woche Hurghada in einer Vier Sterne-Anlage, all inklusive, für nur 654.- Euro. Vom 1. bis 8. Januar 2015. Eine Öger-Reise von Condor oder so ähnlich. Irgendwie sind die ja inzwischen alle miteinander verbrüdert, die Neckermänner und Bucher-Reisen eingeschlossen. Laut Wetterbericht sind es im Januar in Hurghada 25 Grad am Tag und 14 Grad in der Nacht. Wie sich zeigen sollte, muss man diese Werte halbieren.

Aber der Reihe nach. Als Bezahlart wählte ich „SEPA-Überweisung“, weil das ja in Europa ab sofort das Zahlungsmittel der Wahl sein sollte. Leider hatte das ein paar Nachteile, die meinen Urlaub fast noch in Frage gestellt hätten. Ich erhielt zwar eine Bestätigung über die Buchung der Reise, wurde aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Reisekosten erst am 5. Januar von meinem Konto abgebucht würden. Da wähnte ich mich aber schon lange am Strand. Da ohne Zahlung aber kein Abflug erfolgen könne, gab es da ein kleines logistisches Problem. Darauf angesprochen, beruhigte mich „Last minute.de“ (wo ich gebucht hatte), dass schon alles in Ordnung wäre. In der Reisebestätigung, die von ÖGER kam, fehlten dann aber prompt die Flugscheine und der Hotelgutschein, da ich ja noch nicht bezahlt hätte. Also wieder angerufen, wieder gemailt, wieder vertröstet worden. Irgendwie haben die das logistisch noch nicht im Griff, Zahlungen per SEPA abzulehnen, wenn der Reisetermin bereits vor dem Abbuchungstermin liegt. Am Tag vor dem Abflug kam dann eine neue Reisebestätigung, diesmal mit den Flug- und Hotelgutscheinen. Allerdings stand auch hier wieder im Text, dass die Reise noch nicht bezahlt sei und ich nur fliegen könne, wenn ich eine Überweisungsbestätigung vorweisen könne. Erneute Rückfrage. „Das steht nur so da, das hat bei Ihnen keine Bedeutung“, bedeutete man mir, langsam genervt. „Warum schreiben Sie es dann?“ – „Das ist halt so, das geht alles automatisch.“ Moderne EDV eben. Es klappte dann alles problemlos. Zumindest was den Flug anging.

Der Abflug verzögerte sich etwa eine halbe Stunde, weil die Maschine noch nicht fertig war. Wir saßen direkt neben der 737-300 im Zubringerbus und schauten zu, wie die Abdeckungen der Triebwerke entfernt wurden und die Maschine so langsam flugfertig gemacht wurde.

Der Flug selbst startete morgens um kurz nach elf und dauerte vier Stunden und zehn Minuten. Zu essen gab es genau ein Pumpernickel-Käse-Sandwich. Zu trinken zwei kleine Becher Wasser. Kurz vor der Landung spendierte Condor den Passagieren ein Glas Sekt, weil es ja Neujahr war. Ich habe dankend verzichtet, weil mir die Silvesterparty vom Vorabend noch ein wenig in den Gliedern steckte.

Bei Condor lässt´s sich prächtig speisen

Nach der Landung war es dann vorbei mit der deutschen Pünktlichkeit. Zunächst wurden wir – nach Reiseunternehmen getrennt – zu einem Schalter geführt, an dem jeder 26.- Euro für ein Touristenvisum zahlen musste (2012 hatte das noch 15 Dollar gekostet!). Dann eine weitere, ewig lange Schlange an der Passkontrolle. Von den 12 Stationen waren nur vier besetzt, was zu einer Wartezeit von ca. 40 Minuten führte. Bis wir dann endlich von einem Zubringerbus zu den Hotels gefahren wurden, waren schon wieder 1,5 Stunden vergangen. Der Bus fuhr zick-zack durch Hurghada und setzte mich als Vorletzten vor dem Smartline Colour Beach-Hotel ab. Mein Koffer wurde auf dem Dach des Kleinbusses transportiert und war bereits sehr sandig, denn ein unangenehmer, eiskalter Wind mit feinem Sand fegte durch die Straßen.

 
Weihnachten auf Ägyptisch

Das Empfangsgebäude des „Smartline“ war winzig. Es enthielt die Rezeption, eine kleine Bar mit etwa 20 Sitzplätzen (alle völlig durchgesessen!) und eine Toilette. Meinen Koffer stellte man vor der Tür ab („…da passiert nix!“) und bat mich, erst einmal etwas essen zu gehen. Das wollte ich gerne, aber das direkt neben der Lobby liegende Restaurant war leider bis auf den letzten Platz besetzt. Es war halt nicht sonderlich groß. In den beiden angebauten Zelten im Freien waren zwar noch Plätze frei, aber hier hatte der Wind das Sagen, so dass ich wieder zurück an die Rezeption ging, um mir erst mal mein Zimmer anzusehen. Und da gab es dann doch Probleme. Ich hatte zwar den Voucher, also den Hotelgutschein, war aber dort nicht als Gast angemeldet. Kein Wunder, ich hatte ja auch laut System noch immer nicht bezahlt. Es dauerte weitere zwanzig Minuten und einige Telefonate, bis ich endlich ein Zimmer zugeteilt bekam. Mein Koffer war tatsächlich noch nicht geklaut worden, so dass mich Ashrad, der Kofferjunge, für zwei Euro Trinkgeld zu meinem Domizil begleitete. Hinter dem Empfangsgebäude begann erst die eigentliche Anlage, die aus insgesamt sechzehn Gebäuden bestand.

 
Lageplan der Anlage. Der blaue Kreis ist die Lobby. Das runde Ding rechts daneben ist der abendliche Veranstaltungsraum. Mein Apartment liegt etwa zwei Zentimeter nord-westlich von dem blauen Kreis in einem der vier Blocks.

Die vier Gebäude, die zum „Smartline“ gehörten, waren dreistöckig und beinhalteten 45 Apartments pro Block. Die anderen 12 Bauten gehörten zum Hotel „Festival“, das sich mit dem „SMARTLINE“ denselben Eingang teilte, ansonsten aber völlig unabhängig war. Na ja, nicht ganz, aber das erfuhr ich erst später. Die Zimmer waren recht ordentlich. Offenbar hatte man die Räume erst kürzlich neu angestrichen, was man an den Übergängen zu den Fußböden gut sehen konnte, weil dort so mancher Pinselstrich daneben ging. Leider hatte man vor dem Streichen die alte Farbe nicht entfernt, sodass an vielen Stellen die neue und die alte Farbe gemeinsam abblätterten. Ein 19-Zoll AKAI-Röhrenfernseher empfing immerhin 16 Programme, darunter auch drei deutsche. Ein Tresor fehlte leider, was hinsichtlich meines elektronischen Fuhrparks recht problematisch war. WLAN ging blöderweise auch nicht, was mich zu einem weiteren Gang an die Rezeption veranlasste. Der einzige Mitarbeiter war völlig überfordert. Erst nach 20 Minuten hatte er ein wenig Zeit für mich. Er hatte meinen Namen falsch in den Computer geschrieben. Da das Passwort aus dem Nachnamen des Gastes bestand, konnte ich nicht ins Netz kommen, das zwar einen hervorragenden Empfang signalisierte, aber ansonsten lahm wie ein Modem aus der guten alten Zeit war. Nachdem ich auch dies überstanden hatte, konnte ich endlich meine E-Mails checken, die am 1. Januar naturgemäß nur aus den üblichen Fishingmails bestanden („Ihr PayPal-konnto wurden gesperrt“ – „1000 Dollar gescenkt für Kasino-besuch!“). Leider klappte das mit den Mails nur in eine Richtung. Versenden konnte ich nichts, da die Maileinstellungen des iPads falsch eingestellt waren. Bis ich das geregelt hatte, war ich am Verhungern.

Blick aus dem Balkon auf den Pool und das dahinter liegende Meer.

Inzwischen waren ein paar Plätze frei geworden und ich suchte mir ein paar leckere Dinge aus: Hähnchen, Gemüse und Reis. Dazu ein Glas Weißwein. Wenn das Essen so warm gewesen wäre wie der Wein, hätte es ein schöner Abend werden können. Aber dieses Problem ließ sich die ganze Woche nicht aus der Welt schaffen: Das Essen war genau so lauwarm wie der Wein. So verzog ich mich wieder in die kleine Lobby-Bar nebenan und las in irgendeinem Buch weiter, das ich schon zu Hause begonnen hatte. (Wenn ich sage, „ich las in einem Buch“, meine ich natürlich, dass ich das Buch im iPad gelesen habe. „Echte“ Bücher schleppe ich schon lange nicht mehr mit mir rum.) Um halb zehn sollte in der Rezeption des Nachbarhotels „Festival“ eine „tolle“ Animation stattfinden. Nachdem ich mir den Raum und die Leute angeschaut hatte, bin ich wieder zurück in die Bar und habe das Buch fertig gelesen, den einen oder anderen warmen Wein dazu schlürfend.

Die Leute. Was waren da im „Festival“ für Leute? Tja, was soll ich sagen? Vielleicht, dass es ganz so aussieht, als wäre Ägypten inzwischen auch von Russland annektiert worden? Kein Geschäft ohne russische Leuchtreklame, kein Ägypter ohne feinste russische Sprachkenntnisse, kein Tisch ohne deutlich slawische Gesichtszüge. Deutsch sprechen auch noch die meisten, aber bei Englisch sieht es schon mau aus. Und mit Arabisch tun sich die Gäste in der Regel schwer. Ich saß inzwischen an einem Tisch mit einer nett aussehenden Dame mittleren Alters, die alle zwei Minuten ihr Galaxy-Handy auf Nachrichten überprüfte und ansonsten in einem Buch las. Ab und zu musste sie mal auf die Toilette und bat mich, solange auf ihre Sachen aufzupassen. Auf Russisch natürlich. Ich habe es aber dennoch verstanden. Als ich mit meinem Buch durch war, bin ich auf mein Zimmer gegangen. Die Uhrzeit ist um eine Stunde gegenüber Deutschland verschoben. Um Mitternacht, also 23.00 Uhr deutscher Zeit, begann ich – nach einigen Comedy-Folgen auf „Comedy Central“ – die Nachtruhe. Das Bett war ziemlich hart und daher ideal für meinen Rücken. Ich bin trotz meines eiskalten Zimmers irgendwann eingeschlafen. Die Nachtruhe wurde zwar durch ein paar nächtliche Feuerwerke und den pfeifenden Wind des Öfteren unterbrochen, aber das war mir irgendwann egal.

Blick auf den beheizten Pool.

Frühstück gab es bis zehn Uhr. Ich hatte mir leichtsinnigerweise kurze Hosen und ein Poloshirt angezogen. Auf dem Weg zum Restaurant wurde ich von Sturmböen der Windstärke zehn fast umgerissen. Gefühlt waren es ca. 2 Grad plus. Im Restaurant waren inzwischen wieder viele Plätze frei, sodass ich gemütlich frühstücken konnte. Ich hatte mir ein Omelette braten lassen und dazu einen Kaffee getrunken. Danach kämpfte ich mich bei starkem Gegenwind wieder zurück in mein Zimmer und zog mich winterfertig um. Es wurde Zeit, das Gelände zu erkunden. Und das war ja riesengroß. Schätzungsweise einen Quadratkilometer groß. Die Gartenanlage war sehr schön angelegt, und der Pool lag einsam und verlassen direkt vor dem großzügigen Strand. Es gab eine Bühne, eine weitere Bar und viele Sitz- und Liegeplätze. Was es nicht gab, war Sonne. Trotzdem lagen ein paar Unverbesserliche im Badezeug auf den Liegen und saugten jeden einzelnen Sonnenstrahl auf, der ab und zu durch die Wolkendeckte blickte. Nun gut, wer aus Sibirien kommt, könnte so ein Wetter himmlisch finden. Ich drehte eine große Runde, wurde mehrmals aufgefordert, mir eine Massage zu gönnen (was ich todsicher vermeiden werde!) und landete schließlich wieder in der Bar an der Rezeption, wo ich einen weiteren Kaffee einnahm, der sehr lecker schmeckte. Es war viertel vor zwölf, und der Tag hatte quasi erst angefangen. Am Nachbartisch saßen ein paar Deutsche mit sächsischem Idiom und verdrückten ein paar Gläser Bier. Mit an meinem Tisch saß ein älteres amerikanisches Paar, die beide ununterbrochen auf ihrem Handy rumtippten. Ich beschloss, ein neues Buch anzufangen.

Rolf Dobellis „Kunst des klugen Handelns“ hatte ich zwar schon mal gelesen, aber angesichts der wenigen Optionen, die ich hier hatte, war es sicher eine kluge Handlung, dieses Buch nochmals durchzulesen. Unterbrochen durch zwei Speisungen im mittlerweile nur noch halb gefüllten Speisesaal und einem weiteren Spaziergang bei Windstärke zehn hatte ich das Buch bis zum Abend durch. Gerade rechtzeitig, um mir auf der Bühne des Haupthotels eine landestypische „Oriental-Show“ anzutun, bei der ein bisschen Bauchtanz und fliegende Röcke die russischen Fans zum Kochen brachten. Bevor das alles in Ekstase ausartete, verzog ich mich wieder in die kleine Bar in „unserem“ Empfangsgebäude. Langsam erkannte ich, dass manche Russen gar keine Russen, sondern Bayern waren. Ich konnte sogar ein paar Worte mit einer jungen Deutschen reden, die wohl drei Jahre lang in Hurghada in irgendeinem Luxushotel gearbeitet hatte und jemanden suchte, der ihr Geld wechseln konnte. Nennen wir sie Sabine. Geld? Hatte ich keins. Ich hätte auch gar nicht gewusst, wo ich das hätte wechseln können. In der Rezeption jedenfalls nicht, wie das Mädel feststellte. Und die Banken sind irgendwo in der Stadt. Einen Automaten gab es auch nicht. Also ließ ich das mit dem Geld. Gegen 23.00 Uhr kämpfte ich mich dann in mein eiskaltes Zimmer und ging erstmals seit Jahren halb angezogen ins Bett. Überflüssig zu erwähnen, dass die Klimaanlage nur kühlen, aber nicht heizen konnte. Im Fernsehen lief „Stubbe“ und auf meinem iPad war die Batterie leer.

Am Samstag war ich schon eine Stunde früher wach. Blöderweise hatte ich meinen Haarfön zu Hause vergessen, was aber angesichts des sich steigernden Windes ohnehin egal war. Da das iPad über Nacht wieder voll aufgeladen wurde, konnte ich mir zum Frühstück die „Frankfurter Rundschau“ runterladen und sie gemütlich bei Omelett, gutem Kaffee und Obstsalat durchlesen. Na ja, ganz durch kam ich natürlich nicht, da das Laden der einzelnen Seiten sehr viel langsamer vonstatten ging als ich sie lesen konnte. Irgendwann haben die dann das Restaurant geschlossen und ich musste mich entscheiden, wie der Tag laufen soll.

Plan A: Sofort zurückfliegen. Ein weiterer Spaziergang bis zum Meer und zurück ließ den Entschluss in mir reifen, die Reise kurzfristig abzubrechen und gen Heimat zu fliegen. Ich suchte meinen Reiseleiter auf, der sich gerade zufällig in der Bar befand und erklärte ihm mein Vorhaben. Er sagte, dass ab morgen das Wetter ganz sicher wieder gut würde. Woran liegt es nur, dass ich ihm nicht glauben wollte? Nein, ich wollte wieder nach Hause, ins kalte und mittlerweile verschneite, aber windfreie Friedrichsdorf. Yussuf telefonierte. Oder tat so, als ob er telefonierte. Wer weiß das schon. Leider stellte sich heraus, dass alle Flieger bis zum 15.1. angeblich ausgebucht seien. Und da mein Rückflug ja für den 8. bestätigt war, konnte ich Plan A leider nicht umsetzen. Yussuf wollte mich zu Plan B überreden: Kairo oder Luxor. Ersteres war mir zu gefährlich, Letzteres hatte ich mir gerade vor drei Jahren angeschaut (siehe rme-nil.blogspot.com). Blieb noch Plan C: Ausflüge buchen.

Um das Ghetto zu verlassen, konnte man bei Yussuf und seinen Kollegen ein paar Ausflüge buchen. Und das tat ich dann auch. Einmal U-Boot fahren mit Fische gucken für 46.- Euro und eine Stadtrundfahrt für denselben Preis. Am Montag und Dienstag zwar erst, aber nun hatte ich wenigstens ein Ziel, bzw. sogar zwei Ziele. Da ich aber auch den Samstag und den Sonntag irgendwie rumkriegen musste, blieb noch die Möglichkeit, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Ich nutzte das Gespräch mit Yussuf aber auch, um mich darüber zu beschweren, dass es in meinem Raum gar keine Heizung gäbe.

Zunächst habe ich mir die Altstadt von Hurghada vorgenommen. Hierzu konnte ich im Hotel ein Taxi bestellen, das nur 4 Euro kosten sollte und mich direkt am Eingang zur Altstadt absetzte. Der Fahrer wollte gar kein Geld, sondern „übergab“ mich an einen der vielen Händler, die auf so einen doofen Deutschen geradezu gewartet hatten. Als ich aber ganz schnell klar machte, dass ich nicht vorhabe, einen Begleiter an meiner Seite zu dulden, wurde er gleich ein bisschen pampig und rief mir irgendetwas sicher sehr Unhöfliches auf arabisch hinterher. Ich bin dann trotzdem kreuz und quer durch die Altstadt gelaufen. Es war so, wie es immer ist. Jeder quatscht einen an und will einem was verkaufen. Und zwar das Übliche. Kamele, gefakte Kleidung, Uhren und Schmuck. Manchmal sieht man tolle Antiquitätenläden, die aber leider alle geschlossen waren. Irgendwie wird auch in Ägypten nicht mehr jeden Tag gearbeitet. Die Gebäude in der Altstadt sind größtenteils einsturzgefährdet, was aber den Bewohnern anscheinend nichts ausmacht. Dreck und Schmutz, wo man nur hinschaut. Übrigens nicht nur in der Altstadt. Es scheint kein Gesetz zu geben, das die Müllberge im Griff hat. Ich hätte gerne mal in einem der wenigen Cafés ein Getränk eingenommen, aber die hygienischen Zustände haben mich davon abgehalten. Außerdem waren die Sitzplätze grundsätzlich im Schatten, was ja im Sommer auch sinnvoll ist. Nur bei mittlerweile „nur“ noch Windstärke 5-6 wird´s a bisserl unangenehm. Auch in Hurghada gibt es inzwischen eine Invasion der Handy-Shops. Nach dem zwanzigsten habe ich aufgehört zu zählen. Leider konnte ich die Preise nicht mit denen aus Deutschland vergleichen, da alle Angaben auf Arabisch waren. Ich verstehe zwar jedes Wort arabisch, weiß nur nicht, was es auf Deutsch bedeutet. Haha, kleiner Scherz am Rande. Arabische Zahlen sollten zwar den unseren ähneln, aber sie sehen trotzdem anders aus. Nur die 1 und die 9 sehen sich ähnlich, wie mir Wikipedia gerade verraten hat.
Nachdem ich rund eineinhalb Stunden rumgelaufen war, haben sich die Geschäfte immer mehr geähnelt. Es war durchaus möglich, dass ich die ganze Zeit im Kreis gelaufen war. Wie auch immer, ich bestieg ein einheimisches Taxi und ließ mich ins Hotel zurückbringen. Da der Fahrer mich nicht verstanden hatte, zeigte ich ihm mein rosa „All-Inclusive“-Bändchen mit dem Hotelnamen drauf. Dieses Bändchen entspricht in Deutschland der Hundemarke, wenn ich das richtig verstanden habe.

Leider konnte mich mein Taxifahrer nicht nur nicht verstehen, er konnte offenbar auch nicht richtig lesen, denn die Fahrt dauerte bedeutend länger als die Hinfahrt vom Hotel aus. Irgendwann landete er dann gar auf einer Art Autobahn, die Richtung Flughafen führte. Da habe ich ihn dann gestoppt und nochmal auf mein Bändchen gezeigt. „Ah, Festival Shedwan Golden Beach Hotel! Not Festival Al Goona!“ sagte er und war ziemlich zerknirscht, da wir in diesem Augenblick vor dem falschen Hotel mit demselben Namen angekommen waren. Es war nur ein paarhundert Meter von dem Hotel entfernt, in dem ich schon vor drei Jahren eine Woche Badeurlaub verbracht hatte. Damals waren wir kaum aus dem Hotel gekommen, sodass ein Reisebericht sich nicht gelohnt hätte. Es war quasi die Fortsetzung unserer Nilkreuzfahrt, auf die ich ja schon hingewiesen habe. Dieses Mal komme ich zwar auch kaum aus dem Hotel heraus, aber irgendwas muss ich ja machen. Also schreibe ich auf, was mir so auffällt. Die Fahrweise der Ägypter ist beispielsweise extrem angsteinflößend. Nicht nur, dass das altersschwache Honda-Taxi bei Geschwindigkeiten oberhalb 50 km/h schwer ins Schlingern geriet, waren auch die Bremsen schon lange runtergehobelt, wie man an den kreischenden Geräuschen bei jeder Bremsung hören konnte. Die Straßen sind anscheinend planlos in den Wüstensand gesetzt worden, und so manche vierspurige Autobahn endet unvermittelt vor einer großen Betonmauer. Um abzukürzen, nimmt der Ägypter auch gerne kurze Strecken auf der Gegenfahrbahn in Kauf, und allgemeine Verkehrsregeln werden durch lautes und dauerndes Hupen ersetzt. Es gibt so gut wie keine Ampeln, dafür aber alle 200 Meter dicke Hubbel auf der Straße, damit die Fahrer die Geschwindigkeit zurücknehmen. Mit ein bisschen Pech kommt einem auch ein Eselsgespann auf der Autobahn entgegen. Bei Nacht übrigens alle so gut wie ohne Licht.

Irgendwann hatte ich diese Taxifahrt überstanden und das Hotel wieder erreicht, wo gerade eine Horde neuer Bleichgesichter angereist kam. Interessanterweise waren trotz der eisigen Winde viele Leute gewillt, Ihre Haut in die Sonne zu halten, denn man konnte bereits eine Menge Sonnenbrände bewundern. Die Sachsenfraktion war inzwischen auf ein halbes Dutzend Exemplare angewachsen, die sich alle so benahmen, wie man es aus RTL2 kennt. Sorry – natürlich sind die meisten Sachsen wohlerzogene Menschen, intelligent und redegewandt, aber bei diesen Exemplaren waren es dann doch mehr die Damen und Herren, die nicht unbedingt auf der Sonnenseite des Lebens wohnen und das durch ihre Sprache, Ihr Aussehen und Benehmen deutlich machen. Die schon morgens Bier in sich reinschütten, mittags lallen und nachmittags mit offenem Hemd und offenem Mund schnarchend in den Sesseln vor dem Restaurant liegen und ihren Rausch ausschlafen.

Nutzen wir die Gunst der Stunde, um überhaupt mal zu klären, wo wir uns befinden, liebe Kinder. Wir sind in Afrika, genauer gesagt, im Norden Afrikas, in Ägypten. Das ist ein ziemlich groß geschnittenes Viereck oben rechts in Afrika. Kairo, die Hauptstadt, liegt ganz im Norden. Ägypten hat einen großen Fluss, den NIL. Der schlängelt sich das durch ganze Land von Süden nach Norden, fließt also quasi „nach oben“, was natürlich Quatsch ist. Es ist für uns halt ungewohnt, dass ein Fluss nicht die Landkarte „runter“, sondern „hoch“ fließt. Geplante und bereits gebaute Stauseen im südlichen Nachbarland Sudan führen dazu, dass der Nil immer weniger Wasser mit sich führt und manchmal sogar austrocknet. Bei unserer Nilkreuzfahrt vor drei Jahren sind wir einige Male mit dem Schiff im seichten Wasser steckengeblieben.

Das wollen die Ägypter natürlich nicht und beschweren sich daher lauthals bei ihrem südlichen Nachbarn Sudan, mit dem Bau weiterer Stauseen aufzuhören. Mal sehen, wie das ausgeht. Hurghada gehört mittlerweile zu den größten Städten Ägyptens. Während Wikipedia von 160.000 Einwohnern spricht, hört man vor Ort eher die Zahl 500.000. Im Sommer kommen noch ein paar Millionen Touristen hinzu. Da die Ägypter größtenteils muslimischen Glaubens sind, gibt es außer in den Hotels, bzw. touristischen Lokalen auch nirgendwo Alkohol, somit auch keine „natürlichen“ Nachtclubs oder Discotheken. Hurghada hat die schon erwähnte Altstadt zu bieten, eine neu errichtete Neustadt, einen luxuriösen Jachthafen (2008 eröffnet) mit über 50 Geschäften und Restaurants und ein weiteres, nördlich gelegenes Touristengebiet namens „El Goona“. Hier steht ein Superluxus-Hotel neben dem anderen. Da, wo noch keins steht, stehen Ruinen. Denn nach den arabischen Unruhen haben wohl viele Geldgeber kein Zutrauen zu Ägypten mehr gezeigt und die Bauarbeiten im Rohbau eingestellt. Im Süden geht es aber genauso schnell weiter. Auch hier sind neue Luxushotels und Einkaufszentren vom Feinsten gebaut worden.
Bezahlt wird mit Ägyptischen Pfunden, wobei 1 Euro etwa 9 Pfund sind. In der Altstadt hatte ich mir 200 ägyptische Pfunde aus dem Automaten gezogen, was also etwa gerade mal 23 Euro entsprach. Die Taxifahrt hatte – trotz des Riesenumwegs – nur 25 Pfund gekostet. (Ich hatte dem Fahrer natürlich mehr gegeben, weil er mir leidtat und weil ich noch am Leben war).

Die meisten Einwohner der Stadt sind ganz normal westlich gekleidet: Jeans, Hemd, Turnschuhe. Manchmal laufen ältere Männer auch noch in traditionellen beduinischen Klamotten durch die Gegend, aber nur selten. Frauen sieht man so gut wie gar nicht. Es gibt keine Kellnerinnen, Zimmermädchen oder sonst wie weibliche Beschäftigte im Hotel. Alle Arbeiten werden von schlanken, oft gutaussehenden Männern im Alter zwischen 20 und 40 erledigt. Viele haben das typisch ägyptische Aussehen, das sich deutlich von dem anderer Araber unterscheidet. Bei den Touristenführern sind hie und da auch Frauen zu sehen, aber das sind keine Einheimischen. In der Altstadt bin ich vielleicht ganze drei Mal irgendwelchen jungen Mädchen (verschleiert) begegnet – alle anderen Menschen in diesem Viertel waren Männer. Sehr seltsam. Warum werden die Frauen versteckt und wo sind sie? Die Theorie eines Reiseleiters einer späteren Tour, auf die ich noch zurückkommen werde, lautete, dass junge Mädchen vor ihrer Heirat die Familie nicht verlassen dürfen. Und Arbeit in einem Touristenhotel würde eine Trennung von der Familie bedeuten, da die Familien für so einen Job nicht nach Hurghada ziehen würden. Bei Männern ist es eh wurscht. Das junge Mädel von neulich, nennen wir sie weiterhin Sabine, meinte, dass es aber noch einen weiteren Grund gäbe. Eine Frau als Zimmermädchen könnte unvorbereitet mit Unterwäsche von Männern konfrontiert werden, gar ein gebrauchtes Kondom finden oder – Gipfel der Perversion – ein Klo putzen müssen, auf dem ein Mann kürzlich gesessen hat. Und das könnte das Ende ihrer Reinheit bedeuten. Damit wäre sie in den Augen der Ägypter nichts mehr wert. Und um das Elend komplett zu machen, werden die Mädchen hier nach wie vor beschnitten. Dass das inzwischen verboten ist, interessiert niemanden. Vor allem die Großmütter und Mütter bestehen angeblich darauf. Soll es doch den Kindern nicht besser gehen als ihren Vorfahren. Der ägyptische Mann tut sich damit übrigens keinen gefallen. Im Gegenteil: Wenn so ein Testosteron-gesteuerter Araberhengst mal zufällig mit einer Touristin schläft, bei der das Lustsystem noch in Ordnung ist, wird er zukünftig nur noch fremd gehen wollen. Trotzdem verstümmelt und verschleiert er die Schönheiten des Orients.

Im Hotel gab es übrigens genügend Frauen, also Touristinnen. Viele Damen waren nicht mit ihrem Freund/Mann angereist, sondern mit ihrer Freundin. Auch waren viele Mütter mit ihren kleinen Kindern unterwegs, ohne dass ein zugehöriger Vater auszumachen gewesen wäre. Das Gesamtniveau der Gäste lag aber leider eher im unteren Bereich, was wohl auch dem günstigen Preis zuzuschreiben war. Ein paar Ausnahmen bestätigten wie immer die Regel. So hatte ich nette Gespräche mit einem Paar aus Hof und einem Herrn aus Leipzig (Sic!). Die Kellner haben irgendwie auch einen Narren an mir gefressen. Ich bin so ziemlich der einzige, der seine Getränke an den Platz gebracht bekommt und unaufgefordert Nachschub erhält, sollte das Weinglas mal leer sein. Da der Wein nicht nur lauwarm ist, sondern auch aus Plastikflaschen ausgeschenkt wird, auf denen ein „FANTA“-ähnliches Logo prankt, bin ich verwundert, dass ich anscheinend mit diesem Teufelszeug keinerlei Probleme hatte. Da ich bisher auch noch nicht im Geringsten betrunken war, besteht der leise Verdacht, dass der Wein vielleicht alkoholfrei war…

 
Jeden Tag gab´s neue Tiere, aus Handtüchern gedeichselt.

Aber auch dieses Mysterium konnte mir Sabine erklären. Der Wein wird nämlich in großen Plastikgallonen angeliefert, die einfach nicht in die Kühltheke passen. Also füllt man sie zunächst in große Bottiche, denen man eine nicht unerhebliche Menge Wasser zugibt (kein Witz!). Und dann wird die verdünnte Plörre in gerade zufällig vorhandene Plastikflaschen (also auch Cola- oder Fantaflaschen) umgefüllt.

Auf Gin Tonic und Bacardi Cola (allerdings mit einheimischen Spirituosen) habe ich bisher verzichtet. Die Kommentare der Mitreisenden waren zu vernichtend, zumal es selbstverständlich keine Eiswürfel in den Longdrinks gibt. (An dieser Stelle sei mir ein wenig Heimweh nach Friedrichsdorf, ins „Impuls“ gestattet. Olaf, Du machst das alles viel besser!)

Nach dem Abendessen, das leider nicht so dolle war, saß ich noch eine Weile in der Hotelbar und las die Rundschau vom Morgen zu Ende. Ein kurzer Blick auf die Showbühne des Haupthauses zeigte mir, dass das Animations-Programm schon vorbei war. Also ab ins Bett. Und da erlebte ich tatsächlich eine große Überraschung: Ich hatte mich ja morgens beschwert, dass meine Klimaanlage nur kühlen, aber nicht heizen könne. Jetzt konnte sie es plötzlich, und in meinem Zimmer waren es wohltemperierte 30 Grad. Ich musste den Raum also erst mal wieder runterkühlen, um es überhaupt dort auszuhalten.

Der Sonntag begann wie alle Tage. Ich war noch ein wenig früher wach und landete damit schon um 9.00 Uhr im diesmal vollbesetzten Restaurant. Ich musste ein paar Minuten warten, bis ein Platz frei wurde. Diese Zeit habe ich genutzt und angefangen, den SPIEGEL runterzuladen, der inzwischen zum Download bereit lag. Nach etwa 1,5 Stunden war er auf dem iPad angekommen. Zuhause dauert es 1,5 Minuten.

Der restliche Vormittag ging irgendwie an mir vorbei. Lesen, i-Dinger aufladen, Blog schreiben und Mittagessen. So langsam war mir klar, warum ich meine Getränke immer sofort und unaufgefordert serviert bekam. Es waren immer dieselben zwei Jungs, die mich anlächelten. Mist. Nun auch das noch. Wird eine bittere Enttäuschung sein, wenn ich demnächst knutschend mit irgendeinem Girl zum Abendessen komme. Na gut, die Wahrscheinlichkeit geht gegen Null. Homosexualität ist in Ägypten natürlich verboten und wird (angeblich) mit der Todesstrafe gesühnt. Dass es selbstverständlich auch hier denselben Prozentsatz Schwuler wie auf der ganzen Welt gibt, will man nicht wahr haben. Viele wissen vielleicht gar nichts über ihre Sexualität, da immer noch die meisten Hochzeiten auf dem Papier geregelt werden, ohne dass das Brautpaar auch nur die geringste Gelegenheit hatte, mal seine sexuelle Orientierung zu erkunden.

 
Am neuen „Marina“-Hafen

Nach dem Mittagessen habe ich meine zweite Solo-Tour gestartet. MARINA, der neue Yachthafen von Hurghada. Ich hatte ihn schon 2012 gesehen und konnte keine wesentlichen Änderungen feststellen. Ein paar Geschäfte hatten aufgegeben, hie und da gab es bröckelnde Mauerwerke, aber alles in Allem hatte sich der neue Yachthafen gut gehalten. Für das Taxi dorthin bezahlte ich wieder 50 Ägyptische Pfund, also gut 5 Euro.

 
Viel zu schade zum Essen…

Nach einem Rundgang durch den Fischmarkt (Schöne Fotos gemacht!) klapperte ich also gemütlich den Yachthafen ab und blieb auf dem Rückweg in einem Lokal hängen, dass außer (kostenlosem) WiFi auch „richtigen“ Wein zu günstigen Preisen anbot.

Meine Barschaft hatte ich an einem Automaten nochmal großzügig um 2000 Pfund erhöht, so dass ich mir eigentlich fast alles leisten konnte. So saß ich dann in der Sonne, die meine Wange mit ihren Strahlen streichelte und checkte über das kostenlose WLAN die Welt. Und wenn nicht irgendwann die Sonne verschwunden wäre und mich zum Frösteln gebracht hätte, wäre ich wohl bis Mitternacht dort geblieben. Der Wein, dessen Herkunft ich überhaupt nicht erfahren habe, schmeckte außerordentlich gut. Zwei Gläser davon am helllichten Nachmittag bewirkten durchaus eine Reaktion, die mir bekannt vorkam. Üblicherweise hätte ich jetzt das Auto stehen gelassen, aber ich hatte ja gar keins dabei. Also musste ich mir wieder ein Taxi nehmen. Der Fahrer war allerdings unverschämt. Er wollte für dieselbe Strecke wie auf meiner Hinfahrt den doppelten Betrag, also 100.- Pfund. Ich bat ihn, wieder anzuhalten, da ich nicht bereit sei, das zu bezahlen. Dann lachte er, sagte, wenn ich kein Geld hätte, wär das auch kein Problem, dann würde es eben nur 50.- Pfund kosten. Also blieb ich sitzen. Dann fragte er – wie üblich – wo ich herkäme. „Germany“, sagte ich. „Dann es kostet 200 Pfund“ sagte er eiskalt und fing erst an zu lachen, als er sah, dass ich in diesem Punkt nun überhaupt keinen Spaß mehr verstehen würde. „Wie ist Dein Name?“ frage er mich weiter aus. Ich sagte ihm, ich hätte keine Lust, mit ihm zu sprechen. Er möge bitte einfach nur fahren. Vor dem Hotel gab ich ihm wortlos die 50.- Pfund. „Alles wieder gut?“ fragte er abschließend. „Ja“, knurrte ich und schälte mich aus dem Hyundai. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass er das Taxameter einschaltet. Dann würde er für die Fahrt wenigstens Steuern zahlen. Aber wie man so hört, drücken sich wohl alle Taxifahrer darum. Sabine sagte mir später, dass etwa sieben Pfund auf dem Taxameter hätten stehen müssen.

Als ich da so in der Sonne saß und die Passanten anschaute, fielen mir ein paar Dinge auf:

  1. Der gut aussehende Ägypter nimmt sich gerne europäische Touristinnen zur Freundin. Und zwar genau die, die aus nahe liegenden Gründen zu Hause keine Freunde bekommen. Scheint ein lukrativer Job zu sein.
  2. Wenn Ägypter hingegen gut aussehende Europäerinnen als echte Freundin haben, rauchen sie gerne Wasserpfeife, während die Freundin in Büchern liest oder in Facebook rumtrödelt. Gesprochen wird dann kaum noch. Erst beim Bezahlen „leiht“ sich der ägyptische Lover dann gerne mal Geld vom Mädel.
  3. Touristen sollten bei allem, was sie laut sagen, immer daran denken, dass jemand in der Nähe sitzen könnte, der deren Sprache versteht. So auch an diesem Nachmittag, als drei Berliner sich schräg hinter mich setzten und über durchaus kriminelle Dinge im zwischenmenschlichen Bereich diskutierten. Als ich bezahlt hatte, habe ich mich noch mit einem freundlichen „Schönen Tag noch“ verabschiedet, was den Dreien augenblicklich sämtliche Farbe aus dem Gesicht getrieben hat. Hoffentlich finden sie nicht raus, wo mein Hotel wohnt…

Der richtige Wein hatte mich ein wenig beschwipst und mir gute Laune gemacht. Das nach wie vor lauwarme Abendessen passte bestens zum lauwarmen Wein. Zufällig traf ich auch „Sabine“ wieder, die – jetzt kann ich es ja verraten – wegen ihrer früheren Mitarbeit in diesem Hotel nicht wiedererkannt werden möchte. Sabine hat aus ihren langen ägyptischen Jahren viele Freunde in Hurghada. Und wenn sie zufällig hier zu Besuch ist, belegen natürlich alle diese Freunde möglichst viel ihrer freien Zeit. Nach dem Essen hatte sie noch Lust, sich die Nightshow im Haupthotel anzuschauen, bevor sie ein Date in der Innenstadt erwartete. Deshalb gingen wir die paar Meter rüber in die Rezeption des Haupthotels. Und jetzt wurde ich auch endlich aufgeklärt, was das mit diesen beiden Hotels zu bedeuten hatte. Vor ein paar Jahren kaufte Thomas Cook den Laden, der ziemlich am Ende war. Man teilte das Hotel in zwei Bereiche. Das Haupthotel „Festival“ sollte zukünftig nur den boomenden Russen dienen und das neuerbaute „SmartLine Colour Beach Hotel“ den Europäern zu Diensten sein. Die Russen hatten streng in ihrem Ghetto zu bleiben, während die Europäer durchaus auch nach Russland eindringen konnten. Na ja, das kennt man ja aus der Geschichte. Inzwischen hat sich das aber wieder geändert. Die Russen sind inzwischen auch in den europäischen Teil des Hotels eingezogen. Ähnlichkeiten zu aktuellen politischen Ereignissen sind rein zufällig. Es ist aber alles halb so schlimm. Im Gegensatz zu den Horrormeldungen z.B. aus Thailand benehmen sich die Gäste in „unserem“ Hotel durchaus anständig. Jedenfalls, bis ich im Bett bin. Geschichten vom Hörensagen will ich nicht kommentieren.

So, Sabine zog dann ab, und ich wanderte die dreißig Meter zurück in die Lobby-Bar. Der einzig freie Platz war bei einem jungen Paar , das Karten spielte. Beide waren Lehrer aus Marburg, wobei aber nur er derzeit einen Job hatte und sie schon seit drei Jahren – nach Ihrer Abschlussprüfung – auf einen solchen wartete. Schon komisch. Da bildet der Staat für teures Geld dringend benötigte Lehrer aus, und dann hat er keinen Job für sie. Mit den beiden habe ich mich noch sehr lange und intensiv unterhalten, bis ich dann auch endlich – nach unzähligen verdünnten Weinen – genug hatte vom Trubel der Nacht. Immerhin wartete morgen mein erster „offizieller“ Ausflug auf mich: Tiefseetauchen im U-Boot.

Der Ausflug begann um 11.10 Uhr. Pünktlich wurde ich vor dem Hotel mit einem Zubringerbus abgeholt. Ich war nicht allein. Mit mir fuhr auch ein etwa 40-Jähriger schlanker Mann aus meinem Hotel, der mir schon am gestrigen Abend aufgefallen war. Und zwar wegen seines nervigen Gebabbels. Er setzte sich ungefragt zu irgendwelchen allein sitzenden Damen und laberte deren Ohren blutig. Die meisten haben schon nach wenigen Minuten aufgegeben und sind einfach weggegangen. Nun saß er neben mir im Kleinbus und quasselte mich an. Er wollte einfach besonders geistreich und witzig sein und lag mit seiner Nummer leider völlig daneben. Er musste einfach alles kommentieren und seine Witzchen darüber machen. Nun bin ich ja schon selbst jemand, der eher eine Freundschaft aufgibt als einen Gag auszulassen, aber seine Scherze waren einfach zu blöde für mich. Er kam mir vor wie ein Schüler, der von seinen Mitschülern ständig gehänselt wird, weil er so dämlich ist. Dass er von Beruf Psychologe war, hat mich dann noch nicht einmal gewundert.

 
Wer hat, der hat.

Nachdem wir alle weiteren „Taucher“ aufgelesen hatten, landeten wir an der Ausgangsbasis der Expedition – ganz im Süden von Hurghada. An der Kasse erhielten wir rote Plastikmarken mit Platznummern, die mit den entsprechenden Sitzplätzen im U-Boot korrelierten. 44 Plätze hatte jedes Boot – und ich hatte die Nummer 44. Vor dem Transport zu den U-Booten mussten wir warten, bis die letzte Tauchergruppe wieder zurückgekommen war. Damit man sich in diesen etwa 30 Minuten nicht langweilte, konnte man sich die sehr schön modellierten Fische und andere Meerestiere anschauen, die in sehr vielen Schaukästen ausgestellt waren. Voller Stolz hatte die Betreiberfirma auch die TÜV-Zertifikate (TÜV NORD) aushängt, um den Tauchern ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Dieses Gefühl wäre um einiges besser gewesen, wenn der TÜV nicht schon am 30.3.2013 abgelaufen gewesen wäre. Die ganze Zeit hing mir der Psychologe an der Seite und plapperte seinen Unfug. Natürlich wollte er irgendwann wissen, was ich denn so triebe. Ich sagte: „Ach wissen Sie, ich mache in Mädchenhandel und Drogenschmuggel. Da bleibt wenigstens was hängen.“ Dreißig Sekunden Stille. „Ja, ist ja auch ein Beruf.“ Sprach’s und ging mir aus dem Wege.

Bevor wir in die U-Boote steigen konnten, mussten wir mit einem Zubringerboot auf eine Plattform mitten im Meer gefahren werden. Die Feuerlöscher auf diesem Boot waren aus dem Jahr 1993. Dann hieß es wieder warten, bis eins der Boote freigeworden war und wir das U-Boot entern konnten. Ja, es war wirklich ein richtiges U-Boot. Man musste eine senkrechte Trittleiter ins Innere klettern, um an der Mission teilhaben zu können – was für einige Damen und ältere Herren (nicht für mich!) gar nicht so einfach war. Vor allem die Damen mit kurzen Röcken waren etwas aufgeschmissen.

Nun gut, irgendwann waren alle im U-Boot versammelt, und das Abenteuer konnte beginnen. Im Vorfeld war von 25 Metern Tauchtiefe die Rede, die Spannung wuchs. Mein Platz war direkt hinter der Kommandozentrale des Hightech-Ungetüms. Kapitän und Co-Captain in ihren schicken Uniformen mit diversen Streifchen machten es sich auf ihren Hockern bequem. Durchsagen auf Russisch und Englisch verkündeten den Tauchgang und dann ging es auch schon los.

Na ja, so richtig los ging es leider nicht. Die Wassertanks wurden nach und nach mit insgesamt 3600 Litern Wasser gefüllt. Das war ein bisserl mehr als das Gesamtgewicht der Passagiere. Entsprechend langsam – und vor allem – entsprechend wenig sank das U-Boot. Ich konnte die ganzen Daten ja direkt neben mir im Cockpit mitlesen. Der Bildschirm in der Mitte der Bedienungskonsole zeigte das Kamerabild vom Deck des U-Bootes. Und das blieb die ganze Seit über Wasser. Oder anders gesagt: Mehr als ein oder maximal zwei Meter sind wir nicht gesunken. Egal, wir waren unter Wasser, allein das zählte. Vor den einzelnen Sitzen gab es zweierweise große Fenster, die den Blick in die wilde Natur freigaben. Kinder jauchzten vor Freude, und mein Psychologe hatte bereits ein neues Opfer gefunden. Alles wartete auf die Fische. Aber da waren keine. Sollten wir im toten statt im Roten Meer gelandet sein?

Nun gut, es war Montag, und ich weiß nicht, nach welchen Arbeitstarifen Fische beschäftigt werden. Heute waren jedenfalls keine Fische zu sehen. Noch nicht. Denn die Betreiberfirma hatte sich doch tatsächlich ein todsicheres System ausgedacht, die faulen Biester doch noch vor die Luken zu locken: Man hatte einfach zwei echte, richtige Taucher beschäftigt, die plötzlich vor unseren überraschten Augen auftauchten und mit Brot um sich warfen. In Fischekreisen hatte es sich vermutlich inzwischen herumgesprochen, dass da irgend so eine dämliche U-Bootfirma mit altem Weißbrot klotzt, um den Fischen den eigenen Nahrungserwerb zu erleichtern. Ist ja klar, bevor man mühsam den Meeresboden nach Plankton abgrast, nimmt man doch lieber die Krumen dieser merkwürdigen, schwarz gekleideten Männer als Speisung. Und so hatten wir plötzlich unsere Fische vor Augen. Ein paar Zebrafische, etwa 10 cm groß und Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Silberfischen (nicht die Sorte aus meinem Bad, etwas größer waren sie schon).

Das Tempo des U-Bootes (soll ich es wirklich noch so nennen?) betrug etwa ein Meter pro Minute, was man nicht gerade als schnell bezeichnen kann. Und so wurde die Fahrt trotz der Fütterung nicht gerade ein Action-Spektakel. Als hätten die Jungs von „Seebird“ das nicht vorhergesehen, haben sie zwei weitere Trümpfe aus dem Ärmel geholt: Zum Einen sah man plötzlich eine steinerne Meerjungfrau auf dem Boden liegen, die von den Fischen zwar gänzlich ignoriert wurde, aber immerhin für eine Abwechslung des Testbilds sorgte, und zum Zweiten tauchte plötzlich ein gesunkenes Schiff auf! Ja, ein mit Goldfässern beladener Kahn, der da zufällig am Meeresboden vor sich hindümpelte. Hui, haben die Kinder gejubelt! Jedenfalls die auf meiner Seite. Auf der anderen Seite war ja leider nichts zu sehen. Während ich noch darüber nachgrübelte, warum man die Schätze der Tiefsee nur der einen Hälfte des U-Bootes vorzeigte, hatte dieses bereits heimlich gedreht und kam auf dem Rückweg wieder an dieser Schabracke vorbei, diesmal nur für die andere Seite sichtbar. Auch die Seejungfrau tauchte wieder auf, und das Schiffchen dann irgendwann – nach viel zu langer Zeit – endlich auch.

Was für ein Fake! Das U-Boot war zwar ein solches, weil wir wirklich unter Wasser waren, aber die Tauchtiefe war ja nun einfach lächerlich. Die Strecke war nicht frei gewählt, sondern ein etwa 100 Meter langer Schleichweg unter Wasser, der Disneypark-mäßig mit ein paar winzigen Effekten ausgestattet wurde. Leid taten mir die armen Taucher, die mit Brot um sich schmeißen mussten, um wenigstens ein paar einfachste Fischchen anzulocken und die beiden U-Boot-Fahrer, die ja wohl den dämlichsten Job aller Zeiten haben. Ich war heilfroh, nach weit über einer Stunde endlich wieder ins Freie klettern zu können.

Im Bus saß ich dann leider wieder neben diesem Psychologen, der schon auf dem Rückweg wieder Kontakt zu mir gesucht hatte. Irgendwie schämen die sich ja für nix . Um ihm zumindest für heute zu entgehen, bat ich den Busfahrer, kurz anzuhalten. Ich hätte noch was zu erledigen. Mit einem gewissen Lächeln verabschiedete ich mich von der Nervensäge und beschloss, mir einfach mal die Beine zu vertreten. Verlaufen konnte ich mich nicht, solange ich einfach die Küste entlang lief.

Da es im U-Boot natürlich nichts zu essen gab (die Fische waren ja draußen – haha!), bin ich so gegen drei in eins der vielen Luxushotels gegangen und habe mir eine Portion Reis mit Schrimps und Hühnchen bestellt. Es war so lecker wie selten. Außerdem gab es WiFi frei, sodass ich endlich mal wieder ein wenig arbeiten konnte. Zehn Mails und drei Telefongespräche später lief ich dann weiter Richtung Heimat. Und zehn Minuten und drei Gewissensbisse später stieg ich dann ins Taxi zum Hotel.

Abends schlechtes Essen und erschreckende Erkenntnisse. Die nette Familie mit der philipinischen Mutter, ihrer zehnjährigen Tochter und dem sympathischen Ehemann haben sich als ziemliche Horsts geoutet. Prototypen des typischen RTL-Zuschauers. Fans von Serien wie „Die Auswanderer“, „Zwegat“ und dergleichen. Menschen, die aus Prinzip keine öffentlich-rechtlichen Fernsehsender sehen. Und natürlich gegen die Rundfunkgebühren geklagt und verloren haben.

Bin dann irritiert und frustriert früh zu Bette. Hab´ noch ein wenig Privat-TV geschaut (Comedy Central) und bin um zwei Uhr mit starken Bauchschmerzen wieder aufgewacht. Waren die Shrimps vielleicht schlecht? Würde ich den morgigen Tag überstehen? Die Stadtrundfahrt sollte schon um zehn Uhr starten…

Zusammen mit einem jungen polnischen Ehepaar samt dreijähriger Tochter wartete ich am nächsten Morgen auf den Zubringerbus, der pünktlich um zehn vor der Tür stand. Die beiden Polen sprachen auch perfekt deutsch, so dass ich mich ein bisschen unterhalten konnte. Irgendwann wurden wir dann in einen großen Bus umgeladen. Unser Reiseleiter kam aus Kairo, wohnte aber schon 15 Jahre in Hurghada, wie er mehrmals versicherte. Sein Thema war weniger die Geschichte Ägyptens oder wenigstens Hurghadas, sondern sein Lamento über das Ungleichgewicht zwischen arm und reich. Bzw. seine Beschwerden, dass es bei ihm zum reich werden noch nicht gekommen ist. Wir fuhren zunächst an der Rückseite der neuen MARINA vorbei, von der ich ja schon geschrieben hatte. Hier war die ursprüngliche Mitte der Stadt – und durch den Bau der Marina sind die Grundstücke und Häuser in der Nähe extrem teuer geworden. Viele arme Schlucker waren durch den Verkauf ihrer Trümmerhaufen plötzlich Millionäre geworden(beim Umrechnen bitte den Kurs beachten!). Das gefiel ihm gar nicht. Familien sollten ihre Häuser nicht verkaufen dürfen. Sie sollten von Generation zu Generation vererbt werden.

Der Bus hielt an der Marina und wir wanderten ein paarhundert Meter zum größten Glasbottomboot der Welt. Genauer gesagt war es gar kein Glasbottomboot, sondern ein weiteres gefaktes U-Boot. Im Rumpf des Schiffes waren große Luken angebracht, durch die man ins Wasser schauen konnte. Auch hier waren zunächst keine fischigen Darsteller zu sehen. Erst als von Deck aus das obligatorische Weißbrot in die Fluten geworfen wurde, sausten die Silberfische vom Vortag wieder an und fraßen sich den Wanst rund. Heute waren es deutlich mehr als am Tag zuvor – und es gab auch vereinzelt Exemplare anderer Fischsorten. Was mich aber am meisten schockiert hat: Die Fische pinkeln ins Meer! Ja ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen! Ein etwa 30cm großer, bunter Fisch stieß plötzlich eine wahre Fontäne nach hinten aus, die nicht der Fortbewegung diente. Und schon habe ich einen weiteren Grund, nicht mehr ins Meer zu gehen…

Interessant war auch, dass diese ganzen kleinen Schwärme auf irgendein Kommando zu hören scheinen, dass bisher noch keiner entschlüsselt hat. Ohne sichtbaren Grund wechselt so ein Schwarm innerhalb von Millisekunden geschlossen die Richtung. Wer gibt den Befehl? Können Fische sprechen? Wer ist der Chef? Rätsel über Rätsel, die ich auch nach 30 Minuten noch nicht lösen konnte. Deshalb bin ich lieber wieder an Deck geklettert, um meine Birne in die Sonne zu halten.

Eineinhalb Stunden später saßen wir wieder im Bus, um genau 200 Meter zur Moschee gefahren zu werden. Als unser Reiseleiter dort jedoch verkündete, dass Männer in jedem Aufzug willkommen seien und sogar die Schuhe anbehalten dürften, Frauen sich hingegen mit einem speziellen Umhang und hinter einem Schleier zu verstecken hätten, habe ich den Besuch der Moschee verweigert. Eine Religion, die so dämliche Ansichten über Frauen in Ordnung findet, verdient nicht, dass ich mir ihre Veranstaltungsräume anschaue. Ich ging also ein bisschen durch die ursprüngliche Altstadt des Ortes, die wohl in alten Zeiten aus gerade mal 3000 Einwohnern bestanden haben soll. Leider auch hier wieder Verfall, wohin man nur sah. Der Dreck auf den Straßen, der Müll, der ganze Schutt – es ist mir ein Rätsel, wie sich ein Mensch hier freiwillig aufhalten kann. Also zurück zur Moschee. Da es ziemlich lange gedauert hatte, bis unsere rund 15 Damen blickdicht verpackt waren, kam die Truppe auch entsprechend später aus der Moschee zurück. Während meiner Wartezeit wurde ich mehrmals von Taxifahrern aufgefordert, in die Moschee zu gehen statt hier rumzusitzen. Ich blieb natürlich standhaft.

Weiter ging es nun zur nächsten Kirche. Der Ausgewogenheit wegen eine christlich-orthodoxe Kirche. Also eines dieser Gotteshäuser, die in Ägypten seit 2-3- Jahren gerne in Brand gesteckt oder mitsamt Attentäter in die Luft gesprengt werden. Damit das nicht mehr so häufig vorkommt, hatte das Militär einen Panzer und ein paar schwerstbewaffnete Soldaten vor der Kirche postiert. Auch hier zog ich den Nichtbesuch vor, obwohl sich hier niemand verschleiern musste. Beide Glaubensformen zeigten im direkten Vergleich, welches Unglück diese blöden Religionen auf der Welt verursachen. Manchmal komme ich mir vor wie ein Besucher aus der Zukunft, der über soviel Dummheit nur noch den Kopf schütteln kann. So abwegig ist der Vergleich gar nicht, wenn man sich z.B. das Frauenbild in Ägypten mal etwas genauer betrachtet.

 
Moschee aus Prinzip nur von außen

Nun waren schon viereinhalb Stunden vergangen und ich bekam langsam Hunger. Aber erst mussten wir uns noch durch die Basare der Altstadt schleppen. Ich hatte das Vergnügen ja bereits vor ein paar Tagen und wusste, was uns da erwartete. Und genau so war es auch wieder. Dämliche Anmachsprüche, Beleidigungen bei Nichtinteresse, völlig überteuerter und verdreckter Plastikscheiß. Ein junges Pärchen aus Stuttgart erzählte mir, dass sie auch schon alleine in diesem Viertel waren und allen Ernstes sogar harte Drogen angeboten bekommen haben. Nach 45 Minuten wollten wir weiterfahren, aber ausgerechnet der einzige Araber unserer Truppe tauchte nicht mehr auf. Er und sein kleiner Sohn hatten sich anscheinend verlaufen. Unser Tourleiter nutzte die Gelegenheit, uns Touristen sogenannte Kartouchen anzupreisen. Das sind so kleine rechteckige Silberplättchen, in die der eigene Name aus arabischen Schriftzeichen geprägt wird. Auf der Rückseite kann man noch sein Sternkreiszeichen oder einen Skarabäus eingravieren lassen. Das alles pauschal für nur 10.- Euro in Silber oder 15.- Euro bei goldener Schrift. Egal wie lange der Name ist. Nachprüfen kann man die Schreibweise, weil man eine entsprechende Buchstabierungstabelle ausgehändigt bekommt. Etwa zehn Touristen wollten so ein Ding haben, dass noch am selben Tag ausgehändigt werden sollte. Irgendwann hatte der Busfahrer unseren verschollenen Araber wiedergefunden und es ging mit 15 Minuten Verspätung weiter.

Auf dem Weg zum weit entlegenen Ort des Mittagessens erzählte uns der Tourleiter, wie nett doch der Herr Mubarak gewesen sei. Immerhin habe er Autobahnen (!) und 16 Trabantenvorstädte gebaut, deren Tausende Wohnungen damals nur 10.000 Euro pro Stück gekostet hätten. Leider habe er sich damals nicht getraut, da mitzumachen, so dass er jetzt wieder keine Chance habe, durch den Verkauf der nun nicht mehr mitten in der Wüste liegenden Wohnung zum Millionär geworden zu sein. Er hatte die Chance und das Geld, beschwert sich aber jetzt, dass Andere die Weitsicht hatten, sich da einzukaufen. Mir kamen die Tränen.

Um 16.00 Uhr gab es dann endlich Mittagessen – irgendwo ganz weit draußen in der Nähe des Flughafens. Das Essen war zwar wie üblich ungewürzt, aber deutlich besser als im Hotel. Leider auch nur lauwarm. Das Cafe/Restaurant war Teil eines riesigen Einkaufszentrums, in dem wohl keine angesagte Marke gefehlt haben dürfte. Die Besichtigung dieses Super-Mall gehörte leider nicht zur Tour – ich konnte nur einmal schnell durchlaufen, dann fuhren wir weiter.

Als nächstes kam die einzige Besonderheit dieses Ausflugs: Der Besuch eines Sandmuseums. Der geneigte Leser wird mit Recht fragen: „Was ist das denn?“ Hier wurden in Handarbeit wunderbare Skulpturen aus Sand hergestellt, die offenbar dem ganzen Wind und auch so manchem Regentropfen trotzten (in Hurghada hat es in den letzten 15 Jahren angeblich nur sechsmal ergiebig geregnet!). Das Gelände ist in zwei Bereiche unterteilt. In dem einen sieht man die ganzen „klassischen“ Skulpturen wie z.B. die Sphinx oder Cleopatra und in dem anderen die moderne Popkultur von Donald Duck bis Johnny Depp als Captain Sparrow. Die Charaktere sind allerfeinst in zwei unterschiedlichen Sandfarben modelliert und waren für mich die größte Überraschung des noch jungen Jahres. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Drei Mitarbeiter kletterten auf manchen der Skulpturen rum und besserten die Stellen aus, die das Wetter zerstört hatte. Eine nicht enden wollende Arbeit, die sich aber lohnte.

 
Die Sphinx (hinten) ist aus Sand!

Das wäre ein glänzender Abschluss dieser Tour gewesen, aber wir sollten noch lange nicht am Ende sein. Schon vor dem Besuch des Basars warnte uns der Reiseführer, dort beispielsweise keine Gewürze zu kaufen, da sie infolge der Drecks und der Abgase schlechthin ungenießbar wären. Lieber sollten wir warten, bis wir solche feinen Dinge später im „Kaufhaus“ kaufen könnten. Dort wäre es in der Regel auch nicht teurer als auf dem Basar – und die Preise wären dort fix, so dass man sich das ungewohnte Handeln ersparen könne. Also auf ins Kaufhaus! Ich hatte bereits am Vortag in einem dieser Riesenkaufhäuser zwei Kaffeepötte erstanden – das Stück für 25 Pfund, also etwa 2,75 Euro. Das heißt, ich hatte einen Vergleichspreis. Natürlich war „unser“ Kaufhaus nichts anderes als eine weitere Touristenfalle, die von allen Bussen tagaus, tagein angefahren wurde. Es gab dieselben Dinge wie in dem wirklichen Kaufhaus, in dem ich am Tag davor war, aber die Preise lagen doch arg daneben. Die absolut identischen Kaffeepötte kosteten hier 52 Pfund pro Stück, also rund 5,75 Euro! Und da gab es auch keinen Verhandlungsspielraum. Wütend ging ich zurück in den Bus und wartete auf die Beendigung der Kaffeefahrt. Diesmal war unser Reiseleiter selbst zu spät wieder an Bord. Statt die Quälerei endlich zu einem Ende zu bringen, sollten wir als nächstes noch eine Papyrus-Demonstration anschauen. Da ich auch diese Vorführung schon etliche Male ansehen musste und völlig klar war, dass es auch hier nur darum ging, dem doofen Touristen weitere Euros aus der Nase zu ziehen, habe ich die Tour von meiner Seite aus abgebrochen. Es war inzwischen halb sieben – vor 20.00 Uhr wäre ich mit Sicherheit nicht nach Hause gekommen. Das junge polnische Ehepaar sagte mir später, dass es sogar halb neun wurde, weil der Anschlussbus nicht erschienen war…

Ich sollte dann noch ein Bewertungsformular ausfüllen. Das habe ich verweigert, weil das ohnehin nur sehr schlecht ausgefallen wäre. Der Tourleiter gab genervt auf und sagte dem herbeigerufenen Taxifahrer, wo er mich hinbringen sollte. 20 Pfund sollte die Fahrt kosten. Tatsächlich war es die längste Taxifahrt überhaupt, die ich in dieser Stadt erlebt habe. Daher habe ich ihm 50.- Pfund gegeben (Kleineres Geld hatte ich sowieso nicht…).

Zum Abendessen setzte sich Sabine wieder zu mir an den Tisch und erzählte mir Einiges von dem, was ich in den vorherigen Seiten schon verbraten hatte. Sie war in der Nacht davor (genau wie mein Lehrerehepaar) in der Disco versackt und noch nicht wieder ganz auf dem Damm. Ständige Anrufe ihrer Freunde führten aber dann doch dazu, dass sie sich wieder ins Nachtleben stürzte. Ich sah mir mal wieder die „Große Tanzshow“ auf der Showbühne des Nachbarhotels an, konnte aber nichts auch nur im geringsten Herausragendes entdecken – und das, obwohl doch heute Russische Weihnachten war! Dies konnte man eher am Zustand der Toiletten erkennen und an der Weigerung eines Barkeepers, gewissen Gestalten weitere Longdrinks auszuschenken. Ein letzter Blick in die Lobby-Bar zeigte mir, dass ich hier auch nichts mehr zu suchen hatte. Die Alternative war viel verlockender: Heia. Es wurde trotzdem noch zwei Uhr, bis ich endlich ins Bett kam. Irgendwann musste ja dieser Blog weiter geschrieben werden…

Und dann kam auch schon der letzte Urlaubstag (wenn man den Tag der Rückreise nicht mitrechnet). Ein Tag, an dem nicht mehr viel passierte. Das Wetter hatte nach zwei freundlichen Tagen wieder auf Winterbetrieb umgestellt. Es blies ein eiskalter Wind, der den Sand aus der Wüste auf alle Oberflächen pustete. Dennoch saßen viele Urlauber dick verpackt vor der Lobby, weil es zum Einen drinnen keine Plätze mehr gab und es sich außerdem um Raucher handelte, die ihrem Laster frönen mussten. Beim Mittagessen fragte mich der Chefkellner, ob ich ihm ein paar Euro in Ägyptische Pfunde wechseln könne. Ich konnte, war sogar froh, die ganzen Scheine loszuwerden, da ich keine Möglichkeit sah, das Geld hier in Hurghada noch irgendwie sinnvoll auszugeben. So wechselte am Abend ein Sack deutscher Euromünzen im Tausch gegen 50-Pfund-Scheine die Besitzer. Ich hatte den Jungs einen deutlich besseren Kurs gegeben als sie in der Bank bekommen hätten. So kann man auch mit kleinen Dingen andern Menschen Freude bringen. Ich hatte jetzt immer noch 600 Pfund in der Tasche, die ich irgendwie bis zum Abflug verbraten musste. Ich entschied mich für großzügige Trinkgelder, denn das gesamte Personal des Hotels war überaus freundlich, immer gut gelaunt, immer hilfsbereit mit einem Lächeln im Gesicht. Nach ein paar Tagen wussten die Kellner, was ich trinke und stellten Wein oder Kaffee unaufgefordert auf meinen Platz, während ich noch das Essen zusammenstellte. Leere Weingläser wurden bis auf Widerruf automatisch gefüllt, was angesichts der Vorverdünnung des Weins kein wirkliches Problem darstellte.

Während des gesamten Urlaubs musste ich zwar auf Hunderte von E-Mails antworten, war aber sonst von größeren SOS-Sprechaufträgen verschont. 5 kurze Beiträge für den MDR habe ich vertont und über das Internet nach Dresden geschickt. Das Uploaden dauerte manchmal mehr als eine Stunde – und das, obwohl ich extra nur mp3-Dateien produziert hatte. Dafür wird der Tag nach meiner Rückkehr ein harter Arbeitstag werden, denn aufgeschoben war ja nicht aufgehoben.

Nach dem Abendessen traf ich mich nochmal mit dem Marburger Lehrerpaar, die tagsüber durch halb Hurghada gelaufen sind, ohne aber die wirklich tollen Stellen entdeckt zu haben. Zusammen haben wir uns noch einmal die „große „Überraschungsshow“ im Haupthotel angeschaut, die völlig identisch mit der gestrigen Show war: 5 Hansels tanzten 5 Lieder, danach eine halbe Stunde Disco mit einer seltsamen Mischung: HELENE FISCHER und WOLFGANG PETRY in einer Russendisco in Afrika. Immerhin hatten wir einen Kellner, der die Getränke schneller brachte als wir sie trinken konnten. Und dazu führten wir weltbewegende Gespräche über Religion im Allgemeinen und den Islam im Besonderen. Ganz so, wie Blinde von der Farbe reden. Um elf war der Abend für uns zu Ende.

FAZIT:

Das war´s auch schon wieder. Eine zähe Woche mit eiskalten Winden und wenig schönen Momenten. Muss ich nicht mehr haben. Die Heimreise verdient keine besondere Erwähnung.

Kaum Wasser im Nil – Die Nilkreuzfahrt

Wir sind jetzt in Hurghada, direkt am Roten Meer. Draußen bemüht sich die Sonne ernsthaft, den eiskalten Wind zu besiegen, schafft es aber leider nur selten. Und so liegen sie da rund um den beheizten Pool, das Handtuch schützend über den Körper gelegt. Touristen aus einem Land, in dem ich noch nie war. Man kommt sich ein bisschen wie in einer russischen Enklave vor – die Russen haben das „Palm Beach Resort“ voll in ihrer Hand. Die paar deutschen Touristen sind deutlich in der Minderzahl, dafür aber durchweg hässlicher. Die meisten kennen wir schon von unserer Nilkreuzfahrt, die in der vergangenen Woche stattgefunden hat und eben so vielen von uns das berüchtigte Rumpeln in der Magengegend beschert hat.
Was war passiert?
Donnerstag, 5. Januar 2012. Der TUI-Flieger nach Luxor wird erst um 9.55 Uhr starten. Genug Zeit also, pünktlich mit der S-Bahn zum Flughafen zu kommen. Da wir unsere Koffer schon am Vorabend aufgegeben haben (was inzwischen 10.- Euro extra pro Person kostet!), hätte es gereicht, wenn wir um 9.25 Uhr am Gate antanzen würden. Irgendwie habe ich mich mit den ganzen Zeiten verrechnet und daher den Wecker schon auf sechs Uhr gestellt. 7 Minuten nach sieben fährt die S-Bahn superpünktlich nach Frankfurt, wo wir in der „Taunusanlage“ in die S1 umsteigen, die laut Dagmar über den Flughafen nach Wiesbaden fährt. Diese spezielle S-Bahn weiß leider nichts von Dagmars Fahrplan und fährt zu unserer größten Überraschung über Höchst direkt nach Wiesbaden. Also schnell wieder raus aus der Bahn und zurück zum Hauptbahnhof nach Frankfurt. Dort umgestiegen in die S9, die dann auch endlich den Airport ansteuert. Dann mit der vollautomatischen Flughafenbahn ins Terminal 2. Nach der Passkontrolle haben wir noch Zeit für einen überteuerten Starbucks-Cafe. Außerdem wird immer noch nicht angezeigt, an welchem Terminal wir „boarden“ sollen. Dagmar kennt – als ehemalige Stewardess – ein paar Tasten am info-Terminal, mit denen sich das Gate anzeigen lässt: D3. Die Herrschaften, die für die große Anzeige verantwortlich sind, haben anscheinend vergessen, das Gate einzutragen. Nach dem Sicherheitscheck, bei ich zum ersten Mal um eine Erklärung herumkomme, warum ich ein Mikrophon mit mir rumtrage, können wir einchecken und ziemlich pünktlich starten.
Ich bin hocherfreut, dass es sich bei dem Flieger um eine 737 handelt. Erst gestern habe ich nämlich eine Stunde im Flugsimulator verbracht. Ein Flugsimulator für eine Boing 737. Da gibt es nämlich eine neue Firma in der Nähe von IKEA in Frankfurt, die sich „Happy Landings“ nennt, bei denen man sich als Pilot ausbilden lassen kann. Nun habe ich zwar nicht vor, mich auf meine alten Tage noch als Passagierpilot zu betätigen, aber nach so einigen Stunden am Microsoft Flugsimulator bin ich doch sehr interessiert, wie sich so ein Ding fliegt. Mein Söhne Julian und Benjamin sowie Dagmar haben mir den „Flug“ zu Weihnachten geschenkt. Julian ist mit seinem Sohn Damian mitgekommen, um den Ollen abstürzen zu sehen. Der erste Teil der Simulation beinhaltet den Start in München und eine Landung in Innsbruck, mitten durch die Gebirge durch. Nach einem etwa halbstündigem Briefing VOR der Simulationskabine und einer ebenso langen Einweisung in die Instrumente kann der Flug beginnen. Allen, die noch nie selbst geflogen sind und eine unheimliche Ehrfurcht vor der Unzahl der Apparaturen in so einem Cockpit hegen, sei verraten, dass man so eine Kiste mit ganz wenigen Elementen fliegen kann: Mit dem Steuerknüppel, den beiden Fußpedalen (mit denen auch gebremst wird), dem Gashebel und dem Verständnis eines kleinen Bildschirms, der einem den Horizont und den Steig- oder Sinkwinkel anzeigt. Letztere sollten nicht zu groß sein, sonst wird’s den Passagieren schlecht. Ach so, Geschwindigkeit und Kurs sollte man auch im Auge behalten. Mit diesem Basiswissen bekomme ich den Vogel problemlos in die Lüfte. Zwischendurch haben die fiktiven Passagiere wohl das eine oder andere Mal in die Tüte gespuckt, aber das lerne ich auch noch. Zur Landung kommt es dann leider nicht mehr, weil sich kurz vor dem Aufsetzen die Software des Simulators verabschiedet. Nach einer kurzen Neuinstallation landen wir dann noch ein paarmal in Frankfurt. Bei meiner ersten Landung hätte es die 737 komplett zerbröselt und auch die zweite Landung ist nicht so dolle, dass man das Flugzeug weiter verwenden könnte, aber Julian legt dann endlich eine saubere Landung hin und rettet somit die Familienehre.
Zurück zu unserer Reise. Mit dem beruhigenden Gefühl, im Notfall die Kiste irgendwie runter zu bekommen, genießen Dagmar und ich den Flug ungemein. Und da weder der Pilot noch der Copilot an verdorbenem Essen zusammenbrechen, landen wir auch ohne meine Hilfe pünktlich ca. viereinhalb Stunden später in Luxor. Ein Dank an dieser Stelle an das wirklich sehr nette Flugpersonal, das stets einen Scherz auf den Lippen hat und sich selbst von den nervigsten Neufünfländern nicht aus der Ruhe bringen lässt.
Am Flughafen suchen wir erstmal einen Geldautomaten auf, um uns mit etwas einheimischer Währung einzudecken. Mehr als 200 Ägyptische Pfund kann man nicht abheben, obwohl das umgerechnet nur 27 Euro sind. Wir hätten uns die Pfunde auch gleich ganz sparen können, da sich Ägypten ganz schnell als das „Ein-Euro-Land“ entpuppt. Egal, was einem auf der Straße angeboten wird – es kostet „EIN EURO“. Natürlich auch der obligatorische Toilettenbesuch nach der Landung. Gleich drei Muselmanen streiten sich um die Gunst, mir Klopapier in die Hand drücken zu dürfen. Da ich bei der Wechselarie nur große Scheine erhalten habe, gebe ich dem Putzmeister meinen letzten Euro.
Unser Reiseveranstalter heißt „ECCO“ und gehört dem ägyptischen „ISIS“-Konzern. Wir werden professionell in Empfang genommen und zum Bus geführt. Die ca. zwanzig Kofferträger, die auf einen Euro aus sind, können wir mühsam abwimmeln. Vom Flughafen zum Schiff sind es ca. eine halbe Stunde Fahrt, während der unser Tourleiter Geld wechselt – zu einem gnadenlos schlechteren Kurs als im Automaten, wie sich gleich herausstellt. Und dann sind wir endlich am Anlegeplatz. Fünf Schiffe liegen parallel nebeneinander – unseres ist natürlich das letzte. Um es zu erreichen, müssen wir die anderen vier Schiffe durchqueren. Das erste Schiff hätte mir sehr gut gefallen – die Nile Crown III. Wir werden leider in die Nile Crown I gesteckt, die deutlich bessere Tage gehabt haben muss. Die 52 Kabinen verteilen sich auf vier Stockwerke. Je höher, je besser. Da wir „Comfortclass“ gebucht haben, hoffen wir auf den dritten oder vierten Stock. Leider steckt man uns in den Keller. Die Vorhänge in den Kabinenfenstern sind zugezogen und die Fenster selbst lassen sich auch nicht öffnen. Man könnte sowieso nichts sehen, da das Kabinenfenster direkt gegenüber dem nächsten Schiff liegt, dessen Fenster auch alle geschlossen sind. Der Kofferträger bedankt sich für den Euro, den Dagmar noch in ihrem Portemonnaie gefunden hat. Wir sind ziemlich enttäuscht über diese Kabine und wenden uns empört an die Reiseleitung, einen gewissen Mohammed, den man Mohammad ausspricht. Nach einigen Hin und her klärt sich, dass „Comfortclass“ lediglich bedeutet, dass man Vollpension erhält. Eine Zuzahlung für ein besseres Zimmer ist nicht möglich, da das Schiff ausgebucht ist. Hätte eh´ nicht viel gebracht, wie sich bald herausstellt. Die Zimmer sind alle gleichgroß und die Fenster sind auf dem ganzen Schiff nicht zu öffnen. Immerhin liegen unsere Fenster nicht UNTER Wasser. Das Dieselöl der uralten Maschinen stinkt zwar gewaltig, dringt aber kaum bis in unser Zimmer vor. Die Einrichtung: Zwei Einzelbetten, die wir sofort zu einem Doppelbett zusammenschieben, ein Bad mit Dusche und einer Toilette, in die man kein Papier werfen darf. Ein Fernseher mit drei Kanälen, die entweder die Bugkamera oder das Programm anzeigen, das irgendein Matrose irgendwo gerade eingestellt hat. Da wird dann auch gerne mal mitten im Film umgeschaltet. Als einzige deutsche Sender tauchen ab und zu RTL 2 und das ZDF auf, immerhin! Der Tresor ist auch ulkig. Den Schlüssel erhält man kostenlos an der Rezeption. Den Tresor erfüllt seinen Zweck allerdings nur halbherzig, da er noch nicht einmal an der Wand befestigt ist, sondern kinderleicht durch die Gegend getragen werden kann.
Erwähnte ich schon, dass der Kahn seine besseren Zeiten lange hinter sich gehabt haben muss? Die Gänge zu den Kabinen sind die reinsten Stolperfallen – überall verbergen sich unter dem verdreckten Teppich Einbuchtungen für irgendwelche Luken. Der Kühlschrank ist defekt und die Klimaanlage kann nur kalt, obwohl es höchstens 15 Grad warm ist. Willkommen in der ägyptischen Hochsaison! Wenn man nach dem Duschen das Wasser abdreht, fällt einem der Duschkopf auf die Füße. Zweimal hat´s mich erwischt, dann habe ich es mir gemerkt. Mit ziemlich gemischten Gefühlen betreten wir die Bar, die sich einen Stock über uns befindet. Schicke 50er-Jahre-Einrichtung und strikte Einteilung nach Rauchern und Nichtrauchern. Da in unserer Gurkentruppe eine Menge Raucher sind, müssen wir uns zur Lagebesprechung auf der Raucherseite treffen. Da wir nur Vollpension und kein „All inclusive“ gebucht haben, bestellen wir uns (für einen Euro) ein Bierchen. Ein deutsch-russisches Paar fällt durch den Konsum mehrerer Gläser Weißwein mit Strohhalm auf. SIE ist Russin, ER ist aus Sachsen und deutlich jünger als sie. Beide sind durchaus extravagant und teuer gekleidet. Er könnte mit seiner Figur und dem Aussehen glatt als Model durchgehen, wenn nicht das vermatschte Gesicht eindrucksvoller Zeuge übermäßigen Alkoholkonsums wäre. Normalerweise trinkt er Bier, das aber schon zum Frühstück. Sie bevorzugt während der Nilreise Weißwein, wird aber später in Hurghada auf Rotwein umsteigen – immer mit Strohhalm und immer von früh bis spät.
Mohammed, unser Reiseleiter für diese erste Woche, erklärt das Ausflugsprogramm. Es gibt ein Tourpaket, das man schon vorab für 175.- Euro buchen konnte. In der Hoffnung, vor Ort eine größere und eventuell günstigere Auswahl zu finden, haben wir bisher nichts gebucht. Aber nach der detailreichen Beschreibung aller Ausflüge schlagen wir dann doch zu und buchen alle Ausflüge – sogar die „fakultativen“ – also zusätzlichen Ausflüge. Außerdem müssen wir sämtliche Trinkgelder für alle Beteiligten dieser Tour im Voraus entrichten – so um die 36 Euro pro Person. Auf jeden Fall günstiger als wenn man jedes Mal für jede Dienstleitung in die Tasche greifen müsste. Die Bezahlung, saubere 580.- Euro für uns beide, will ich mit meiner Visa-Karte tätigen. Leider dauert es rund eine Stunde, bis ein Gerät aufgetrieben wird, mit dem man, wie in alten Zeiten, Kreditkarten durchziehen kann. Das Gerät ist offensichtlich eine Weile außer Betrieb gewesen, denn das einzige, was klappt, ist die zuverlässige Zerschneidung meiner Kreditkarte. Wir schreiben die Daten dann eben per Hand auf den Beleg.
Eigentlich wollen wir auch auf „All inclusive“ updaten. Mohammed ist aber so fair, uns davor zu warnen. Das Update würde umgerechnet 35.- Euro pro Person und Tag ausmachen. Soviel können wir beim besten Willen nicht versaufen…
Außerdem stellt sich bald heraus, dass ohnehin nur wenige, ausnahmslos einheimische Getränke im „All-Inclusive“-Paket enthalten sind. Bier wird nur in kleinen Gläsern ausgeschenkt und wer einen Longdrink verlangt, muss lange nach dem Alkohol suchen. Manchmal fehlt er ganz.
Neunzehn Uhr – Essen fassen. Das Restaurant befindet sich einen Stock unter der Bar. Wie auf solchen Fahrten üblich, gibt es ein ein großes Buffet. Und mag man das Schiff insgesamt auch als alt und klapprig bezeichnen, so ist doch die Qualität der Speisen und Getränke allerfeinst. Wir werden von unserem Stammkellner an einen Fensterplatz gesetzt (der natürlich noch zugezogen ist, da wir noch gar nicht abgefahren sind). Zu unserer großen Verzweiflung setzt der Maitre de plaisir ausgerechnet die Russin mit ihrem Model-Mann neben uns. Ich weiß nicht wie viele Gläser Weißwein inzwischen durch ihren Strohhalm geflossen sind, es müssen eine Menge sein, wie ihre lallende Aussprache vermuten lässt. Der ägyptische Weißwein findet übrigens sehr schnell weitere Liebhaber, mich eingeschlossen. Daggi kann sich noch nicht so richtig entscheiden, folgt aber im Lauf der Reise dem allgemeinen Trend.
Nach dem Essen gehen wir nochmals in die Bar. Zu grässlicher Discomusik (Ohne Bässe, viel zu mittenbetonter Klang) sitzen die Mitglieder unserer Gruppe, fein säuberlich nach Raucher und Nichtraucher sortiert, in den Plüschsesseln und versuchen, sich näher zu kommen. Die Bürger und Bürgerinnen aus dem Osten unseres Landes sind eindeutig in der Mehrzahl. Das Durchschnittsalter dürfte so um die sechzig liegen, aber nur, weil drei oder vier Jüngere den Schnitt gewaltig drücken.
Wir lernen ein Paar aus Frankfurt kennen. Sie ist Architektin, er pensionierter Banker – beide aus Frankfurt und beide sehr nett. Wobei „nett“ irgendwie sehr nichtssagend klingt. Es sind wirklich Menschen, die was erlebt haben und was erzählen können. Menschen, deren Horizont auf vielen Gebieten noch ein gutes Stückchen weiter geht als unsere kleine Welt, in der wir es uns gemütlich gemacht haben. Marie Therese kommt z.B. gerade aus Äthiopien, wo sie nicht nur ein Bauprojekt betreut, sondern auch mehrere Kinderpatenschaften abgeschlossen hat. Mit ein paar Euro im Monat kann hier einem Kind die komplette Ausbildung garantiert werden. ER heißt „Babo“. Das ist kein Spitzname, sondern tatsächlich der Name eines Adelsgeschlechts aus dem 16. Jahrhundert, von dem er abstammt. Das lässt er zum Glück nicht raushängen, sondern bewegt sich mit seinen Kommentaren ganz im Hier und Jetzt. Völlig verschieden sind wir beiden Paare in Hinblick auf Kultur. Die beiden gehen zwar auch gerne ins Theater, waren aber noch nie in der „Komödie“. Musik interessiert sie nur, wenn es Jazz oder Klassik ist – genau die beiden Musikrichtungen, mit denen wir beide herzlich wenig anfangen können. Auch Architektur und Bildhauerei gehören eher zu den sehr entfernten Interessengebieten von Dagmar und mir. Aber wie es so ist: Gegensätze ziehen sich an. So haben wir uns im Laufe der beiden Wochen immer wieder viel zu erzählen. Und es gibt auch nur zwei weitere Paare unter den 104 Mitreisenden, zu denen wir engeren Kontakt bekommen. Zum einen Thilo und seine Freundin Nadja, mit denen wir durch einen Bazar bummeln werden und Hartwig und seine Frau Dietlind, mit denen wir erst in Hurghada die ersten Gespräche führen werden. Daher lasse ich das jetzt auch noch weg und komme auf beide zurück, wenn sie chronologisch in unserer Reise auftauchen. Die meisten anderen Mitreisenden sind eher dem RTL2-Stammpublikum zuzurechnen und daher nicht unser Bier. Lustig sind zwei jüngere Burschen aus Leipzig, die mangels eigener Freundinnen inzwischen lieber zusammen verreisen – beide in Einzelzimmern, damit kein Verdacht aufkommt.
Verliebte Jungs sind allerdings auch an Bord. Der eine ganz nett, sehr gut gekleidet, eher intellektuell aussehend, sein Lover eine grässliche Nervensäge mit polnischem Migrationshintergrund. Das passende Gegenstück sind zwei ältere dicke Damen, bei denen die eine wohl gerade eine Chemotherapie hinter sich hat. Die bevorzugte Bordsprache ist sächsisch.
Wir tauchen nach zwei Gläsern Wein erstmal ab in unsere Muffelbude. Das Schiff wird über Nacht in Luxor bleiben und wir sind auch schon reichlich müde. Morgen erwartet uns ja schon der erste Ausflug. Auf dem Weg in die Kajüte lesen wir auf der Programmtafel, wann wir geweckt werden: SECHS UHR!!!! Das bedeutet fünf Uhr deutscher Zeit!!!! Tja, bin ich denn nicht im Urlaub? Was soll das denn??? Es bleibt uns nichts anderes übrig als diese unmenschliche Tourzeit zu schlucken. Ist sicherlich sinnvoll, wenn es in Ägypten so richtig heiß ist. Dann ist der frühe Morgen ideal für Besichtigungen, aber draußen ist es kälter als bei unserem Abflug in Frankfurt!
Wir schlafen schnell ein. Dagmar wird gegen zwei Uhr wach, weil irgendwelche lauten Geräusche sie aufschrecken lassen. Es stellt sich später heraus, dass um diese Zeit die Wasserfilter gewechselt werden und neues Trinkwasser eingefüllt wird. Ich kreige davon nichts mit und ich schlafe sogar bis fünf Uhr durch. Dann warte ich nämlich darauf, dass der Wecker klingelt. Stattdessen fahre ich zu Tode erschrocken auf, als aus dem nahegelegenen Minarett einer Moschee der Weckruf des Imans über die Stadt schallt – mit grässlichen Druckkammerlautsprechern verstärkt, damit ja keiner weiterschläft, sondern gefälligst betet. Nach zehn Minuten ist der Lärm vorüber und ich kann weiter auf unseren Weckruf warten. Als es dann wirklich klingelt, bin ich gerade wieder eingeschlafen.
Siebter Januar 2012. Um halb sieben sitzen wir im Restaurant und erfreuen uns an dem reichhaltigen Frühstücksbuffet. Unser Kellner möchte uns wieder an denselben Tisch wie gestern Abend setzen. Wir weigern uns aus naheliegenden Gründen und setzen uns einfach auf zwei freie Plätze an dem Tisch, an dem auch die beiden Frankfurter sitzen. Das bringt natürlich den schönen Plan unseres Kellners völlig durcheinander, denn wiederum andere, die vorher hier saßen, müssen jetzt woanders hin und so weiter. Irgendwann im Laufe des Tages haben aber alle Plätze gefunden, mit denen sie einverstanden sind. An einem großen runden Tisch sitzt eine muslimische Familie, wie sie im Bilderbuch steht. ER mit Vollbart und dickem Bauch, SIE völlig verschleiert und zwei Kinder mit Schleier. Die arme Frau muss für jeden Bissen den Schleier anheben. Sehr gewöhnungsbedürftig. Sie scheint aber genug Essen abbekommen zu haben, wie man trotz des Gewandes unschwer erkennen kann. Mal ein paar Zahlen: Rund 80% der Ägypter sind Muslime, rund 17% Christen, die hier aber Kopten genannt werden und eher den griechisch-orthodoxen Christen zuzuordnen sind. Man lebt in einer Art „Bruderschaft“, die aber wohl nach der Revolution – über die wir noch viel reden werden – einen Knacks bekommen hat. Die christliche Minderheit wird seither, vor allem in Kairo, deutlich unterdrückt und auch schon mal verhauen. Hier in Luxor merkt man allerdings davon nichts. Mohammed ist kein Freund der Revolution – das merken wir an jeder seiner Antworten zu diesem Thema.
Sieben Uhr ist Abmarsch zur ersten Exkursion. Der Tempel von Karnak sowie der Tempel von Luxor stehen auf dem Programm. Ein Bus fährt uns hin. Nach der Besichtigung des Modells der Anlage laufen wir dann zunächst mal zum Karnak-Tempel. Ein wirklich imposanter Bau mit so mancher architektonischen Eigenheit, wie unsere Fachfrau schnell feststellt und mit Mohammed diskutiert. Der beantwortet auch alle Fragen geduldig und stoisch, obwohl man ihm schon anmerkt, dass er eigentlich lieber sein eigenes Programm abspulen möchte. Immer wieder bekommen wir ein paar Minuten Auslauf, um uns ein paar Details anzuschauen. Ich werde die Geschichte der ägyptischen Götter jetzt hier nicht noch einmal erzählen – dafür ist Wikipedia ein besserer und zuverlässigerer Anlaufpunkt. Zu erwähnen ist höchstens, dass es mausekalt ist und wir ganz schön klappern im Wind. So ab zehn kommt dann die Sonne etwas auf Touren und macht die Tour dann auch erträglicher. Den landesüblichen gefühlten 200 Einzelhändlern, die uns alle 3 Meter (aber nur VOR dem Tempel) irgendwelchen Touristenkrempel „für nur ein Euro“ anpreisen, gehen wir gekonnt aus dem Wege. Einfach nicht darauf reagieren und grundsätzlich in eine andere Richtung schauen – das hat sich als perfekter Abwehrmechanismus erwiesen. Es wäre ja schön, wenn wirklich alles nur einen Euro kosten würde – oder sogar umsonst wäre, wie so mancher Händler behauptet. Tatsache ist natürlich, dass in dem Moment, in dem ein Verkaufsgespräch beginnt, ausgerechnet der gewünschte Artikel dann doch eher 20 Euro kostet, bis man ihn auf immer noch überbezahlte 5 Euro runtergehandelt hat. Und was kann man kaufen? Alles, was kein Mensch braucht. Pyramiden, Kamele, kratzige Tücher, Sphinx-Nachbildungen, olle Götter und alles, was irgendwie mit Ägypten zu tun hat und sich als Staubfänger eignet.
Weiter geht’s mit dem Bus zum Tempel von Luxor. (Luxor hieß übrigens mal „THEBEN“, das nur so am Rande). Irgendwie dasselbe in grün mit etwas mehr Straßenhändlern. Interessant ist, dass beide Tempel in einer geraden Linie miteinander verbunden sind. Diese Linie wollte man nun wieder sichtbar machen und hat dafür in jahrelanger Kleinarbeit alle Häuser abgerissen, die der direkten Verbindung im Wege standen und sie wieder woanders neu aufgebaut. Als dann schon das Fundament für die Verbindungsstraße angefangen wurde, kam die Revolution. Und mit der Revolution kamen keine Touristen mehr. 80% weniger seit Januar 2011. Und ohne Touris keine Kohle. Also ist die Straße jetzt eine Baustelle, die wohl ihre Vollendung so schnell nicht erleben wird. Na ja, hier in Ägypten dauert es ja gerne mal 6000 Jahre, bis sich was verändert. Mohammed, offensichtlich streng gläubig, findet das alles nicht so berauschend. Er ist studierter Ägyptologe von Beruf und hat mit unserer Tour seinen ersten Job seit drei Monaten. Seine Familie wartet in Kairo auf ihn. Wir lernen von ihm, dass die ollen Ägypter einen ganz raffinierten Schöpfungsplan hatten. Die Sonne (Gott „Amun Ra“, der eigentlich zwei Götter war, aber das führt jetzt zu weit) geht im Osten auf. Also ist östlich des Nils das Leben. Im Westen, auf der anderen Seite des Nils, geht sie wieder unter, also werden dort alle Toten begraben. Da die Sonne ja am nächsten Tag wieder aufgeht, war man der Meinung, dass auch die Toten am nächsten Tag wieder auferstehen würden, wenn sie nur aus ihrem Grab zur Spitze eines Berges klettern würden, von wo ihre Seele gen Himmel fahren und mit der Sonne am nächsten Tag wieder ins Leben getreten wäre. Zu kompliziert? Sorry, besser kann ich´s nicht erklären. Morgen im „Tal der Könige“ klappt das vielleicht besser. Jetzt geht es erst mal wieder zurück aufs Schiff. Das Buffet wartet.
Für den Nachmittag ordern wir eine „fakultative“ Stadtrundfahrt mit Pferdekutschen. Rund zwanzig Touristenpaare quetschen sich in die engen Kutschen, die von meist sehr ausgemergelten Pferden mit übergewichtigen Kutschern gezogen werden. Wider Erwarten ist diese Tour sehr schön. Wir fahren zunächst ein bisschen raus aufs Land, um den Einheimischen beim Nichtstun zuzusehen. Man könnte meinen, wenn es eh schon keine Arbeit gibt, könnte man doch die Zeit nutzen, um den ganzen Schutt wegzuräumen, aber das steht wohl nicht im genetischen Code der Ägypter. Nach einer Getränkepause (im Preis enthalten!) geht es weiter in die Altstadt direkt in einen Bazar. Jawoll, mit der Kutsche mitten durch das Einkaufszentrum. Das ist schon recht abenteuerlich, zumal unser Gefährt schon vor ca. 130 Jahren in die Inspektion gehört hätte und sich in den engen Kurven und unbefestigten Straßen windet wie ein weidwunder Wasserbüffel. (Schöne Alliteration, ansonsten ziemlich daneben.) Plötzlich wird unser Kutschenzug immer länger. Pferdekutschen mit Lautsprechern und jungen Leuten, die zweisprachige Handzettel verteilen, machen uns plötzlich zu einem Teil der Revolution. Auf dem Handzettel steht, dass wir gefälligst bei den einheimischen Händlern kaufen und keine Touren über große Touristenbüros buchen sollen. Oops, erwischt. Muhammed, dem wir den Zettel abends zeigen, „was not amused“.
Nach zwei Stunden, die erstaunlicherweise von allen Pferden (und Touristen) ohne Ausfall bewältigt werden, geht es mal wieder zurück auf´s Schiff. Ein kurzer Drink in der Bar – und es gibt schon wieder was zu essen. Danach gehen wir früh schlafen. Die morgige Tour beginnt nämlich schon um – SECHS UHR!!!
Kurze Zwischenanmerkung zum Thema Internet: So mancher wird sich fragen, wie ich nun schon den dritten Tag ohne Internet auskomme. Tue ich ja gar nicht, ätsch! Es gibt auf dem Schiff Wireless Lan, das allerdings nur direkt neben dem Internetrechner funktioniert, der neben der Bar steht. Der Rechner selbst funktioniert leider nicht. Über die Kombination eines Usernamens und eines Passwortes gehe ich dann immer wieder mal „Online“, um meine Mails abzurufen. Ein teurer Spaß, der zudem sehr oft überhaupt nicht funktioniert. Eine Stunde kosten 40 Ägyptische Pfund, also rund 6 Euro. Vier Stunden kosten 160 Pfund, aber sechs Stunden kosten 120 Pfund, also rund 18 Euro. Merkwürdiger Rabatt. Marie Therese, die Architektin, hat das schlauer eingefädelt. Während wir mit den Pferdchen galoppierten, hat sie – zusammen mit Mohammed – in der Stadt einen Vodaphone-Laden aufgesucht und dort einen UMTS-Stick mit 6GB Internetnutzung für ca. 35 Euro gekauft. Da kann man nicht meckern.
Mitten in der Nacht zum Samstag bleibt das Schiff mit einem großen Rumms im Nil stecken. Der gut 60 Meter lange Kahn (Breite ca. 10 Meter) hat sich im Nilschlamm festgefahren. Bei einem Tiefgang von nur etwa einem Meter fünfzig ist das weniger schlimm als man zunächst vermutet.
Aber es dauert eine gute halbe Stunde, bis die Mannschaft den Kahn wieder flott bekommt. Offenbar ohne größere Beschädigung setzen wir unsere Reise fort.
Den Wecker um sechs wollen wir eigentlich am liebsten ignorieren, aber da wir die Tour ins „Tal der Könige“ nun schon mal bezahlt haben, stehen wir natürlich auf und sind pünktlich um halb sieben im Frühstücksrestaurant. Das Buffet ist auch hier wieder reichhaltig und vorzüglich. So viel essen wir in unserem „normalen“ Leben die ganze Woche nicht, was hier morgens durch den Schlund läuft.
Mohammed ist schon putzmunter und ruft um sieben „seine“ Truppe zusammen. Wir sind nämlich ZWEI Reisegruppen mit ZWEI Reiseleitern, wie wir inzwischen gelernt haben. Und wir haben Glüvk: Mit Mohammed haben wir eindeutig den besseren Tourguide erwischt. Er weiß alles, gibt aber nicht alles ohne Nachfrage raus. Der andere Kerl („Ahmed“) nuschelt im Falsett vor sich hin, spricht ein grauenhaftes Deutsch und erzählt nur Sachen wie: „Das hier ist Tal der Könige. Sie jetzt aussteigen und gucken an. Dann komme zuruck in Bus. Ich hier warte.“ Mohammed hat nur manchmal Probleme, wenn einer unserer tiefsächsischen Mitreisenden Zwischenfragen stellt. Oft kann ihm aber keiner helfen, weil wir selbst nichts verstehen. Ehe man mir hier nun eine Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus gegen Sachsen unterstellt: Ich habe Nichts gegen Sachsen, bin ja selbst in Dresden geboren (und dann mit drei Monaten in den kapitalistischen Westen verschleppt worden – Gott sei dank). Ich kann es nicht leiden, wenn menschen so undeutlich sprechen, dass man sie nicht versteht, wenn man nicht zufällig im selben Dorf aufgewachsen ist. Das gilt für bestimmte hessische Dialekte genauso wie für Plattdeutsch, tiefbayrisch, pfälzisch, saarländisch und was der Grausamkeiten mehr sind in diesem Land. Nicht ohne Grund hat man sich doch auf Hochdeutsch geeinigt – eine Sprache, die jeder von Süd bis Nord, von Ost bis West verstehen sollte. Nun gut, so langsam sterben die Dialekte sowieso aus. Ich werde ihnen nicht nachweinen. Vielleicht kann ich dann sogar irgendwann einmal einem österreichischen Tatort folgen…
So, jetzt fahren wir aber endlich ins Tal der Könige. Das liegt immer noch in Luxor, aber auf der anderen Seite des Nils, also westlich. Hier werden alle begraben, auch die heutigen Toten. Mit dem Bus fhren wir zunächst eine Weile auf „unserer“ Seite den Nil runter, um dann über eine Brücke zur anderen Nilseite zu gelangen. Sehr verwirrend für uns ist die Tatsache, dass der Nil in Ägypten von Süden nach Norden fließt, also eigentlich „verkehrtrum“. Und deswegen ist „Oberägypten“ nicht etwa im Norden, sondern im Süden und „Unterägypten“ demnach im nördlichen Teil Ägyptens angesiedelt. Die Mündung des Nils liegt in Äthiopien – und das ist üfr die Ägypter ein großes Problem. Durch den Bau diverser Staudämme fließt nämlich immer weniger Wasser den Nil herunter (also gen Norden, nach Ägypten). Und deswegen sind wir heute Nacht auch auf Grund gelaufen. Zu wenig Wasser. Derzeit sind drei weitere Staudämme in Äthiopien im Bau, wie wir von Marie-Therese erfahren. Einer wird von den Amis finanziert, einer von irgendjemand anderem und der größte von den Chinesen. Wenn der irgendwann fertig ist, sollen weitere 35% des Nilwassers zurückgehalten werden. Dieses Jahrhundertprojekt bringt den Äthiopiern, die darauf schon seit Ewigkeiten warten, endlich die dringend nötige Infrastruktur, um beispielsweise Strom zu erezuegn und diesem am Weltmarkt anzubieten. Den Ägyptern bringt das nur Ärger – und das lassen sie sich auch derzeit deutlich anmerken. Laut Mohammed seien „intensive diplomatische gespräche“ im Gange, das Dilemma zu lösen. Denn Ägypten ohne Nil wäre nicht überlebensfähig. Die rund 85 Millionen Ägypter wohnen alle rund um diese Lebensader – der Rest ist Wüste. Wenn also jetzt nicht nur die Touristen wegbleiben, sondern auch noch das Nilwasser abgedreht wird, könnten sich ganz schön gefährliche Situationen für unseren Weltfrieden ergeben.
Heute morgen ist noch genug Wasser vorhanden und unser friedlicher Reiseleier führt uns ins „TAL DER KÖNIGE“. Hierbei handelt es sich um ein Gebirge aus Kalkstein, in dessen Felsen die ollen Ägypter Unmengen von Gräbern für ihre Pharaonen gehämmert haben. Kaum, dass einer zum Pharao aufgestiegen war, begann er auch schon mit dem Bau seines Grabmals. Die meisten haben das Ende des Baus gar nicht erlebt und wurden daher in halbfertige Grabmäler gelegt. Getreu dem Glauben, dass man am nächsten Morgen mit der Sonne wieder auferstehen würde, waren in den Grabkammern genaue Anweisungen nachzulesen, was die Toten in den Nachtstunden alles tun sollten, um ihre Seele über den Berggipfel (der auch wie eine Pyramide aussieht, aber ohne menschliches Zutun – einfach Natur) über den Mond zur Sonne zu leiten. Immer noch nicht verstanden? Ich auch nicht. Jedenfalls nicht so genau. Die Hyroglyphen waren ja bekanntlich die ersten Schriftzeichen der Menschheit – ca. 6000 Jahre vor Christus. Ich dachte bisher, das jedes Zeichen eine kleine Geschichte erzählen würde, die man einfach nur richtig deuten müsste, um den ganzen Altertumskram zu kapieren, aber weit gefehlt: Es handelt sich bei den Hyroglyphen um richtige Buchstaben, die man hintereinander, bzw. untereinander lesen musste. Das komplette Alphabet gibt es in ganz Ägypten milliardenmal für „nur ein Euro“ an jeder Straßenecke.
Im Tal der Könige liegen also eine Menge Gräber der alten Pharaonen. Rund 62 Srtück hat man bisher gefunden. Fast alle waren von frühen Grabräubern ausgeplündert worden. Die alten Herrscher hatten nämlich als Grabbeigabe jede Menge Schmuck, Gold und andere Wertsachen mit
dabei, um bei der Wiedergeburt nicht als armes Würstchen dazustehen. Das eher unscheinbare Grab des TutEnchAmuns hatten die Grabräuber übersehen, deswegen findet man den Inhalt seines Grabes jetzt in den beeindruckenden Installationen im Ägyptischen Museum in Kairo. Da wollten wir eigentlich auch noch hin, aber da der berüchtigte Schmelzpunkt der Revolution, der „Tahier“-Platz unmittelbar neben dem Ägyptischen Museum liegt, hat uns der Außenminister davon abgeraten. (War übrigens eine dämliche Entscheidung – es war rein gar nix los die letzten beiden Wochen)
Mit einer Elektrobahn wie im Paramount Studio zotteln wir vom Bushalteplatz bis zum Eingang der Tal der Könige. Es wird langsam wärmer, wir können die Jacken im Bus lassen. Unsere Eintrittskarte erlaubt uns drei Grabbesichtigungen. An jedem Eingang sitzt ein Wächter und knipst uns ein Loch in die Karte. Drinnen, z.B. bei Ramses III, sieht man spektakulär gut erhalte Wandzeichnungen samt der oben erwähnten Beschreibungen, was Ramses nach Sonnenuntergang gefälligst tun sollte, um wieder aufzuerstehen. Hat übrigens ganz sicher nicht ein einziges Mal geklappt, aber das wussten die alten Ägypter leider nicht. Sonst hätten sie sich den unheimlichen Aufwand nämlich sparen können. Die Gräber selbst sind riesige Steinsarkopharge – natürlich längst alle leer.
Nach einer guten Stunde haben wir unsere drei Wunschgräber erkundet und treffen uns wieder bei Mohammed. Die beiden verliebten Jungs sind leider verschwunden, tauchen dann aber doch reichlich verspätet auf.

Weiter geht’s zur nächsten ägyptischen Spezialität: Alabaster.

Leider sind die Aufzeichnungen ab hier – zusammen mit den ganzen Bildern – irgendwo im WorldWideWeb verschwunden. Falls einer von Euch die Datei zufällig kopiert hat, sagt bitte Bescheid.